www.Crossover-agm.de NITROLYT: Hollywood Death Scene
von rls

NITROLYT: Hollywood Death Scene   (Eigenproduktion)

Diverse grundlegende Dinge über dieses Album habe ich ja schon in der Liverezension der Releaseparty angesprochen, und auch nach x weiteren Hördurchläufen der Konservenversion ändert sich an der prinzipiellen Einschätzung, es hier mit einem sehr starken, wenngleich in dieser Form nicht unbedingt zu erwarten gewesen seienden Stück Musik zu tun zu haben. In nur anderthalb Jahren haben es Nitrolyt jedenfalls geschafft, von einem liebenswerten, leicht chaotischen musikalischen Traditionalistenhaufen mit Hang zum Einbau absonderlicher Elemente zu einer immer noch liebenswerten, aber deutlich gereiften modernen Truppe, die den Einbau der absonderlichen Elemente langsam richtig gut und songdienlich hinbekommt, zu mutieren. Die diesem Weg zugrundeliegenden Tondokumente sind in Gestalt von "Strypped", dem selbstbetitelten Fünftracker und nun "Hollywood Death Scene" allesamt auf diesen Seiten rezensiert. Dabei fällt auf, daß sich Nitrolyt mit dem neuen Werk auch einen Schritt seitwärts bewegt haben, denn Trommler Georg schraubt die Anschlagzahl mitunter wieder höher als in der Vergangenheit, landet gleich im Opener "Sign Language" sogar mal kurz im Blastbeat. Progressiver und abgedrehter sind Nitrolyt, was die Kombination ihrer Stilelemente angeht, auf jeden Fall geworden, wobei man "progressiver" nicht mit "rhythmisch verquerer" assoziieren sollte, denn egal auf welche Zählzeit Georg seine Snareschläge grade legt (das variiert er nämlich oft und gerne), es liegt eigentlich immer ein stoischer Viererrhythmus dahinter, man muß sich nur ein wenig in das Material einhören, um ihn zu entdecken. Generell macht das Material den Eindruck, als ob Disillusion neben der Produzententätigkeit von Vurtox auch ideentechnisch die eine oder andere Spur hinterlassen haben, wofür als Exempel mal wieder "Sign Language" herhalten muß, das durchaus auch seinen Platz auf "Three Neuron Kings" hätte finden können, eher weniger dagegen einen auf "Back To Times Of Splendour" (mit "Gloria" bin ich noch nicht vertraut genug, um diesbezüglich eine Einschätzung vornehmen zu können). Nur hat damals noch niemand geruht, Disillusion als "Modern Metal" zu klassifizieren, wie sich Nitrolyt heute selbst einschubladisieren, und das Etikett paßt durchaus, denn wenngleich man schon noch diverse traditionelle Elemente entdecken kann und die Band auch live noch zu ihrer Vergangenheit steht und zur Begeisterung des Auditoriums alte Klopfer wie "Commando Metal" einstreut, so wäre die Truppe etwa für das Instrumental "Russian Roulette" in den Mittachtzigern noch von der Bühne gejagt worden, wenn sie nicht gerade die Bühne mit Fates Warning oder Adramelch geteilt hätte, da das seinerzeitige metallische Auditorium mit der komplexen Ideenfülle, die dieses gerade mal dreiminütige Stück ausschüttet, komplett überfordert gewesen wäre - das reicht von Mandolinen und Kunststreichern über kurze Knüppelparts, kernige Riffs, xy Tempowechsel und ein Arsenal von Melodien, wobei mir immer noch nicht eingefallen ist, woran mich dieses flötenuhrartige Thema erinnert (einen stilistisch ähnlichen Einfall hatte Nightwish-Tuomas in "FantasMic" schon mal, aber da war's völlig anders umgesetzt). Hat sich der Hörer an dieses Bombardement gewöhnt, wird er sofort wieder überrascht, und zwar von der zauberhaften Ballade "Alive", die das wohl zugänglichste Stück Musik auf diesem Silberling darstellt, während der folgende Titeltrack einen Openingpart auffährt, den Dream Theater auch auf "Images And Words" übernehmen hätten können, bevor ein griffiges Riff jedwede Anspielung in dieser Richtung zur Negation bringt und der Song sich weiter in die völlig unkategorisierbare Richtung bewegt (DDR-sozialisierte Hörer lauschen mit besonderem Interesse dem Schlaginstrument bei Minute 3:20, Nightwish-Fans entdecken im Hauptsolo einen Part mit Soundtrackmetal, wie man ihn auch auf "Once" finden konnte), wo sich schon ein guter Prozentsatz der anderen Tracks aufhält. "Hollywood Death Scene" (die Platte) macht in der Rückschau den Übergangscharakter der selbstbetitelten EP deutlich, wobei wohl erst der Albumnachfolger unter Beweis stellen wird, ob Nitrolyt die Vorgehensweise der permanenten Variation von Disillusion adaptieren werden (wonach dann jedes Album eigentlich nur ein Übergangswerk darstellt), was dem Hörer jeweils abverlangt, bis zum Release der neuen Platte die vorhergehende verstanden zu haben. Daß das bei "Hollywood Death Scene" etwas Arbeit erfordert, sollte aus den vorgenannten Schilderungen deutlich geworden sein, aber man wird, wenn man nicht grade zur ultratraditionalistischen Metalfront zählt, reich belohnt, wenngleich sich manche Kompositionen schneller erschließen als andere ("Alive" wie erwähnt am schnellsten). Im Vergleich zur Liveumsetzung fällt übrigens auf, daß die Kompositionen sowohl mit vervielfältigten Gitarren als auch in deren einfacher Form (da Nitrolyt mit Sebastian ja mittlerweile nur noch einen Gitarristen besitzen, nachdem Ex-Kompagnon Roland komplett an die Keyboards gewechselt ist) funktionieren, und das auch dann, wenn die Soli gegeneinanderfliegende Leads und Melodyriffs enthalten, wie gleich die beiden Opener "Sign Language" und "Soldier". Den Beweis für diese These kann man auf meiner Promoversion auch nachhören, denn nach den sieben regulären Tracks (warum reicht die Nitrolyt-Bandkasse eigentlich immer nur für Quasi-Minialben und die von deutlich untalentierteren Truppen, deren Namen ich mir aufzuzählen erspare, für volle?) stehen "J.A.A.S." und eben "Sign Language" noch als Livemitschnitte (mit kultigem angehängtem Zeitlupenapplaus ganz zum Schluß), so daß letztgenanntes praktisch die große Klammer um meine CD bildet und diese mit knapp 38 Minuten auch auf eine vernünftige Länge bringt - ob auch die Kaufversion diese Boni und die Zusatzvideos enthält, weiß ich nicht. Nitrolyt haben sich in der summarischen Betrachtung in eine sehr interessante Richtung entwickelt und könnten es mit "Hollywood Death Scene" schaffen, per Vercrossoverung Fans aus verschiedenen Lagern für sich zu gewinnen, zumal in puncto Sound alles stimmt und das neue Bandlogo richtig schnieke aussieht, wenngleich man dahinter auch eine süße Gothicrockband vermuten könnte, was den Jungs ob des daraus vielleicht resultierenden Fanzustroms aber alles andere als unrecht sein dürfte :-) Jedenfalls haben sich Nitrolyt mit dieser Platte in die erste Reihe der Leipziger Metalbands katapultiert (falls sie da nicht schon vorher standen ...), und jetzt wird's Zeit, daß auch der Rest von Deutschland kapiert, daß es gar nicht so viele so gute Kapellen dieses Kalibers gibt und man daher diese immer noch sehr junge Truppe unterstützen sollte.
Kontakt: www.nitrolyt.de

Tracklist:
Sign Language
Soldier
Haunted
The Suffering
Russian Roulette
Alive
Hollywood Death Scene
J.A.A.S. (live)
Sign Language (live)
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver