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3. Bergkeller Artrock Festival   27.-28.06.2008   Netzschkau, Göltzschtalbrücke
von rls

Vom Glück verfolgt war die dritte Auflage des Bergkeller Artrock Festivals - die erste, die der Rezensent miterleben durfte, denn anno 2006 und 2007 war er jeweils in Rußland zum Bergsteigen gewesen - in struktureller Hinsicht nicht gerade. Okay, den Ausfall einer Band wie Circus Maximus kann man kompensieren, zumal der auch schon lange vorher klar war; Frost und Blind Ego füllten die Lücke. Aber wenn dann wenige Wochen, ja Tage zuvor gleich beide Samstagsheadliner wegbrechen, dann ist das schon bitter, zumal wenn es sich wie im Falle Queensryche um einen "unforced error" des Bookingagenten der Band zu handeln scheint, der es fertigbrachte, die Band an einem Abend gleich auf zwei Festivals zu buchen, die strukturell so liegen, daß es nicht möglich ist, beide Termine wahrzunehmen. Der andere Fall, nämlich Omega, liegt anders: Der Schlagzeuger hatte im Juni mehrere Herzanfälle, so daß die Band schweren Herzens bis auf weiteres alle anstehenden Gigs absagte.
Zwei Zugpferde weniger - das dürfte dem Festival den einen oder anderen Besucher gekostet haben, aber eigentlich gab es auch so noch genügend Gründe, nach Netzschkau im schönen Vogtland zu pilgern, so man nicht explizit auf eine der nicht spielenden Bands fixiert war. Das Gelände unmittelbar östlich der berühmten Brücke im Göltzschtal ist richtig idyllisch (wenn nachts beleuchtete Züge quasi oberhalb der Bühne auf der Brücke vorbeifahren, hat das fast etwas Surrealistisches), und das ganze Festival transportiert eine familiäre Atmosphäre, wie man sie andernorts nur noch dann vorfindet, wenn man sich seine "Familie" selber mitbringt. Eine Security war zwar da, trat aber während der ganzen zwei Tage nicht ein einziges Mal in Erscheinung (vorm Backstagebereich stand auf dem Kiesweg ein einzelner Wächter, und auch der war die zwei Tage fast beschäftigungslos), die Merchandisingstände boten praktisch alles, was das proggige Fanherz begehrte (und sei es rare Importware aus Polen oder Brasilien), die Essenpreise waren okay, der Sound unterschritt grundsätzlich nie ein beachtlich hohes Niveau, die Bühne war auch für ein Oktett groß genug (wie Mostly Autumn beweisen sollten), eines Zaunes zur Abgrenzung der Bühne vom Publikum bedurfte es auch nicht (dort befindet sich nämlich eine mit Rosen und Mispeln bewachsene Böschung, die auch wirksam das Stagediven verhindert), und auch die meisten Musiker ließen sich von der völlig entspannten Atmosphäre anstecken, so daß man etwa einen Devon Graves gemütlich durchs Publikum schlendern sah. Wenn bei den Festivals Nr. 4 und 5 jetzt noch jeder der Anwesenden von Nr. 3 einen oder zwei weitere Menschen mitbringt, so daß auch die Kalkulation unterm Strich aufgeht (zum Reviewzeitpunkt ist die Frage von Schadenersatz wegen Nichtauftretens von Queensryche trotz gültigen Vertrages, welche die finanzielle Bilanz des Festivals nicht unmaßgeblich beeinflussen wird, noch nicht entschieden), darf man getrost von einem der gelungensten deutschen Festivals sprechen, das sich hoffentlich als feste Größe etablieren wird, sowohl regional als auch überregional - der Gelegenheiten, ein komplettes Progfestival zu sehen, sind in deutschen Landen nicht eben viele und in den neuen Bundesländern schon gar nicht. Aus diesem Grund - und nicht nur aus diesem - hat sich Chefdenker Uwe vom Bergkeller Reichenbach die von mehreren Bands immer wieder angestimmten "Uwe, Uwe"-Mantras mehr als verdient. Ohne den Mann würde etwas fehlen in der Szene. Punkt.

Wenn man denn einen ganz kleinen Kritikpunkt anbringen will, dann vielleicht den, daß dieses Jahr nur eine halbe Band aus deutschen Landen auf der Bühne stand (nichts gegen internationale Gäste natürlich, aber auch die deutsche Progszene hat von purem Underground wie Lupuz Ville bis hin zu Größen wie der Stern Combo Meißen viel zu bieten, und gerade der Underground ist da meist für jede der wenigen Auftrittsgelegenheiten dankbar). Selbige halbe Band waren Blind Ego, bekanntlich das Seitenprojekt von RPWL-Gitarrist Kalle Wallner, das mit "Mirror" anno 2007 ein sehr starkes Album vorgelegt hatte, das dementsprechend auch das Gros des Sets bildete - an dritter Setposition spielte die Band allerdings mit "Disturbed" auch schon einen neuen Song, der sich gut in das allgemeine Bild einfügte. Das war überraschenderweise ein wenig anders gepolt als die konservierten Versionen, denn die Band verzichtete komplett auf Keyboards (spielte sie nicht mal vom Band ein) und trat statt dessen um einen zweiten Gitarristen verstärkt an, der seine Sache sehr gut machte und hier und da auch Leads spielte, wiewohl der Fokus der Gitarrenarbeit natürlich auf der Wallnerschen lag - und die war wieder mal vom Allerfeinsten. Einen Tick zu weit in den Hintergrund gemischt waren Pauls Vocals, so daß man nicht alle Nuancen mit der wünschenswerten Genauigkeit hören konnte; der neue Schlagzeuger (der ansonsten bei Dreamscape trommelt - die könnte man doch auch mal beim Festival spielen lassen) fügte sich gut ins Kollektiv ein, und Bassist John Jowitt tobte über die Bühne und hatte offensichtlich einen Heidenspaß an dem Gig, der mit dem in der Livefassung fast einen alternativen Anstrich tragenden "Obsession" eröffnet wurde, mit "Mirror" in krummtaktige Proggefilde überwechselte, mit "Black Despair" eine live nicht ganz hundertprozentig wirkungsvolle Halbballade auffuhr (tolles Wallner-Solo trotzdem!) und nach grob geschätzt einer Stunde mit "Someone Else" auf hohem Niveau endete. Blind Ego ernteten für einen Opener frenetischen - und verdienten! - Applaus.
John Jowitt konnte hernach gleich auf der Bühne bleiben, denn bei Frost war er schon wieder im Einsatz und gab sich auch dort alles andere als unterkühlt, was man generell auch vom Songmaterial sagen konnte, das in der Liveversion ganz und gar nicht steril wirkte, wenn man Highspeedgefrickel nicht generell mit einem derartigen Attribut belegt. Munter durch die Skalen und Taktarten ging's jedenfalls schon im instrumentalen Opener, und Chefdenker Jem Godfrey hatte offensichtlich beim Komponieren viel Spaß daran gehabt, epische und zurückhaltende Momente immer wieder mit wilden Achterbahnfahrten zu koppeln. Die Mischung funktionierte live hervorragend, so die Erkenntnis des ersten Frost-Gigs überhaupt, und auch das Publikum goutierte die Musik trotz des leicht verwaschenen Sounds ohne Abstriche, obwohl es vor eine noch größere Herausforderung als bei Blind Ego gestellt wurde: Frost spielten gleich einen ganzen Sack voll Material ihres zweiten, noch nicht veröffentlichten Albums - aber auch dieses wurde mit gleicher Intensität beklatscht wie das bekannte von "Milliontown". Die Stimmung auf der Bühne entsprach dem Shirtaufdruck von Gitarrist John Mitchell ("Super") - man hüpfte herum, scherzte und offenbarte tonnenweise Spielfreude. Den Löwenanteil des Gesangs übernahm übrigens der neu hinzugestoßene zweite Gitarrist, den man optisch zwar eher einer Boygroup zuordnen würde, der aber eine erstklassige Performance im hohen Gesangsbereich ablieferte (und auch noch exzellent Gitarre spielte, neben einem Ausnahmekönner wie John Mitchell aber zwangsweise etwas blaß aussehen mußte); die Ansagen übernahm Keyboarder Godfrey selbst (er hätte freilich etwas deutlicher sprechen können ...), der sich auch mit Mitchell in die restlichen Gesangsparts hineinteilte. Einer von mehreren Höhepunkten wurde von der Akustikballade "Here Comes The Flood" gebildet (die Mitchell sang), aber wie geschrieben: Auch die Proggewitter überzeugten.
Die Schotten Pallas waren eine von mehreren Bands, die sich beim Publikum beliebt machten, indem sie der deutschen Fußballnationalmannschaft einen Erfolg im EM-Endspiel gegen Spanien wünschten - aber sie hätten dieses Süßholzraspeln gar nicht nötig gehabt, denn das Publikum fraß ihnen sowieso aus der Hand. Zu Recht, denn was die Truppe um Gitarrist Niall da ablieferte, war ein exzellenter Proggig mit hervorragenden Instrumentalisten, fähigen Sängern (neben dem Hauptvokalisten, der sehr flächig sang, übernahm auch der Bassist mit etwas kernigerer Stimme viele Vocals), Klassesongs mit geschickten Wendungen zwischen straightem Melodic Rock und abgedrehten Progparts, einer animierenden Bühnenshow (der Sänger bewies nicht nur gute Deutschkenntnisse, sondern sprang auch über die Bühne, als würde er in einer Hardcoreband singen - naja, fast zumindest) und gutem Sound. Das urlange "Queen Of The Deep" (die Gefahren der Seefahrt thematisierend, wozu Pallas als Bewohner der Hafen- und Fischerstadt Aberdeen ja einen Direktbezug haben) markierte den Oldie des regulären Sets, das kurze Instrumental "Northern Star" den emotionalen Höhepunkt, "Warriors", "Hide & Seek", "Greater Glory", "Ghost Dancers", "Cut & Run", "Invincible", "Midas Touch" und "Fragments Of The Sun" füllten die restliche Spielzeit, und "Arrive Alive" kam schließlich noch als lautstark eingeforderte Zugabe. Erbsenzähler könnten das weitestgehende Fehlen der iroschottischen oder gälischen Melodieelemente im Set bemängeln (auch da haben Pallas einige Songs im Gepäck, wo sie so etwas verarbeiten), aber angesichts der kompakten Brillanz des gespielten Sets kann dies keine wirkliche Kritik sein, und wer halt unbedingt wissen wollte, wie etwa "Beat The Drum" live klingt, der hatte immer noch die Option, den Official Bootleg des Gigs vom 27.1.2006 im schweizerischen Pratteln am Merchandisingstand zu erwerben, der für fanfreundliche 5 Euro angeboten wurde und nicht geringen Absatz fand.
Konnten Spock's Beard auf dieses Progfreudenfeuer noch eins draufsetzen? Sie konnten nicht, aber sie kamen zumindest nahe heran. Schuld daran, daß sie nicht vorbeiziehen konnten, waren die ersten paar Songs des Sets, in denen die Musiker eher aneinander vorbei als miteinander spielten; auch die Publikumskommunikation hatte sich bis dahin auf ein knappes "Thank You" von Nick d'Virgilio nach dem seltsam holprigen Opener "On A Perfect Day" (auf CD einer der Glanzpunkte des selbstbetitelten 2006er Albums) beschränkt. Aber irgendwann machte es dann auf der Bühne Klick, aus fünf exzellenten Einzelmusikern wurde plötzlich eine Band, und von da ab brannten auch Spock's Beard eine Rakete nach der anderen ab, nur noch ein wenig strukturell durch Ryos Keyboardsolo zerfasert - das wiederum begeisterte allerdings durch seinen zweiten, aufs Klavier beschränkten Teil, der von der Harmonik her deutlich an klassisch-romantische Modelle angelehnt war. Ryo selbst zeigte sich diesmal nicht so aufgedreht wie sonst bisweilen - diese Rolle spielte an dem Abend Gitarrist Al, der wie wild poste und wie von der Tarantel gestochen über die Bühne raste. Daß das Quintett rein technisch zur absoluten Oberklasse gehört, demonstrierte es auch diesmal wieder, und den Gesang teilten sich alle fünf, wobei Drummer James Keegan einen erstaunlich großen Teil der Zweitstimmen übernahm. In der linken hinteren Bühnenecke stand ein zweites Drumkit, das Nick gelegentlich besetzte und sich mit James intensive Duelle lieferte - nicht nur als Extratrack im Programm wohlgemerkt, wie man das von Genesis gewöhnt ist (ein kurzes Doppelsolo gönnten sich die beiden natürlich auch), sondern auch während längerer Instrumentalpassagen innerhalb der Songs, von denen es ja nicht wenige gab. Die Zugabe bildete wie gewohnt "The Light", die einen knapp zweistündigen Gig abschloß, der nach anfänglichen Schwierigkeiten doch noch richtig klasse wurde. 1.20 Uhr fiel der Vorhang für den ersten Abend.

Der zweite Abend begann mit dem stilistischen Ausreißer des Festivals. Hinter dem Namen SID hätte man eine Tributeband an Sid Vicious vermuten können oder (eigentlich im Festivalkontext naheliegender) eine leicht legasthenische Hommage an Syd Barrett, aber letztlich stand da ein Quartett auf der Bühne, das eine hübsche Mixtur aus Indie- und Glamrock spielte, wobei der Fokus auf der letztgenannten Richtung lag, was auch in einigen urtraditionellen Soli des Gitarristen Bestätigung fand. Mal flotter ("New York"), meist jedoch grooviger ("Eternal Dance"), auch mal zur reinen Halbballade herunterschaltend oder große epische Soundlandschaften malend, gaben die Ungarn eine gute Visitenkarte ab und wurden trotz der völlig unproggigen Stilistik vom Publikum dankbar angenommen. Lediglich der sehr nasal singende Frontmann sollte Geschmackssache bleiben, allerdings wurde er von der Saitenfraktion mit den Backings etwas neutralisiert. Am Baß stand übrigens eine kleine Punkerin, während der Gitarrist offenbar am besten Englisch konnte und daher auch das Gros der Ansagen übernahm, wobei er sich nicht selten zu verquasseln drohte, diese epische Breite aber mit lustigen Einwürfen wie den Grüßen an den Menschen, der während des Soundchecks und des SID-Gigs auf dem Nachbargrundstück des Open Air-Geländes in aller Ruhe mit der Sense seinen Rasen mähte, wieder wettmachte. Pluspunkt zudem: ein gut umgesetztes Cover von "Come Together", in dessen Refrain auch das Publikum mit einbezogen wurde.
After (laut Plakat) oder After... (laut CD-Cover) setzten die stilistische Flagge dann wieder klar auf Prog, auf Neoprog der 80er und 90er nämlich. Das Sextett hatte allerdings zu Beginn unter einem recht wenig ausgewogenen Sound zu leiden, der speziell die Rhythmusgitarre klar ins Abseits stellte, und da der Leadgitarrist über weite Strecken tatsächlich Leads spielte und nicht die Rhythmusparts doppelte, erweckte das Material anfangs den Anschein einer relativ starken Keyboarddominanz. Irgendwann in der Setmitte kippte das Ganze dann aber plötzlich, die Rhythmusgitarre war da (dafür verschwand das Keyboard mitunter fast völlig), und das weitere Material bekam so einen deutlicheren Rocktouch. Auch der Sänger zeigte sich anfangs wenig gesprächig, beschränkte sich auf ein knappes "Thank you" (was, wenn es noch vor dem Schlußton kommt, irgendwie ein wenig kontraproduktiv ist) und animierte an den unmöglichsten Stellen zum Mitklatschen - bei ihm legte sich in der Setmitte ebenfalls ein Schalter um, er agierte zugänglicher, songdienlicher und begann sogar zaghaft, Witze zu reißen. An seiner sängerischen Leistung freilich gab es von Beginn an nichts auszusetzen; rein optisch erinnerte er übrigens etwas an den frühen Matt Barlow (nicht aber gesanglich). Von der Setlist her mischten die Polen älteres Material mit einigen Songs vom neuen, allerdings noch nicht offiziell veröffentlichten Album "Hideout", und sie machten ihre Sache gut, wenngleich in der Gesamtbetrachtung das eigenständige Element, das aus einem guten Song einen guten After-Song macht, noch fehlte. Vielleicht könnte eine stärkere Fokussierung auf den Stil, den der mit einer speziellen Widmung an Uwe versehene Song fuhr, hierbei helfen, denn selbiger Song klang ein wenig, als ob Iron Maiden zur Progrockband konvertiert wären. Eine achtbare Leistung, aber noch mit Steigerungsmöglichkeiten.
Omega waren wie bereits erwähnt nicht da, aber zumindest ihr Manager, der noch einmal sein Bedauern über die Absage ausdrückte und der Hoffnung Ausdruck verlieh, vielleicht 2009 den Gig nachholen zu dürfen. Die Liveschaltung nach Ungarn zur Band gelang allerdings nicht, und so ging es mit Deadsoul Tribe weiter, die zumindest einen der leeren Billingsplätze kurzfristig noch ausfüllten - extrem kurzfristig, um genau zu sein. Der etatmäßige Bassist konnte nicht mitkommen, und so arbeitete die Band innerhalb von anderthalb Tagen einen Ersatzmann ein. Anderthalb Tage für einen Set von knapp anderthalb Stunden, einen Progmetalset noch dazu und nicht etwa einen Punkrockset - vor der Leistung von Ersatz Pauli an diesem Abend kann man nur sämtliche verfügbaren Hüte ziehen. Wobei: Ganz so progmetallisch ging es nicht zu, denn was da von der Bühne schallte, war über weite Strecken angedüsterter Midtempo-Power Metal, der aber immer noch genügend technische Finessen aufwies, um auch den beinharten Proggie im Publikum zufriedenzustellen und es dem Ersatzbassisten nicht langweilig werden zu lassen - trotzdem fand Pauli auch noch Gelegenheit, zusammen mit dem Rhythmusgitarristen über die Bühne zu hüpfen und andere optische Elemente aufzufahren. Devon selbst sang nicht nur, sondern spielte auch das Gros der Gitarrenleads; seine Flöte packte er während des regulären Sets allerdings nur einmal kurz aus. Der Sound war anfangs gewissen Schwankungen unterworfen, sollte sich aber bessern (auch wenn die Extraportion "Dreck" auf den Gitarren, wenn man das Material mal mit dem stilistisch nicht unähnlichen der letzten Psychotic Waltz-CD "Bleeding" vergleicht, sicherlich Geschmackssache sein dürfte), und ein Phänomen, das schon bei anderen Bands zu beobachten gewesen war, trat auch bei Deadsoul Tribe auf: Devon wirkte anfangs zurückhaltend, fast spröde, und mehr als ein knappes "Thank you" zwischen einigen der Songs war nicht drin. Mitten im Set enterte Uwe aber die Bühne, dankte der Band nochmal ausdrücklich für ihr extrem kurzfristiges Einspringen - und von da an zeigte sich Devon wie verwandelt, lachte und scherzte, begann endlose Monologe zu halten und stellte anschaulich die Szene dar, wie ihn sein Schlagzeuger anrief, um ihn zu fragen, ob er mal eben kurzfristig mit nach Netzschkau fahren und dort einen Festivalgig spielen könne. Der Mittelteil des Sets gehörte einem aus dreieinhalb Songs bestehenden Akustiksolopart (im vierten Song setzten nach und nach die anderen drei Bandmitglieder wieder mit ein), der mit der Textzeile "Ground control to Major Tom" eingeleitet wurde - klarer Fall, es schwebte David Bowie durch den Orbit, aber der umjubelte Gipfel war erst mit der Akustikfassung des Psychotic Waltz-Songs "My Grave" (von "Bleeding") erreicht. "Lost In You" oder "The Love To Hate" schalteten dann wieder auf Metal um, und daß Deadsoul Tribe nicht ohne Zugabe davonkamen, verstand sich von selbst: Ein kurzes Flöteninstrumental leitete über in einen weiteren Psychotic Waltz-Song - nicht "Butterfly", das spontan aus dem Publikum gewünscht wurde, sondern noch ein Track von "Bleeding", nämlich "Skeleton". Deadsoul Tribe waren an diesem Abend deutlich mehr als ein kurzfristiger Ersatz, was auch Uwe in seiner unnachahmlich direkten Art als Schlußstatement so sah: "Scheiß auf Queensryche - Deadsoul Tribe!!!"
Durch den Ausfall von Queensryche und Omega kamen Mostly Autumn zu einem unerwarteten Headlinerstatus - dem wurde das Oktett aber ohne Abstriche gerecht, obwohl auch hier der Stil ein wenig abseits der Progwelt liegt und zudem mittlerweile der Samstag schon Platz für den Sonntag gemacht hatte. Zwei relativ straighte Melodic Rock-Songs plazierte man an den Beginn, bevor die Stücke vielschichtiger und etwas folkrocklastiger wurden. Zwar fiel auf, daß das Songwritingschema, einen balladesken Anfang zu setzen und gegen Ende hin in epischer Breite Rockelemente auszuwalzen, relativ häufig zum Einsatz kam, allerdings wirkte sich das nicht störend auf den zweistündigen Gig aus, zumal Songs wie "Another Life" vom "The Passengers"-Album zumindest in den Liveversionen weder an Energie noch an Gefühl Mangel litten. Selbiger Song hatte eine besondere Bedeutung für die Band, denn er beschäftigt sich mit dem Werden eines Kindes und wurde geschrieben, als die Keyboarderin/Flötistin gerade schwanger war - diesmal nun war die Sängerin diejenige, die demnächst another life in die Welt setzen wird und von Uwe dementsprechend mit einem Festivalshirt in XXL beschenkt wurde. Besagte Sängerin erhielt stimmliche Unterstützung vom Leadgitarristen, von der Keyboarderin/Flötistin (sofern sie nicht flötete, natürlich) und von einer hauptamtlichen Backgroundsängerin, die einen Song auch leadseitig bestreiten durfte und sich dort ein hübsches Exzelsiorduell mit dem Leadgitarristen lieferte, indem sie seine immer höher angesiedelten vorgegebenen Themen nachsang, bis mit immer noch vorhandener Stimmkraft Tonlagen erreicht waren, welche die hübsche Blondine auch bei Nightwish in die Endrunde der neuen Sängerinnenkandidatinnen gebracht hätten. Zwar gehorchten nicht alle vokalen Arrangements gängigen harmonischen Vorstellungen, aber ob das Sangesschwächen waren oder vom Studiomaterial her so angelegt ist, kann allenfalls der Kenner des letztgenannten entscheiden, zu denen der Rezensent nicht zu rechnen ist. Kleine Soundschwächen, die immer mal ein anderes Instrument ein wenig zu sehr ins Abseits stellten, nahm man ohne Murren in Kauf (ein Oktett, bei dem diverse Mitglieder auch noch unterschiedliche Instrumente spielen, ist nun mal arg schwer abzumischen, ohne Soundcheck noch dazu), und sie beeinträchtigten das Gesamtbild auch nicht wesentlich. Mostly Autumn hatten ebenso wie das Publikum jede Menge Spaß bei der Sache, was sich in drei Zugabesongs äußerte, deren erster, "Above The Blue", die einzige reine Ballade des Sets darstellte, während "Heroes Never Die" im bereits geschilderten Songwritingschema einen typischen wie würdigen Schlußpunkt sowohl unter den Set als auch unter das gesamte Festival setzte. Wenn es eine 4. Auflage des Festivals geben wird, kann die Devise nur lauten: Hingehen, wer auch immer ein Freund anspruchsvoller Rockmusik ist! Über alles weitere, auch das Konzertprogramm des Bergkellers, informiert laufend www.bergkeller-reichenbach.de



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