www.Crossover-agm.de V.A.: Amiga Heavy Metal - Musik aus dem Stahlwerk
von rls

V.A.: Amiga Heavy Metal - Musik aus dem Stahlwerk   (Amiga/Sony)

Mit dieser 3-CD-Box liegt zweifellos die Wiederveröffentlichung des Jahres, nein, des Jahrzehnts, ach was, des Jahrhunderts vor. Von Prinzips "Phönix"-LP und einigen Kleinigkeiten mal abgesehen, bekommt man auf den drei Silberscheiben nämlich praktisch alles, was DDR-Metalbands jemals offiziell auf den Plattenmarkt bringen durften. Und gute Teile davon spielten vor 20 Jahren eine wichtige Rolle bei der musikalischen Sozialisation des Rezensenten, was das eingangs geäußerte Urteil natürlich auch ein wenig mit einem Nostalgiefaktor anreichert. Aber das ist es beileibe nicht allein, was den Reiz dieses Materials ausmacht. Nehmen wir nur mal die erste der drei CDs her, die auf 74 Minuten "die größten Hits" von Formel 1, der wohl bedeutendsten Metalband der DDR, versammelt. Das heißt praktisch, daß die komplette "Live im Stahlwerk"-LP enthalten ist, weiland die erste LP einer DDR-Metalband und rückblickend betrachtet auch die beste. Und wer sich Metalfan nennt, aber nicht schon beim Intro aufspringt und wild zu bangen beginnt, der ist tot. Punkt. Nein, Ausrufezeichen! Im Hintergrund hört man noch Black Sabbaths "E-5150" als Showintro in Hennigsdorf laufen, bevor die beiden Gitarristen Wolfgang "Wolly" Densky und Reinhold "Chris" Heß sich freundschaftlich zu duellieren beginnen und dieses Intro nach anderthalb hochgradig elektrisierenden Minuten in "Der Edelrocker" übergeht, auch heute noch so etwas wie der Signatursong von Formel 1 (Wolly hat ihn sogar in seiner Mailadresse verewigt). Auf www.myspace.com/formeleins gibt's übrigens einen Videomitschnitt dieses Songs aus dem DDR-Fernsehen zu sehen. Und in diesem begeisternden traditionellen Metalstil geht's weiter durch die noch verbleibenden acht Songs des Livemitschnitts aus dem Stahlwerk (kein Witz - die mitgeschnittenen Auftritte am 2. und 3. März 1986 fanden tatsächlich in einem ebensolchen statt, wenn auch im Kulturhaus des Stahlwerks Hennigsdorf und nicht in einer Produktionshalle), wobei die beiden großen musikalischen Vorbilder mit je einer Coverversion gewürdigt werden, erst Iron Maiden mit "Hallowed Be Thy Name" und dann Judas Priest mit "Breaking The Law", wobei sich die Instrumentierung sehr nahe am Original hält, während das Heraushören der Lyrics offensichtlich mit einigen Schwierigkeiten für Sänger Norbert Schmidt verbunden gewesen war. Man vergegenwärtige sich: Wir befinden uns im Jahr 1986, und nach damaliger Definition waren Maiden und Priest im Lager des Klassenfeindes zu verorten, und das Material mußte man sich über Tapetrading, per Heraushören in den wenigen (aber existenten!) metalrelevanten Sendungen des DDR-Rundfunks oder für teures Geld in Ungarn besorgen, so daß kaum jemals ein Lyricblatt greifbar war, man für den Fall, daß der Originalinterpret mal etwas undeutlich sang oder man nur eine stark rauschende Kassettenkopie zur Verfügung hatte, sich also das eine oder andere selber zusammenreimen bzw. improvisieren mußte. Die eigenen Songs hatten, wie es staatlicherseits verordnet war, allesamt deutsche Texte, teilweise von der Band selbst geschrieben, teils auch, wie das im RGW ebenfalls üblich war und etwa in Rußland noch heute nicht selten so praktiziert wird (Arija etwa tun das noch heute), von externen Autoren beigesteuert, wobei Formel 1 auf die Dienste von Katharina Koch zurückgriffen, im früheren Material noch stärker, während später die eigenen Texte die Oberhand gewannen. Auf der Livescheibe steht somit nur noch ein Koch-Text, und der ist auch der anspruchsvollste und beste der Scheibe: "Wär mein Leben programmierbar", umgesetzt mit einer wunderbaren Halbballade, die einen auch heute noch wahlweise in eine romantische oder nachdenkliche Stimmung zu versetzen vermag. Ansonsten regiert aber ungezügelte traditionsmetallische Energie in mittleren bis höheren Tempolagen, angesiedelt wie erwähnt in einer imaginären Schnittmenge aus Maiden und Priest, ohne Experimente (die Rock'nRoll-Gitarren, die in der ersten Strophe von "Heavy Metal" ganz kurz durchklingen, sind textimmanent, da der Song die Entwicklung des Metal aus dem Rock'n'Roll der Fünfziger beschreibt), wie die Zeile "Kein Popperschmalz und synthetische Klänge" in "Heavy Metal" als Marschrichtung vorgibt ("Turbo" und "Somewhere In Time" waren ja auch noch nicht erschienen ...). Besondere Aufmerksamkeit verdient noch "Der Fußballfan", eine große Mitsinghymne, um die sich eine Anekdote rankt: Der Refrain hieß ursprünglich "Hey, heya, wir stehen auf Blau-Weiß - hey, heya, Blau-Weiß gewinnt", und niemand dachte sich etwas dabei, weil ja die DDR-Fußballnationalmannschaft in blau-weiß spielte und man den Text damit sogar als Bekenntnis zum eigenen Staat, dessen Vorhandensein man bei den harten Rockern ja immer anzweifelte, interpretieren konnte. Aber ein Kulturfunktionär wurde dennoch mißtrauisch, denn da gab es doch in Westberlin einen damals sogar recht weit oben spielenden Verein namens Blau-Weiß 90 Berlin - ergo wurde die Band gezwungen, "Blau-Weiß" in "Rot-Weiß" zu ändern, was freilich die Anhängerschaft der Band im Bezirk Erfurt angesichts des nunmehrigen Quasi-Bekenntnisses zum FC Rot-Weiß Erfurt gefreut haben dürfte, und die anderen störte das nicht, wie man in Hennigsdorf eindrucksvoll hört. Diese zehn Livesongs sind definitiv das, was man einem Außerirdischen vorspielen sollte, wenn er eines Tages landet und wissen will, wie es denn um den Heavy Metal in der DDR bestellt war. Man kann die CD dann auch im Player lassen, denn es sind noch neun Studiosongs aus den Jahren 1982 bis 1987 beigefügt, die man ebenfalls mit Genuß durchhören kann. Samplern entnommen sind dabei die beiden frühen Aufnahmen "Hiroshima-Kranich" (1982; eine Halbballade politischer Thematik mit Norbert als Geschichtenerzähler in der Einleitung - da hat die Stern-Combo Meißen mit "Weißes Gold" wohl deutlich abgefärbt) und "Eddie" (1983; die Erfindung des Speed Metal in der DDR und für diese Zeit auch international weit vorn dabei; das Booklet schreibt hier "Eddi", aber alle anderen Quellen wenden "Eddie" an). Danach folgen "18 Jahre sein" und "Mach keine Wellen", 1985 auf einer Single bei Amiga erschienen, wobei "Mach keine Wellen" auch unter den Livesongs zu finden ist - auch hier eine witzige Szene: Norbert kündigt an, der nächste Song stamme von der Amiga-Single, und im Publikum fordert jemand "Eddie", obwohl der gar nicht auf der Single steht. Die letzten fünf Songs entstammen anderweitig nicht veröffentlichten Rundfunkproduktionen - das war in der DDR der gängige Weg, zu professionellen Aufnahmen zu kommen, sofern man nicht selbst gute Connections ins NSW (für die jüngeren Leser: das nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet) hatte und sich auf diese Weise halblegal professionelle Technik für Eigenproduktionen besorgen konnte, was freilich nur den wenigsten Bands möglich war. "Dit is Berlin" an letzter Stelle der CD zeigt ein weiteres Markenzeichen von Formel 1: Norbert wechselt in einigen Songs in einen Berliner Dialekt über, liebevoll auch als "Berliner Schnauze" betitelt, wobei dieses Stilmittel auch schon in älteren Koch-Texten wie "Eddie" und "Jenny" (ein interessanter Text, dessen Konstellation an eine reziproke Fassung aus dem Musical "Akte Romeo" erinnert) zu finden gewesen ist. Das digitale Remastering aller 19 Tracks hat geholfen, einige Soundunterschiede der doch recht unterschiedlichen Originale etwas zu glätten, wobei der Baß von Detlef Dudziak darunter ein wenig gelitten hat, da er nunmehr weiter im Hintergrund steht als vorher. Auch der soundliche "Quetscher" in "Der Weg nach oben", den man schon auf der LP hören konnte, wo der Sound plötzlich dumpfer wird, ist noch da. Ein wenig mehr Sorgfalt hätte beim Erstellen des nur vierseitigen Booklets angewendet werden dürfen - Herr Downing als Co-Songwriter von "Breaking The Law" bekommt dort den Vornamen "Keeneth", und Gitarrist Wolly heißt mit Nachnamen auf einmal Bensky. Das Originalcover der LP ist auf einer der Bookletseiten abgebildet und außerdem hinter das Cleartray der CD gelegt, wohingegen für das Cover ein Bandfoto herhalten mußte, das interessante Analysen ermöglicht, selbst wenn man das Leopardenhemd von Chris mal außen vor läßt. Aber man schaue sich mal die Frisur von Wolly an und vergleiche die mit dem Foto in der Original-LP (die übrigens mit den zwei Singletracks als Boni in den Mittneunzigern schon mal versilbert wurde), und wenn man genau hinsieht, entdeckt man in Norberts Frisur auch schon die ersten grauen Haare, und das anderthalb Jahrzehnte bevor Grave Diggers Chris Boltendahl ankündigte, er wolle der erste grauhaarige Metalsänger Deutschlands werden. Dumm gelaufen ... Freaks greifen neben dieser CD auch noch zur 5-LP-Box "Edelrocker", die noch andere Livemitschnitte der Band und weiteres Material, u.a. die kompletten Rundfunkproduktionen, enthält und die man am einfachsten beim Erzeugerlabel www.immortalvinyl.de organisiert.

CD 2 gehört den "größten Hits" von Babylon, einer altgedienten DDR-Hardrockband, die sich bereits in den Mittsiebzigern gründete und in ihrer Existenz einige Stilschwankungen durchmachte, bevor mit dem Wechsel der einzigen personellen Konstante, Hauptkomponist Dieter Wiesjahn, vom Baß an die Gitarre in den Mittachtzigern eine Linie ins Schaffen kam, die sich bis zur Auflösung der Band 1990 ziehen sollte. Babylon spielten in dieser Spätphase klassischen Hardrock irgendwo auf halbem Wege zwischen AC/DC und den Mittachtziger-Scorpions, was sogar so weit ging, daß "Speed King" nicht etwa ein Deep Purple-Cover war, sondern statt dessen die Refrainstruktur von "The Same Thrill" der Schenker-Gang so originalgetreu übernimmt, daß man aufpassen muß, nicht plötzlich den falschen Text mitzusingen und sich dann zu wundern, daß in der Babylon-"Fassung" der "like Rock'n'Roll"-Einschub fehlt. Aber es gibt auch eigenständigeres Material der Band, und das Hören auch dieser 74 Minuten macht zweifellos jenseits purer Nostalgie einen Heidenspaß. Babylon hatten bei Amiga zunächst eine Single mit "Geisterstunde" und "Wir rocken los" herausgebracht, bevor sie mit "Dynamit" 1988 noch eine LP nachschieben durften. Deren etwas schwankende Soundverhältnisse erklären sich daraus, daß das Album aus verschiedenen Produktionen zusammengestoppelt war, und auch die beiden Singletracks fanden in unveränderter Fassung nochmal Verwendung. "Geisterstunde" stellt noch heute eine der Sternstunden dieses Ensembles dar, vor allem wenn man das mehrmals die Tonart wechselnde Hauptsolo mit den Schreien von Detlef Volquardsen, der sich allerdings nicht immer so extrem gebärdet, hernimmt, das einem in den Mittachtzigern durchaus den einen oder anderen Schauer über den Rücken laufen lassen konnte. Die besten Songs der "Dynamit"-LP, die komplett auf der vorliegenden CD steht, finden sich allerdings mit den beiden wuchtig-epischen Fünfminütern "Tschernobyl" und "Hinter Glas" auf der früheren B-Seite der Platte. Vor allem der erste ruft mit seinem äußerst kritischen Text im Rückblick akute Verwunderung hervor, wie das wohl durch die DDR-Zensur gekommen ist - da müssen alle Kulturbürokraten im Tiefschlaf gelegen haben, so etwas durchgehen zu lassen, und Texter Michael Sellin (der im dialogisch aufgebauten "Auf und ab" auch als Co-Sänger zu hören ist) kann von Glück reden, daß er ungeschoren davongekommen ist. Seine Texte beinhalten durchgehend mehr Eleganz als die Volquardsens, die bisweilen doch ein wenig vor sich hin holpern (etwa wenn er verkündet, trotz aller Tiefschläge weiter sein "Ha-ja-jo" zu singen - was bitteschön ist das?). Übrigens hatten Babylon personelle Querverbindungen zu Formel 1, und die Zusammenstückelung der LP-Stücke führt dazu, daß auch beide Connections zu hören sind, nämlich Gitarrist Andrei Horvath (der in den Frühachtzigern bei Formel 1 spielte und 1985 zu Babylon ging) und Gitarrist Wolfgang "Wolly" Densky (der ein halbes Jahr nach der Auflösung von Formel 1 1987 zu Babylon wechselte); in "Tschernobyl" spielt zudem noch ein weiterer DDR-Metal-Promi mit, nämlich Prinzip-Gitarrist Jürgen Matkowitz, in dessen Studio auch Teile der Songs eingespielt wurden (nämlich diejenigen, in denen anstelle von Carsten Heinrich ein Computer trommelt - Kosteneinsparung war auch schon zu DDR-Zeiten ein Schlagwort). Die acht Songs, die den zehn LP-Tracks noch angefügt sind, entstammen wiederum verschiedenen Rundfunkproduktionen, wobei die ersten drei auf verschiedenen Samplern enthalten waren. "Alles Gute", "Gib Gas und komm" und "Monopoli (Nie wieder Krieg)" stammen aus der Phase 1983/84, als die Band noch nicht so richtig wußte, in welche Richtung sie gehen sollte - gerade "Alles Gute", ein Song über das Bestehen einer Prüfung, ist vor allem im Refrain von einer derartigen gründlichen Naivität, daß man nicht so richtig weiß, wie ernst er gemeint war. Das flotte "Gib Gas und komm" und besonders "Monopoli (Nie wieder Krieg)", letzteres hier als Livemitschnitt vom "Rock für den Frieden"-Festival und mit gesprochener Einleitung (das hatten wir bei Formel 1 im gleichen Zusammenhang ja schon mal), beweisen allerdings, daß Wiesjahn auch zu dieser Zeit exzellente Songs schreiben konnte (zumal der Keyboardeinsatz äußerst songdienlich erfolgt und keine entscheidende Verwässerung erzeugt), auch wenn der Energiefaktor noch nicht mit dem späterer Tage vergleichbar ist. Dafür waren Babylon 1976 schon mal ihrer Zeit voraus gewesen, wie "Dshigiten-Legende" beweist, ein flotter Hardrocker, wie es ihn in dieser Bauart zu dieser Zeit in der DDR kein zweites Mal gab und wie er auch im westlichen Ausland keinesfalls an jeder Ende wuchs. Textlich eine alte Kriegergeschichte aus Kirgisien transportierend (das durfte man, denn es stammte aus der Kultur des Klassenbruders), stammt die im Intro auch leicht mittelasiatisch beeinflußte Komposition von Ur-Sänger Viktor Heyse, der auch noch auf "Gestern kamst du" (Text von Stefan Diestelmann, klassischer Siebzigerrock mit einem interessanten, wild donnernden Zwischenspiel) und "Jeder Abend" (aus der Kompositionsschmiede des damaligen zweiten Gitarristen/Sängers Bernd Bangel stammend) zu hören ist, wobei sich Heyse und Bangel oftmals dialogisch die Bälle zuwerfen. Die letzten beiden Songs stammen dann wieder aus der Phase 1983/84, wobei der freche Hardrocker "He, kommt alle rüber" musikalisch schon einen kleinen Ausblick auf das bietet, was nach der Umstrukturierung 1985 dann den Bandsound dominieren würde (der Text ist natürlich keine Aufforderung eines Mauerflüchtlings an seine zurückgebliebenen Kumpels, sondern beinhaltet eine Partyeinladung, und zwar mit klassischen Zeilen wie "Ich zieh nochmal an meiner Karo, dann drück' ich sie aus" und der Erkenntnis, daß die Getränkeläden in der DDR freitagabends doch auffällig lange geöffnet gewesen sein müssen - aber da gab es ja z.B. in Betrieben die sogenannten Spätverkaufsstellen, in denen der Schichtarbeiter seine Waren des täglichen Bedarfs einkaufen konnte), während "Erde, halt die Balance" auch nach DDR-Maßstäben zu dieser Zeit schon als anachronistisch zu werten war und irgendwie an die Puhdys in den Siebzigern erinnert (und an eine andere ganz bestimmte Komposition, die dem Rezensenten gerade nicht einfällt). Insgesamt über weite Strecken cooler Stoff, wenngleich mit ein wenig mehr Patina als Formel 1, aber wie diese auch heute noch mit Genuß hörbar und bei einigen Songs wie etwa der "Dshigiten-Legende", "Tschernobyl" oder auch der schleppenden Hymne "Lebe wohl" durchaus mit Klassikerstatus.

CD 3 schließlich setzt sich aus Material von fünf Bands zusammen, von denen jede vier Songs beisteuert. Drei dieser Bands hatten 1986 gemeinschaftlich den "Kleeblatt-Sampler Nr. 22" bestritten, also ein Dreier-Split-Album, von denen es eine ganze Serie bei Amiga gab. Die Reihenfolge auf der CD stimmt aber nicht mit der auf der LP überein - auf der CD geht es mit MCB los, die auf der LP an zweiter Stelle standen, und auch von den Songs her gibt es hier einen Unterschied: Auf der LP stand als vierter Beitrag noch der Kultsong "Lied des Galgenbruders an Sophie das Henkersmädel" auf einen Text von Christian Morgenstern, aber dieser Song fehlt auf der CD (vielleicht aus rechtlichen Gründen) und wurde durch das fast thrashlastige "Rage Out" ersetzt. MCB agierten als Trio und fuhren einen für DDR-Verhältnisse recht rauhen Sound, der sich mit einer etwas gemäßigteren Version von Motörhead vergleichen läßt, aber auch vor witzigen Einfällen und anderen Stilistika keine Angst zeigt. Kultstatus besitzt heute auch die "Heavy Mörtel Mischmaschine" (man höre die drei Klavierakkorde zum Schluß), während die anderen Kompositionen kaum nachstehen und "Eisenmann" wohl die stärksten Motörhead-Parallelen aufweist, wobei der Gesang allerdings nichts mit Lemmy zu tun hat und auch das Gitarrensolo hier viel zu traditionsmetallisch für Lemmys Geschmack sein dürfte. MCB wechselten in Nachwendezeiten in den Industrialbereich und Bandkopf Mike Demnitz gerüchteweise leider auch ins politische Rechtsaußen-Lager, während Gitarrist Sebastian Baur unter dem Pseudonym Buzz Dee eine äußerst erfolgreiche Karriere mit Knorkator begann.
Plattform standen auch auf besagtem Kleeblatt-Sampler; sie waren zu jener Zeit die DDR-Version von Warlock, hatten mit Michaela "Micky" Burkhardt also eine Sängerin der mäßig rauhen Bauart am Mikro, die auch mal herzhaft und xanthippenhaft kreischen konnte und damit die Verhältnisse immer wieder geraderückte. Das gerade mal 2:20 min dauernde "Feuer" entpuppt sich als Speedorkan, in dem Micky bekundet, daß süßliche Klänge und seichtes Gewäsch sie krank machen würden - dementsprechend ist auch die folgende Halbballade "Lichter der Nacht" recht wenig süßlich ausgefallen, transportiert aber auch nicht so viel Kälte, wie der Text ("Lichter der Nacht, sie wärmen dich nicht ...") nahelegen würde. "Sechzehn" und "Heavy Braut" powern dann wieder mehr im Midtempo, wobei im letzteren Song Bassist Detlef Kotte als rauher Co-Sänger auftritt und irgendwie an den Typen, der bei Torfrock die Bridges in "Beinhart" gesungen hatte, erinnert ("Manch einer denkt, sie ist nicht dicht, nur weil sie nicht ihrer Norm entspricht" - eine zeitlose Einschätzung für Metalfans keineswegs nur weiblichen Geschlechts). Interessanterweise startete Micky parallel zu oder aber nach ihrem Ausstieg bei Plattform (da differieren die Quellen) auch noch eine Solokarriere, in der sie dann doch deutlich gemäßigter zu Werke ging - wie war das noch mit den "süßlichen Klängen" ...? Aber immerhin stammt der Text zu "Feuer" nicht von ihr, sondern von Gitarrist Uwe Rublack, muß also nicht zwingend autobiographisch sein, wohingegen der von einem Außenstehenden namens Rico Schöbe beigesteuerte Text zu "Heavy Braut" durchaus entsprechende Züge tragen könnte. Die Band benannte sich nach der Wende in Platvorm um und spielt noch heute mit zwei Mitgliedern der Mittachtziger-Besetzung, allerdings ausschließlich im Coverrock-Bereich.
Biests vier Songs ihrer Quartett-Single (so hieß das damals - heute würde man "Vier-Track-EP" schreiben), die 1988 bei Amiga erschien, stellten das Härteste dar, was offiziell an DDR-Metal auf die damals noch schwarzen Rillen gepreßt wurde. Das nur reichlich zweiminütige "Crash Trash" gibt die Marschrichtung der Jüterboger vor: klassischer Thrash der strukturierteren Sorte, den es mit "Manne (gegen Gewalt)" (der Untertitel hat hier nicht nur pädagogische Funktion, sondern entspricht auch dem Tenor des Textes, in dem Manne es sich wegen seiner Prügelsucht mit seinem ganzen Freundeskreis verscherzt) und "Motortraum" (sowas war auch in der DDR ein klassisches Thema für Rocksongs, wenngleich man im Regelfall halt "nur" an einem Trabi oder Wartburg herumschrauben konnte) noch zweimal zu hören gibt. "Crash Trash" stellt dabei mit seinem nahezu völlig unverständlichen Text ein Unikum dar, denn so etwas, noch dazu mit englischem Titel, ging bei den Offiziellen weiland nur unter Schwierigkeiten durch, wenn man es offiziell einspielen wollte. Das Kontrastprogramm folgte allerdings auf dem Fuße: Metallica als Thrasher durften Halbballaden einspielen, also nahmen sich Biest als Thrasher diese Freiheit kurzerhand auch und schufen mit dem fünfminütigen "Grab im Moor" einen unheimlich-düsteren Genreklassiker. Da wäre für die Zukunft noch einiges zu erwarten gewesen, aber wie viele DDR-Bands überlebten auch Biest die Wende nur mit Blessuren, konnten ohne Chefdenker Uwe Klotz nicht mehr an die alten Erfolge anknüpfen (obwohl sie noch bis 1999 aktiv waren), und Klotz kam später mit Screamz, dem Nachfolgeprojekt einer anderen alten DDR-Band namens Viper, auch nie richtig in die Gänge.
Cobra waren die dritte Band des erwähnten Kleeblatt-Samplers, und auch sie hatten durchaus ihren eigenen Sound, der sich zwar deutlich an Vorbildern wie Ratt orientierte, aber durch einen weiteren Ausrichtungsstrang an härteren Bands wie Loudness (wie man auch immer in der DDR an deren Material herankam) auch eigenes Kolorit besaß. Freilich begann sich auch in der DDR die Szene in Poser und Thrasher aufzuspalten, und Cobra wurden von letztgenannter Gruppierung in die erstere Schublade gestopft, obwohl der Energiefaktor durchaus stimmte - aber die Optik setzte dem, was man in den Achtzigern auch bei Normalmetallern gewöhnt war (man erinnere sich an die aus heutiger Sicht weitestgehend geschmackfreien Beinkleider, die etwa ein Bruce Dickinson weiland zu tragen pflegte), noch eins drauf. Hört man die Songs aus heutiger Sicht, fällt des weiteren ein etwas gestelzter Umgang mit der deutschen Sprache auf, der zwar nicht entscheidend stört, aber doch ein gewisses Grinsen hervorruft. Mit Frank Eichhorn hatte man allerdings einen äußerst fähigen Sänger in den Reihen, der im höheren Bereich agierte, ohne zu nerven, und auch Steffen Bayers Gitarrenarbeit verdiente mehr als nur ein Ausrufezeichen. Freilich erschließen sich auch beim wiederholten Hören nicht alle Einfälle der Arrangementabteilung, etwa der eingeklebt wirkende verschleppte Refrain im schnellen "Lady Rock", der auch textlich nicht so richtig mit dem Rest harmoniert. "Wilde Action" ist kein Speedsong, sondern eine partiell mit einer unauffälligen, aber wirkungsvollen Keyboardlinie hinterlegte mittelschnelle Komposition, in der die titelgebende Aktivität zwar musikalisch ausbleibt (jedenfalls wenn man Cobra in Beziehung zur Gesamtmetalszene sieht - dann würde man doch eine andere unterlegte Musik erwarten), aber der appellierende Refrain "Kommt in der Nacht zu uns" gegen Ende doch irgendwie einen unverkennbaren Reiz ausströmt, wenngleich man arrangementseitig trotzdem eher nach dem Warum fragen würde. "Träumer" kommt wieder im Speedtempo um die Ecke gebogen und ist derjenige der vier Songs, der am stärksten an die eingangs erwähnten Loudness erinnert, während "Feuer unterm Eis" wieder ins Midtempo zurückschaltet, bevor sich das Eis der Geschichte auch über Cobra zu legen begann. Interessantes Detail am Rande: Nach der Auflösung von Formel 1 spielte Gitarrist Wolfgang "Wolly" Densky für ein halbes Jahr bei Cobra, aber man kam auf keinen gemeinsamen Nenner, und so wechselte er schließlich zu Babylon.
Hardholz hatten das strukturelle Pech, mit den vier hier vertretenen Songs auf dem Amiga-Sampler "Speed It Up" zu debütieren - der erschien 1990 zur Wendezeit, als kein DDR-Metaller auch nur einen einzigen Pfifferling auf die einheimischen Bands setzte, sondern erstmal die westdeutschen Plattenläden stürmte, um sich mit all dem einzudecken, was er im Jahrzehnt zuvor als Originaltonträger nicht besitzen konnte. Zudem begann sich die Szene weiter aufzuspalten, die Härtesten zogen weiter in Richtung Death Metal, und der traditionelle Metal saß bereits auf dem absteigenden Ast, von dem er sich erst 1997 wieder entscheidend nach oben arbeiten konnte. Hardholz gehörten zu ebenjener Traditionalistenfraktion im Metal, die stolz im bezüglich des Einsatzes der Stilmittel vom klassischen Hardrock geprägten, aber keyboardfreien Power Metal aushielt und diese Treue zur eigenen Linie mit weitgehender Unbeachtung seitens der größeren Fanschichten bezahlte; auch eine in den Mittneunzigern in Eigenregie erschienene CD namens "Jäger und Gejagte" konnte keine größeren Erfolge erzielen. Schade war's, denn im Zuge des Power Metal-Booms ab 1997 hätten auch die Thüringer durchaus noch eine Chance gehabt, zumal sie sich schon 1990 mit geschichtlichen Themen befaßten ("Tannhäuser", "Wieland, der Schmied"), wie es erst später en vogue wurde. Auch klassische Elemente wie die locker eingejammten Zeilen aus Beethovens 5. Sinfonie am Ende von "Wieland, der Schmied" waren für die Zeit eher ungewöhnlich, wobei man allerdings generell bemerken muß, daß Hardholz vor allem ein sichererer Sänger und eine etwas klarere Produktion gut getan hätten. Hörenswert sind die vier Titel, darunter mit "Mystic Dream" ein komplett englisch betexteter (was man aber vielleicht eher hätte bleiben lassen sollen, ähem ...), aber allemal und schließen diese CD sowie die gesamte Dreierbox würdig ab. Freilich wäre auf dieser dritten CD durchaus noch Platz gewesen, um vom erwähnten "Speed It Up"-Sampler entweder noch die vier Songs von Headless (bekannter unter ihrem früheren Namen Metall und mit Bassist Sven Rappoldt ein Szeneoriginal in den Reihen habend) oder die gleichfalls vier von Merlin (aus denen später Mind Odyssey entstehen sollten, deren bärenstarkes 1994er Debütalbum "Keep It All Turning" in jede vernünftige Tonträgersammlung gehört) unterzubringen ...
Zu erwerben zum Rezensionszeitpunkt für einen Preis unter zehn Euro via www.amazon.de oder www.notenbude.com - und das ist dann wirklich fast geschenkt. Ausführliche Infos und Songlisten der vertretenen Bands (und einer Unzahl weiterer, die es aber nie auf offizielle Veröffentlichungen brachten) findet der Interessent auf www.ostmetal.de
Kontakt: www.amiga-musik.de

Tracklist:
CD 1 (Formel 1 - Die größten Hits)
Intro
Der Edelrocker
Mach keine Wellen
Hallowed Be Thy Name
Wahnsinnsträume
Wär mein Leben programmierbar
Heavy Metal
Der Weg nach oben
Der Fußballfan
Breaking The Law
Hiroshima-Kranich
Eddie
18 Jahre sein
Mach keine Wellen (Studio-Version)
Jenny
Sie will weg
Hart wie Stahl
Letztes Rad am Wagen
Dit is Berlin

CD 2 (Babylon - Die größten Hits)
Dynamit
Geisterstunde
Ha-ja-jo
Freitag abend
Wir rocken los
Speed King
Tschernobyl
Hinter Glas
Auf und ab
Lebe wohl
Alles Gute
Gib Gas und komm
Monopoli (Nie wieder Krieg)
Gestern kamst du
Dshigiten-Legende
Jeder Abend
He, kommt alle rüber
Erde, halt die Balance

CD 3 (East Metal Hits)
MCB: Heavy Mörtel Mischmaschine
MCB: Kommando 308
MCB: Eisenmann
MCB: Rage Out
Plattform: Feuer
Plattform: Lichter der Nacht
Plattform: Sechzehn
Plattform: Heavy Braut
Biest: Crash Trash
Biest: Grab im Moor
Biest: Manne (gegen Gewalt)
Biest: Motortraum
Cobra: Lady Rock
Cobra: Wilde Action
Cobra: Träumer
Cobra: Feuer unterm Eis
Hardholz: Asphalt Lady
Hardholz: Tannhäuser
Hardholz: Wieland, der Schmied
Hardholz: Mystic Dream
 




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