www.Crossover-agm.de HAMMERFALL: Masterpieces
von rls

HAMMERFALL: Masterpieces   (Nuclear Blast)

Gecovert haben HammerFall schon immer gern, und man konnte ihnen eines nie absprechen: ein Händchen für eine originelle Auswahl der zu covernden Songs. Ein paar Standards sind gewiß dabei, aber auch eine ganze Anzahl von Songs von Bands, die zum Coverzeitpunkt allenfalls noch ein paar Spezialisten im aktiven Gedächtnis waren. Die vorliegende CD faßt nun 18 Coverversionen zusammen, die HammerFall seit 1996 eingespielt haben - da das Gros auf irgendwelchen Singles, Special Editions etc. verstreut war, freuen sich Nicht-Single-Käufer-Aber-Trotzdem-Alles-Haben-Woller wie der Rezensent über eine solche Zusammenstellung natürlich ganz besonders. Schauen wir mal durch, was die 67 Minuten so bieten:
"Child Of The Damned" von Warlord fügte sich anno 1997 ganz hervorragend ins immer noch ohne Wenn und Aber als genial zu bezeichnende Debütalbum "Glory To The Brave" ein und stellt gleich die erste Ausgrabung dar: Wer außer einer Handvoll Freaks erinnerte sich 1997 noch an Warlord? In diesem Fall führte das Cover sogar dazu, daß HammerFall-Sänger Joacim Cans anno 2002 bei Warlord einstieg und deren gutklassiges Album "Rising Out Of The Ashes" einsang, bevor die Truppe um Bill Tsamis aber wieder in den Abgründen des Musikbusiness verschwand.
"Ravenlord" von Stormwitch stand anno 1997 auf der Singleauskopplung "Glory To The Brave", und hier haben wir gleich wieder einen Ausgrabungsfall: Auch Stormwitch durchschritten in den Neunzigern eine popularitätsseitige Talsohle, obwohl sie ab und zu noch Alben veröffentlichten, erlebten aber durch diese Coverversion noch einmal einen gewissen Schub und fanden Gehör bei der nachgewachsenen Generation an Traditionsmetalfans, was zur Veröffentlichung einer Best Of und anno 2002 auch nochmal eines weiteren starken Studioalbums führte.
"Eternal Dark" stammte von der holländischen Band Picture, 1998 noch vergessener als Warlord oder Stormwitch, was sie aber auch bleiben sollte, trotz der Veröffentlichung dieser Coverversion auf der "Heeding The Call"-Single und der Tatsache, daß HammerFall den Song auch live spielten. Der massive Midtempo-Metal hatte einen gewissen Accept-Touch und paßt daher hervorragend ins HammerFall-Oeuvre.
Noch nicht zu den Vergessenen zählten die Pretty Maids, von denen HammerFall "Back To Back" ausgruben und auf ihr etwas schwächeres Zweitlingswerk "Legacy Of Kings" packten, wo es mit seinem ungekünstelten Drauflosspeed zu den wenigen Highlights zählte. Daß die Pretty Maids in ihren frühen Zeiten aber so zupackend agiert hatten, das hatte man dann doch nicht mehr so im Gedächtnis und freute sich über die Erinnerung.
Die "I Want Out"-Single nährte eine Zeitlang die Befürchtung, HammerFall hätten das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten verloren und würden sich jetzt nur noch auf Fremdmaterial stützen. Der Titeltrack ist natürlich ein Cover des alten Helloween-Songs, den man auch gleich noch im Studio von Kai Hansen (dessen Bekanntschaft hatten HammerFall auf ihrer ersten Europatour 1997 gemacht, als sie mit Gamma Ray unterwegs waren) aufgenommen hat - und da man einmal dort war, lag nichts näher, Hansen auch gleich noch als Co-Sänger neben Joacim Cans zu verpflichten (das Original hatte Hansen zwar komponiert, aber Michael Kiske eingesungen). So richtig vom Hocker haut einen das Cover aber trotzdem nicht - es ist nicht schlecht, aber gegen die kurze Zeit später entstandene leichtfüßige Speedversion von Sonata Arctica sehen HammerFall keinen Stich.
Auf der gleichen Single wurde das Rainbow-Cover "Man On The Silver Mountain" veröffentlicht, auch hier mit Kai Hansen als Gastsänger und in der gleichen Session aufgenommen. Auf einen Gastkeyboarder hat man verzichtet, arbeitet statt dessen mit zwei Gitarren und verleiht dem Song damit einen interessanten Touch, der Herangehensweise von Stormbringer nicht unähnlich. Guter Stoff.
Noch ein Song aus der gleichen Aufnahmesession vom Oktober 1998 in Hamburg, allerdings erst auf der "Renegade"-Single veröffentlicht: Accepts "Head Over Heels". Nun klingen HammerFall in vielen ihrer Midtemposongs ja schon sehr deutlich nach Accept, besonders Oscar Dronjaks Riffing hat viel von Wolf Hoffmann übernommen, und so ist es nicht weiter verwunderlich, daß die Fassung von "Head Over Heels" mitunter den Eindruck erweckt, als ob man die alten Instrumentalspuren kopiert und einfach nur Joacim Cans' Gesang darübergelegt hätte - und das nicht einmal durchgehend, denn im Intro schreit Udo Dirkschneider und übernimmt später auch noch die zweite Strophe. Erst im Hauptsolo treten dann doch markante Unterschiede zutage, und wenn Udo und Joacim gleichzeitig singen, hat Joacim nur in den höheren Lagen eine Chance, sich bemerkbar zu machen. Interessant zu hören!
Auf der gleichen Single stand auch noch "Run With The Devil", aufgenommen ein halbes Jahr später im Studio der Brüder Wahlqvist, von deren Band Heavy Load der Song ursprünglich auch stammt. HammerFall schafften es hervorragend, den unbekümmerten Frühachtziger-Charakter des Songs in die Endneunziger zu transportieren, und der eigentümliche Gitarrensound war in ihrem Schaffen weder zuvor noch danach jemals wieder zu hören.
Vermutet man anfangs fast, "Man On The Silver Mountain" dann noch einmal zu hören zu bekommen, stellt sich schnell heraus, daß das diesem durchaus sehr ähnliche Riff zu Twisted Sisters "We're Gonna Make It" gehört, in der HammerFall-Umsetzung auf der Single "Hearts On Fire" veröffentlicht. Joacim Cans singt natürlich ganz anders als Dee Snider, die Ohoho-Chöre sind auch hundertprozentig typisch HammerFall, und gegen Ende des Solos gönnen sich die Schweden den Spaß, dem von Biohazard in ihrer "After Forever"-Coverversion eingebauten Herkunftsnennungs-Spaß noch eins draufzusetzen.
Judas Priests Antiautoritätssmasher "Breaking The Law" von der "Always Will Be"-Single ist auch spaßig, denn hier tauscht die Band die Instrumente und hobelt den Song relativ schnell, aber originalgetreu runter, ein paar kleine lustige Einwürfe inbegriffen. Keine Ahnung, wer hier singt, aber er klingt wie Halford im oder kurz nach dem Stimmbruch.
Mit Chastains "Angel Of Mercy" begeben wir uns dann wieder ins Gebiet der Bandentdeckungen, denn obwohl David T. Chastain und seine MitstreiterInnen relativ konstant Alben herausbrachten, hatte sie das Gros der Metaller anno 2002 schon vergessen. Die zwischen leicht mystisch angehauchten Akustikpassagen, schleppendem Midtempo und einem leichtfüßigen Hauptsolo pendelnde Adaption stellte anno 2002 jedenfalls einen der stärksten Songs auf dem allerdings auch von den Eigenkompositionen her wieder weitgehend überzeugenden "Crimson Thunder"-Album dar und macht auch Jahre danach immer noch eine exzellente Figur.
"Rising Force", original aus der Feder von Yngwie Malmsteen stammend und von dessen gerade ihren wie der Songtitel lautenden Bandnamen verlierenden und zur reinen Yngwie-Begleittruppe mutierenden Band eingespielt, stellte den Bonustrack der europäischen Digipack-Version von "Crimson Thunder" dar - eine logische Wahl, denn Anders Johansson, der schon das Original eingespielt hatte, war mittlerweile im Lager von HammerFall als Trommler verpflichtet und hatte gleich noch seinen Bruder Jens (auch alter Yngwie-Legionär) als Gastkeyboarder mit ins Studio gelotst. Zusammen entstand eine flotte und lockere Version des schon im Original hervorragenden Songs, dessen Quintenzirkelsolo man immer wieder gerne hört.
Die Strategie anno 2002 war, den drei verschiedenen Digipackversionen von "Crimson Thunder" jeweils einen regional passenden Song als Bonustrack mitzugeben. Für die US-Variante wählte man Kiss' "Detroit Rock City", in der HammerFall-Version natürlich mit etwas metallischerem Anstrich, allerdings irgendwie nicht so richtig vom Hocker reißend. Wenn Anders Johansson mit dem Drumlauf vor der Saitenfuge nicht rechtzeitig fertig wird, klingt das jedenfalls irgendwie gestelzt.
Von anderem Kaliber ist da schon "Crazy Nights" von Loudness, das die Japan-Variante zierte. Der Stil der Männer um Akira Takasaki paßt schon von der originalen Herangehensweise gut zu HammerFall, und in diesem Fall haben sie ihn noch ein wenig mit Accept-Kolorit ausstaffiert, was richtig gut paßt. Trotzdem hat man auch hier irgendwie das Gefühl, es würde noch etwas fehlen, aber man kommt nicht so richtig drauf, was es sein könnte.
"När Vindarna Viskar Mitt Namn" wurde im Original von einem Menschen namens Roger Pontare interpretiert, und es ist einfach mal zu vermuten, daß das kein Metalsong war, sondern von HammerFall nur etwas in Richtung einer Metalhymne umlegiert wurde - und das Ergebnis ist gut, nur beim Mitshouten des Refrains fehlt halt die Kenntnis der schwedischen Sprache. Veröffentlicht wurde der Song auf einer CD namens "Melodifestivalen 50 Ar", also vermutlich ein Sampler zum 50jährigen Jubiläum des titelgebenden Festivals.
Damit auch die Sonst-Schon-Alles-Haber "Masterpieces" noch erwerben, haben HammerFall noch drei neue Coversongs eingespielt. Als exzellente Wahl stellt sich Riots "Flight Of The Warrior" mit seiner Mixtur aus Speedstrophe und verschlepptem Refrain heraus, das einmal mehr beweist, was Mark Reale für ein songwriterisches Händchen hatte, und allein dafür zu adeln ist, daß man sich dieser Erkenntnis wieder einmal bewußt wurde.
Nicht so richtig rund erscheint "Youth Gone Wild" von Skid Row, aber das Stück hat dem Rezensenten schon im Original nicht richtig gefallen - dann lieber die coole "18 And Life"-Umsetzung von Headhunter. Aber auch die wildgewordene Jugend ist neutral betrachtet nicht schlecht und wird ihre Liebhaber finden. Das lustige Stilmittel von "We're Gonna Make It" greifen HammerFall hier ein weiteres Mal auf.
Hochklassiger Abschluß von "Masterpieces" ist dann "Aphasia", das Instrumental von Europes "Wings Of Tomorrow"-Album, schon im Original kaum mit Worten zu beschreiben, und diesen unbeschreiblichen Gestus kann die HammerFall-Version im positivsten Sinne kopieren - ein echtes "Masterpiece", das darüber hinwegtäuscht, daß nicht alle der 18 Songs derart hell funkeln. Aber es finden sich für den Liebhaber immer noch genügend Erwerbsgründe.
Kontakt: www.hammerfall.net

Tracklist:
Child Of The Damned
Ravenlord
Eternal Dark
Back To Back
I Want Out
Man On The Silver Mountain
Head Over Heels
Run With The Devil
We're Gonna Make It
Breaking The Law
Angel Of Mercy
Rising Force
Detroit Rock City
Crazy Nights
När Vindarna Viskar Mitt Namn
Flight Of The Warrior
Youth Gone Wild
Aphasia



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