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von rls

V.A.: Ronnie James Dio - This Is Your Life   (Rhino Entertainment)

Dios mio! Auch im fünften Jahr, das Ronald Padavona aka Ronnie James Dio nicht mehr auf der Erde wandelt, ist der Releaseplan mit Material, das in irgendeiner Beziehung zu dem verblichenen Sangesgott steht, ungebrochen dicht gefüllt. Neben mancherlei Verzichtbarem findet sich dabei auch diverses Interessantes, beispielsweise der vorliegende Tributesampler, der zudem nicht nur interessant, sondern auch noch nützlich ist, denn mit seinem Erwerb unterstützt man den Ronnie James Dio Stand Up And Shout Cancer Fund. Schauen wir mal durch die 69 Minuten, die von 14 Acts gefüllt werden, wobei es sich in 11 Fällen um neues Material handelt, das noch nicht auf anderen Releases zu haben sein dürfte:
Anthrax eröffnen mit "Neon Knights" in einer flotten, relativ nahe am Original befindlichen Version. Am Mikrofon steht wieder mal Joey Belladonna, und der ist zwar hörbar auch keine 20 oder 30 mehr, aber er macht dem Original keine Schande. Am Ende erwartet man irgendwie noch ein Überschwenken in eine songfremde Idee, aber das verkneifen sich Scott Ian und seine Spießgesellen.
Tenacious D hatten mal in einem ihrer Filme mit Dio zu tun; für den Sampler haben sie sich "The Last In Line" vorgenommen (es trommelt übrigens Ex-Wunderkind Brooks Wackerman), das die unvergleichliche Atmosphäre des Originals nicht erreicht, aber sie auch nicht allzuweit verfehlt und zudem mit Kyle Gass' Blockflötensolo ein Element hinzufügt, das mancher als Heiligenschändung oder unpassende Satire abqualifizieren wird, das aber eigentlich gar nicht so schlecht paßt, nein, das eine respektvolle Verbeugung vor Dio darstellt (der in seiner Kindheit auch Bläser war, allerdings Trompeter) oder das man sogar als richtig coole Neuinterpretation ansehen kann.
Daß sich Adrenaline Mob für "The Mob Rules" entscheiden würden, lag irgendwie nahe. Zwar agiert Mike Portnoy am Schlagzeug hier und da einen Tick zu verspielt, aber Russell Allen am Mikrofon reißt alles wieder heraus - der Mann kommt Dio nahe, sehr nahe sogar. Das Bandfoto zeigt übrigens vier Leute, aber die Besetzungsliste für diese Coverversion weist nur drei aus ...
Damit beginnt eine Reihe von editorischen Unklarheiten. "Rainbow In The Dark" wurde laut Überschrift von Corey Taylor, Jason Christopher, Christian Martucci, Roy Mayorga und Satchel, hinter dem sich Russ Parrish verbirgt, eingespielt, aber die Besetzungsliste nennt weder einen Bassisten noch Jason Christopher. Die Stone-Sour-Ableger setzen das Keyboardthema auf der Gitarre um, und Corey Taylor beweist wieder einmal, daß es richtig war, neben Slipknot auch noch Stone Sour an den Start zu bringen, da er dort stimmlich erst so richtig aufblüht.
Halestorm sind in den Staaten mittlerweile eine richtig große Nummer, aber Lzzy Hale beweist Sinn für Relationen, wenn sie in den Liner Notes Dios Antwort auf ihre anno 2009 bei einem Supportgig ihrer Band für Heaven And Hell gestellte Frage, warum er sich nach den Gigs immer so viel Zeit nehme, um mit seinen Fans zu sprechen, wiedergibt: "It's a moment in time we get to share with our fans. You might never remember their name, or the city you were in, but they will remember meeting you for the rest of their life. So make it good for every one of them." Das sollte sich so mancher Künstler dick hinter die Ohren schreiben. Halestorm spielen "Straight Through The Heart" in einer geringfügig gen Modern Rock schielenden Fassung, die ihr eigenes Profil hauptsächlich durch Lzzys Gesang bekommt, aber ansonsten nicht weiter auffällt.
Motörhead und Saxon kennen sich seit urewigen Zeiten von gemeinsamen Touren, und für "Starstruck" haben sich Motörhead Biff Byford als Gastsänger geangelt, während sich Lemmy auf die zweite Stimme im Refrain beschränkt. Das eher basische Original kommt den Künstlern entgegen, auch wenn man Biff durchaus schon mal in besserer Verfassung gehört hat (er wird halt auch nicht jünger). Die Künstlerangaben vergessen hier übrigens anzugeben, wer Baß gespielt hat. Wenn's Lemmy selber war, klingt der Baß jedenfalls ganz und gar nicht motörheadtypisch, aber vielleicht war das auch Absicht, oder er war's gar nicht.
Bei den Scorpions unterschlägt die betreffende Bookletseite dann gleich die ganze Rhythmusgruppe, und es bleibt auch unklar, ob Matthias Jabs, Rudolf Schenker oder doch irgendein Gastmusiker die gelegentlich eingeflochtene Mandoline gespielt hat. Der Song gehört bekanntlich zur entspannteren Sorte, wird aber von Meine & Co. ein klein wenig angerauht, ohne aber seinen Charakter zu sehr zu torpedieren. Klaus Meine singt klasse, und Jabs' Hauptsolo beweist wieder einmal, daß man als klassischer Hardrockgitarrist vor allem viel Gefühl braucht.
Doros Version von "Egypt (The Chains Are On)" ist kein exklusives Stück, sondern stammt bereits aus dem letzten Jahrtausend, wobei es sich um die metallische Umsetzung handelt und nicht um die, die man im Klassikprojekt auf Wacken 2004 hören konnte. Prinzipiell gilt hier das Gleiche wie für Tenacious Ds "The Last In Line": eine gute Umsetzung, die die Atmosphäre des Originals aber nicht erreicht.
"Holy Diver" von Killswitch Engage ist die nächste ältere Nummer, 2007 eingespielt und seither auch regelmäßig im Liveset der Amis zu hören. Metalcoretypisch bauen sie hier ein paar Temposchlenker ein, machen das aber durchaus geschickt, wohingegen man über ihre Charakterveränderung des markanten Gitarrenthemas, dem der originelle, "hoppelnde" Groove völlig abhandengekommen ist, durchaus unterschiedlicher Meinung sein kann und mancher Altfan auch Kopfschmerzen bekommt, wenn Howard Jones mal kurz vom Klar- in Kreisch- bzw. Brüllgesang überwechselt (es könnte aber auch Gitarrist Adam Dutkiewicz sein, den wir hier hören). Aber die Umsetzung in den bandeigenen Stil, ohne das Original völlig zu dekonstruieren, ist Killswitch Engage definitiv gelungen, und alles weitere hängt davon ab, ob man besagten bandeigenen Stil denn nun mag oder nicht.
Die erste dreier weiterer Projektbands besteht fast ausschließlich aus Menschen, die irgendwann mal zur Band von Dio gehörten, als da wären Gitarrist Craig Goldy, Keyboarder Scott Warren, Bassist Rudy Sarzo, Drummer Simon Wright und als einziger aus der Reihe Fallender Glenn Hughes, der dafür aber Dio schon ewig kannte, nämlich noch aus Zeiten, als dieser mit Elf als Supportact für Deep Purple spielte und dort einem gewissen Ritchie Blackmore auffiel, der später mit Dio und drei weiteren Ex-Elfern Rainbow gründen sollte. "Catch The Rainbow" stammt vom Debüt, das einfach "Ritchie Blackmore's Rainbow" hieß, und hat als einer der wenigen von dessen Songs den test of time problemlos überstanden. Irgendwie hätte der Nummer aber ein Tick mehr Dramatik gut getan bzw. Dramatik an anderen Stellen - nicht alle Drumfills im ausgedehnten Schlußteil wissen so richtig zu überzeugen, und auch Hughes selbst war schon mal besser bei Stimme. Trotzdem unterschreitet auch diese Fassung ein gutes Qualitätsniveau nicht.
Die nächste Projektband hat mit Gitarrist Rowan Robertson und Bassist Jimmy Bain gleichfalls zwei alte Dio-Bandmitglieder am Start, hinzu treten Drummer Brian Tichy und Sänger Oni Logan, die "I" vom allgemein eher gering eingeschätzten Black-Sabbath-Album "Dehumanizer" ausgewählt haben. Der Song selbst ist keineswegs schlecht, wenngleich er wie die anderen neun die übergroßen Erwartungen von 1992 nicht erfüllen konnte. Das Quartett hat eine weitgehend harmlose, aber gute Version eingespielt, in der nur eine gewisse Kurzatmigkeit Logans, die bereits am Ende der ersten Gesangszeilen auffällt, negative Punkte erbringt, während Robertson unter Beweis stellt, daß er nach wie vor sowohl gefühlvoll als auch flitzefingerig solieren kann und zudem auch ein ordentliches Riff-Fundament zu legen imstanden ist.
Die letzte Projektband hat wieder ausschließlich Instrumentalisten mit Dio-Banderfahrung zu bieten, als da wären Gitarrist Doug Aldrich, Bassist Jeff Pilson, Drummer Vinny Appice und abermals Scott Warren an den Tasten, die sich mit Rob Halford als Sänger verstärkt haben, der bekanntlich anno 1992 in Costa Mesa mal als Dio-Ersatz bei Black Sabbath eingesprungen war, weil Dio nicht als Vorband von Ozzy Osbourne spielen wollte. Zwar wissen die zweistimmigen Passagen in "Man On The Silver Mountain" nicht so richtig zu überzeugen, weil sich die beiden Stimmen eher gegenseitig behindern als sich zu unterstützen, aber Aldrichs schönes Solo holt viel wieder heraus, und das Intro fällt auch unter "seltsam, aber interessant".
Den Vogel schießen wieder mal Metallica ab: "When we were asked to be a part of a tribute album for Ronnie, of course we immediately said 'fuck yeah!' Choosing a song to record, however, was a MUCH harder decision ... so we did four!" So wurde aus "A Light In The Black" (als Rahmen), "Tarot Woman", "Stargazer" und "Kill The King" das "Ronnie Rising Medley", dem man gerne den editorischen Fauxpas verzeiht, daß "Kill The King" ja gar nicht auf dem "Rising"-Album stand (wie man anhand seines Vorhandenseins auf dem während der "Rising"-Tour mitgeschnittenen "On Stage"-Livemonument hätte vermuten können), sondern erst auf dem Studionachfolger "Long Live Rock'n'Roll". Lars Ulrich zählt verwirrenderweise erstmal ein komplett anderes Tempo an als das, welches das Medley dann einschlägt, und der Übergang aus "Tarot Woman" in "Stargazer" glänzt auch durch totale Einfallslosigkeit, aber ansonsten machen diese neun Minuten richtig viel Hörspaß, Hetfield ist gut bei Stimme, und daß speziell die Speedtracks im Medley Metallica richtig gut liegen, war zu erhoffen gewesen. So wird diese Umsetzung nicht ganz erwartet zum Highlight dieser 69 Minuten.
Den Schlußpunkt setzt Dio selbst, nämlich mit "This Is Your Life", der Schlußballade vom "Angry Machines"-Album in der von selbigem bekannten Fassung, also mit Piano und Streichern - es soll noch Demofassungen mit anderer Instrumentierung geben, und eine solche hätte den Sampler gerade für Dio-Fans sicherlich noch interessanter gemacht. Aber auch in der vorliegenden Form ist er eine runde und unterstützenswerte Sache, gehüllt übrigens in einen Digipack mit diversen historischen Fotos und einem Cover, das Elemente von "Holy Diver" und "The Last In Line" mixt und mit einer wilden Meute ergänzt, die irgendwo musikalisch auf dem Album vertreten ist, wobei sich dann diverse Kuriosa ergeben, etwa ein Klaus Meine, der (in der linken Hand!) ein riesiges Schwert schwingt, während James Hetfield auf seiner Streitkeule den Schriftzug "Enter Sandman" spazierenträgt ... Wer den Japan-Release kauft, darf sich übrigens noch auf "Stand Up And Shout" der Dio Disciples und Strypers Umsetzung von "Heaven And Hell" freuen, die zur Rezension aber nicht vorlagen.
Kontakt: www.diocancerfund.org, www.rhino.com

Tracklist:
Anthrax: Neon Knights
Tenacious D: The Last In Line
Adrenaline Mob: The Mob Rules
Corey Taylor, Roy Mayorga, Satchel, Christian Martucci, Jason Christopher: Rainbow In The Dark
Halestorm: Straight Through The Heart
Motörhead with Biff Byford: Starstruck
Scorpions: The Temple Of The King
Doro: Egypt (The Chains Are On)
Killswitch Engage: Holy Diver
Glenn Hughes, Simon Wright, Craig Goldy, Rudy Sarzo, Scott Warren: Catch The Rainbow
Oni Logan, Jimmy Bain, Rowan Robertson, Brian Tichy: I
Rob Halford, Vinny Appice, Doug Aldrich, Jeff Pilson, Scott Warren: Man On The Silver Mountain
Metallica: Ronnie Rising Medley (Featuring A Light In The Black, Tarot Woman, Stargazer, Kill The King)
Dio: This Is Your Life
 




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