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Metal Zone L.E. mit Orphan Hate, Cutterfly, Nuke Eastern Plot, Nitrolyt, Last Chapter   26.01.2008   Leipzig, Anker
von rls

Daß der metallische Underground Leipzigs lebt, ist kein Geheimnis, und die den Anker ansehnlich füllende, zu einem nicht geringen Teil vergleichsweise junge und zu einem gegenüber sonstigen Metalkonzerten leicht überdurchschnittlichen Teil dem weiblichen Geschlecht angehörige Publikumsmenge trat einen neuerlichen Beweis für diese These an - man kommt bei taschengeldfreundlichem Eintrittspreis eben lieber zu sowas, als monatelang auf die 60 Euro für Iron Maiden sparen zu müssen, wenngleich zu den ca. 350 Anwesenden schon noch die eine oder andere Hundertschaft zusätzlich in den Anker gepaßt hätte, der Gedanke sich also auch noch weiter verbreiten darf. Als der Rezensent kurz nach 20.30 Uhr in der Lokalität eintraf, spielten Last Chapter gerade ihren zweiten Song - eine hiesige Nachwuchsband, nicht etwa die gleichnamigen legendären Ami-Doomer, die man natürlich nicht auf dieser Position wiedergefunden hätte. Last Chapter spielten, wie sich das heute für jede zweite Nachwuchsband gehört, Metalcore, aber wenn sie schon keine eigenen Akzente setzen konnten, dann konzentrierten sie sich wenigstens darauf, ihren austauschbaren Stil annehmbar zu interpretieren, und das bekam das Quintett in der Tat gut hin. Die Gitarristen hatten ihre Iron Maiden-Lektion gelernt, ohne aber länger als nötig auf zweistimmigen Soloparts herumzureiten, der Sänger und der Bassist tobten über die Bühne, wobei erstgenannter meist fürs herbe Gebrüll sorgte, letzterer aber die Refrains mit einer zweiten, cleanen Stimme unterlegte und die Songs damit ein nicht geringes Stück aufwertete. Im Gedächtnis haften blieb von den Songs nach einmaligem Hören trotzdem nichts, und einen eigenständigen Sound haben die jungen Musiker wie erwähnt auch noch nicht, aber ein solider Grundstein ist gelegt, auf dem die Band jetzt aufbauen kann. Eine kleine lokale Fangemeinde hat man sich offensichtlich schon erspielt, und die forderte sogar energisch eine Zugabe ein, welche Last Chapter trotz des engen Zeitplans auch gewährt wurde.
Als es nach dem dritten Nitrolyt-Song 2:1 für die Songs der selbstbetitelten EP bzw. gegen die der neuen Platte "Hollywood Death Scene" stand, rieb man sich verwundert die Ohren, was denn da heute geplant sei, aber der Rest des Sets bestand dann aus Material besagter neuer Platte; auf das Antesten neuen Songmaterials, was einige Monate zuvor im Werk II schon mal geschehen war, verzichtete das Quintett diesmal, denn man hatte andere Sorgen. Deren eine bestand im Sound, der paradoxerweise Sebastians Riffs nahezu völlig verschluckte, seine Leads aber deutlich hörbar beließ, und da auch einige von Rolands Keyboardpassagen verschwanden, ergab sich ein phasenweise skurril-ungewohntes Klangbild. Die andere Sorge, die hauptsächliche, bezog sich auf den aktuellen Neuzugang der Band, Sänger Matthias, der vom Allgemeinzustand her arg angeschlagen war (noch eine Stunde vor dem Gig war nicht sicher, ob er überhaupt auftreten können würde), aber sich größte Mühe gab, dies erfolgreich zu verschleiern. Scheinbar hat die Band mit ihm einen klassischen, aber vielseitigen Power Metal-Sänger gefunden, der von Beginn an souveräner agierte als der erst über Monate, ja Jahre hinweg allmählich gereifte Vorgänger Steve (Katta, die den erwähnten Werk II-Gig bestritten hatte, war nur aushilfsweise eingesprungen). Und wenn man sich vor Augen führte, was Matthias trotz seines Zustandes an diesem Abend leisten konnte, fragte man sich interessiert, wie gut der wohl sein dürfte, wenn er richtig gesund ist. Eine hervorragende Ergänzung für die nach wie vor äußerst hoffnungsvolle Band, die erneut zwischen allen möglichen und unmöglichen extremen Metalstilen hin und her lavierte, den Gig auch noch selber organisiert hatte und sich den lauten Applaus trotz der Soundprobleme redlich verdiente. Auch hier wurde eine Zugabe eingefordert, die aufgrund Matthias' Zustand aber nicht gegeben werden konnte - das Instrumental "Russian Roulette" hatte man im regulären Set schon verbraten, die ebenfalls ohne Gesang auskommende dreiteilige "Symphonie des organiques liquides" offenbar nicht eingeprobt, und auf die Idee, "Commando Metal" mit Max von Nuke Eastern Plot als Gastsänger zu performen oder Ex-Bassist Tobias Audersch für irgendwas Altes ans Mikro zu lassen, kam in der Sekunde offenbar gerade niemand ...
Setlist Nitrolyt:
Soldiers
Incredible Georg
J.A.A.S.
Haunted
The Suffering
Russian Roulette
Hollywood Death Scene
Sign Language
Nuke Eastern Plot hatte der Rezensent zu Lebzeiten ihrer ersten Inkarnation nie live gesehen, kannte somit lediglich die "Symbiotic"-EP, hatte diese allerdings auch ewig nicht mehr im Player gehabt und die Songs somit auch nicht mehr im Ohr. Alle vier befanden sich allerdings im Set, wenngleich in partiell doch etwas modifizierten Varianten, woran auch, aber keinesfalls ausschließlich die Umbesetzungen in der neuen Inkarnation ihren Anteil hatten. Von der alten Mannschaft standen mit Gitarrist Carlos und Sänger Max nur noch zwei Fünftel auf der Bühne, wobei Carlos am rechten Bühnenrand eine unauffällige, aber solide Rhythmusgitarre spielte, während Max erwartungsgemäß den optischen Mittelpunkt der Bandbühnenaktivität bildete, erstaunlicherweise aber diese Rolle gesanglich deutlich weniger ausfüllte - ob man ihn nur zu weit nach hinten gemischt hatte oder ob er gesanglich gegenüber der Konserve, die ihn in vielfältigster Hochform gezeigt hatte, wirklich auf ein solides, aber nicht weiter auffallendes Level ohne Extreme an beiden Seiten der Skala abgebaut hat, muß an dieser Stelle offenbleiben. Dafür hat er einen neuen kongenialen Partner an seiner Seite: Nitrolyt-Chefdenker Sebastian spielt nun auch noch Gitarre bei Nuke Eastern Plot, setzte hier deutlich mehr musikalische Ausrufezeichen als bei seiner eigenen Band (was aber in diesem Fall nun wirklich soundbedingt war - bei Nitrolyt hörte man ihn kaum, hier aber deutlich besser) und gab auch in puncto Bühnenpräsenz einen ebenbürtigen Counterpart zu Max ab - eine Rolle, die Aushilfsbassist Tobias trotz fleißigen Bangens auf der rechten Bühnenseite nicht so recht auszufüllen vermochte. Der Trommler, der sich von seiner Vorgängerin schon alleine durch den Bartwuchs unterscheiden ließ, spielte noch etwas zu statisch, durfte aber nichtsdestotrotz kurz solieren und erbrachte generell ebenfalls eine gute Leistung. Ob es sich bei "Breathless", "Fall", "Pax Americana" und "Alone" noch um Relikte aus der ganz frühen Nuke-Schaffenszeit oder aber um neue Songs handelt, ist dem Rezensenten nicht bekannt, aber jedenfalls gab der komplette Set ein homogenes Klangbild ab, das anhand der alten Konserve so vielleicht nicht zu erwarten gewesen war. Gibt es den Terminus "70er-Metalcore" schon? Wenn nein, bitte einen Copyrightvermerk für den Rezensenten. Auch Nuke Eastern Plot wurden vom Publikum mehr als freundlich goutiert und zu einer Zugabe aufgefordert, die nun aber stilistisch völlig aus dem Rahmen fiel - man coverte "Victim Of The Paranoid" von Six Feet Under, also gemächlichen und so völlig unsiebzigerischen wie unmetalcorigen Death Metal in unterhaltsamer, aber den Hörer nicht aus den Latschen kippen lassender Manier.
Setlist Nuke Eastern Plot:
Intro
Breathless
Shahia
Fall
Pax Americana
Symbiotic
Assassin
Alone
Heaven Sent
Victim Of The Paranoid
Zu Cutterfly fällt dem Rezensenten langsam kaum mehr Neues ein, was er noch schreiben könnte. Der Sound war diesmal deutlich besser als beim vorweihnachtlichen Gig 2007 (wenngleich immer noch nicht richtig gut, was hier beispielsweise den Untergang der Akustikgitarren anging, welcher Problempunkt dazu führte, daß man einen Moment länger als gewöhnlich brauchte, um das Metallica-Cover "Welcome Home [Sanitarium]" zu erkennen), dafür hatte man das klassische Instrumental aus der Setlist gekickt, und die Samples dröhnten nicht mehr ganz so dominierend aus den Speakern, sondern unterlegten lediglich einzelne reguläre Parts, taten also das, wofür sie bei einer ordentlichen Metalband maximal da sind. Die größten musikalischen Entwicklungssprünge darf sich nach wie vor der Sänger gutschreiben lassen, der aber immer noch dringend an der Publikumskommunikation arbeiten muß (daß der Sänger von Last Chapter, der gasthalber gegen Setende zwei Songs im Duett mitsang, quasi auch gleich die Frontmannrolle sowohl in puncto Bühnenpräsenz als auch bei den Ansagen übernahm, sollte zu denken geben), wohingegen seine vier Instrumentalistenkollegen bekanntermaßen schon Meister an ihren Instrumenten sind, allerdings auch aufpassen müssen, daß sie nicht im eigenen Saft zu schwimmen beginnen. Der jugendliche Überschwang vom 2006er Gig bei der Nitrolyt-Releaseparty ist weg, positiverweise in kontrolliertere Bahnen gelenkt, aber noch nicht verschüttet, und er darf bei neuen Songs gern wieder etwas nach vorn sprühen, um der Gefahr des Versinkens im metalcorigen Einheitsbrei und dem Nicht-Retten ans klassisch-modern-metallische Ufer zu entgehen. Eine gute Leistung des Quintetts, zweifellos, auf der sich weiterarbeiten läßt, aber eben auch weitergearbeitet werden muß. Kultigster Moment des gesamten Abends: Das Metallica-Cover ist vorbei, das Publikum applaudiert, einige Enthusiasten im Publikum fordern "Slayer" - und die Band intoniert Bon Jovi (wenngleich in einer brettharten Version). Überhaupt markieren die drei Covers irgendwo auch drei Eckpfeiler des Cutterfly-Soundgebäudes ("Duality" stammt original von Slipknot), wenngleich da noch ein paar Pfeiler mehr existieren.
Setlist Cutterfly:
Intro
In My Hands
Become
White Out
End(less)
Last Remaining Light
Sanitarium
You Give Love A Bad Name
The Cycle Within - Days Of Waste
Duality
Orphan Hate waren auch damals bei der Nitrolyt-Releaseparty schon mit von der Partie gewesen. Fünf der Songs stimmten setlistseitig überein, weitere vier kamen neu hinzu, und es dürfte damit zu rechnen sein, daß man an diesem Abend einen Großteil der im Frühjahr zu erwartenden ersten regulären CD zu hören bekommen hat. Mag sein, daß auf Konserve das eine oder andere Riff einen latenten numetallischen Touch abbekommt, aber live entpuppen sich die Berliner samt Quotenleipziger am Baß nach wie vor als Antwort auf die Frage, wie Warlock in den Achtzigern geklungen hätten, wenn sie damals Death Metal fabriziert hätten (was freilich praktisch schwierig gewesen wäre, denn der war 1984 zu Zeiten von "Burning The Witches" noch gar nicht erfunden). Ein guter Drummer, der allen angezeigten Wendungen folgsam nachkommt, ein technisch hervorragender Bassist (sagen jedenfalls andere Bassisten in der Redaktion), zwei Gitarristen, die walzendes Death Metal-Riffing mit traditionsmetallischen Leads ohne Maiden-Touch koppeln, als sei es das Normalste auf der Welt (der linke der beiden hatte auch noch ein paar rote Lämpchen in seinen Gitarrenhals eingebaut, was ein paar niedliche optische Effekte hervorrief), eine Sängerin, die zu 75% fies grollt, zu 25% leicht kratzig Normallagen bestreicht (aber notfalls sogar 'ne Melodie halten kann, wenn die Gitarristen das nicht alleine machen sollen/wollen/können/dürfen) und auch in ihren Ansagen einen derartig kratzigen Touch beinhaltet, daß man ihr einen warmen Schal um den Hals legen und ihr ein Haribo Bronchiol spendieren möchte - fertig ist einer der hoffnungsvollsten deutschen Undergroundacts, der auch an diesem Abend von der ersten bis zur letzten Minute mit seinem melodischem (Death) Metal zu überzeugen wußte und damit einen gelungenen metallischen Abend abschloß, der, um den Bogen zum Reviewbeginn zurückzuschlagen, trotz der erwähnten leichten Beeinträchtigungen bewies, daß auch die statusseitig (noch) kleinen Bands große Leistungen vollbringen können.
Setlist Orphan Hate:
Walk Straight
King's Misery
Homeless
No Matter What ...
Passion
24/7 Liar
30/30 - 150
Circus
Evil A



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