www.Crossover-agm.de HAMMERFALL: (r)Evolution
von rls

HAMMERFALL: (r)Evolution   (Nuclear Blast)

Mit "Infected" hatten HammerFall zuletzt ein Album mit geringfügig experimentellem Touch vorgelegt und dafür mannigfach Schelte geerntet, obwohl bis auf die unmotivierten Generalpausen eigentlich alle "Abweichungen" als Bereicherungen des typischen Bandsounds durchgingen. Aber selbst das war der Fanklientel wohl schon zuviel an Ungewohntem, und der Umstand, daß auch die optische Gestaltung von den anderen Alben grundsätzlich abwich, machte "Infected" auch optisch zum Fremdkörper in der HammerFall-Sammlung. Die den Touraktivitäten zum Album anschließende Bandpause haben die Schweden offensichtlich zur Selbstreflexion ihres Bandkonzeptes genutzt, und das Ergebnis, eingespielt noch in unveränderter Besetzung (Drummer Anders Johansson ist mittlerweile nicht mehr dabei, hat das Album aber noch eingetrommelt), liegt nun in Gestalt von "(r)Evolution" vor. Und die Band schwingt gleich zwei Zaunpfähle, was die aktuelle Ausrichtung angeht. Zum einen ist der hammerschwingende Krieger wieder aufs Albumcover zurückgekehrt, wo er sich aus dem Korsett einer Statue befreit (nein, das darf nicht so interpretiert werden, als habe sich die Band aus einer Erstarrungssituation befreien wollen), was auf dem Digipack übrigens mit einer sehr hübschen Partiallackierung unterstützt wird. Zum anderen wäre da der Albumtitel: Daß eine Revolution wörtlich genommen ja die Umkehrung einer Evolution darstellt, also eigentlich nicht vor-, wie Revolutionäre gerne zu behaupten pflegen, sondern rückwärtsgerichtet ist, ist dem linguistisch wachen Menschen ja schon länger bewußt, und es ermöglicht einem Künstler natürlich sehr beziehungsreiche Anspielungen, die er je nach Gusto in verschiedene Richtungen lenken kann. HammerFall jedenfalls setzen auf "(r)Evolution" wieder verstärkt auf geradliniges Songwriting, bei dem etwa der Tonartwechsel vom Intro zum Hauptteil von "Hector's Hymn" schon fast als Gipfel der Progressivität durchgeht. Gut, sie haben nicht alles, was sie zwischenzeitlich dazugewonnen hatten, wieder abgelegt, wie das (auch noch als Single ausgekoppelte!) "Bushido" zeigt, das natürlich nichts mit einem gewissen deutschen Rapper zu tun hat (dann wären wohl auch die schlimmsten Befürchtungen der Anhänger wahrgeworden, und das Abendland wäre endgültig untergegangen), sondern die ursprünglich namensgebenden japanischen Krieger thematisiert und für Bandverhältnisse doch recht viele songinterne Wendungen beinhaltet, die allerdings durchaus nicht unlogisch wirken, was man vom folgenden "Live Life Loud" nur bedingt behaupten kann - ein nach derzeitigem Höreindruck eher schwächerer Song, der nicht überzeugen kann. Zum Glück hat man, wenn man diese beiden Songs gehört hat, planmäßig aber schon die beiden Opener der Platte hinter sich und mit "Hector's Hymn" auch schon das erste ganz große Highlight, das strukturell ein wenig an den Schlußteil von "Secrets" (vom "Chapter V: Unbent, Unbowed, Unbroken"-Album) erinnert, also begeisternden melodischen Speed Metal der relativ leichtfüßigen Sorte enthält, wie er im Schaffen HammerFalls leider selten auftaucht, aber immer dann, wenn Dronjak und seine Mannen doch mal welchen fabrizieren, zu den Glanzlichtern gehört. Da kann der Midtempo-Titeltrack nicht ganz mithalten, aber auch er überzeugt prinzipiell und lädt zum Live-Mitshouten des titelgebenden Worts ein, wobei man sich dann halt nur noch entscheiden muß, ob man das r mitshoutet oder eben nicht. Im Direktvergleich der Midtemposongs punktet allerdings "Ex Inferis" trotzdem einen Deut höher - hier schrauben die Schweden das Tempo relativ weit herunter, wenn auch gefühlt nicht ganz so weit wie in "Patient Zero", dem "Infected"-Opener. Massivität wird hier trotzdem groß geschrieben und steht der Band hier wie dort durchaus gut zu Gesicht. Wer diese Spielart weniger mag, bekommt freilich mit "We Won't Back Down" erstklassiges Ersatzfutter: Das Hauptthema ist so nah an klassischen In Flames dran wie selten ein HammerFall-Thema seit dem Ausstieg von Jesper Strömblad, und der liegt fast zwei Jahrzehnte zurück, und überhaupt haben wir hier eine Ahnung vor uns, wie In Flames klingen könnten, wenn sie sich vom melodischen Death Metal nicht zum Modern Metal, sondern zum klassischen Melodic Metal hin entwickelt hätten. Die unverzerrte erste Strophe läßt sogar noch eine größere Ähnlichkeit vermuten, aber dieses Stilmittel greift das Songwritinggespann Dronjak/Cans im weiteren Verlauf des Songs nicht weiter auf. Die Ballade "Winter Is Coming" wiederum hat Dronjak (als einzigen Song der Scheibe übrigens) im Alleingang geschrieben und erneut ein gutes, in manchen Momenten sogar sehr ergreifendes Werk erschaffen, das allerdings Cans im Schlußton viel zu angestrengt präsentiert - hier hätte James Michael, in dessen Firehouse Studios in Pasadena der Gesang aufgenommen wurde, unbedingt eingreifen müssen, denn so nimmt man den problematischen Eindruck mit und nicht den guten bis ergreifenden, den der Song eigentlich hinterlassen hat. Die Laune bessert sich aber in "Origins" schnell, obwohl oder gerade weil hier mal wieder ein für HammerFall untypisches Element auftaucht, nämlich ein eindeutig folkbeeinflußtes Hauptthema in der Einleitung, das im Song selbst dann zwar nicht mehr dominiert, aber dafür einem vielschichtigen flotten Song Platz macht, der demonstriert, was HammerFall auch jenseits der streng traditionellen und geradlinigen Pfade können, ohne daß man sie mangelnder Linie zeihen müßte. Und wem's doch zu viele Wendungen waren, der nehme sich das folgende "Tainted Metal" her, das zwar mit dem songwriterischen Kuriosum aufwartet, daß es von Sänger Joacim Cans und Gitarrist Pontus Norgren komponiert wurde und Bandkopf Dronjak somit keine Aktie an ihm hat, aber trotzdem perfekt in den HammerFall-Kontext paßt und treibenden Classic Metal in Reinkultur bietet, dem man bei genauer Analyse durchaus anhört, daß er einen Deut anders klingt als der "typische" HammerFall-Song dieser Machart, was auch mit am galoppierenden Hauptriff liegt, das rein von der Spieltechnik ganz anders strukturiert ist als Dronjaks typische Spielweise - aber man hört manches davon eben auch nur, weil man mit dem genannten Songwriterwissen im Hinterkopf analysierend lauscht. Nicht überzeugen kann im Anschluß "Evil Incarnate", das sehr schleppenden und Midtempo-Metal zu kombinieren versucht und in beiden Sparten auch durchaus nicht schlecht ausgefallen ist, aber an der Aufgabe, daraus ein großes Songganzes zu schmieden, scheitert, denn hier ist zusammengewachsen, was nicht zusammengehört, was speziell um den richtig starken schleppenden Part, der in einem Bombastfinale mündet, richtig schade ist, wohingegen es des Brüllbreaks, das ein wenig an die Cronos-Einlagen in "Knights Of The 21st Century" vom "Chapter V"-Album erinnert, aber längst nicht die dortige Sinistrität erreicht, nicht zwingend bedurft hätte. "Wildfire" als Abschluß der regulären Edition stellt die Anhänger geradlinigen Metals auch nochmal vor eine harte Probe: Der Hauptteil des Songs beinhaltet geradlinigen Metal, nämlich begeisternden Melodic Speed, und das große Akustikbreak im Hauptsolo, dessen Gitarrenmelodie gar ganz leichte Anklänge an die Refrainmelodie von "Glory To The Brave" durchklingen läßt, funktioniert gleichfalls vorzüglich - aber vom hypernervösen Refrain wird mancher Altanhänger Herzrhythmusstörungen bekommen, zumal selbiger nach dem Akustikbreak und der anschließenden Midtempopassage auch nochmal wiederkehrt und das eigentliche Album durchaus anstrengend, wenn auch perfekt umgesetzt abschließt. Der besagte Personenkreis sollte daher zum Digipack greifen, denn der enthält den Bonustrack "Demonized", und bei dem handelt es sich nun wieder um geradlinigen Metal im treibenden Midtempo, der so urtraditionell ausgefallen ist, wie sich viele Anhänger das von HammerFall wünschen. Wer der Band mit "Infected" die Freundschaft gekündigt hat, sollte "(r)Evolution" also zumindest einige Hördurchläufe gönnen, ob es nicht zu einer Revitalisierung kommen sollte, und auch derjenige, der sich mit der leicht experimentellen Ader von "Infected" angefreundet hat, findet noch genügend Stoff, um die 53 neuen Minuten als Ganzes lieben zu lernen. Zwar bleibt "Glory To The Brave" logischerweise erneut unerreicht, aber "(r)Evolution" reiht sich mit zahlreichen starken Songs und nur zwei Ausfällen durchaus in der Spitzengruppe ein.
Kontakt: www.hammerfall.net, www.nuclearblast.de

Tracklist:
Hector's Hymn
(r)Evolution
Bushido
Live Life Loud
Ex Inferis
We Won't Back Down
Winter Is Coming
Origins
Tainted Metal
Evil Incarnate
Wildfire
Demonized



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