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JESUS CREW    26.11.1999    Chemnitz, Arche
von rls

So, diesmal waren Jesus Crew besetzungstechnisch komplett, also inklusive dem platzbedürftigen Keyboarder Steffen - und trotzdem war auf der riesigen Bühne der diesmal nicht ganz gefüllten Arche mehr Platz als beim Gig im Februar (siehe hier). Merkwürdig. Aber egal. Jedenfalls stellte das Dorfchemnitzer Quintett zum wiederholten Male unter Beweis, daß es zum Besten gehört, was sich derzeit auf dem christlichen wie säkularen Musikmarkt tummelt. 100 Minuten lang bekam das Auditorium, was es wollte, nämlich ehrliche, ebenso eingängige wie anspruchsvolle traditionelle Rockmusik mit "Thinking Man's Lyrics", ähem, sorry, "Thinking Woman's Lyrics". Neben viel Stoff von der immer noch aktuellen CD "Könige" stellte die Crew auch einige brandneue Tracks vor, die unterstrichen, daß, wenn vielleicht in nächster Zeit noch ein, zwei Reißer und eine Erzgebirgsbachplätschernhörenundsonnenaufgangaufgipfelanschauenballade geschrieben werden, es einem auch um die Qualität der nächsten CD nicht bange sein muß. Der eine oder andere kleine Fehler machte die Performance nur noch ehrlicher, Keyboarder Steffen verlagerte sein Instrument mal wieder so gut, wie es der Platz eben zuließ, und hammondorgelte dazu noch derart, daß Jon Lord vor Freude im Grabe rotieren würde, wenn er denn schon drinläge. Thomas trommelte in der hintersten Ecke solide vor sich hin, Bassist Mich' bildete den ruhenden Pol, "Oldie" Andreas gitarrte ebenso songdienlich wie manchmal ekstatisch (und zeigte wie gehabt auch als Chef de message Qualitäten), und für Mikrodoris fehlen mir langsam, aber sicher die Worte (ich will nicht schon wieder den eh nur qualitativ relevanten Vergleich zu Vibeke Stene von Tristania, die ich drei Tage später übrigens auch wieder mal live bewundern durfte, ziehen, da er beiden nicht ganz gerecht wird). Souverän spielte sie die neidische Nachbarin, den Sonntagschristen oder die eitle Königin (letzteres mit herrlich strohdoofer Perücke), und gesangstechnisch gab sie sich erwartungsgemäß ebenfalls keine Blöße. Da singt ein Diamant, und fast keiner merkt's! Als Kontrastprogramm dazu funktionierte auch Steffens herbes Gerappe in "Mr. B.I.G." ausgezeichnet. Nur am Sound habe ich diesmal noch ein bißchen was zu meckern, denn wenn sich die Instrumentalisten zum Aufbau einer fetten Soundwand entschlossen, hätte Doris mit Stentorstimme brüllen müssen, um sich angemessen Gehör zu verschaffen, und da sie nun mal nicht Richard Löwenherz ist, gingen vereinzelte Gesangspassagen etwas unter. Aber egal: Tracks wie "Hoch hinaus", "Wolkenlied" oder "Alles von vorn" wären auch dann noch klasse, wenn sie mit einem 30 Jahre alten taiwanesischen Billigmonorecorder in der Eingangshalle des Schkeuditzer Flughafens bei der hypothetisch gleichzeitigen Ankunft von 20 Flugzeugen mit japanischen Touristen aufgenommen würden, und so bleibt auch hier nur das Fazit eines ausgezeichneten Gigs. Da Jesus Crew zusammen mit einigen anderen leider auch eine dieser Bands sind, die zu gut für diese Welt sein müssen (sonst wären sie längst im Ohr der Hälfte der Menschheit), bleibt als Entgegnung für die Zeile "Was wartet auf uns am anderen Ufer", die unserem legendären Rezensenten Johannes Kirchberg so gefallen hatte, wohl leider nur ein "Auch nix anderes" übrig. Aber man sollte die Hoffnung nie aufgeben, daß Jesus Crew eines Tages den Status erreichen, den sie schon längst verdient haben, nämlich einen Platz an der Sonne. Genau Du, der Du dies liest und beschließt, Dir diese Band demnächst auch mal live anzuhören respektive anzusehen, kannst dazu einen kleinen Schritt beitragen. Und ganz nebenbei nimmst Du aus dem Konzert vielleicht auch noch was Wichtiges für Dein Leben mit.
 






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