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von rls

V.A.: Frisch gepresst   (Landesjugendpfarramt Sachsen / Referat Bandarbeit)

Thomas hat mal wieder eine überblicksartige Bestandsaufnahme der christlich orientierten Bandszene in unserem schönen Freistaat (mit schlaglichtartigen Betrachtungen angrenzender Areale) fabriziert. Im Gegensatz zum Vorgänger aus dem Jahre 1998 kommt das Ganze anno 2000 nicht auf Tape, sondern in Silberpreßform, und obwohl gleich zwei CDs fast bis zum Rand gefüllt wurden, wird wohl jeder irgendeine Combo vermissen (mir fehlen z.B. Necromance). Wollen wir mal kurz durchgehen, was es zu hören gibt:
Silberplatte numero uno rockt mit "Rock On The Rock" der Teenieschwärme Bloody Tears gleich ordentlich los. So gar nicht einordnen kann ich Chaskele - ich bilde mir ein, da ein paar Klezmer-Einflüsse, gepaart mit etwas bachöser Melodik, umgesetzt von einer kleinen Kammermusikbesetzung, zu hören, aber das kann auch kompletter Unsinn sein. Da lobt sich der Schubladendenker doch DJ Sei, dessen "Er ist hier" problemlos in die Kiste mit der Aufschrift "Atmosphärischer Dancefloor" paßt. Exaudi fabrizieren ausgezeichneten Düstermetal, wobei "Die Chance" nicht zuletzt von der interessanten Tastenarbeit lebt (man verwendet wieder mal ähnliche Sounds wie Eternal Peace in "Stechapfel"). Der "Pipe Player" von den Fallin' Oaks flötet sich so durch die Gehörgänge, als ob Jethro Tull ein Jazz-/Worldmusic-Trio aus Leipzig wären. Gideon haben es leider nicht geschafft, die Livequalitäten (besonders den Energiesektor) von "Angst" auch in die Rillen zu pressen, was den Song als solchen aber nur unwesentlich schlechter macht. Go Out sind eine dieser völlig undankbaren Bands: Sie sind weder besonders gut noch richtig schlecht, man freut sich durchaus, wenn man sie hört, aber es macht auch nichts, wenn man nicht hört. Durchschnitt nennt man sowas wohl, aber auch ihr Normalorocker "Heimat" hat zu Recht seine Freunde. So richtig hauen mich auch Gospellight nicht vom Hocker, die eigentlich genau das fabrizieren, was beim Auseinandernehmen des Namens entsteht: "Gospel light". "Solang die Erde steht" ist zweifellos nett anzuhören, aber leider deutlich zu substanzlos, daß man sich nach dem Hören noch dran erinnern könnte. Da sind Highlight mit ihrem kraftvollen Rocker "Es ist Zeit" schon deutlich besser (auch wenn sie sicher noch zu größeren Taten fähig sind) und leiten über zu Jesus Crews genialer Halbballade "Könige", die mir bei jedem Hören aufs neue Tränen in die Augen treibt. Kreuzschnabels abwechslungs- und einfallsreicher Traditionsrock in "Schattenspringer" leidet eigentlich nur unter der dünnen Produktion, die speziell die Drums wie die berüchtigten Omo-Trommeln klingen lassen. Live wissen die Schönheider aber genauso zu überzeugen wie die folgenden New Life, deren schon etwas älterer Epicrocker "Gedanken" indes auch in der Studioversion und noch ohne Supersängerin Jenny Qualitätsfutter der Güteklasse A darstellt. Nur Güteklasse B sind Ostwind mit "Am Morgen", was nicht an der mich an uralte Stones-Platten erinnernden Musik, sondern am schwachen Gesang, der irgendein halbgares Mittelding zwischen "richtigem" Gesang und Sprechgesang darstellt, liegt. Zu out of tunes "Freiheit", das immer noch kein Dancefloorhit geworden ist, was nach wie vor nicht in mangelndem Potential begründet liegt, muß man wohl nicht mehr allzuviel sagen, ebenso zu Profils A-Cappella-Version des traditionell-gospeliten "Where You There". "Celtic Folkrock" geben Reel Feelings nach Eigendefinition zum Besten, ein Areal, in dem ich mich so gar nicht auskenne, aber "'s Oro Downey" gefällt mir, ist sauber und mit Feeling eingespielt. Der Reiprich & Pötsch Band hört man die jahrelange Erfahrung auch in dieser neuen elektrifizierten Besetzung an; die "Mohnblumen" wurden mit kräftigen Riffs gedüngt und vorher mit der chemischen Keule poetischer Verse resistent gegen alle kritischen Anmerkungen gemacht (zu Recht übrigens). Disc 1 wird abgeschlossen mit dem Traditionsrocker "Sehnsucht" aus der Feder von Return, der einer der besseren im Repertoire dieser Combo ist, aber mit den Nachbarn von Jesus Crew doch nicht ganz mithalten kann.

V.A.: Frisch gepresst

Die wohl älteste der vertretenen Formationen eröffnet die zweite Scheibe: Die bereits seit 1974 aktiven erzgebirgischen Signpost verrocken den Gospel "Walk Through The Desert" in mitreißender Form. Nach wie vor überhaupt nichts anfangen kann ich im songwriterischen und emotionalen Sinne mit Signs Of Life; "Drehst dich" ist aber wenigstens sauber eingespielter Normalorock, der sicher auch seine Anhänger finden wird. Ein ganz anderes Kaliber sind da Street Of Hope - klassischer Hardrock in "Let's Rock People" - und Sunrise, die, wie schon ein geschätzter Kollege feststellte, "das Erbe diverser DDR-Artrocklegenden angetreten haben" und deren Früchte zu ernten beginnen, bei denen es sich keineswegs um "Verbotene Früchte" handelt. Taureif haben keineswegs zu hoch "Gepokert", wenn sie ein schönes warmes Cello in diese ihre Halbballade integrieren, und Testifys Lobpreisrocker "Abhängig" wird nicht mal durch die arg computerized trömmelnden Schlagwerke gestört, sondern sorgt u.a. durch die Flöte für wohlige Klangerlebnisse. Traditionsorientiert rockig bringen Trinitatis ihr "Süchtig" rüber und können damit sehr wohl überzeugen. Ein für den Rezensenten ausgesprochen dankbarer Track ist der folgende: Er heißt "Yiddish Blues", er wurde eingespielt von Yiddish Blues, und er klingt nach jiddischem Blues. So einfach ist das manchmal. Die nächsten neun Tracks dieser zweiten CD gehören Bands aus den Sachsen umlagernden Gebieten. Den Anfang machen bez iluze aus Prag mit dem stonerrockeingenebelten "Maranatha", das zwar live noch mehr zu überzeugen weiß, aber auch in Konservenversion nicht weniger als ein Hörgenuß ist. "Fall Down" von No Feeling californiapunkt sich fröhlich durch Nordböhmen, während der eher schleppende, druckvolle Rocker "Vorsicht!" von Filterlos aus Nordthüringen den vor gewissen extremistischen Tendenzen warnenden Text ausgezeichnet unterstreicht. Von den Fisherman's Fans aus Jena wurde das getragene "Wie ich bin" verewigt (kein Highlight, aber gute Wertarbeit), und die Good News aus der Bachstadt Eisenach verkünden ebensolche mit bluesenden Tönen. Sachsen-Anhalt steuerte Gottes Vieh bei, benannt nach einem Ausspruch von Heinrich Heine und mit "Unerträglich leichtes Sein" vertreten, das verdeutlicht, wie die Vorgängerband Back Yard Yell hätte klingen können, wenn sie ein bißchen von zwei Musen namens Cranberries und Rush geküßt worden wäre. Die K. Michael Köhn Band aus Berlin gibt in "Für die Hoffnung" klassische Rockmusik zum besten, die in mir die Hoffnung weckt, daß dieses solide Stück live noch eine ganze Portion mehr hergibt (die femalen Backings sind allerdings echt nicht der Bringer). Kreuzweise aus Gotha lassen sich in "Pass auf!" von Saga inspirieren (man höre die Gitarren in der Songmitte), werfen noch ein paar Satzgesänge in den Topf - fertig ist eine schmackhafte Rocksuppe. Living Waters bewohnen den Thüringer Wald und klingen, als hätte man Ten Years After und Uriah Heep dort gerade erst entdeckt, was als Kompliment zu verstehen ist. Ganz zum Schluß dieser CD kommt mit U.F.K. noch ein Mensch zu Wort, der etwas weiter entfernt von Sachsen wohnt, nämlich im Rheinland, und der in "Feel 4 it!" subtil-sterile Soundlandschaften mit elektronischen Mitteln malt.
Wer braucht diese CDs nun? Jeder, der in Sachsen und den angrenzenden Gebieten christlich orientierte Veranstaltungen durchführt, auf jeden Fall, aber auch der Privatmensch bekommt einen vernünftigen Überblick über die Szene, muß sich jedoch leider damit abfinden, keinerlei weitergehende Informationen über die Bands zu erhalten, sondern lediglich eine Kontakttelefonnummer. Die beiden gebrannten und optisch leider nicht sehr einladend aussehenden CDs gibt es zum Gesamtpreis von 32 DM (plus Porto) - ich bleibe dabei, das erscheint mir ein kleines bißchen überhöht - im Landesjugendpfarramt Sachsen, z.Hd. Solveig Donath, Caspar-David-Friedrich-Straße 5, 01219 Dresden, Tel. 0351-4739014, zu ordern.
 




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