www.Crossover-agm.de MORGANA LEFAY: Grand Materia
von rls

MORGANA LEFAY: Grand Materia   (Black Mark)

Back to the roots: Diese Morgana Lefay hier könnten auch als "the true Morgana Lefay" bezeichnet werden, handelt es sich doch um die Inkarnation um Sänger Charles Rytkönen und Gitarrist Tony Eriksson, die nach dem Split in den Endneunzigern aus rechtlichen Gründen als Lefay weitergemacht hatte, während der damalige zweite Gitarrist samt der Rhythmusgruppe zwar noch eine selbstbetitelte CD unter dem Namen Morgana Lefay herausgebracht hatte, die aber gerüchteweise mit dem alten Power Metal-Sound nichts mehr zu tun gehabt haben soll (sie befindet sich nicht in meiner Sammlung) und folgerichtig in der Öffentlichkeit komplett durchfiel. Von diesem Trio hörte man fortan nichts mehr, und auch Lefay lösten sich nach zwei Alben und der Wiederveröffentlichung des raren Morgana Lefay-Frühwerkes "Symphony Of The Damned" (allerdings unter dem Namen Lefay, um die Verwirrung komplett zu machen), dessen Original in exakt 537 Exemplaren kursiert und natürlich nur für horrende Preise aufzutreiben ist, zunächst auf, sind nun aber im mehrfachen Sinne wiedervereint, nämlich einerseits bei ihrem alten Label Black Mark, zweitenteils wieder unter dem Namen Morgana Lefay und zum dritten auch wieder fast in der Lefay-Besetzung - lediglich Bassist Fredrik Lundberg ist neu an Bord. Auch das Cover macht die Rückbesinnung auf die alten Tage mehr als deutlich, weist es doch von der Gestaltung her mehr als deutlich auf den Bandklassiker "The Secret Doctrine" hin, und die Symbolik ist auch wieder die gleiche - diese findet diesmal aber auch textlich ihren Widerhall, denn bei "Grand Materia" handelt es sich um ein Konzeptalbum mit alchemistischem Hintergrund. Daß das Booklet mit einem Zitat von Helena Blavatsky eingeleitet wird, macht gleich doppelt Sinn, denn erstens stammt es aus ihrem Buch "The Secret Doctrine", und zum zweiten handelt es sich bei ihr bekanntlich um eine Gurufigur in Alchemistenkreisen, der zwar der eine oder andere Versuch offenbar etwas geschadet hatte (ihre öffentlichen Experimente, gewisse Bestandteile der Luft atommäßig zu sichten, endeten beispielsweise mit Vergiftungserscheinungen bei einigen Teilnehmern), die aber nichtsdestotrotz für den Verständnisprozeß der Alchemie jenseits der simplen Versuche, aus unedlen Metallen Gold zu gewinnen, eine Art Schlüsselrolle spielt. Und neben dem Gold gebührt noch einer anderen Substanz eine stoffliche Schlüsselrolle, nämlich dem sogenannten "Stein der Weisen", einer Art chemischer Ursuppe, aus dem man, wenn man das entsprechende Wissen mitbringt, jedwede beliebige chemische Substanz herstellen könne - so jedenfalls die entsprechende alchemistische Theorie, die natürlich für jeden rezenten politischen Herrscher von immanenter Bedeutung sein müßte. Daß sie das nicht ist, hat einen ganz einfachen Hintergrund: Die Chemie und auch die Alchemie haben es bisher nicht fertiggebracht, diese Substanz herzustellen oder auch nur näher zu beschreiben (das heißt, Beschreibungen und auch Herstellversuche gab es in den vergangenen Jahrhunderten schon zuhauf, aber nichts stellte sich als praktisch brauchbar heraus), so daß das ganze Konzept bisher also Theorie geblieben ist, nichtsdestotrotz aber sehr interessante Denkkonstrukte verschiedenster Natur hervorgebracht hat, über die man ganze Bücher füllen könnte, wenn das nicht in der Vergangenheit schon reichlichst geschehen wäre. Um ein ebensolches Buch und dessen Inhalt dreht sich auch das Textkonzept hinter "Grand Materia" (der Titel ist nichts weiter als ein Synonym für den "Stein der Weisen"), das von Sänger Charles erdacht wurde und im Booklet ausführlichst beschrieben ist, so daß ich hier nicht weiter darauf einzugehen brauche - lediglich der Hinweis, daß nicht jede behandelte Reinkarnationsstufe des Protagonisten wie des von ihm vertretenen Wissens für den Normalsterblichen nachvollziehbar sein dürfte, sei noch gestattet. Passend zum schwierigen Konzept hat sich allerdings auch der Komplexitätsgrad der Musik auf einem relativ hohen Niveau eingenistet, so daß "back to the roots" hier nicht "zu den eingängigen Power Metal-Hymnen von 'The Secret Doctrine'", sondern allenfalls "zu der schon relativ komplexen Ausrichtung von 'Maleficium'" bedeutet. Klar, am traditionellen Power Metal als Basissound rütteln die Schweden auch auf "Grand Materia" nicht - alles andere wäre angesichts der strukturellen Wichtigkeit dieses Comebackalbums auch dämlich gewesen. Aber sie verpacken einige leicht fremdartig anmutende Elemente so, daß sie den Gesamtsound sinnvoll ergänzen, jedoch nicht verwässern. Exempel gefällig? "I Roam" und "Emotional Sanctuary" fahren fast numetallisch anmutendes Stakkatoriffing auf, erstgenannter Song transportiert zudem noch Backingchöre, wie man sie eher von frühen Blind Guardian-Werken her kennt. Auch die verschleppten Stakkatogrooves im Opener und Titeltrack werden manchen Altfan vermutlich geringfügig erschrecken, bis sich ihm die großartige Klasse dieses Songs zu erschließen beginnt. Und dann hätten wir da noch die Halbballade "Only Endless Time Remains", die in manchen Instrumentalpassagen mehr als eindeutig in die Siebziger zurückverweist, was allerdings nicht verwundert, wenn man weiß, daß der musikalische Chefdenker Tony ein großes Faible für Bands aus dieser Ära besitzt. Die fast progmetallisch anmutenden Tempo- und Rhythmuswechsel in vielen der 12 Songs kann aber auch dies nicht erklären - allerdings haben Morgana Lefay gegenüber den ebenfalls nicht unbedingt geradlinig agierenden Force Of Evil den großen Vorteil, daß die Songs trotzdem funktionieren, man sich in diese Wechsel schnell hineinhören kann, in vielen Fällen sogar ihren Sinn erkennt und sie damit nicht mehr als Fremdkörper betrachtet. Und bisweilen werfen Morgana Lefay auch mal einen Rettungsanker in Gestalt von nichtstakkatierten Uptempopassagen aus, was in ihrem bisherigen Schaffen ebenfalls recht selten blieb (auf "The Secret Doctrine" etwa gab's sowas gar nicht), hier aber beispielsweise in "Angels Deceit" und "Edge Of Mind" auftaucht. Man vermißt eigentlich nur eine richtig schöne Kuschelballade, wie sie das erwähnte Album mit "The Mirror", "Alley Of Oaks" und "Last Rites" gleich im Dreierpack offerierte, aber offenbar hätte das nicht so richtig zur Story gepaßt, und so muß man sich mit den gelegentlichen verträumten Passagen in ansonsten gern auch mal powernden Songs und mit dem anfangs etwas in die balladeske Richtung tendierenden, im Hauptteil dann aber eher doomigen Closer "My Task Is Done" behelfen. Ansonsten haben Morgana Lefay hier wieder eine Stunde über weite Strecken hochklassigen, wenngleich bisweilen ungewohnt komplexen Metal vorgelegt, von dessen livehaftiger Umsetzbarkeit Thorsten an anderer Stelle Bericht erstattet. Die Umsetzung in der heimischen Stereoanlage funktioniert jedenfalls beinahe tadellos und berechtigt definitiv zum Ausruf "Welcome back!"
Kontakt: www.morganalefay.se, www.blackmark.net

Tracklist:
Grand Materia
My Funeral Is Calling
Only Endless Time Remains
Hollow
Edge Of Mind
On The Other Side
I Roam
Emotional Sanctuary
Angels Deceit
The Operation Of The Sun
Blind
My Task Is Done



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