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STEEL PROPHET: Into The Void (Hallucinogenic Conception)/Continuum
von rls

STEEL PROPHET: Into The Void (Hallucinogenic Conception)/Continuum   (Pure Steel Records)

Vielen Metallern wird es so gegangen sein wie dem Rezensenten: Den Bandnamen Steel Prophet hatte man schon mal irgendwo gehört oder gelesen, aber die erste akustische Begegnung mit der Band fand erst 1999 statt, entweder mit "Strange Encounter", das vom neuen Label Nuclear Blast als Appetizer auf das "Dark Hallucinations"-Album auf den Rock-Hard-Sampler gebucht wurde, oder livehaftig auf der Tour als Support von Gamma Ray und Edguy. Der Rezensent hält "Strange Encounter" noch heute für einen der stärksten Songs der Band und hat die Tour weiland im Tivoli in Freiberg gesehen - eines der besten Metalpackages der 90er, wenngleich der Gig nicht ganz an den 1995er Gamma-Ray-Gig in Leipzig (mit Morgana Lefay und Factory Of Art im Vorprogramm) heranreichte. Ein paar Menschen mit gutsortierter Sammlung hatten zu diesem Zeitpunkt auch schon etliche Werke der Band im Schrank stehen: Steel Prophet waren bereits seit 1983 aktiv, auch wenn es bis zum Release des ersten Albums bis 1995 dauern sollte. "The Goddess Principle" erschien wie die "Continuum"-EP und das zweite vollständige Album "Into The Void (Hallucinogenic Conception)" auf einem Sublabel von Hellion Records. Erstgenanntes brachten Pure Steel Records unlängst erstmals auch als Vinyl unters Volk (man erinnere sich: 1995 war Vinyl längst auf dem absteigenden Ast und wurde allgemein als zum Aussterben verurteilt angesehen), und nun sind auch die EP und das zweite Album, als Doppel-CD zusammengefaßt, wieder weitreichend erhältlich.
Wollen wir chronologisch vorgehen, müssen wir zuerst CD 2 in den Player werfen, welche die besagte EP enthält, die es mit fünf Songs auf immerhin 29 Minuten Spielzeit bringt. Drei der fünf Songs hatten Demo-Sammler vielleicht schon in der Kollektion, da sie aus der ganz frühen Schaffensperiode der Band stammen, aber es scheint sich um aktuelle (heißt: 1995 eingezimmerte) Neueinspielungen zu handeln. Vom Stil her hören wir hier typischen amerikanischen Power Metal mit starker progressiver Schlagseite, die sich in vielschichtigen, aber immer nachvollziehbaren Songstrukturen, einer äußerst filigranen und eleganten Grundausrichtung sowie dem häufigen Einsatz von Akustikpassagen äußert. Das schließt das Vorhandensein zupackender metallischer Härte natürlich nicht aus, wie das erbarmungslos speedige "Environmental Revolt" unter Beweis stellt, während das Songpaar "Death" und "Life" quasi archetypisch für die progressivere Ausrichtung der Band steht. Und man höre sich mal genau den völlig ansatzlosen Rhythmuswechsel im zwischen dem genannten Songpaar stehenden "Unconscious Man (Walks Erect)" an! Das Intro zu "Sungazer" dagegen läßt einflußtechnisch Iron Maiden durchschimmern, auch wenn diese erstaunlicherweise bei Alleinkomponist Steve Kachinsky Blakmoor nicht in der Inspirationsliste innerhalb der Thankslist vorkommen, im Gegensatz zu Paul Kossoff (!), Bob Dylan (!!) oder Discharge (!!!), die man dort eher nicht vermutet hätte. Um das längere Zeit stabile Stammtrio Rick Mythiasin (Gesang), Vince du Juan Dennis (Baß) und Kachinsky (Gitarre) gesellten sich auf "Continuum" noch John Tarascio am Schlagzeug und Zweitgitarrist Horacio Colmenares, der allerdings auf "Into The Void (Hallucinogenic Conception)" schon nicht mehr mit von der Partie war und statt dessen mit New Eden einige ebenfalls nicht zu verachtende Alben in ähnlichem Stil herausbrachte.
Seine Position nahm John Pons ein, und auf dem Schlagzeughocker nahm Pete Parada Platz. Beide kamen, als die Band in einer schweren Krise steckte, wie Kachinsky in den Liner Notes beschreibt - beispielsweise hatte Mythiasin arge Drogenprobleme (er mußte deshalb an einem Entzugsprogramm teilnehmen) und konnte die letzte Strophe von "Death Of Innocence" nicht einsingen, so daß diese Strophe in der Endfassung weggeschnitten werden mußte. Auch mit Produzent Jason Anderson lief nicht alles so wie gewünscht, und wenn man die CDs in der beschriebenen Reihenfolge hört, bemerkt man das viel dumpfere und "mattere" Klangbild von "Into The Void (Hallucinogenic Conception)", auch wenn es den Vorteil hat, daß es die gelegentliche Schärfe von "Continuum" wegnimmt. Auch auf diesem Album findet sich wieder mancherlei altes Songmaterial (die Liner Notes geben Auskunft), am grundsätzlichen Stil hat sich nichts geändert, auch wenn sich ein Einfluß etwas breiter macht, den man zumindest musikalisch auf "Continuum" noch nicht so entdeckt hatte. Aber schon dort fanden sich Solitude Aeturnus in der Thankslist Kachinskys wieder, und mit "Your Failure Inscribed In Stone" steht nun ein klassischer Doomsong (wenngleich mit eingewobenen schnelleren Parts) auf "Into The Void (Hallucinogenic Conception)", dessen Inspirationsquelle Kachinsky in den Liner Notes explizit benennt. Der Mittelteil von "Trapped In The Trip" hat den Hörer allerdings bereits vorbereitet, wobei der Doom hier in einen vierteiligen Song eingebunden ist: ein langes Akustikintro sowie zwei Classic-Metal-Teile, die den besagten Doompart rahmen und in denen die Gitarrenarbeit bisweilen ein wenig an Iced Earth erinnert, die auch schon auf "Continuum" in Kachinskys Thankslist vorkamen. Iced Earth waren bekanntlich vor allem in ihrer Frühzeit von Iron Maiden inspiriert, auf Steel Prophet trifft Analoges zu, und das findet seinen deutlichsten Ausdruck auf dem Album in Gestalt der Coverversion von "Ides Of March/Purgatory", die keinem Anhänger des Originals mißfallen dürfte. "Passage Of Time (Amber Leaves...)" wiederum demonstriert, daß Steel Prophet sogar durchaus "kommerzielle" Songs schreiben konnte - dieser bereits aus den Mittachtzigern stammende Song wandelt sich von der Ballade in sanften melodischen Midtempo-Metal wieder einmal erstklassiger Bauart und wäre in einer gerechten Welt trotz seiner sieben Minuten Dauer längst zum strahlenden Hit geworden, der die chronisch klamme Bandkasse füllt. "Of The Dream" stand als "In The Dream" in geringfügig anderer Version 1986 auf dem "Iron Tyrants II"-Sampler und machte damit den Bandnamen zum ersten Mal im Underground bekannt, wobei auch damals schon der bandtypische Stil deutlich ausgeprägt war, der dann in den Folgejahrzehnten (die Band ist immer noch aktiv und veröffentlichte 2014 ihr erstes Studioalbum nach fast zehn Jahren, nachdem die Produktionsdichte zwischen 1999 und 2004 deutlich höher gewesen war) nur noch gewisse Ausweitungen und Feinjustierungen erlebte. Auch drei Songs der Kategorie "erbarmungsloser Speed, zumindest phasenweise" kennt "Into The Void (Hallucinogenic Conception)", nämlich die Albumrahmung "The Revenant" und "Hate2" (letztgenanntes mit Bernie Versailles von Agent Steel als Gastgitarrist) sowie "What's Behind The Veils?", wobei im letztgenannten Falle der Hochgeschwindigkeit anderthalb Minuten balladeskes Intro und abermals anderthalb Minuten fetter Midtempo-Metal, wie man ihn von Steel Prophet eigentlich kaum kennt, vorausgehen. Da ist der Doom dann doch wieder typischer, wenngleich die ersten zwei Minuten von "Idols" aufgrund des flüsternd-krächzenden Gesangs nochmal einen ganz anderen Stil fahren als die Solitude-Aeturnus-Inspirationen, die wir weiter vorn auf dem Album gefunden haben. Der Song selbst wird dann aber gewohnt vielschichtig, und wer in den Leadgitarren über dem Akustikpart nach Minute 4 einen versteckten Anklang an - da sind sie wieder - die frühen Iron Maiden zu erkennen glaubt, der könnte durchaus richtig liegen. So ehren Steel Prophet ihre Vorbilder, ohne sie aber zu kopieren - sie sind stolz auf ihren eigenständigen Stil und ziehen diesen auch durch, selbst wenn er ihnen nur für eine begrenzte Zeit, nämlich die Phase von 1999 bis 2004, größere Aufmerksamkeit in der Metalszene beschert hat. Außerhalb derselben haben sich im wesentlichen nur die metallischen Gourmets für das amerikanische Quintett interessiert, und diese können mit dem vorliegenden Doppeldecker eventuelle Sammlungslücken füllen, während kein Altfan zum nochmaligen Erwerb gezwungen wird, da keine Extratracks enthalten sind und auch die Booklettexte denjenigen in den alten CDs entsprechen dürften.
Kontakt: www.facebook.com/SteelProphet, www.puresteel-records.com

Tracklist:
CD 1 ("Into The Void (Hallucinogenic Conception)")
The Revenant
Death Of Innocence
Trapped In The Trip
Your Failure Inscribed In Stone
Passage Of Time (Amber Leaves...)
Of The Dream
Ides Of March/Purgatory
What's Behind The Veils?
Idols
Hate2

CD 2 ("Continuum")
Death
Unconscious Man (Walks Erect)
Life
Environmental Revolt
Sungazer



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