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Zeitschriften-Rezensionen 2014

Concerti, Noizeletter, Medicine, Empire, Uncut, Rock Estatal, Classic Rock, Rock Classics: AC/DC, Das Opernglas, Prego, Eisenblatt, Mosaik, Die letzten BergParadiese, Deaf Forever


Nicht mit Concerto, dem Magazin für Alte Musik (aktiv seit 1983) zu verwechseln ist Concerti, mit dem Untertitel "Das Konzert- und Opernmagazin" versehen und seit 2006 aktiv, wobei hier die Ausgabe Januar 2014 vorliegt. Concerti erscheint elfmal im Jahr und stellt sich die Aufgabe, ein unspezialisiertes Klassikpublikum mit einer Art Infotainment zu versorgen. Das Konzept sieht dabei eine nahezu reine Anzeigenfinanzierung und den kostenlosen Vertrieb über Konzerthäuser und andere Verteilerstellen vor, wobei man das Heft aber auch im Abonnement käuflich beziehen kann, wenn man sichergehen will, auch wirklich jede Nummer zu bekommen und nicht beim nächsten Konzertbesuch vor einem leergeräumten Auslageplatz zu stehen. Man kann entweder nur den Mantelteil abonnieren oder einen der vier Regionalteile zusätzlich, die Hamburg, Berlin, Mitteldeutschland oder München zum Thema haben und die 52 Seiten des Mantelteils im vorliegenden Fall (der Rezensent hat eine Mitteldeutschland-Ausgabe vor sich) noch um 32 erweitern, wobei sich Concerti des für heutige Musikmagazine eher ungewöhnlichen A5-Formates bedient. Das heißt: Da die Interviews mit wenigen Ausnahmen maximal zwei Seiten zu umfassen pflegen (auch auf den vier Seiten des Titelinterviews mit Julia Fischer, die auf dem Cover so aussieht, als habe man sie zum Lächeln prügeln müssen, stehen praktisch nur zwei Seiten Verbalinhalt), bleibt bei aller grundsätzlichen Informativität viel an der Oberfläche, wobei es einige Inhalte allerdings auf der Homepage des Magazins in ausführlicheren Versionen gibt, die Heftkurzvariante also nur zum "Anfüttern" dient. Analoges gilt auch für diverse CD-Reviews, wo dann hoffentlich auch das Bewertungssystem etwas differenzierter wird. Auch weitere Rubriken stolpern bisweilen über Untiefen, etwa wenn Christian Schmidt in der Vorstellung des Bachfestes Arnstadt behauptet, die dortige Wender-Orgel sei noch im Originalzustand aus Bachs Zeiten, was etwas mehr als nur geflunkert ist. Den elfenbeintürmlichen Geist, den man der Klassikwelt (bisweilen nicht zu Unrecht) nachsagt, spiegelt (völlig unabhängig vom betrachteten Sujet) die Newsmeldung "Disharmonien bei den Leipziger Chorknaben" von S. 6, die gleich eine ganze Herde Böcke logischer wie kulturtheoretischer Art schießt und als Beispiel, wie man es nicht schreiben sollte, daher in Gänze zitiert werden soll: "Auf Historie halten Klassik- wie Fußball-Fans viel. In Leipzig haben sie erste zur Genüge, doch auf dem grünen Rasen gibt es nur einen Retortenclub, der dank Sponsorengeld nun groß rauskommen soll. Dafür sind vom Verein jetzt sogar Fangesänge kreiert worden - musikalisch indes so schlicht, dass bislang nur wenige Punkte eingefahren wurden. Vielleicht hätten die Vereinsoberen Anleihen bei Bach und Mendelssohn nehmen sollen." Etwas mehr Substanz hat da schon die Reportage über die Klassikwelt in China und das Shanghai Symphony Orchestra im speziellen, und richtig interessant ist der Hörtest mit dem Tenor Daniel Behle, der diverse CDs von Kollegen vorgespielt bekam, ohne zu wissen, von welchen, und diese dann kommentiert - eine Rubrik, die man aus Rockmagazinen kennt, die in der Klassikwelt aber relativ selten auftaucht. Was das Heft allerdings richtig wertvoll macht, ist der große Konzertkalender im Hauptteil, der genau die Lücke im Printsektor füllt, die das lange Zeit in dieser Hinsicht hochbedeutende Heft Musik in Sachsen seit seinem Rückzug in die Onlinewelt hinterlassen hat, und noch zudem über diese hinausgeht, weil es auch Termine aus den anderen mitteldeutschen Bundesländern enthält. Schon allein deswegen lohnt sich für alle, die Konzertpläne gerne schwarz auf weiß vor sich haben und sich nicht gerne durch Datenbanken wühlen (wobei es auf der Concerti-Homepage natürlich auch eine solche gibt), der Griff zu diesem herstellungsseitig professionellen Heft - der Rest ist wie geschrieben eher Geschmackssache. Kontakt: concerti Media GmbH, Mexikoring 29, 22297 Hamburg, info@concerti.de, www.concerti.de



So manches aus dem eben gelesenen Text läßt sich auch auf den Noizeletter übertragen, aber der ist, wie man aus den Zeitschriftenreviews vorausgegangener Jahre weiß, natürlich nach wie vor im härteren Rock-Areal beheimatet und erscheint auch nur quartalsweise. Nr. 23 mit seinen 28 A5-Seiten ist das Herbstheft 2014, besteht aus 11 Interviews mit je ein bis zwei Seiten Länge sowie 10 CD-Reviews knapper, aber nicht uninformativer Form und hängt strukturell nach wie vor indirekt an den Labels Nuclear Blast und Napalm Records, aus deren Häusern die meisten der vertretenen Bands stammen (einige Namen: Exodus, Rise Of The Northstar, HammerFall, Crimson Shadows - interessanterweise kündigt das Cover ein Eluveitie-Interview an, aber es ist gar kein solches im Heft vertreten ...). Auch von der grundsätzlichen Herangehensweise her hat sich nichts verändert, was praktisch bedeutet: Wer dieses kostenlose Werbeheft schon bisher nicht mochte, hat keinen Grund, seine Meinung zu ändern, und wer's schon bisher interessant fand, hat auch keinen Grund für eine Meinungsänderung. Kontakt: Brainstorm Music Marketing AG, Weidachstraße 13, 87541 Bad Hindelang, www.noizeletter.com

Stimmt beim Noizeletter zumindest die technische Qualität ohne Wenn und Aber, so ist das beim Konkurrenzprodukt Medicine zumindest im vorliegenden Heft Nr. 6 (Dezember 2013) nicht der Fall - da sind gleich in mehreren Interviews Fragen layouterisch mit den Antworten vermengt, stehen Absätze mitten im Satz und passieren noch diverse andere Stockfehler (auch Satzbau ist immer mal ein Problem, und das Inhaltsverzeichnis tauft die Band Asenblut mal eben in Assenblut um ...), die die richtig gute Druckqualität in negativer Weise kompensieren. Vier CD-Reviews und einige Interviews bevölkern die 44 A5-Seiten, wobei es sich um ein Wendeheft handelt: Die hinteren Seiten sind aus der anderen Richtung kommend zu lesen und beinhalten einige der deutschen Interviews sowie einige weitere Gespräche auch in Englisch, allerdings in teilweise so barbarischem, daß man darauf auch hätte verzichten können. Zumindest stimmt die originelle Wahl der Interviewpartner positiv, denn neben diversen Metalbands tauchen da auch Silbermond, Ex-DSDS-Sieger Thomas Godoj, der Fotograf Alex Kuehr oder der beim Rock-Of-Ages-Musical in London tätige Bassist Oliver Poschmann auf, und man erfährt durchaus trotz der sehr knappen Umfänge etwas Interessantes, wobei auch hier diverse Inhalte in ausführlicherer Form auf der Homepage veröffentlicht sind. Ansonsten läßt sich in besagter Ausgabe nicht wirklich viel Positives finden, das eine Empfehlung dieses offensichtlich kostenlosen Magazines rechtfertigen würde, falls es nicht in der Zwischenzeit zu deutlichen Qualitätssteigerungen gekommen ist. Kontakt: Markus Seibel, Eichbrunnenweg 10, 74239 Hardthausen am Kocher, markus.seibel@medicine-mag.com, www.medicine-mag.com

Dann lieber gleich weiter zu richtigen Könnern, zum Beispiel dem Empire. Das ist 23 Jahre lang auch im A5-Format erschienen, geht aber mit der vorliegenden Nummer 104 (1/2014, erschienen im Februar) den Schritt zur Vergrößerung auf A4. An der inhaltlichen Ausrichtung hat sich natürlich nichts geändert, der Untertitel "Magazin für anspruchsvolle Rockmusik" ist ja auch erhalten geblieben, und so stellt das etwa dreimal jährlich erscheinende Heft nach wie vor unverzichtbare Lektüre für Progrocker im weitesten Sinne dar. Die Titelgeschichte gehört Vanden Plas, die alle Jubeljahre mal mit einem neuen Album auftauchen, und gemäß dem alten Slogan "Support your local scene" sind auch fast alle anderen interviewten Bands in Deutschland beheimatet, als da wären RPWL, Toxic Smile und Superdrama - lediglich das internationale Projekt Transatlantic hat sich mit einem Doppelinterview "dazwischengemogelt". Natürlich kann diese Aufteilung auch purer Zufall sein und in anderen Heften die Quote völlig anders aussehen, aber generell ist erstmal festzuhalten, daß die Interviews durch die Bank informativ und interessant sind, auch wenn es eine Stelle gibt, wo die Nähe zwischen Interviewer und Interviewtem dann doch zu groß erscheint (sie findet sich im RPWL-Interview). Die Hälfte der 68 Seiten gehört überwiegend sehr kompetenten CD-Reviews, wobei die meisten "proggigen" recht ausführlich gehalten sind und die randständiger behandelten Genres, etwa der klassische Hard Rock, mit "Quickies" abgehandelt wird. Dazu treten je fünf Seiten Tourdaten und Konzertberichte, während der Mittelteil auf acht Seiten eine große Sammlung Konzertfotocollagen von Steve Hackett, Fish, Vanden Plas, The Musical Box, der Mick Pointer Band, der Rocket Scientists, The End und Eloy beinhaltet. Professionell layoutet und gedruckt ist das Ganze auch, und zu allem Überfluß gibt es noch eine CD-Beilage mit Größen wie Eloy, aber auch unbekannteren Bands wie Osta Love. Und überhaupt: Selbst der Rezensent, der dem Progrock durchaus ziemlich zugetan ist (wenn auch kein Spezialist für das Genre), kannte mindestens die Hälfte der ausführlich CD-rezensierten Bands nicht, was für eine intensive Szenekenntnis der Empire-Macher spricht - und da Michael Bäcker ja auch einen CD-Versand gleichen Namens betreibt, kann man auch gleich manche Sammlungslücke bei ihm füllen. Kontakt: Michael Bäcker, Im Tälchen 3, 67700 Niederkirchen, info@empire-music.de, www.empire-music.de

Ungefähr doppelt so viele Hefte wie vom Empire gibt es bisher von einem Magazin namens Uncut: Die vorliegende Ausgabe März 2014 trägt bereits die Nummer 202 und hat als Coverhelden vier mehr oder weniger merkwürdig aussehende Musiker mit teils übelsten Topfschnitten. Musikgeschichte haben sie trotzdem geschrieben - es handelt sich um die Ramones, deren Gründung vor 40 Jahren Anlaß für eine ausführliche Story, gewürzt mit historischen Fotos und Erinnerungen von Zeitzeugen wie Rat Scabies, damals Drummer bei The Damned, bildet. Als Zugabe folgen noch acht Seiten mit "50 Greatest American Punk Albums", wobei jetzt keiner an Green Day oder The Offspring denken sollte - es geht um die Jahre 1975 bis 1983, also die erste Punkwelle, und da landet auf Platz 1 "Go Girl Crazy" von The Dictators, einer Band, deren Name in Metallerkreisen später eine gewisse Bekanntheit erlangen sollte, da ihr Gitarrist Ross Funichello später eine Band namens Manowar mitgründen sollte, während Platz 4 an das selbstbetitelte Debütalbum von The Runaways geht, von denen Joan Jett und Lita Ford späterhin auch noch einiges an Ruhm einheimsen sollten. Aber Uncut ist natürlich kein Punkzine, sondern widmet sich einem breiten Spektrum der Rockmusik im allerallerweitesten Sinne, was u.a. auch einen ausführlichen Nachruf auf Phil Everly, einen der Everly Brothers, einschließt. Weitere Interviews bzw. Storys gehören Jefferson Airplane, The Small Faces (über die Entstehung ihrer klassischen Singles) oder dem Produzenten Bob Johnson, der u.a. mit Johnny Cash, Bob Dylan und Leonard Cohen gearbeitet hat, und zwei Seiten sind mit kürzeren Nachrufen bestanden. Dazu kommen 40 Seiten Reviews, zwei Drittel davon über CDs, wobei neben den üblichen Kompaktreviews auch sehr ausführliche Abhandlungen beispielsweise über die neue Beck-Scheibe "Morning Phase" vorkommen, obwohl die mit 7 von 10 Punkten gar keine Topwertung eingefahren hat. Das Magazin kommt mit einer CD-Beilage namens "Hey! Ho! Let's Go!", wobei sich unter den 15 Tracks aber gar keine von den Ramones befinden (statt dessen: Stephen Malkmus And The Jicks, die Dum Dum Girls, Chris Eckman, die Hard Working Americans, Tom Brosseau und noch manch anderer Künstler, von dem man in Deutschland bisher eher wenig gehört hat; Malkmus dürfte da der einzige populäre Name sein). Generell scheint das Uncut trotz seiner britischen Herkunft die dortige Manier, immer im Trend liegen zu wollen, eher auszublenden, aber vielleicht fehlt dem Rezensenten auch der Einblick in den Pool, aus dem gerade das nächste große Ding gezogen wird. Geschrieben ist das Heft in durchaus nicht anspruchslosem, aber verständlichem Englisch, und professionell hergestellt sind die 124 A4-Seiten auch. Ach ja, und ein Kreuzworträtsel gibt's auch noch, mit Fragen wie "Steve Winwood, Bonnie Raitt and Aerosmith all had albums with this title". Alles klar? Kontakt: IPC Media, 9th Floor, Blue Fin Building, 110 Southwark Street, London SE1 0SU, www.uncut.co.uk

Wenn wir gleich bei fremdsprachigen Heften bleiben wollen, können wir uns gleich noch Nr. 26 von Rock Estatal widmen, einem spanischen Magazin, das auch in ebenjener Sprache verfaßt ist, für den normalen deutschen Leser also allenfalls verstehendes Lesen zuläßt. Immerhin finden sich in besagter Ausgabe mit Los Suaves, Warcry oder Mägo De Oz auch etliche Bands, die dem CrossOver-Leser anhand des einen oder anderen Reviews gleichfalls bekannt sind, und es könnten noch mehr sein, wenn nicht Locomotive Music ihr ambitioniertes Vorhaben, spanische Bands (allen voran Tierra Santa) auch in Deutschland zu popularisieren, hätten aufgeben müssen. Der Inhalt der 160 A4-Seiten ist dreigeteilt, nämlich in "Territorio Rock", "Territorio Punk" und "Territorio Metal", und innerhalb dieser drei Komplexe finden sich dann wieder die typischen Rubriken eines Musikmagazins, also CD- und Livereviews, Interviews etc. pp., wobei laut Cover immerhin 300 CD-Reviews zusammenkommen sollen. Der Rezensent hat nicht nachgezählt, aber es wird stimmen, zumal der Schriftgrad recht klein, aber trotzdem problemlos lesbar ist. Tierra Santa ernten für ihr "Mi Nombre Será Leyenda"-Werk übrigens mit 58 von 100 Punkten eine ziemlich schlechte Wertung, obwohl sie reviewseitig sogar in einem Extrakasten mit Bandfoto gelandet sind. Interessant: Es scheinen ausschließlich spanische Bands vorzukommen, so daß das Motto "Support your local scene!" hier ganz groß geschrieben wird. Und wer viele dieser Bands auch audiovisuell entdecken will, bekommt eine DVD-Beilage mit gleich 104 Bands dazugeliefert. Da lohnt sich der Erwerb auch ohne tiefere Sprachkenntnisse, zumal die Interviews auch alle mit detaillierten Zusatzinfokästen, die u.a. komplette Diskographieangaben enthalten, ausgestattet sind. Wer in Spanien Urlaub macht, sollte spätestens am nächsten Flughafenkiosk fündig werden (dort hat auch der Rezensent sein Exemplar her, nämlich aus Palma de Mallorca, für 4,95 Euro), ansonsten hier die Kontaktadresse: Rock Estatal, Apartado de Correas 47.063, 28080 Madrid, rockestatal@rockestatal.com, www.rockestatal.com

Den deutschsprachigen Ableger des Classic-Rock-Magazins kennt man als normale Kioskware, hinter welcher die Hälfte der ehemaligen Metal-Hammer-Belegschaft steckt. Das englische Original ist im Oktober 2014 bei Nummer 202 angekommen und bestätigt den Eindruck, den man anhand des deutschen Heftes gewinnen konnte: Es handelt sich praktisch um einen Metal Hammer für Classic-Rock-Freunde, also um ein thematisch eher breit angelegtes Heft mit gelegentlichem Tiefgang. Im Vergleich zum deutschen Heft, dessen Themenauswahl man hier und da doch anmerkt, daß da im wesentlichen Metaller dahinterstecken, ist das im englischen Heft doch etwas anders, was schon die Wahl der Coverstory verdeutlicht, geht es da doch um die Beatles. Auf den ersten Seiten muß man erstmal arg suchen, um im Wust von Anzeigen, Sonderrubrikkästen etc. die eigentlichen Inhalte zu finden, aber im Verlaufe des Heftes beruhigt sich das Layout etwas, und der Kenner des deutschen Heftes wird gerade bei den Reviews mancherlei Elemente und Systeme wiederfinden, die ihm bereits geläufig sind. Die Inhalte werden unterteilt in "Features" und "Regulars", also Interviews/Storys und dauerhafte Rubriken, wobei sich unter den Interviewten bzw. Vorgestellten neben diversen Größen wie Joe Bonamassa, AC/DC oder den Quireboys auch Anathema finden, die ja immer noch als eher gut gehütetes Geheimnis gelten. Eine Rubrik über die Hintergründe einzelner Songs geht diesmal "Stone Cold Crazy" von Queen nach, und die Einkaufszettel-Synopse des Gesamtwerkes eines Künstlers befaßt sich diesmal mit Europe (wer hätt's gedacht, daß "The Final Countdown" und "Out Of This World" in die Unverzichtbar-Abteilung fallen würden?). Dazu kommen wie erwähnt die Reviews (CDs, Konzerte etc.) und seitenweise Anzeigen von Konzertveranstaltern in wüstem Durcheinander, zum Glück ergänzt durch eine "normale" Tourdaten-Rubrik. Wer im Classic Rock Magazine viel Underground sucht, ist falsch, aber wer sein Grundbedürfnis in diesem Areal decken will, könnte auf den 140 Seiten einiges Interessantes finden und wird zudem mit einer 15-Track-CD belohnt, auf der dann neben Uriah Heep oder Tesla tatsächlich auch unbekanntere Acts wie Purson oder die obskur benannten Henry's Funeral Shoe erschallen. Kontakt: TeamRock Limited, 2 Balcombe Street, London NW1 6NW, classic.rock@weareteamrock.com, www.classicrockmagazine.com

Wem das, was er über AC/DC im Classic Rock Magazine lesen kann, nicht genügt, der greife kurzerhand zum Rock-Classics-Sonderheft Nr. 11, denn dessen 116 Seiten widmen sich ausschließlich Australiens Rock-Export Nr. 1. Im Gegensatz zu anderen Heften dieser Serie kann die AC/DC-Ausgabe auch von der ersten bis zur letzten Seite überzeugen. Auf eine vollständige Bandgeschichte verzichtet die Redaktion dabei gleich ganz, denn erstens ist die zumindest in den Grundzügen sowieso allgemein bekannt und bildet zweitens das Gerüst für diverse Einzelrubriken, etwa die Porträts der Young-Brüder sowie von Bon Scott oder auch das Ranking der Studioalben. Das richtig Interessante sind dabei allerdings die eher "abseitigen" Inhalte, die man so nicht an Dutzenden anderen Stellen nachlesen kann. Gut, Stevie Young als Malcolm-Ersatz wird sich in Zukunft noch an intensivere Medienpräsenz gewöhnen müssen, aber Interviews mit Ur-AC/DC-Sänger Dave Evans, der in der jüngeren Vergangenheit einige durchaus interessante Soloalben vorgelegt hat, von denen "Sinner" und "Judgement Day" auch bei Kollege Thorsten großen Anklang fanden, sind schon deutlich rarer, und dasjenige mit Larry van Kriedt, dem allerersten Bassisten der Band, hat richtig Seltenheitswert. Die Rubrik über die Einflüsse der Band wird zusätzlich mit einer Audio-CD-Beilage unterstützt, auf der sich auch die Originalsongs der einzigen beiden Coverversionen, die AC/DC jemals aufgenommen und veröffentlicht haben, finden, nämlich "School Days" von Chuck Berry und "Baby, Please Don't Go" von Big Joe Williams (wer übrigens das Geschrei von Tina Turner in "(Am I) A Fool In Love" über die ganzen knapp drei Songminuten hinweg aushält, muß Nerven wie Drahtseile haben). Viel Interessantes zu erzählen haben auch Mike Fraser und Tony Platt, die soundtechnisch mit der Band zu tun hatten, es kommen diverse Die-Hard-Fans zu Wort, und etwas übers Ziel hinaus schießt lediglich der gut gemeinte, aber etwas arg nach Genuß bewußtseinserweiternder Mittelchen vor dem Schreiben riechende Artikel über AC/DC als Mythos (nein, nicht als Mythos des 20. Jahrhunderts - das war ein anderer) ab Seite 101, dessen Erkenntnisse auch auf deutlich weniger als brutto 10 Seiten hätten vermittelt werden können. Aber man kann ja auch davor aufhören zu lesen und sich dahinter dann nur noch an dem Livefoto vom allerersten Gig der Band 1973 in Sydney erfreuen. Kontakt: Slam Media GmbH, Mollardgasse 85a/2/75, A-1060 Wien, redaktion@slam-zine.com

AC/DC werden ja bisweilen belächelt, sie würden ein und dasselbe Album immer wieder neu aufnehmen. Ähnliches könnte man auch über die Zeitschrift Das Opernglas sagen und würde damit genauso den Nagel eben nicht auf den Kopf treffen: Warum ein bewährtes und erfolgreiches Konzept ändern? Und so wie AC/DC immer wieder ihre Stärken bündeln und ausspielen, so tut es auch das Opernglas-Team, wenngleich in deutlich kürzeren Abständen, nämlich regelmäßig im Monatstakt. Heft 1/2015 ist justament eingetroffen, konnte aber vorm Schreiben dieser Kolumne nicht mehr gelesen werden, ergo befassen wir uns hier mit Nr. 12/2014 mit Catherine Foster auf dem Cover, die sich u.a. zu ihrer Brünnhilde in Bayreuth äußert. Daß Matthias Goerne, dem ein weiteres Interview gehört, für eine größere Vielseitigkeit und Flexibilität von Opernsängern plädiert, verwundert nicht, ist er selbst doch das beste Beispiel, daß man sich "nebenher" auch als Liedsänger profilieren und dadurch in beiden Genres etwas gewinnen kann, wenn man nicht den Fehler macht, alles über einen Kamm scheren zu wollen. Sehr interessant ist auch das dritte Interview, nämlich mit Angelo Lo Forese, einem uralten Italiener, der gerade deswegen aus einem enorm reichen Erfahrungsschatz plaudern kann. Ansonsten werden die 96 Hochglanz-Seiten wie gewohnt von kundiger Liveberichterstattung aus deutschen wie nichtdeutschen Opernhäusern dominiert, dazu kommen DVD- und CD-Reviews (wobei man auch über den Tellerrand blickt: Händels "Messiah" ist strenggenommen ja keine Oper, und was Schumanns "Faust-Szenen" sind, wußte wohl nicht mal der Komponist selbst), ein Special über die World Music Days in Breslau und wie in jedem Dezemberheft die Kolumne mit Geschenktips und ein Rückblick auf einen Jubilar des zu Ende gehenden Jahres, diesmal Giacomo Meyerbeer, bei dem der Rezensent bedauert, daß er die Chemnitzer Aufführung von "Vasco da Gama" nicht hat sehen können. Kontakt: Opernglas Verlagsgesellschaft mbH, Grelckstraße 36, 22529 Hamburg, info@opernglas.de, www.opernglas.de

Bleiben wir gleich in Hamburg: Ebendort hat die Edel AG ihren Hauptsitz, eines der größten konzernunabhängigen Medienunternehmen Deutschlands, wenn nicht gar das größte - und die Edelmänner und -frauen reüssieren auf vielerlei verschiedenen Gebieten, wozu nicht zuletzt die Pflege des Eterna-Nachlasses über Berlin Classics und das weitgehend geschmackssichere Ear Music-Label, das u.a. zur Heimat der benachbarten Hanseaten von Gamma Ray oder von Tarja Turunen und kurioserweise auch ihrer Nightwish-Nachfolgerin Anette Olzon geworden ist, zählen. Unter dem Namen Prego erscheint nun ein Magazin mit dem Übertitel "Das Leben ist bunt" und dem Untertitel "Das Kulturmagazin von Edel". Das heißt, hier geht es keineswegs ausschließlich um Musik - diese spielt nur eine Geige unter vielen. Fotokunst (von Hans Eijkelboom, der in seinem Buch "People of the 21st Century" jeweils Fotoserien mit verschiedenen Menschen an ein und demselben Platz zeigt) ist ebenso vertreten wie eine Reportage über die Küche Thailands sowie Interviews mit Meret Becker und Eckart von Hirschhausen. Zwar läßt Sophia Hoffmann den kritischen Leser unwillig mit dem Kopf schütteln, ob sie das, was sie da über ihre neuerdings vegane Ernährung zu Papier bringt, wirklich ernst meint. Okay, das kann ja auf ihr Leben zutreffen, aber zumindest der Rezensent muß sich nicht vegan ernähren, um zu der Erkenntnis zu kommen, daß es doof ist, sinnlos Energie mit Streiten zu verbraten. Und Tobias Schlegels Plädoyer für individuell geprägte Auswahl der zu konsumierenden Bücher, CDs und anderen Medien liest sich in einem Magazin, das neben seiner Informations- auch eine nicht verhüllte Werbefunktion hat (nicht zuletzt gehört jeder Inhalt zu irgendeiner Neuerscheinung im Buch- oder CD-Bereich, der dann jeweils am Ende auch präsentiert wird), mehr als skurril. Bernd Hocke dagegen weiß mit seiner Kolumne "Im Tourbus mit Townshend", untertitelt "Warum man ruhig mal Danke sagen sollte", den Stier viel eleganter bei den Hörnern zu packen. Die 56 A4-Seiten kommen auf Dünndruckpapier, das bei aller Ökologie einen gewissen Wegwerfeindruck erzeugt und somit den durchaus positiven Grundeindruck (wenn man immer im Hinterkopf behält, wie das Magazin gepolt ist) schmälert. Kontakt: Edel AG, Neumühlen 17, 22763 Hamburg, redaktion@prego-magazin.de, www.prego-magazin.de

Einen gewissen Anteil an Eigenwerbung enthält auch das Eisenblatt, allerdings zum einen im tiefsten Underground, zum anderen waren die beiden betreffenden CD- bzw. DVD-Veröffentlichungen, nämlich die DVD von Argus/Moshquito/Xiom mit ihrem Gig zum 30jährigen Bandjubiläum anno 2013 in Reichenbach sowie die CD mit dem gesammelten musikalischen Schaffen von Musical Massacre aus Nossen, zum Zeitpunkt der Interviews und des Erscheinens von Eisenblatt Nr. 11 zwar schon dunkel in Planung, aber noch längst nicht fertig - besagte Nr. 11 erschien im Januar 2014, die DVD war dann letztlich im November und die CD im Dezember 2014 fertig. Ergo ist es nicht angebracht, hier etwa mit der großen Keule des journalistischen Anstands zu winken, zumal weder ein Fanzine wie das Eisenblatt noch die entsprechenden Releases von German Democratic Recordings größere Gewinne abzuwerfen pflegen. Statt dessen bleibt festzuhalten, daß sowohl die riesige Argus/Moshquito/Xiom-History, die allein 14 der 60 A5-Seiten füllt, als auch die Unterhaltung mit Musical Massacre überaus informativ, aber gleichermaßen auch locker und lustig ausgefallen sind, was man von der phasenweise eher gezwungen-pseudoböse wirkenden Story über Purgatory (eine der Nachfolgebands von Musical Massacre) nicht sagen kann. Mit Poker wird eine alte Zeitzer Band beleuchtet, das Szeneurgestein Sven "Halford" Rappoldt äußert sich zur Reunion von Metall, und mit Rising Storm bleiben die Eisenblatt-Macher auch ihrer Linie treu, nicht nur alte Ostmetalbands oder neue Projekte von alten Ostmetalmusikern vorzustellen, sondern auch hoffnungsvolle junge Bands aus den neuen Bundesländern (die genannten Neubrandenburger Progmetaller sind inzwischen nach Berlin umgesiedelt). Dazu kommt ein sehr informativer und lesenswerter Bericht über die Ausstellung zur Geschichte der legendären Band Biest im Stadt- und Technikmuseum Ludwigsfelde (drei Fünftel der Bandmitglieder waren einst in dieser Stadt zu Hause), beigesteuert vom neuen Mitstreiter Michael Bärtl. Einige Tonträgerreviews und Newsmeldungen sind auch wieder dabei, und man hat das Heft wieder mal im Nu verschlungen. Muß nur mal die Vorgängernummern raussuchen, ob der kultige Fehler im Untertitel (da steht "Das Zentralorgan für Heavy Metal für Heavy Metal in Ostdeutschland" ...) da auch schon vertreten war und das nur keiner gemerkt hat ... Titelblatthelden sind natürlich Moshquito mit einem Livefoto von 1987, das druckqualitativ auch recht gut rüberkommt, wohingegen die Qualität im Innenteil diesmal etwas zu wünschen übrigläßt und einige Bilder kopierbedingt im wesentlichen aus Schwarz bestehen. Das tut dem Lesespaß aber keinen Abbruch, und wenn man Nr. 11 bestellt, kann man auch gleich noch Nr. 12 mit dazu ordern, das in den ersten Tagen des Jahres 2015, also kurz nach Onlinegehen dieses Reviews, auslieferungsbereit sein sollte. Kontakt: Hendrik Rosenberg, Gleißnerplatz 4, 90471 Nürnberg, eisenblatt@ostmetal.de, http://eisenblatt.ostmetal.de

Wenn wir gerade bei DDR-Kult in A5 sind, können wir gleich noch ein paar Sätze übers Mosaik anschließen, das sich auf dem umkämpften Comicmarkt wacker hält. Kurz vor Weihnachten 2014 ist Nr. 469 (Januar 2015) erschienen, betitelt "Windige Pläne" und zur seit Anfang 2014 laufenden Serie "Die Abrafaxe erobern Rom" gehörend. Nach ihrem letzten Zeitsprung sind Abrax, Brabax und Califax in den Zeiten von Kaiser Trajan in Germanien gelandet, wo sich auch der Wanderzirkus von Superbificius Spontifex aufhält, in dem sie als neue Attraktion aufgenommen werden. Titus Julius Prudentio, Sohn eines römischen Konsuls, ist auch in Germanien und soll die Häuptlingskinder Ule und Vada sicher an den römischen Hof geleiten, wo sie im Geiste Roms erzogen werden sollen, um einen dauerhaften Frieden mit ihren germanischen Stämmen zu ermöglichen. Das ist freilich nicht im Sinne eines anderen römischen Konsuls, der im Falle eines Krieges mit Germanien großen Profit erzielen würde, und so schickt dieser seinen Sklaven Occius los, um zu verhindern, daß Titus und die Kinder Rom erreichen. Die turbulente Jagd führt von Mogontiacum (Mainz) über Massilia (Marseille) und die Iberische Halbinsel nach Nordafrika, wo nun Heft 469 im Gebiet zwischen Karthago und Leptis Magna spielt: Sklavenhändler haben Selene, eines der Zirkusmitglieder, entführt, und zugleich versucht Occius, eine zum Schutz von Titus ausgesandte römische Legion an der Erfüllung ihrer Aufgabe zu hindern. Bestand, wie in diversen Diskussionsforen kritisiert wurde, ein Großteil der bisherigen Römer-Serie aus Einzelepisoden, deren Konflikt am Heftende bereits gelöst war, so bahnt sich nunmehr wieder eine Handlung über mehrere Hefte hinweg an (die Entführung geschah bereits in Nr. 468, und am Ende der 52 Seiten von Nr. 469 scheint die anzunehmende Befreiung noch in sehr weiter Ferne zu liegen), was erzähltechnisch natürlich viel reichhaltigere Möglichkeiten für Jens Uwe Schubert, der die zentrale Handlung entwirft, bietet. So liegt derzeit enorm viel Spannung in der Luft, was einen Leseeinstieg erschwert - aber man kann sich ja auch die Hefte seit der Nummer 2/2014 nachbestellen, mit der die Römerserie begonnen hat ... Die mittleren 16 Seiten enthalten wie gewohnt Hintergrundartikel über die gerade behandelte Epoche, ein kleines naturwissenschaftliches Experiment und ein Merchandisingsortiment. Nicht jedermanns Geschmack ist der sehr realistische Stil des neuen Zeichners Clemens Eckert, vor allem dann, wenn er in ein und demselben Panel wie die geringfügig stärker abstrahierten Figuren anderer Zeichner steht - aber vielleicht wird hier ein Gewöhnungseffekt eintreten, oder man findet andere Wege, Eckerts Stärken ins Mosaik-Zeichnerkollektiv einzubringen. An der grundsätzlichen Empfehlung, diesen Comic-Dinosaurier, der anno 2014 noch genauso zeitlos ist wie vor einem halben Jahrhundert, einmal anzutesten, ändert das natürlich nichts. Kontakt: Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag, Lindenallee 5, 14050 Berlin-Westend, mosaik@abrafaxe.de, www.abrafaxe.com

Gar keine Berge diesmal in den Zeitschriftenreviews? Geduld, Geduld - hier kommen sie, nämlich in Gestalt eines bereits Ende 2013 erschienenen Heftes namens Die letzten BergParadiese aus dem Bruckmann Verlag, wo u.a. auch das Bergsteiger-Magazin erscheint. Grundfarbe der Bruckmann Collection No. 1 ist allerdings nicht Rot, sondern Grün, und der besagte Prototyp beschäftigt sich mit den 13 Nationalparks der Alpen. Von den sieben Staaten, die Anteil an den Alpen aufweisen, haben sechs Teile ihrer Landesfläche als Nationalparks unter einen besonders strengen Naturschutz gestellt, wobei die konkreten Regelungen je nach nationaler Gesetzgebung durchaus unterschiedlich sind, auch bezüglich beispielsweise der Frage, ob es in einem Nationalpark dauerhafte menschliche Siedlungen geben darf oder nicht. Lediglich Liechtenstein hat von seinem allerdings auch winzigen Territorium kein Areal als Nationalpark ausgewiesen, auch in Slowenien, Deutschland und erstaunlicherweise der Schweiz gibt es nur je einen Nationalpark in den jeweiligen alpinen Regionen (dafür ist der in der Schweiz der älteste - er konnte 2014 sein 100jähriges Bestehen feiern), die übrigen zehn verteilen sich auf Österreich und Frankreich (je drei) und Italien (vier). Die 164 Seiten des Heftes bestehen, von einem Vorwort abgesehen, ausschließlich aus Vorstellungen der 13 Nationalparks auf jeweils 10 bis 16 Seiten, wobei eine ausführliche Bebilderung ebenso selbstverständlich ist wie ein informativer Text, eine Kartenskizze und schließlich ein Informationskasten mit Grunddaten, Tourentips und vielen weiteren hilfreichen Dingen. Zu wünschen wäre gewesen, daß man die im Text bzw. den Kästen genannten Orte auch in den Kartenskizzen wiedergefunden hätte (es gibt da einige Lücken) - allerdings muß man für exakte Planungen dann sowieso Detailkarten heranziehen. Aus deutscher Leserperspektive ist die allumfassende Behandlung des Themas sehr zu begrüßen, denn gerade den Triglav-Nationalpark hat man von hier aus kaum je auf seinem Horizont, und man staunt auch, wenn man sieht, daß der südlichste der französischen Alpenparks, der Park du Mercantour, bis kurz vor die Tore Monte Carlos reicht, wo die Alpen mehr oder weniger nahtlos in die französische Riviera übergehen - ein krasser Übergang, wie man ihn nur selten findet (und der den Rezensenten daran erinnert, wie er Ende September 2013 im angenehm warmen Schwarzen Meer in der Nähe der georgisch-türkischen Grenze schwamm und einen prächtigen Blick auf die frisch verschneiten Dreitausender im Pontischen Gebirge hatte). Da will man nach der Lektüre eigentlich sofort losziehen und eine Handvoll Gipfel erklimmen ... Kontakt: Bruckmann Collection, Infanteriestraße 11a, 80797 München, lektorat@verlagshaus.de, www.bruckmann-verlag.de (bis hierher: rls)

DEAF FOREVER 2/2014
Zu Beginn ein kurzer Sprung an den Jahresanfang. Holger Stratmann, Herausgeber des Rock Hard, und Götz Kühnemund, bis dato Chefredakteur ebendort, kündigten im Januar 2014 "in gegenseitigem Einvernehmen" ihre Zusammenarbeit auf. Soll heißen: Rock Hard bleibt, Kühnemund geht. Im selben Atemzug wurde die Entlassung der Langzeitredakteure Frank Albrecht und Andreas Himmelstein aus wirtschaftlichen Gründen publik gemacht. Die Auflage des Rock Hard hatte sich seit Ende der 1990er Jahre mehr als halbiert.
Nur kurze Zeit darauf war aus der Entlassung eine Massenflucht geworden. Neun freie Mitarbeiter des Rock Hard hängten aus Solidarität mit den Gekündigten ebenfalls ihre Zusammenarbeit mit dem Rock Hard an den Nagel. Ergebnis: Ein Rock Hard mit Lücken, deren Größe je nach Geschmack unterschiedlich bewertet werden, auf der einen Seite. Und eine Gruppe arbeitssuchender Metal-Schreiberlinge auf der anderen.
Die benannte Gruppe Schreiber hat nun, personell um ein paar weitere teils bekannte, teils unbekannte Namen verstärkt, tatsächlich das mutige Experiment gewagt, mitten in die Printmedienkrise der Gegenwart hinein ein neues Magazin auf den Markt zu bringen. "Deaf Forever" ward es geheißen, die zweite Ausgabe liegt mir vor. Und jetzt zunächst mal unabhängig vom Inhalt des Heftes und rein unter Berücksichtigung des kleinen Dramas im Hintergrund mein Respekt und Glückwunsch für dieses Unterfangen.
Zum Heft. 140 Seiten lang und A4 groß ist es, bunt gelayoutet, zumindest mehr oder weniger bunt: Ungefähr die Hälfte der vorliegenden Ausgabe bietet weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund. Das wiederum liegt in der Themenwahl begründet und die ist für diese Ausgabe definitiv der Hammer. Kernstücke des Hefts sind ein 22seitiges Special zum Doom Metal und ein fünfseitiges Special zu isländischem Black Metal. Allein diese beiden Specials rechtfertigen den Kauf des Heftes, da sie eine fabelhafte Mixtur aus interessanten Statements, formidablen Hörtipps, mitreißender Schreibe und auch eine gewisse Freude an Randständigem bieten. Im Kerninterview des Doom-Specials z.B. werden nicht etwa bekannte Nasen wie Tony Iommi oder Leif Edling vors Mikro gezerrt, sondern Personen aus der zweiten und dritten Reihe (was jetzt wertungsfrei gemeint ist), darunter Labertasche Gerrit Mutz von Dawn Of Winter. In den fünfzig besten Doom-Scheiben tauchen neben Unvermeidbarkeiten von Solitude Aeturnus, Count Raven und Co. auch Obskuritäten wie Scald, Jex Thoth und Ras Algethi auf.
Der Vollständigkeit halber seien noch ein paar weitere Themen aufgezählt: Interviews mit u.a. While Heaven Wept, Sanctuary, Cavalera Conspiracy, Obituary und Drowned; eine überaus informierte Discographie-Schau zu Creedence Clearwater Revival; ein Judas-Priest-Special für die Jahre 1982 bis Gegenwart; und quer übers Heft verteilt diverse sehr coole Rubriken, z.B. der "Listenwahn", der aus jeweils thematisch geordneten Hörempfehlungen der Mitarbeiter/innen des Hefts besteht - die geilste Liste steht übrigens im Doom-Special und enthält "Tolle Doomsongs von Nicht-Doom-Bands".
Zum Stichwort "mitreißende Schreibe". Man kann von den ganzen Authentizitätsbekundungen, die Götz Kühnemund und Wolf-Rüdiger Mühlmann schon zu Rock-Hard-Zeiten von sich zu geben pflegten und die - da just diese beiden Herausgeber des neuen Hefts sind - natürlich auch ihren Niederschlag im DEAF FOREVER finden, halten, was man will. Aber es ist auch für Kritiker dieses Diskurses (zu denen ich mich zähle) unverkennbar, dass bei dieser Ausgabe Leidenschaft, Interesse und ein beeindruckendes Wissen zusammenkommen. Die Interviews mit Secrets Of The Moon und At The Gates etwa sind absolut lesenswert, selbst wenn man (wie ich) beide Bands eher uninteressant findet. Die übersteigerte Art, mit der in manchen Plattenkritiken in den Himmel gelobt und die Hölle verdammt wird, ist wesentlich spannender als steife Objektivitätsübungen.
Auf der anderen Seite der Leidenschaft ist es überflüssig, dass Fenriz von Darkthrone (dessen Fanboy-Geschreibsel einem schon beim Rock Hard auf den Keks ging) und Alan von Primordial (dessen Nähkästchen-Lieblingsplatten-Plauderei nur unwesentlich interessanter ist) eigene Kolumnen im Heft reserviert bekommen - da ist die übereuphorische Primordial-Rezension von Kühnemund geradezu vorprogrammiert.
Aber insgesamt ist diese Ausgabe wirklich formidabel und um den Bogen zu schließen sei abschließend der thematische Vergleich zum Rock Hard erlaubt: Weniger ganz große Namen, kein Power Metal, kaum Prog, kein Modern-Metal-Müll. Im Gegenzug kommen mehr Vertreter extremer Spielarten zu Wort und es findet mehr Ausbuddelei von Historischem und Randständigem statt. Zusammen mit der Hochglanzoptik ergibt das ein Magazin, welches perfekt die Lücke zwischen dem Metal-Mainstream (was ebenfalls wertungsfrei gemeint ist) von Rock Hard und Metal Hammer und dem Szene-Underground schließt.
Das DEAF FOREVER erscheint im Zweimonatsrhythmus, kostet 5,90 Euro und ist in jedem gut sortierten Zeitschriftenladen zu finden oder per Abo zu beziehen. Kontakt: www.deaf-forever.de (ta)



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