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Zeitschriften-Rezensionen 2013

Musik in Sachsen, Eisenblatt, Noizeletter, Break Out, MT-Journal, Das Opernglas, Visions, Metal Command, Reinhardswald Journal, Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz, That's Metal


Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Das 22jährige Organ Musik in Sachsen bekam in den 2012er Zeitschriftenreviews einen halben Nachruf gewidmet, da es unmittelbar vor einem großen Umbruch stand. Aber der ist nun anders ausgefallen als weiland gemutmaßt: Die vorliegende Ausgabe 2013 ist die letzte, die es in Printform geben wird - es wird also nicht nur der große Veranstaltungskalender ins Internet ausgelagert, sondern der Rest der Zeitschrift auch gleich mit. Das wird manchem Leser, der sich an die Bildschirmlektüre nicht gewöhnen kann oder will, die eine oder andere Träne ins Knopfloch treiben, während andere die neuen Möglichkeiten eher begrüßen werden und vielleicht daher mittlerweile auch schon zu den treuen Nutzern von www.musikinsachsen.de gehören. Martin Morgenstern, der neue Redaktionsleiter, macht im Vorwort der finalen Printausgabe noch einmal die Lage und die Gründe für die Entscheidung der Elektronifizierung deutlich, während Heike Heinz in einem großen Geschichtsbeitrag die Entwicklung der Zeitschrift noch einmal Revue passieren läßt. Interviews gehören Sven Helbig, der es mit seinen "Pocket Symphonies" immerhin auf vordere Ränge in den Klassikcharts geschafft hat, und Dieter Jaenicke, dem Intendanten des Festspielhauses Hellerau, wobei beide trotz unterschiedlicher Ausgangslage für eine Art von Infotainment stehen, das mancher Leser als frischen Wind empfinden und manch anderer als Verflachung brandmarken wird. Der Jubilar Richard Wagner muß natürlich gewürdigt werden, und etliche kleinere Beiträge runden das Heft ab, das ohne den Veranstaltungskalender auf schlanke 24 Seiten kommt, von denen etliche (im Vorgriff auf das Sterben der Printversion?) auch noch größere Leerflächen aufweisen. Kontakt: Sächsischer Musikrat e.V., Redaktion "Musik in Sachsen", Glashütter Straße 101a, 01277 Dresden, musikinsachsen@saechsischer-musikrat.de, www.saechsischer-musikrat.de



Mit Nr. 10 hat es das Eisenblatt in die Riege der Zweistelligen geschafft - Glückwunsch! Dem Titelblatt sieht man sogar die Patina des zugrundeliegenden Fotos an (das Moiré deutet an, daß es aus einem Presseorgan der DDR entnommen worden ist). Zu sehen sind hier Biest, die wohl extremste DDR-Band, die es zu offiziellen Aufnahmen gebracht hat und die im Karrieresinn das Pech hatte, daß die Wende ein, zwei Jahre zu früh kam, denn so wurde das seitens Amiga bereits geplante Debütalbum nicht mehr realisiert, und der reguläre Tonträgerausstoß beschränkt sich somit auf die Quartett-Single "Crash Trash", dessen Songs auch auf der großen Amiga-Metal-Dreierbox enthalten sind. Das Biest-Interview mit Gitarrist Frank Lawrenz ist auch das mit Abstand größte im zehnten Eisenblatt: Gleich 13 der 60 A5-Seiten werden damit gefüllt, und so bekommt eine weitere Ostmetal-Legende eine würdige Präsentation. Die anderen fünf interviewten Bands sind allesamt deutlich jünger, wobei Fatal Embrace allerdings auch schon ewig in der Szene rumkrebsen und trotz der Tatsache, daß sie mit keinem ihrer Alben irgendwelche größeren Erfolge einheimsen konnten, immer noch Durchhaltevermögen beweisen, wohingegen Heaven Shall Burn durchaus zu den Arrivierten der Szene zählen. Bitchhammer, Deserted Fear und Kali Yuga musizieren wie die drei anderen Genannten eher im derben Spektrum, so daß das Jubiläumsheft vom Stilspektrum her die melodischere Schiene komplett außen vor läßt, von den News und den Tonträgerreviews mal abgesehen, wo auch Pharao (allerdings anläßlich ihrer Auflösung) oder die Freiberger Hoffnungsträger Alpha Tiger vorkommen. Das wird nicht jedem Leser schmecken, zumal es ja auch nicht die Realität in der DDR widerspiegelt - wohl aber die Szenerealität in den neuen Bundesländern heute, wo es Melodic Metal immer noch enorm schwer hat. Trotzdem enthält das Heft immer noch genug lesenswerten Stoff, die kultige alte Fanzineoptik, reproduziert mit den heutigen technischen Mitteln, wurde beibehalten, und wenn Herr Engel jetzt noch den Titel des Biest-Demos "Only Tears" korrekt vom daneben abgebildeten Cover hätte abschreiben können (er macht "No More Tears" daraus, vielleicht vor lauter Mißfallen über die stilistische Kurskorrektur oder mit dem im gleichen Jahr erschienenen gleichnamigen Ozzy-Album im Hinterkopf), ein paar mit drei Punkten markierte Leerstellen vor dem Druck noch gefüllt worden wären (auffällig auf S. 14 oben oder im Impressum beim Frontcovernachweis) und man das Moiré auf dem Titelblatt vielleicht doch noch etwas abgemildert (oder ein anderes Bild genommen - die Biest-History-Ausstellung in den Heimatmuseen von Jüterbog und Ludwigsfelde wird sicherlich einiges Material bereitgehalten haben) hätte, dann hätte der Rezensent auch schon nix mehr zu meckern. Aber auch so lohnt die Lektüre definitiv. Nr. 11 ist bereits in Vorbereitung und wird im frühen 2014 erscheinen. Kontakt: Hendrik Rosenberg, Gleißnerplatz 4, 90471 Nürnberg, eisenblatt@ostmetal.de, http://eisenblatt.ostmetal.de

Auch ein kleines Jubiläum feiert der Noizeletter: In den 2010er Zinereviews noch mit seiner Debütnummer vorgestellt, ist das gleichfalls in A5 gehaltene Heftchen mittlerweile bei Nr. 20 angekommen. Einige Dinge haben sich im Vergleich zur Debütnummer geändert, andere nicht: Der Vertrieb läuft noch immer kostenlos, der Charakter als Werbeheft hat sich nicht geändert, allerdings ist man herausgeberseitig mittlerweile bei der Promoagentur Brainstorm im schönen Allgäu gelandet, indes immer noch oder neu mit diversen Labels wie Nuclear Blast, NoiseArt oder Napalm Records verbandelt. Bands aus diesen Häusern dominieren dann auch die Liste der Interviews wie der 10 knapp gehaltenen Tonträgerreviews; auch die Interviews kommen bis auf die Nightwish-Titelgeschichte (vier Seiten) mit jeweils einer Seite aus und sind in einer sehr fan-bezogenen, unkritischen, bisweilen auch leicht anbiedernd wirkenden Manier verfaßt, die allerdings immer noch recht informativ daherkommt, soweit das beim Platzangebot eben möglich ist. Dazu kommen noch im gleichen Stil gehaltene Festivalankündigungen des Metalfests Loreley und des Out-&-Loud-Festivals, und schon sind die professionell gedruckten und vierfarbigen 36 Seiten gefüllt, die immerhin in einer Auflage von 75.000 Stück erscheinen. Rohstoffverschwendung oder auf seine Art interessantes Kommunikationsorgan? Entscheidet selbst. Kontakt: Brainstorm Music Marketing AG, Weidachstraße 13, 87541 Bad Hindelang, www.noizeletter.com

Deutlich mehr Unabhängigkeit hat sich das Break Out bewahrt, obwohl natürlich auch dieses Magazin nicht ohne Anzeigenkunden und entsprechende Rücksichtnahmen auskommt - ansonsten wäre der Preis von 3 Euro für 68 vierfarbige und professionell hergestellte A4-Seiten natürlich nicht zu halten. Interessanterweise ist das Break Out das einzige dem Rezensenten bekannte Rockmagazin im Kioskbereich, das seit Jahr und Tag ohne CD-Beilage auskommt. Aerosmith zieren das Cover der Ausgabe 4/2013 und stellen auch so etwas wie den Mittelpunkt der Stilistika dar, die sich im Heft wiederfinden: Dem klassischen Heavy Rock gehört die zentrale Liebe der Macher, aber man behandelt auf der einen Seite auch alles bis zum Blues und älterem Rootsrock, auf der anderen Seite spielen auch die melodischeren Substile des Metal eine große Rolle, wobei es dann doch Grenzen gibt, jenseits derer sich die Redakteure nicht mehr so richtig zurechtfinden, wie das seltsam verwirrte und hilflose Interview mit den Black Metallern Erimha beweist. Der Schuster sollte also doch besser bei seinem Leisten bleiben, denn dort leistet er zumeist richtig gute Arbeit, und selbst der in den 2010er Zinereviews noch gescholtene Marcel Suck hat bezüglich seines Schreibstils viel dazugelernt. Dafür fällt der für den Bluesrock zuständige Martin Pietzsch mit einer fannah gemeinten, aber übertrieben wirkenden Schreibweise negativ auf. Wie man Begeisterung und Berichterstattung unter einen Hut bekommt, das demonstriert der für die Progsparte zuständige Michael Hirle in deutlich eleganterer Manier. Wie Hofberichterstattung wirkt auf den ersten Blick der Manowar-Studioreport, aber auf den zweiten Blick erkennt man, daß Jürgen Lugerth Joey deMaio in Wirklichkeit ziemlich an die Wand fahren läßt (egal ob das nun Absicht war oder nicht). Und das Foto in der Vorschau auf S. 66, wo deMaio und der britische Schauspieler Brian Blessed, der in der Neueinspielung von "The Warrior's Prayer" den Märchenonkel, pardon, Märchenopa gibt, so nebeneinander stehen, als könnten sie sich nicht ausstehen, obwohl der Interviewtext eine andere Sprache spricht, fällt auch unter den Terminus "Realsatire pur". Dazu kommen wie üblich noch haufenweise Tonträger- und ein paar Livereviews, und schon sind die lesenswerten 68 Seiten wieder gefüllt. Nur mit Geographie hat's jemand nicht so richtig: Im Victorius-CD-Review werden Alpha Tiger doch glatt in Sachsen-Anhalt verortet, was man als guter sächsischer Patriot natürlich nicht durchgehen lassen kann ... Kontakt: Michael Möller, Neckargemünderstraße 9, 69239 Neckarsteinach, info@breakoutmagazin.de, www.breakoutmagazin.de

Wohl unbestreitbar ist der Fakt, daß sich Leipzig in Sachsen befindet, und das an der dortigen Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" angesiedelte MT-Journal erscheint weiter regelmäßig zweimal im Jahr. Hatte die Ausgabe 34 stolze 112 Seiten und damit so viele wie nie zuvor, so bringt es die vorliegende aktuellste Nr. 35, ausgangs des Sommersemesters 2013 erschienen, wieder "nur" auf die klassischen 76 plus eine zwölfseitige Beilage - allerdings hat man heftungsseitig die Klebebindung der Drahtrückstichheftung vorgezogen. Im positiven Sinne entspricht auch der Inhalt von Nr. 35 der großen Linie vergangener Hefte ohne große Neuerungen: Der Hauptinhalt gehört der Selbstreflexion der Hochschule, und das sowohl in Form von Berichten über Veranstaltungen (darunter auch die ebenfalls beim CrossOver rezensierte "Zauberflöte", die zugleich das Titelfoto stellt) als auch in Gestalt von Personalnachrichten und strukturellen Artikeln, etwa über das neue Elfrun-Gabriel-Stipendium oder eine engere Kooperation zwischen der Hochschule und dem Bach-Archiv beim Bach-Wettbewerb 2014. Dazu kommen der zweite Teil eines wunderbar pointierten Artikels des Kompositionsprofessors Claus-Steffen Mahnkopf über Musikpädagogik, diesmal vor allem deren Grenzen aufzeigend, die Serie "Vergessene Jubiläen" (diesmal über Leo Smit), ein Neuanfang in der Serie "Musikgeschichte(n)", diesmal zu Athanasius Kircher, und einige andere nur latent oder gar nicht mit der Hochschule verknüpfte Texte. Die Beilage ist im Gegensatz zum schwarz-weißen Rest des Heftes wieder vierfarbig gehalten und beschäftigt sich mit dem "Untergrund der Hochschule" - damit sind keine geologischen Analysen gemeint, sondern die Mitarbeiter des Referates Innerer Dienst/Technik und deren Arbeitsplätze, seien das nun die Lichttraversen, die Klimaanlage oder die Bühnentechnikräume. Mit denen kommt der Außenstehende, ja selbst der Student nur selten oder nie in Berührung, aber für das geordnete Dasein der Hochschule an sich und der internen Veranstaltungen im speziellen sind diese Menschen und ihre technischen Helferlein natürlich von existentieller Bedeutung. Kontakt: MT-Journal, c/o HMT Leipzig, Pressestelle, Grassistraße 8, 04107 Leipzig, presse@hmt-leipzig.de, www.hmt-leipzig.de

Für den Teil der Studenten, aus dem Opernsängerinnen/-sänger werden sollen bzw. deren Instrumentalkarriere sie in Theater- und Opernorchester führt, ist Das Opernglas wohl nach wie vor Pflichtlektüre - es dürfte zumindest im deutschsprachigen Printsektor kaum eine andere Publikation geben, die in ähnlicher Form Monat für Monat so viel relevantes Wissenswertes aus der Welt der Oper zusammenträgt. Titelfrau ist im Dezemberheft 2013 Anja Harteros, der auch eines der drei Interviews gehört; die anderen beiden ("Im Gespräch" und "Das Porträt" überschrieben) präsentieren Yonghoon Lee und Christiane Kohl. Der Rest der auf dem Titelblatt Genannten kommt also nicht in Interviewform zu Wort, sondern wird mit Veranstaltungsberichten vorgestellt, die wieder in "Aufführungen" und "Rundblick" untergliedert sind, was scheinbar auf einer Abstufung des Bedeutungskreises beruhen soll, sich dem Leser aber nur unwesentlich besser erschließt als die oben genannte, völlig willkürlich anmutende Aufteilung der drei Interviews oder ähnliche Strukturen in den CD-Reviews. Man liest das Heft also besser einfach von vorn bis hinten durch und kümmert sich nicht darum, welche Seiten nun in welche Subkategorien fallen sollen und wie man diese von anderen Subkategorien unterscheidet. Und lohnende Lektüre bieten die 96 Seiten mit ihrer recht ausführlichen und detaillierten Berichterstattung allemal, zudem reich, aber nicht dominierend bebildert (will heißen: Die textliche Information steht immer im Fokus, und das ist auch gut so). Ein großer thematischer Artikel in diesem Heft weckt besondere Aufmerksamkeit: Kasachstan hat bekanntlich seine Hauptstadt verlegt - statt des großen, aber peripher und zudem erdbebengefährdet gelegenen Almaty (früher Alma-Ata) ist nun das zentral in der Steppe aus dem Boden gestampfte Astana die neue Metropole des Landes, und ebendort ist ein monumentales neues Opernhaus eröffnet worden, das in Zukunft einen markanten Baustein im kulturellen Leben des Landes bilden soll - der Artikel beleuchtet die Eröffnungsfeierlichkeiten und die neuen Möglichkeiten, aber auch die negativen Begleiterscheinungen (so ist im Zuge der Neueröffnung das alte Opernhaus komplett geschlossen und seine Belegschaft vollständig abgewickelt worden) und liest sich für den mit den Verhältnissen in den postsowjetischen Gefilden Vertrauten natürlich hochinteressant. Thematisch sind die Jubilare des Jahres 2013, Wagner und Verdi, natürlich nochmals omnipräsent, während die nächste "Sau", die 2014 durchs Dorf getrieben werden wird, nämlich Richard Strauss anläßlich seines 150. Geburtstages, noch weitgehend im Stall verbleibt. Kontakt: Opernglas Verlagsgesellschaft mbH, Grelckstraße 36, 22529 Hamburg, info@opernglas.de, www.opernglas.de

Wer Visionen habe, müsse zum Arzt gehen, lautet ein bekanntes Bonmot Helmut Schmidts. Daran hat sich Daniel Oeding, der anno 1989 ein Heft namens Visions gründete, allerdings nicht gehalten, und so kann besagtes Heft mittlerweile auf ein Vierteljahrhundert Geschichte zurückblicken, in welchselbigem insgesamt 250 Hefte erschienen sind. Das Jubiläumsheft ist kurz vor Weihnachten 2013 herausgekommen und beinhaltet neben einigen Rubriken, die es auch in den "Normalheften" gibt, allerdings aus Platzgründen in Nr. 250 stark ausgedünnt wurden (Interviews, Tonträgerreviews, Konzertberichte), ein riesiges Special, welches das Heft auf stolze 292 Seiten hievt: 250 Musiker äußern sich zu je einer Platte, die ihr Leben verändert oder zumindest an irgendeiner Stelle eine spezielle Bedeutung für sie gehabt hat. Das Spektrum der besagten Musiker entspricht ungefähr dem üblichen Themenspektrum des Heftes: Obwohl schon 1989 gegründet, ist das Visions gedanklich ganz klar ein Kind der Neunziger, die die Achtziger musikalisch so stark von der Bildfläche verdrängten, wie das bei keinem musikalischen Umbruch seither wieder der Fall war - die "Anything goes"-Haltung der Neunziger hatte neben mancherlei Irrwegen auch den angenehmen Nebeneffekt, daß alle weiteren Wellen nebenher auch noch gewissen Platz für das Althergebrachte ließen, was mit dem Sieg von Grunge und Crossover über Achtziger-Pop, -Rock und -Metal noch anders gewesen war. Und obwohl das Visions nicht zur ganz schlimmen Kategorie der Trendreiter gehört, so fällt schon auf, daß beispielsweise Metal nur dann vorkommt, wenn er vermeintlich fortschrittlich (oder kommerziell riesig) einzuordnen ist, und selbst dann eine gewisse Hilflosigkeit gegenüber dem großen Unbekannten herrscht. So kommen auch Sätze wie "Für den Song greifen die Musiker [von Orphaned Land - Anm. rls] nicht nur zu den klassisch westlichen Instrumenten, sondern auch zu Flöte und Oud - das Ergebnis klingt ungefähr so, als würden System Of A Down sich den Song zur Brust nehmen" (S. 11) zustande, die gleich ein ganzes Rudel Böcke schießen. Auf ihren ureigenen Gebieten wie (Post-)Punk, Hardcore, Indie und Alternative (mit Fokus auf den beiden letztgenannten) scheint größere Sicherheit zu herrschen, wobei coolerweise die interne Meinungsvielfalt auch öffentlich gelebt wird: Platte des Monats ist der selbstbetitelte Zweitling der Kalifornierinnen Warpaint, aber neben dessen Hauptreview sind auch Stimmen anderer Redakteure abgedruckt, und darunter findet sich auch ein Verriß von Jan Schwarzkamp.
Visions
Zurück zum Special: Hier kommt wirklich fast alles an Musikern zu Wort, was in den genannten Genres derzeit Rang und Namen hat, und Iggy Pop & The Stooges stellen mit fünf Platten die Pole Position in der Rangliste der 250 Genannten, unter denen sich wenig Undergroundmaterial befindet, aber trotzdem einige Überraschungen zutagetreten: Wer hätte vermutet, daß ausgerechnet Billy Corgan (Smashing Pumpkins) ein großer Anhänger von Ritchie Blackmore ist und dessen Rainbow-Mitschnitt "Live In Munich 1977" für diese Kolumne auswählen würde? Und daß Thees Uhlmann (ja, der von Tomte) noch heute regelmäßig "Reign In Blood" von Slayer auflegt, dürfte bisher auch nicht gerade zur Allgemeinbildung gehört haben. Die meisten der 250 Musiker liefern recht persönliche und informative Statements ab, nur einige versteigen sich in pseudointellektuelle Wirrnisse. Pro Seite finden jeweils ein bis zwei Musiker Platz, unterbrochen gelegentlich von Anzeigenseiten, und so erstreckt sich der Sonderteil letztlich über 200 Seiten. Sehr großzügig geht die Layoutfraktion in den Interviews und sonstigen Berichten mit dem Platz um, was bei der Doppelseite vom zweitägigen Sonic-Visions-Festival darin gipfelt, daß drei Viertel des Platzes von einem riesigen Sigur-Rós-Foto eingenommen werden und von dem knapp halbseitigen Textkasten die erste Hälfte für die Beschreibung des Veranstaltungsortes Esch-sur-Alzette draufgeht. Solches Bravo-Niveau findet sich noch an anderen Stellen (etwa dem völlig überflüssigen und selbstherrlichen Queens-Of-The-Stone-Age-Report), aber dankenswerterweise gibt es auch deutlich Tiefgründigeres wie das Interview mit Tony Iommi, der sehr offen über seine Krebserkrankung und deren Auswirkungen auf die Arbeitsweise von Black Sabbath spricht. Beigelegt ist dem Heft eine CD namens "Die besten Coversongs aus 25 Jahren", über deren Auswahl sich natürlich trefflich streiten läßt. Dem Rezensenten fallen aus diesen 25 Jahren spontan beispielsweise die Toy Dolls mit ihrer anarchistischen Fassung von "The Final Countdown" ein, die stilistisch mitten ins Visions-Revier fallen und vom Humorfaktor ebenso weit oben liegen wie die Leningrad Cowboys, die man jedoch beide hier vergeblich sucht. Aber so wird noch jeder seine Wünsche haben ... Glückwunsch an die Dortmunder zum Durchhaltevermögen und der Fähigkeit, so breit aufgestellt zu sein, daß sie auch für Lifestyle-Anzeigenkunden interessant werden; Chefredakteur Dennis Plauk verdient darüber hinaus ein Sonderlob, wenn er die Frage "Black Sabbath mit Ozzy oder Dio" in die Antwort "Ozzy und Dio!" umpolt und damit Geschmack beweist. Kontakt: Visions Verlag GmbH, Heiliger Weg 1, 44135 Dortmund, redaktion@visions.de, www.visions.de

Kurz vor Toresschluß kam auch noch Metal Command Nr. 11 hier an - die extreme Kurzfristigkeit war eigentlich nicht so geplant, aber die Post hatte es offenbar fertiggebracht, das erste Heftpaket irgendwo "vom LKW fallen zu lassen", und so mußte Marius Gindra noch ein zweites auf den Weg bringen. Zur intensiven Lektüre aller der 56 A4-Seiten hat die Zeit bis zum Onlinegehen des 2013er Jahresschlußupdates nicht mehr gereicht, aber zumindest diverse Ein- und Überblicke sind schon möglich gewesen, und die fallen überwiegend positiv aus. Chef Marius, sein Hauptkompagnon Daniel Müller und sein Gastschreiber Patchman Marco haben einen breitgefächerten Geschmack innerhalb des "echten" Metals (der neben traditionellem Heavy Metal auch ebenso traditionellen Death Metal etc. umfaßt), und zudem hat Marius seinen Vater Michael ebenfalls als Gastschreiber angeheuert, der mit Reviews über z.B. Porcupine Tree oder Led Zeppelin noch eine weitere Farbe einbringt. Die Interviews umfassen sowohl bekannte Acts wie U.D.O. oder Cathedral als auch tiefsten Untergrundstoff wie Tempter oder Vanguard, wobei sich gerade der Plausch mit Udo Dirkschneider doch erfreulich von den Standardfragen fernhält bzw. diese geschickt in bestimmte Kontexte stellt. Dazu kommen noch etliche Bands, die popularitätstechnisch irgendwo zwischen den Extremen liegen, etwa Liege Lord, Sleepy Hollow oder Jackal (die holländischen, nicht die dänischen!). Das Interview mit Bill Tsamis von Warlord fand offensichtlich statt, bevor diese mal wieder einen neuen Sänger verpflichteten, und Harry Conklin erwischte der Interviewer in einer ganz düsteren Phase, in der dieser all seine Bands verlassen hat, weil er sich die ganzen unentlohnten Strapazen nicht mehr antun will; dementsprechend einsilbig antwortet er manchmal. Neben den Ton- und Bildträgerreviews kommen natürlich auch Konzertberichte vor, wo sich die Mitarbeiter als verrückte Metalheads erweisen, die auch mal eben nach Holland oder Tschechien fahren, wenn dort interessante Bands spielen, die man vor heimischem Publikum nicht sehen kann, etwa Debustrol. Das Layout geht in Ordnung, auch wenn man sich an den plötzlichen Wechsel von Ein- in Mehrspaltigkeit hier und da erst gewöhnen muß und man sich vielleicht auch noch ein System einfallen lassen sollte, um die Interviews deutlicher voneinander zu trennen, wenn der Wechsel mitten auf einer Seite stattfindet. Ach ja, und über das sämtliche metallischen Klischees auf wenig ansprechende Weise kumulierende Coverartwork müssen wir auch nochmal reden ... Dennoch ein interessantes Heft, das bisweilen etwas an das Metal Obsession erinnert und für traditionsorientierte Metaller einen Erwerb definitiv wert ist. Kontakt: Marius Gindra, Ulmenstraße 12, 55126 Mainz, MetalCommandMG@aol.com

Gar keine nonmusikalischen Hefte diesmal? Doch, doch, hier kommen noch zwei. Da wäre zunächst Nr. 9 des Reinhardswald Journals, ein 32seitiges Blättchen auf Zeitungspapier, das den Untertitel "Märkte. Marken. Märchen" trägt. Der Reinhardswald ist nicht gerade als erste Adresse der deutschen Urlaubsdestinationen bekannt, aber das Areal um Hofgeismar und Bad Karlshafen beherbergt schon mancherlei Sehenswertes, was sowohl für den Naherholungssucher etwa aus Kassel oder Hannover, aber auch für den länger bleibenden Touristen von Interesse sein könnte. Etliche dieser Ziele und Aktivitäten stellt das halbjährlich erscheinende Reinhardswald Journal vor, wobei sich in Nr. 9 u.a. der Brunnenpark in Hofgeismar, dessen Kuranlagen im 18. Jahrhundert einen exzellenten Ruf genossen, das Deutsche Hugenottenmuseum in Bad Karlshafen oder die ehemalige Klosterkirche in Helmarshausen, von der mittels Steinplatten der Grundriß wieder erkennbar gemacht wurde, präsentieren dürfen. Die mittlere Doppelseite enthält für die überblicksartige Orientierung im nördlichen Teil des Reinhardswaldes zudem eine Übersichtskarte des Areals zwischen Grebenstein und Uslar, und sechs Seiten gehören einen großen Veranstaltungskalender für ein halbes Jahr. Als Heimat der Gebrüder Grimm hat die Region zweifellos noch Entwicklungspotential, wenngleich die Aussage "Wir wollen innerhalb der nächsten zehn Jahre zur erfolgreichsten Mittelgebirgsdestination in Mitteleuropa werden" von Holger Schuch, Geschäftsführer der Regionalmanagement GmbH (S. 24), wohl ins Reich der Märchen verwiesen werden muß - da spielen Schwarzwald, Bayerischer Wald, Harz oder Erzgebirge schon noch in einer anderen Liga. Und der Fakt, daß der Reinhardswald auch zentraler Schauplatz von Hans Grimms Roman "Volk ohne Raum" ist, läßt sich halt schwer vermarkten, ohne daß angesichts der neuen braunen Gäste dann alle anderen Gäste wegbleiben ... Ergo müssen andere Trümpfe ausgespielt werden, neben den bereits genannten etwa die Weserschiffahrt oder die Sababurg. Kontakt: Werbeagentur Martin Schiffner, PF 1168, 34361 Hofgeismar, redaktion@werbeagentur-schiffner.de

Probleme, versehentlich an den rechten Rand der Gesellschaft gerückt zu werden, hat der Landesverein Sächsischer Heimatschutz e.V. bisweilen auch, obwohl es inhaltlich keinerlei Begründung dafür gibt. Natürlich propagiert der Verein die Verbundenheit mit der eigenen Heimat, meinetwegen auch der eigenen Scholle, weil nur diese die Voraussetzung für eine erfolgreiche Basisarbeit im regionalkulturellen und naturschützerischen Bereich herstellen kann. Aber Volkskunde hat halt trotz gleichen Wortstammes nichts mit völkischer Gesinnung zu tun, wie mancher oberflächlich Gebildeter und Neunmalkluger der heutigen Zeit fälschlicherweise annimmt. Zur Korrektur solcher schiefstehender Meinungen eignet sich in bewährter Weise das Mitteilungsheft des Landesvereins, das nach wie vor dreimal jährlich erscheint, wobei Nr. 3/2013 diesmal etwas Verspätung hat - bis zum heutigen 30.12.2013 hat es sich jedenfalls nicht beim Rezensenten eingefunden. Aber aufgrund der grundsätzlich identischen Heftstruktur kann man zu Vorstellungszwecken natürlich auch die Nummer 2/2013 heranziehen, wobei diese traditionellerweise einen Sonderbeitragsblock über das alljährliche Treffen des Landesvereins enthält, das diesmal im vogtländischen Reichenbach durchgeführt wurde. Daß sich auch die Kartenbeilage um das Vogtland dreht, nämlich um das Amt Voigtsberg, wird wohl kein Zufall sein (auch wenn Reichenbach nicht zu diesem Amt gehörte), und Gerhard Billig, Nestor der sächsischen Burgenforschung, behandelt in seinem lesenswerten und streitbaren Beitrag ebenfalls die Geschichte der Vögte, die dem Landstrich um Plauen zu seinem noch heute geläufigen Namen verhalfen. Aber auch andere Regionen Sachsens finden Reflexion, u.a. Dresden mit Schilderungen der 1813er Kampfhandlungen um die Stadt, das Schloß Hubertusburg, wo 1763 der Friedensvertrag unter den Siebenjährigen Krieg gesetzt wurde, und das Muldenland flußabwärts von Nossen. Wilfried Wehner widmet sich wieder einem eher theoretischen Thema, nämlich der Naturbewußtseinsstudie 2011, und der übliche Teil mit Vereinsnachrichten, Würdigungen verdienter Persönlichkeiten und Literaturrezensionen rundet die 84 Seiten ab. Kontakt: Landesverein Sächsischer Heimatschutz, Wilsdruffer Straße 11/13, 01067 Dresden, landesverein@saechsischer-heimatschutz.de, www.saechsischer-heimatschutz.de (bis hierher: rls)

THAT'S METAL, April 2013, Nr. 17
Im digitalen Zeitalter kommt es immer seltener vor, dass einem gut gestaltete und inhaltlich gehaltvolle Musikmagazine auf den Schreibtisch flattern. Zugegeben, auch ich nutze inzwischen fast ausschließlich Online-Magazine, um in Sachen Metal auf dem Laufenden zu bleiben und mich kurz und bündig zu informieren. Neben den großen, weitgehend dem musikalischen Mainstream hinterherhechelnden Magazinen wie Rolling Stone, Rock Hard und Metal Hammer gibt es aber immer noch eine Handvoll Fanzines, die den Metaller gerne mal vom Bildschirm weglocken und mit interessanten Interviews und Hintergrundstories bei Laune halten. Zu jenen gehört auch das in Norddeutschland beheimate Magazin THAT'S METAL, das bereits in den 1990er Jahren unter dem Namen THAT'S IT den metallischen Underground beleuchtete, mit dem Anbruch des Online-Zeitalters aber - wie so viele andere Printmagazine auch - seinen Dienst quittieren musste.
In der Ausgabe Nr. 17 kommen nicht nur altgediente Heroen wie DEMON, HELSTAR und JACKAL, sondern auch viele neue, junge Bands wie DIEMONDS und ASGARD zu Wort, die den Spirit der 1980er Jahre heute weitaus authentischer leben als kommerziell überbewertete Bands. Szenekenner wissen, wer gemeint ist. Das durchgehend vierfarbig gestaltete Magazin besticht durch gut recherchiertes Material, auskunftsfreudige Musiker und Szenekenner sowie eine Vielzahl an Bildern, die das gut lesbare Textformat auflockern. In der Review-Rubrik finden sich ebenso ausschließlich Underground-Platten wieder, wobei meinerseits das von Herausgeber Martin Brandt mit einer ordentlichen Bewertung versehene SAINT-Review natürlich besondere Aufmerksamkeit erntet. Um dem Metaller einige der hier vorgestellten Bands auch musikalisch näher zu bringen, wird gleich noch ein Magazin-eigener Sampler ("Metallic Commandments") mit bisher unveröffentlichtem Material mitgeliefert. Wer mal wieder ein ansprechendes und professionell aufgemachtes deutschsprachiges Metal-Fanzine in die Hand nehmen möchte, sollte sich dieses Heft unbedingt besorgen und seine Bestellanforderung plus Preisanfrage an Martin Brandt (thatsmetal@gmx.net) richten. (tk)



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