www.Crossover-agm.de STORMBRINGER: Stormbringer
von rls

STORMBRINGER: Stormbringer   (Ikarus Records)

Der Bandname und ein (wenngleich etwas farbverfremdeter) Regenbogen auf dem Cover deuten schon an, daß wir es hier vermutlich mit Anhängern von Ritchie Blackmore zu tun haben, und um diese These zu verifizieren, braucht man nicht mal sehr weit in die Musik hineinzuhören: "Old Man's Words" beginnt mit einem zünftigen Gewitter und baut sich dann so rainbowtypisch auf, wie nur irgendein Song rainbowtypisch aufgebaut sein kann. Da hätte es des Deep Purple-Covers "Mistreated" an zweiter Songstelle gar nicht mehr bedurft: Stormbringer sind siebzigerrockende Überzeugungstäter, und sie kommen überraschenderweise nicht aus Japan, wo solcherart Sounds ja seit 1972 permanente Hochkonjunktur haben, sondern aus einer der deutschen Provinzen, wo der traditionelle Hardrock auch nie so ganz ausgestorben ist, egal wie tot man ihn in den selbsternannten Musikzentren der Welt auch sagte. Das freut Traditionalisten wie den Rezensenten natürlich, und die Freude wird noch größer, wenn man vermelden darf, daß die offensichtliche Hommage an die alten Vorbilder auch noch gut gelungen ist. In einem Punkt allerdings unterscheiden sich Stormbringer von ihren Vorbildern und auch von den meisten anderen neuzeitlichen Protagonisten dieses Stils: Sie arbeiten komplett ohne Keyboards und setzen dafür zwei Gitarren ein. Das mag vielleicht mancher als Atmosphäreverlust ansehen, aber wenn man sich erstmal genau in die Songs hineingehört hat und seine diesbezügliche Erwartungshaltung etwas auszublenden in der Lage ist, stellt man überrascht fest, daß auch diese Herangehensweise problemlos funktioniert. "Löcher" im Sound brauchte man ja sowieso nicht zu erwarten, und auch sonst bekommen Markus "Blackmore" Zbroschzyk und seine vier Mitstreiter alles, was gebraucht wird, in guter Manier hin. Quervergleiche kann man ja besonders schön an "Mistreated" ziehen, und hier brennt in instrumentaler Hinsicht absolut nichts an, gerät der Schlußteil noch einen Tick härter als bei vielen anderen Versionen, was man übrigens auch schon in "Old Man's Words" bemerkt hat, das Stormbringer im Finale zu einem harten Doublebasspart führen, wie man ihn allenfalls noch von "Kill The King" kannte. Den wirkungsvollen Kontrapunkt zum harten Finale von "Mistreated" setzt die balladeske Einleitung von "Johanna", und auch hier meint man in der Leadgitarrenarbeit Herrn Schwarzmehr zu hören, was in diesem Fall als Gütesiegel zu verstehen ist. Dieser Song zeigt allerdings auch die Grenzen von Sänger Detlev Scholz auf, der in den ruhiger untermalten Passagen immer mal ein wenig neben der Ideallinie fährt, während er in den härteren Passagen einen besseren Job macht, wenngleich er in der Gesamtbetrachtung das schwächste Glied in der Stormbringer-Kette darstellt und mit den großen Vorbildern, egal ob sie Gillan, Coverdale oder Dio heißen, nicht mithalten kann. Immerhin schafft er es bis aufs Level von Joe Lynn Turner, und der war ja, wenn man seine eher unglücklichen Konstellationen bei Rainbow und Deep Purple auf die Ursache der nicht eben berauschenden Songs, die seine Bandkollegen zur jeweiligen Zeit schrieben, zurückführt, beileibe kein schlechter Sänger. Ein wenig mehr Expressivität hätte es hier und da durchaus noch sein dürfen - daß Scholz das durchaus beherrscht, zeigt er in den hohen "Uhuhuh"-Passagen zwischen den Hauptsoli in "Johanna". Stormbringer machen sich auch nicht die Mühe, ihre Einflüsse zu verbergen: Vom Cover und dem Bandnamen war bereits die Rede, und dann nennen sie Song 4 einfach mal "Gates Of Marrakesh" - wer da nicht die Glocken von Babylon läuten hört, liest hier das falsche Review, wenngleich der Song selbst abgesehen von der logischerweise einen breiten Raum einnehmenden Umsetzung orientalischer Elemente doch in eine etwas andere Richtung tendiert, deutlich langsamer durch die Straßen Marrakeschs schlendert und nur hier und da mal auf einen belebteren Markt gelangt. "When They Came", das textlich von der Ausrottung der amerikanischen Ureinwohner handelt, wiederum ist Stormbringers Antwort auf "Stargazer" (da wurden ganze Riffs "geerbt"), gemixt übrigens mit einer aufsteigenden Gitarrenlinie kurz vor Minute 6, die zur Abwechslung mal aus dem Fundus von Led Zeppelin stammt. So zitiert und hommagiert man sich durch die 49 Minuten (die sich übrigens auf nur sieben Songs verteilen) und tut das wie erwähnt in äußerst kompetenter Manier, ohne als simpler Kopismus verschrien werden zu müssen (einige Nörgler werden das trotzdem tun, aber in Zeiten, wo 99% des Formatradioprogramms komplett austauschbar sind, setzt eine solche Kritik an der völlig falschen Stelle an). Nur hier und da (z.B. im abschließenden Instrumental "Clouds", bei dem Johann Loga als Gastmusiker mitwirkt - allerdings verrät das Booklet nicht, in welcher Funktion) würde man sich wünschen, daß nicht nur der Sänger, sondern auch die Instrumentalisten ihre typisch deutsche Kontrolliertheit noch an ein paar mehr Stellen ablegen und einfach mal hemmungslos drauflosmusizieren würden, ohne sich darum zu kümmern, was dabei herauskommt. Dieses Element der Spontanität, das man bei vielen der Vorbilder fand, fehlt Stormbringer etwas - das macht sie nicht schlechter, aber dann doch ein ganz klein wenig zu ausrechenbar. Nichtsdestotrotz sollte jeder Freund beschriebener Klänge Stormbringer ganz weit oben auf seinen Einkaufszettel schreiben (einlösbar ist dieser dann z.B. via www.karthagorecords.de) und auch mal schauen, ob die Truppe vielleicht mal in der Nähe spielt, denn auch dieses Phänomen kennt man von vielen der Vorbilder: Auf Platte durchaus hörbar, entfalteten sie ihre wahren Stärken und ihre Genialität erst live. Vielleicht ist das bei Stormbringer auch der Fall.
Kontakt: www.stormbringer-band.de

Tracklist:
Old Man's Words
Mistreated
Johanna
Gates Of Marrakesh
Dark Dreams
When They Came
Clouds



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