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Wacken Open Air 2003   31.07.-02.08.2003   Wacken
von CSB

Alle Jahre wieder Anfang August kann der unbedarfte Bundesbürger ein seltsames Phänomen beobachten. Je weiter man die Autobahn nach Norden fährt, desto länger werden die Haare der Leute, die überall an den Raststätten rumlungern, sich gegenseitig zuprosten, Schlachtgesänge anstimmen und komische, bunte Bilder auf ihren T-Shirts präsentieren.
Dies gipfelt dann in der kleinen 2000-Seelen-Gemeinde Wacken, der Hauptstadt des Metals für geschätzte 45000 Verrückte, und das nun seit geschlagenen 14 Jahren. So, genug der Zahlen!
Nach einem Katastrophenjahr 2002 und dem darauf folgenden Ausschluss aus der "Hard Union" (einem Zusammenschluss von Deutschlands größten Metalfestivals unter dem Banner des RockHard-Magazins) gelobten die Veranstalter Besserung und beließen es dann auch nicht nur bei leeren Worten. Dies wurde besonders ersichtlich an der deutlich entspannteren Organisation des Einlasses auf das Festivalgelände und - ganz wichtig - viel mehr Dixis als noch im Vorjahr. Als besondere Neuerung präsentierte man diesmal Infoscreens, um über Änderungen und Spielzeiten der Bands zu informieren sowie eine riesige Leinwand, die zwischen den beiden Hauptbühnen angebracht wurde und es einem ermöglichte, auch aus den hintersten Reihen dem Geschehen auf der Bühne zu folgen. Als kleines Extra konnten sich die Metaller dieses Jahr kostenlos im Wackener Schwimmbad vergnügen, was aufgrund der Temperaturen wohl auch rege in Anspruch genommen wurde.
Natürlich gab's auch wieder was zu meckern. Die Getränke und Fressereipreise sind nach wie vor ziemlich happig, 3 Euro für ein Pils ist einfach zu viel. Und die 20 Euro Parkpauschale pro Fahrzeug müssen eigentlich auch nicht so hoch ausfallen. Meine Kritikpunkte beziehen sich also lediglich aufs leidige Thema Moneten. Über das Preis-Leistungsverhältnis kann man sich aber trotzdem nicht beschweren, schließlich gibt's für schlappe 55 Euro ca. 50 Bands aus (fast) allen Stilrichtungen des Metals geboten - das bezahlt man für Iron Maiden schon alleine. Und das Billing ließ auch dieses Jahr keine Wünsche offen. Leider kann ich nur von einer begrenzten Auswahl berichten, da die CrossOver-Mannschaft sich auf mich allein beschränkte (zumindest die berichtfähige ... - Anm. rls) und auch ein rundum begeisterter Metaller mal ein paar Pausen braucht. Einige Bands, die ich nicht oder nur unvollständig gesehen habe, wird aber Erzgebirgsrecke Thomas Baumann mit ein paar kursiv gesetzten Zeilen würdigen.

Donnerstag
Los ging's am Donnerstag Punkt 18:00 Uhr mit den von mir sehnlichst erwarteten Circle II Circle mit dem ehemaligen Savatage-Fronter Zak Stevens. Einige Tausend hatten sich vor der Truemetalstage eingefunden, um dem knackigen, orchestralen Metal mit deutlicher Savatage-Schlagseite zu lauschen. Klasse Songs wie "The Circle" , "Lies" oder "Watching In Silence" hätten auch gut auf den Meilensteinen "Handful Of Rain" oder "Edge Of Thorns" der Legende aus Florida Platz gehabt. Nach einer guten halben Stunde mit allen Hits des Debütalbums gab es dann noch die Vollbedienung für die Savatagejünger im Publikum: Zunächst "Taunting Cobras" und dann mit "Edge Of Thorns" vielleicht einen der besten Metalsongs aller Zeiten. Warum nur musste dieser Jahrhundertsänger bei Oliva und Co. aussteigen? Als Krönung brachte die Band noch das sehr gelungene Metallicacover "Welcome Home - Sanitarium" und brachte die Meute entgültig zum Ausrasten.
Danach wurde der Thrashhammer ausgepackt. Annihilator enterten die Bühne im Spurt und von der ersten Minute war klar, dass die Amis (Ähem, noch ist nicht ganz Nordamerika vereinigt ... - Anm. rls) hier nur gewinnen konnten. Wahnsinn, welche Massen sich schon am frühen Abend vor die Bühne drängten, um eine Band zu abzufeiern, die sich förmlich den Arsch abspielte. Der neue Sänger präsentierte sich wie ein alter Hase und Mastermind Jeff Waters war ununterbrochen wie von der Tarantel gestochen unterwegs. Nach einer Stunde mit Krachern wie "Set The World On Fire", "Ultra Motion" oder "Alison Hell" war dann Schluss. Fazit: Geil!
Die neuformierten Victory konnten danach nicht ganz die Stimmung halten, was wohl aber weniger an der spieltechnischen Leistung oder der Qualität des Songmaterials lag, als vielmehr an der Tatsache, dass die Band, die in den Achtzigern große Erfolge feiern konnte, kaum noch jemand kannte. Eigentlich schade, denn der straighte Hard Rock irgendwo zwischen Saxon, AC/DC, Scorpions und Accept wurde wirklich sehr überzeugend dargeboten, wobei mir das atmosphärische "Temples Of Gold" am meisten zusagte.
Obwohl Victory eigentlich 75 Minuten Spielzeit zur Verfügung hatten, war unverständlicherweise schon nach einer Stunde Schluss. Des Rätsels Lösung folgte auf den Fuß, denn die Veranstalter hatten sich für die verbliebene Viertelstunde eine kleine Überraschung ausgedacht und kündigten eine Präsentation der kürzlich erschienenen Saxon-DVD an, auf der u.a. auch der umfeierte Headlinergig auf dem WOA vor 2 Jahren zu sehen ist. Der geneigte Zuschauer konnte sich daher an einem kleinen Intro auf der Videoleinwand erfreuen und war sichtlich überrascht, als dann plötzlich tatsächlich Biff Byford und seine Mannen auf die Bühne stürmten und mit "Motorcycle Man", "Denim And Leather" sowie "Princess Of The Night" drei ihrer größten Hits zum Besten gaben. Jedenfalls ernteten Saxon die mit Abstand besten Publikumsreaktionen des Tages. Klasse Einlage, die Lust auf mehr machte. Nächstes Jahr sind Saxon wieder mit von der Party!
Und es ging gleich richtig Oldschool weiter, denn nun folgte die deutsche Metalinstitution Running Wild. Zum 20-jährigen Bühnenjubiläum hatte sich Rock'n Rolf einiges für seine treuesten Fans ausgedacht und brachte einige Songs, die schon seit Ewigkeiten nicht mehr oder noch nie auf einer Bühne zu hören waren. Das war zwar für besagte Zielgruppe 'ne echt tolle Sache, aber für einen wie mich, dem nur die großen Hits und das Hammeralbum "Black Hand Inn" bekannt sind, war der Auftritt eine echte Enttäuschung, zumal von besagter Langrille kein einziger Song zum Zuge kam, stattdessen aber Raritäten und unveröffentlichtes Material wie "Prowling Werewolf" oder "Apocalyptic Horsemen" ihren Einstand auf deutschen Bühnen feiern durften. Und wenn wir schon mal beim Meckern sind, weder die sonst so hochgelobte Show war diesmal sonderlich spektakulär, noch war Rock'n Rolf gut bei Stimme und der Sound war auch nicht gerade das Gelbe vom Ei. Und warum der Drummer, welcher immerhin Trommellegende Angelo Sasso verdrängt hatte, noch unbedingt ein Solo einschieben musste, bleibt mir mehr als schleierhaft. Alles in Allem eine recht zwiespältige Sache, allerdings mit versöhnlichem Abschluss, denn mit "Prisoners Of Our Time" und "Under Jolly Roger" packten die Hamburger noch mal zwei Granaten aus, die einfach nicht fehlen durften und von Allen, die sich gerade irgendwo auf dem Festivalgelände befanden, mitgesungen wurden.

Freitag
Für mich begann der Freitag erst mit dem Auftritt von Sentenced. Ihrem debilen Selbstmordimage konnten die Finnen diesmal nicht wirklich gerecht werden, denn dazu hatten die Jungs einfach viel zu viel Spaß auf der Bühne. Sänger Ville prostete und scherzte ständig mit dem Publikum. Schrie "I drink Beer to forget" aber lachte dabei. Und seine zerbrechlichen Mitstreiter ließen sich auch nicht lumpen und legten sogar so etwas wie Spielfreude an den Tag. Musikalisch war ohnehin alles in Butter. Ihr mächtig nach vorne los gehender Gothic Metal fand jedenfalls glänzenden Anklang bei den bestimmt 10000 vor der Bühne. Songs neueren Datums wie "Cross My Heart And Hope To Die" oder "Brief Is The Light" wurden genauso abgefeiert wie alte Reißer der Marke "Suicider", "Excuse Me, While I Kill Myself" oder das abschließende, super umgesetzte Maidencover "The Trooper".
Nach einer kurzen Pause ging's dann ins Zelt zu Symphorce, der zweiten Band von Brainstorm-Sänger Andy B. Franck. Leider hatte ich die ersten 3 Songs verpasst, wobei mir der Überhit "Speak My Mind" dummerweise durch die Lappen ging. Auch wenn das Zelt nur zur Hälfte gefüllt war, was aufgrund des Umstands, dass zur gleichen Zeit Testament und Die Apokalyptischen Reiter spielten, schon etwas verwunderlich war (wo sind denn nur all die Powermetaller hin?) (Die haben bestimmt alle bei den Reitern auf "Metal Will Never Die" gewartet - Anm. rls), legten Symphorce einen richtig starken Gig hin und Andy poste, sprang, kletterte, kniete, rutschte, lag, rannte über die Bretter bzw. das halbe Zelt wie ein Affe, den man in einen viel zu kleinen Käfig eingesperrt hatte. Das nächste Mal muss diese Band unbedingt auf die Mainstage, da ist dann auch mehr Platz für den agilen Sänger.
Da ich mich, wie gesagt, während Testament im Zelt rumtrieb, kommt jetzt mal Thomas zu Wort.
Es tummelte sich schon eine geballte Masse vor der Black Stage, als die Roadies die Instrumente für niemand Geringeren als Testament stimmten. Endlich betrat Maschine Chuck Billy mit seinen berühmt-berüchtigten Posergesten die Bühne und ließ alle Thrashherzen höher schlagen. Und mit einer fröhlichen Begrüßung die lautete: "Lets drink some Beer and smoke some shit and let us listen to motherf* Metal" stiegen sie voll ein. Beim zweiten Song namens "Practise What You Preach" gab es nun auch keinen Halt mehr vor der Bühne und man musste sich ab jetzt leider mehr auf die Stagediver und das Gepoge konzentrieren als sich dem kraftvollen Organ von Chuck Billy oder den Basskünsten von Hüne Steve DiGiorgio hinzugeben. Im Großen und Ganzen war Testament ein gelungener Akt, da natürlich auch Titel wie "Disciples Of The Watch" und "Over The Wall" nicht gefehlt haben. Nur mein persönlicher Lieblingshit "Souls Of Black" wurde leider nicht gebracht. Schade! Trotzdem eine der geilsten Bands in Wacken 2003, dies schon mal im Voraus. Doch nun zurück an CSB.
Und jener bewegte sich unverzüglich vor die Mainstage, um eine seiner Lieblingsbands gebührend zu feiern. Die Hanseaten von Gamma Ray stiegen mit "Gardens Of The Sinner" ein, und allen war klar, dass es diesmal wohl kein "Rebellion In Dreamland" oder "Valley Of The Kings" zu hören geben würde. Dies bestätigte Grinsebacke Kai Hansen in einer seiner unnachahmlichen Ansagen und gab zu verstehen, dass es sich um eine weitere Show der "Skeletons In The Closet"-Tour handelte. Dies schmeckte zwar nicht Jedem, ich als Riesenfan der Norddeutschen war aber restlos begeistert, schon ewig nicht mehr oder noch nie gespielte Knaller wie "One With The World", "Heavy Metal Universe" oder "Heart Of The Unicorn" zu Gehör zu bekommen, wobei Kai Hansen vor allem bei Letzterem zeigen konnte, dass er sich vor einem Rob Halford (zu seinen besten Zeiten) nicht zu verstecken bräuchte. Neben den Gammatypischen Speedgranaten gab es aber auch epischen Stoff wie "Armageddon", den Uralttrack "The Silence" (bei welchem sich Hansen an einer Stelle derartig versang, dass er und seine Mitstreiter kaum noch aus dem Lachen herauskamen) und - Gänsehaut - "Shine On (Rising Star)" vom Hammeralbum "Somewhere Out In Space", das sich als echte Mitgrölhymne erwies. Der Helloween-Kracher "Victim Of Fate" vom legendären selbstbetitelten Minialbum bildete dann den Abschluss eines echten Mördergigs!
Der Siegeszug von In Flames scheint kaum noch aufzuhalten zu sein. Jedenfalls drängten sich derart viele Menschen vor die Black Stage (warum die so heißt, weiß keiner, denn neben ein paar echten Blackies spielten hier auch Testament, Subway To Sally und Sentenced), dass es auf Höhe der Bierstände (also geschätzte 200 Meter vor der Bühne) schon kein Weiterkommen mehr gab. Aber wen wundert es schon, denn irgendwie stellen die Schweden den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Heavyfreaks dar, da sie mit ihrem hochmelodischen Deathmetal die Stile vereinen, die ein solches reinrassiges Metalfestival prägen. Und ihrem Fast-Headlinerstatus wurden In Flames dann auch mehr als gerecht. Anders Friden schoss über die Bühne wie ein Derwisch (neuerdings mit Vollbart und Rastas) und die restlichen Elchtöter bangten und posten sich vor einem riesigen Schwedenbackdrop um Kopf und Kragen. Und um ihrem Namen alle Ehre zu machen gab es mächtig viel Feuerwerk, stets sehr passend zum Einsatz gebracht, zu bestaunen. Auch an der Songauswahl war nichts zu mäckeln. Los ging's mit "Cloud Connected" über Kracher wie "Bullet Ride" oder "Moonshield" schließlich zur absoluten Obergranate, und von vielen zur Festivalhymne erkorenen "Only For The Weak", bei welchem etwa 30000 verrückte Metaller hüpften (!). Wahnsinn! Ein denkwürdiger Auftritt einer Band, die es nicht mehr weit hat bis zur Spitze.
Twisted Sister, die für die kurzfristig sängerlosen Iced Earth eingesprungen waren, stellten dann eindrucksvoll unter Beweis, dass sie noch nicht zum alten Eisen gehören. Da ich mit den Songs der Rocklegende nicht vertraut bin (selbstverständlich bis auf die stürmisch umfeierten Hymnen "We're Not Gonna Take It" und "I Wanna Rock (Rock)"), kann ich nur sagen, dass die Sisters ihrer Headlinerposition durchaus gerecht wurden, untermalt durch eine stimmungsvolle Lichtshow und massig Pyros sowie einen echten Entertainer als Frontmann, der sehr gekonnt mit dem Publikum spielte und diesem alles abverlangte. Klasse Show, aber Iced Earth wären mir trotzdem lieber gewesen.
Und noch immer war der zweite Wackentag nicht zu Ende. Gegen um 2 morgens bewegte ich meine müden Glieder Richtung Black Stage, um mir Subway To Sally noch reinzupfeifen. Und trotz später bzw. früher Stunde war der Ansturm vor der Bühne enorm. Die Potsdamer Deutschmetaller ließen sich auch nicht lumpen und boten die gewohnte Qualitätskost. Bei einem Auftritt der Subways stimmt einfach alles. Eine faszinierende Bühnenshow mit ordentlich Feuer und stimmungsvollen Lichteffekten, eine fantastisch aufeinander eingespielte, dynamische Band, mit Eric Fish einer der charismatischsten Frontmänner überhaupt, und natürlich ein reichhaltiges Sortiment an saustarken Songs mit knallharten (z.B.: "Geist des Krieger", "Knochenschiff", "Die Schlacht"), verträumten, ruhigen ("Minne", "Abendland") und folkig-fröhlichen Momenten ("Julia und die Räuber", "Ohne Liebe"). Absoluter Höhepunkt war wieder einmal das grandiose "Kleid aus Rosen" ebenso wie die Hochzeithymne "Henkersbraut".
Danach, also irgendwann gegen 3 Uhr, ging's dann endlich ins Zelt. Augen zu, nur um fünf Stunden später von den allerlieblichsten Blackmetalklängen aus einem der Nachbarzelte geweckt zu werden. Wacken hat eben auch seine Schattenseiten (im wahrsten Sinne des Wortes).

Samstag
Die erste für mich relevante Band am letzten Wackentag hieß Masterplan. Die Truppe um die ehemaligen Kürbisköpfe Roland Grapow und Uli Kusch, die sich mit Sangesas Jorn Lande (ex-Malmsteen, Beyond Twilight, ex-Ark) verstärkt hatten, zogen eine Menge Volk vor die Mainstage, was aufgrund des megaerfolgreichen, saustarken Debütalbums auch nicht weiter verwunderlich war. Klar, Überraschungen durfte man nicht erwarten bei nur einer Platte - da schrieb sich die Setlist von selbst. Dennoch lieferte die deutsch-norwegische Freundschaft einen denkwürdigen Gig ab, bei dem neben den Highlights des erwähnten Krachers "Masterplan" (besonders geil die beiden Midtempohymnen "Soulburn" und "Crystal Night") auch ein Medley aus Helloween- und Ark-Songs zum Zuge kam. Lande, der auf der vergangenen Tour noch ein wenig unbeholfen gewirkt haben soll, präsentierte sich als formidabler, souveräner Frontmann, wobei lediglich seine manchmal etwas übertriebenen Mitsingspielchen etwas störend wirkten. Ansonsten wusste vor allem Basser Jan S. Eckert (Iron Savior) mit Dauergrinsen und Fischgrätenbass zu gefallen. Ich bin sehr gespannt, was wir von dieser neuen, hoffnungsvollen Gruppe noch hören werden. Wenn es ihnen gelingt, die Spitzenleistung ihres Debüts zu wiederholen, dann muss sich die deutsche Spitze um Blind Guardian, Gamma Ray, Running Wild und Helloween ganz schön was einfallen lassen, um den Gipfelstürmern aus Hamburg Paroli zu bieten.
Und weiter ging's im Sauseschritt mit der nächsten internationalen Band. Rage, bestehend aus einem Weißrussen, einem Deutschen und einem US-Amerikaner, baten zum Tanz und genau wie auf dem Blind Guardian Open Air ging es mit "Don't Fear The Winter" gleich mächtig in die Vollen. Auch sonst glich die Setlist erwähnten Event, bis auf die für mich sehr erfreuliche Tatsache, dass das ansonsten ausufernde, obligatorische Schlagzeugsolo von Mike Terrana zugunsten eines neuen Songs "War Of The Worlds", welcher weder abfiel noch besonders mitriss, auf erträgliche fünf Minuten reduziert wurde. Der Hammersong "From The Cradle To The Grave" bildete dann mit dem frenetisch gefeierten "Higher Than The Sky" den Abschluss eines gewohnt starken Rage-Gigs.
Obwohl mir sehr wohl bekannt ist, dass die Finnen Stratovarius eine außergewöhnlich starke Liveband sind (immerhin spielten sie auf ihrer Supporttour für Rage anno 1996 den Headliner locker an die Wand - Anm. rls), hätte ich nie für möglich gehalten, dass sie mich noch mal derartig aus den Socken hauen. Ich hatte mit einer leicht gekürzten Setlist der letzten Welttournee gerechnet (die auch schon einige Überraschungen bereit gehalten hatte, ich verweise auf Georgs Bericht aus Langen, ich selbst war in Nürnberg), aber weit gefehlt. Los ging's mit dem "Visions"-Brecher "The Kiss Of Judas" gefolgt von Timo Kotipeltos Ansage, dass bei einem Metalfestival wie diesem nur die schnellen und harten Songs Platz hätten, was auch postwendend von "Legions", einem weiteren Track des besagten Killeralbums, eindrucksvoll unterstrichen wurde. Scheinbar ist die Band mit den neueren Sachen der letzten drei Studioalben doch nicht so zufrieden, wie Mastermind Timo Tolkki in Interviews immer wieder angibt, denn von diesen fanden mit "Hunting High And Low" und "Soul Of A Vagabond" (mit Wahnsinnspyros - Gänsehaut) nur ganze zwei Songs neueren Datums ihren Weg in die ansonsten ausschließlich mit echten Klassikern gespickte Setlist. Und diese enthielt neben den obligatorischen "Speed Of Light", "Paradise" und "Black Diamond" auch fast schon vergessen geglaubte Perlen wie "Twilight Symphony", "Forever Free" oder dem wohl besten Longtrack der Finnen (+ einem Deutschen + einem Schweden, is klar) "Visions", womit ich nun wirklich nicht gerechnet hätte. (Auf ihrer nächsten Tour dürfen sie dann auch noch "The Hills Have Eyes", "Out Of The Shadows" und "Lead Us Into The Light" ausgraben - Anm. rls) Die Band präsentierte sich in bestechender Form und bei Sangesgott Kotipelto, welcher sich an gleicher Stelle 2 Jahre zuvor die Hand an einer Pyro übel verkohlt hatte, war von Unsicherheit nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil, so souverän, sowohl in Stimme und Entertainment habe ich den Guten bisher noch nie erlebt. Und das vor geschätzten 30000 Fans. Respekt! Und über die Qualität seiner Mitstreiter Worte zu verlieren, hieße wohl auch, nachtaktive Federtiere in die hellenische Hauptstadt zu importieren. Für mich ganz klar die beste und auch enthusiastischste Band des gesamten Festivals!
Nun konnte eigentlich nichts mehr kommen! Da konnten auch Sinner nichts daran rütteln, welche außerdem das Pech hatten, als Quasi-Anheizer für den nachfolgenden Headliner Slayer zu fungieren. Trotzdem lösten Mat Sinner und seine Jungs mit geballter Teutonenpower und sehr viel Erfahrung ihre schwierige Aufgabe souverän und verwandelten die Partystage in ein Tollhaus. Ganz mein Fall sind die Songs der deutschen Metalinstitution zwar nicht, da sie, ähnlich wie Primal Fear (mit denen Sinner ja personell fast identisch sind) viel zu wenig auf Abwechslung achten (schön milde ausgedrückt - Anm. rls), aber sei's drum. Mal ordentlich abschädeln hat auch noch niemandem geschadet und mit dem gelungenen Billy Idol-Cover "Rebel Yell" verabschiedete man sich dann auch mehr als ordentlich.
Da ich mir unbedingt noch Sonata Arctica anschauen wollte, war es jetzt endlich Zeit für ein kleines Schläfchen. Dass ich dafür Slayer zu 80 Prozent verpasste, machte mir nichts aus, da ich erstens textlich und zweitens auch musikalisch mit den Amis nun so rein gar nichts anfangen kann. Weil es sich aber nicht gehört, ein großes Festival ohne den Headliner zu besprechen, darf nun noch mal Meister Thomas B. ran:
Nach Sinner und Nile, denen ich jeweils ein Ohr und ein Auge widmete, sollte nun der absolute Hammerknüller - Headliner des WOA 2003 auf der Bühne erscheinen. Es fanden sich somit über 45000 außer Rand und Band geratene Fans vor der True Metal Stage ein und es gab kein Vor und Zurück mehr. Und nun nach einer Viertelstunde Wartezeit (sehr ungewöhnlich in Wacken) traten die Götter des Thrashs auf die Bühne. Und schon ging es los mit dem Intro der nicht mehr so neuen Scheibe "God Hates Us All" und dem darauffolgenden "Disciples" - sofern man etwas hören konnte. Für eine Band namens Slayer (!) gehört es sich eigentlich auch wie einer einzusteigen, doch einen so ruhigen Totschläger habe ich noch nie gesehen. "Das soll Slayer sein?" fragten sich nicht nur wir, was an den nun um mein Ohr schwebenden Schreien "Louder, Louder" leicht zu erkennen war. Nach nun weiteren 2 fast ungehörten Titeln (übrigens auch unangesagt) wurde endlich lauter gedreht, was eine schwedische Gruppe neben uns anscheinend sichtlich erheitern konnte. Sicher, Slayer spielte in höchster Qualität und musikalischer Perfektion ihr gesamtes "Reign in Blood"-Album herunter, keine Frage, Kerry King, Tom Araya, Jeff Hanneman und Dave Lombardo produzierten Thrash vom Feinsten, doch auf einem Festival vor vielen ihrer größten Anhänger kein einziges Wort rauszubekommen finde ich, entschuldigt, unterirdisch. Ohne eine Begrüßung, ohne Ansage noch einem einzigen Goodbye, geschweige denn einer Zugabe auf- bzw. abzutreten, kann sich meiner Meinung nach nicht einmal Slayer leisten, denn die Fans haben es nicht verdient so arrogant behandelt zu werden! Außerdem fehlte auf der sonst einwandfreien Setlist das bombastische "Seasons In The Abyss", was meine Meinung über Slayer an diesem Abend noch ein wenig drückte. Somit verschwanden die Amis dann auch wieder schnell von der Bühne und hatten eine Menge geteilter Meinungen zurückgelassen. Im Großen und Ganzen ein unterdurchschnittlicher Auftritt. Ich kann nur sagen: "Schwach, Slayer!". Tip: Schaut euch lieber die "War At The Warfield"-DVD an! Die ist um Längen besser!
Zur Erholung gönnte ich mir erst mal ein Bier, worauf ich allerdings lange warten musste, da ich wohl nicht als Einziger ein solches Bedürfnis besaß. Doch was für Klänge erreichten da mein schon recht in Mitleidenschaft gezogenes Metallerohr, ja, Vader hatten schon begonnen und Doc, der Drummer, war nicht zu überhören, welcher jeden Titel mit einer unwahrscheinlichen Präzision und Kraft und einem selten gehörten Druck versah, sodass Vader von mir mehr Zuneigung bekamen als Slayer und diesen Abend doch noch gut abschließen konnten.
Danach ging es noch schnell zu Onkel Tom, der mit seinen sehr einfallsreichen Texten das Bier über alles stellte. Mit nicht wenigen Patzern im Gesang, wie zum Beispiel: Strophe vergessen; sing ich halt die erste noch mal und noch mal, wird ja keiner merken, gab es diesmal auch amüsante Gitarrenklänge vom nicht mehr ganz standfesten Gitarristen zu hören! Auch der Drummer setzte ab und zu später ein und somit kam sehr laute Chaosmucke an mein ohnehin schon zu sehr strapaziertes Ohr. Dies wollte ich mir nun nicht mehr länger antun und begab mich somit auf den Zeltplatz und konnte trotz "nettem" Blackmetal aus dem Nebenzelt doch recht schnell einschlafen.

Halt, noch nicht so schnell, denn während sich Thomas noch bei Vader rumtrieb und sich zubolzen ließ, wurde auf der Party Stage zum letzten Gefecht geblasen. Zunächst war es wirklich ein Kampf, denn wenn man sich rechts der Bühne postierte, machten sich die Soundüberschneidungen mit der Black Stage sehr unangenehm bemerkbar. Orientierte man sich allerdings etwas weiter nach links, so hatte man das Vergnügen, sich mit den Ausdünstungen von 3 Tage Metallerpisse auseinander zusetzen, denn da hatte man klugerweise einen Haufen Pinkelrinnen an die Zäune befestigt. Hui, noch mal tief durchatmen und durch. Denn das war es mir wert! Sonata Arctica konnten trotz ausgepowerter Fanscharen und einer Spielzeit weit nach Mitternacht die vielleicht besten Publikumsreaktionen vor der kleinen Bühne ernten, und dies auch zu Recht! Technisch höchst anspruchsvoll, mit vierstimmigen Satzgesängen veredelter Melodic-Speed mit Ohrwurmgarantie, so hatte ich mir den Ausklang des größten Metalfestivals Europas gewünscht. Und mit Sänger Tony Kakko hat man außerdem einen absoluten Topmann in den Reihen, der auch den anspruchsvollsten, in kaum erreichbaren Höhen gelegenen Tonlagen vollends gerecht wurde, nicht eine winzige Schwäche zeigte und die Fans außerdem mit seinen erfrischenden Ansagen bestens unterhielt. Auch der Neuzugang an den Keys, Henrik Klingenberg, präsentierte sich als außerordentlich belebendes Element, hatte er seine Tasten doch einfach umgeschnallt und poste daraufhin mit den Saitenakrobaten um die Wette. Auch die Setlist ließ kaum Wünsche offen. Neben den Highlights des neuen Albums, welche live viel besser als auf Platte rüberkamen, gab's vor allem viel Stoff vom Debüt. Besonders der Brecher "8th Commandment" und die klasse Halbballade "Replica" rissen die müden Massen noch einmal mit. Nach "The Cage", dem wohl stärksten Song der aktuellen Langrille "Winterheart's Guild" war dann das Festival für mich beendet. Wer Lust hatte, durfte sich noch die höchst anspruchsvollen lyrischen Ergüsse von Obersuffi Onkel Tom (siehe oben) antun, ich jedoch freute mich einfach nur noch auf mein Bett. Gute Nacht!






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