www.Crossover-agm.de ARIJA: Armageddon
von rls

ARIJA: Armageddon   (CD Maximum)

Drei lange Jahre nach dem Meisterwerk "Krestschenije Ognjom" (die Zwischenzeit war mit diversen Intermissionsplatten allerdings reichlich genug gefüllt ...) legen die Großmeister des russischen Metals, Arija, nun also ein neues Studioalbum vor, und nur ausgemachte Optimisten dürften erwartet haben, daß sie den Vorgänger noch einmal toppen könnten. "Krestschenije Ognjom" findet sich mittlerweile in meinem hypothetischen CD-Koffer der 20 Platten, die unbedingt auf die einsame Insel mitgenommen werden müssen, und "Armageddon", das sei vorweggenommen, wird ihm diesen Platz nicht streitig machen, reiht sich aber nichtsdestotrotz in die Folge hochklassiger Alben dieser Band ein und schlägt damit immer noch 98% der Konkurrenz auch aus nichtrussischen Ländern locker aus dem Feld. Das geht schon wieder mt dem Opener "Poslednij Sakat" los (in dem irgendwo mal das CD-titelgebende Wort "Armageddon" vorkommt - einen Titeltrack besitzt das Album nämlich nicht, was bei Arija Seltenheitswert hat), der zwar ein paar Durchläufe mehr braucht als sein direkter Vorgänger "Patriot", um richtig zu zünden, der das aber dann irgendwann mal doch tut und den Gehörgang nicht wieder verlassen möchte. Man kommt aber schon in diesem Track leicht ins Stolpern, denn Arija setzen die leicht experimentelle Linie der letzten Songs auf dem Vorgängeralbum hier gleich in den ersten Kompositionen fort, basteln diese experimentelleren Elemente aber so geschickt ein, daß man wie gesagt zwar drüber stolpert, aber nicht stürzt, und das ist im Falle einer ausgewiesenen traditionellen Metalband ja schon eine Gratwanderung von ähnlicher Schwierigkeit wie die auf den Piz Bernina von Norden oder Süden. Im Opener sind diese moderneren Elemente noch sehr marginal ausgeprägt, nämlich genau genommen nur beim wie aus dem Nichts auftauchenden groovigen Riff, das den Refrain abschließt, und in einigen wenigen Gitarrenquietscheffekten im Solo nach hinten heraus, deren Einwebung aber das große arrangementöse Händchen der erfahrenen Musiker verrät. "Metschenij Slom" an zweiter Stelle treibt die Experimente dann aber schon etwas weiter - es handelt sich wieder um eine Komposition von Sergej Popow, und die bietet für Arija-Verhältnisse doch recht vertrackten Power Metal mit leicht modernisiertem Riffing, nichtsdestotrotz aber ebenfalls auch höchstem Niveau und zudem mit einigen Celloleads noch einen zusätzlichen Farbtupfer setzend. Erst "Strach Imperii" an dritter Stelle fährt die typischen Iron Maiden-Einflüsse der Band etwas stärker in den Vordergrund, kombiniert diese allerdings mit einer melodischen Struktur, die es in ähnlicher Form vor geraumer Zeit schon mal in einem Song von Sinner gegeben hat (komme grade nicht drauf, welcher - müßte ungefähr die "The Nature Of Evil"-Phase gewesen sein), ohne daß aber irgendwie ein Diebstahlseindruck entsteht - und der Song selbst ist auch keiner der schlechten Sorte, wenngleich nicht zu den Highlights zählend. Allerdings leitet er eine kleine Schwächephase ein, denn auch seine Nachfolger "Nowij Krestowij Pachod" und "Messija" sind zwar gutklassige Metalsongs, aber keine richtig großen Würfe, und das liegt im zweitgenannten Falle mal nicht an den dort eingebauten Experimenten - Arija mit Halftimedrums hat man auch noch nie gehört. Erst das neunminütige Epos "Krow Koroljei" schraubt das Niveau wieder auf die Höhen, die man von dieser Ausnahmeband gewohnt ist, und das geht schon mit dem geschickt arrangierten Akustikbeginn los. Hier darf Sänger Artur Berkut auch zeigen, daß er die klitzekleinen Unsicherheiten, die sein Gesang in den ruhigen Passagen des Vorgängeralbums manchmal noch offenbarte, komplett ausgemerzt hat - er ist zu einem integralen Bestandteil des Bandgefüges herangewachsen, das übrigens nach dem großen Umbruch vor "Krestschenije Ognjom" nun wieder die für zumindest die Arija der Dubinin-Ära typische Stabilität angenommen zu haben scheint. Daß in diesem Song der Refrain anfangs ein wenig an Maidens "For The Greater Good Of God" erinnert, darf man getrost als Zufall werten, denn "Armageddon" hat fast zur gleichen Zeit das Licht der Welt erblickt wie Maidens neues Album, das diesen Song enthält. Auch in der Düsterpassage nach dem ersten Solopart zeigen sich deutliche Wesensverwandtschaften zwischen Arija-Bassit Witali Dubinin, der "Krow Koroljei" geschrieben hat, und den Maiden-Songwritern, die einen solchen Part garantiert ähnlich gestaltet hätten. Das speedige Solo setzt dem Song dann das Sahnehäubchen auf. Danach wird's in "Wiking" allerdings wieder experimentell: Ein gesprochenes Düsterintro leitet einen Riffpart ein, der eher an Candlemass erinnert - ein Einfluß, den man von Arija so auch noch nicht kannte, wobei hier wiederum Sergej Popow als Komponist verantwortlich zeichnet. Allerdings hat er scheinbar Angst vor der eigenen Courage bekommen, denn er spinnt diesen Faden nicht fort, sondern leitet den Song in einen mittelschnellen Banger über, der nur in einigen Riffparts in Refrainnähe nochmal die Erinnerung an Candlemass aufkommen läßt. Spätestens hier sollte dem Kundigen ein kleiner Wechsel im Gitarrensound Arijas aufgefallen sein, denn hatten sie früher ihr Riffing soundlich weniger variiert, so ist die Variationsbreite diesmal deutlich größer geworden, wobei sich tendenziell ein etwas fetterer, von Maiden deutlicher unterschiedener Sound herausgebildet hat. Von dieser Entwicklung hat sich auch wieder Wladimir Cholstinin anstecken lassen, wie "Tschuschoi" besonders im Einleitungspart beweist, das allerdings auch ein wenig auffälliger, trotz der Effektivierung am Ende des Hauptsolos eher stereotyper, wenngleich nicht prinzipiell schlechter Banger geworden ist. Der Schlußteil schraubt die Qualität allerdings nochmal nach oben: Eine Ballade gehört bei Arija zum guten Ton, und hier ist es "Swjet Byloi Ljubwi", das die titelgebenden "Farben der verflossenen Liebe" mit großem Ausdrucksreichtum an die Wand malt. Nachdem Artur Berkut hier nochmal seine gesangliche Steigerung bewiesen hat (in den harten Passagen hat ihm ja schon auf dem Vorgänger niemand etwas vorgemacht), darf er ganz zum Schluß auch mal kompositorisch ran, und er ist paradoxerweise derjenige, der sich die wenigsten Experimente gegönnt hat, sondern einfach einen typischen schnellen, simplen und mitreißenden Arija-Klopfer schuf, so daß "Poslednij Sakat" und "Twoi Djen" quasi den schnellen Rahmen um das Album bilden, dessen Innenteil im Vergleich zum Vorgänger das Tempo etwas gedrosselt hat, was auch den Frischefaktor ein wenig nach unten befördert hat. Allerdings stellen solche Äußerungen ein Jammern auf hohem Niveau dar, denn wie eingangs erwähnt bleibt auch "Armageddon" ein richtig gutes Album, das sich mit dem "Krestschenije Ognjom"-Vorgänger "Chimera" allermindestens auf Augenhöhe befindet (ob es diesen noch überholen kann, muß die Zukunft mit ein paar mehr Hördurchläufen zeigen). Jedenfalls darf auch "Armageddon" zum Pflichtprogramm für den qualitätsbewußten Metaller der heutigen Tage ernannt werden, und da komme mir keiner mit irgendwelchen Vorbehalten aufgrund der Tatsache, daß die Truppe eben nicht aus Westeuropa oder den USA stammt. Im Laden um die Ecke bekommt man "Armageddon" natürlich nicht, aber www.karthagorecords.de oder www.metalglory.de halten in Deutschland völlig problemlose Bestellmöglichkeiten bereit. Jetzt wäre es nur an der Zeit, daß sich Udo Dirkschneider mal erkenntlich zeigt - nachdem Arija mit U.D.O. durch Rußland getourt sind, wäre doch mal eine Gegeneinladung fällig, oder?
Kontakt: www.aria.ru, www.cd-maximum.ru

Tracklist:
Poslednij Sakat
Metschenij Slom
Strach Imperii
Nowij Krestowij Pachod
Messija
Krow Koroljei
Wiking
Tschuschoi
Swjet Byloi Ljubwi
Twoi Djen



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