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HAARUS LONGUS SATANAS?
von rls

Jaaah! Viele haben's schon lange gewußt, und jetzt müssen wir's offiziell zugeben: Mindestens 50% der CrossOver-Redaktion sind gefährliche Satanisten, treffen sich jeden Montag zu einer schwarzen Messe, opfern Satan schwarze Katzen, schänden unschuldige Mädchen und trinken Jungfrauenblut. Im Hintergrund läuft dazu destruktive Rock-, Rap- und Heavy Metal-Musik, und wir stehen jedesmal vor einem kollektiven Suizid, schaffen es aber meistens noch, "nur" unseren jeweiligen Aufenthaltsort zu verwüsten und ein paar Molotowcocktails in die umstehenden Häuser zu werfen ...
Spaß beiseite: Das Thema "Rockmusik und Satanismus" ist eigentlich viel zu ernst und vor allem keinesfalls so unwichtig, daß man lediglich mit einem Grinsen darüber hinwegsehen könnte. Immerhin waren in einer RTL-Telefonumfrage aus dem Jahre 1993 30% der Anrufer FÜR die These "Rockmusik ist Teufelswerk", und unter diesen 30% befindet sich leider eine ganze Anzahl von bekannten Multiplikatoren, d.h. Leuten, die die Gelegenheit haben, ihre Thesen zu verbreiten und somit ein Massenpublikum zu beeinflussen, welches ihnen auch bereitwillig zuhört. Im folgenden soll an drei ausgewählten Beispielen gezeigt werden, wer mit welchen Argumenten in den heiligen Krieg gegen die Rockmusik zieht.

Die o.g. Telefonumfrage fand am 18.05.1993 im Rahmen einer Folge des "Heißen Stuhl" statt. (Zu dieser Zeit konnte man Talkshows im Fernsehen noch eine gewisse Glaubwürdigkeit attestieren, was die Frage angeht, ob die Talkgäste die vertretenen Positionen auch tatsächlich in ihrem Leben praktizieren - mittlerweile sind das ja alles nur noch Fakes.) Auf selbigem saß Dr. Ottfried Windecker, der die These "Rockmusik ist Teufelswerk" gegen fünf Fachkräfte, u.a. Ole Seelenmeyer vom Rockmusikerverband und Kreator-Frontmann Mille Petrozza, verteidigte. Dr.W. schaffte es ganz hervorragend, sämtliche Fragen ausweichend (und vom Kern der Frage ablenkend) zu beantworten. Er wechselte das Thema, wie und wann es ihm gefiel, und widersprach sich dauernd selbst. Beispielsweise hob er seinen christlichen Glauben hervor, verteufelte indes die christliche Bandszene, da ja die Texte angeblich nur sekundär wichtig und außerdem nicht ein echtes Produkt des Herzens wären. Zwar gibt es tatsächlich Bands, die sich nur um der Promotion willen ein christliches Image verpassen, aber das sind absolute Einzelfälle, und es ist stark zu bezweifeln, daß ein außerhalb der Szene Stehender diese kennt. Als Präzedenzfall für solche Bands werden von verschiedenen Seiten indes immer wieder die nicht gerade unbekannten Stryper ins Feld geführt, was m.E. aber unhaltbar ist. Selbst wenn man bedenkt, daß die Jungs zwischenzeitlich keine explizit christlich orientierte Musik mehr machten (oder gar keine mehr) und das "Soldiers Under Command"-Plattencover wirklich nur bei Kenntnis des american way of life logisch interpretierbar ist, bleiben die Platten bis einschließlich "In God We Trust" gespickt mit christlichen Botschaften, an denen ich nichts Unehrliches finden kann.
Was ihn speziell an der Rockmusik stört, hat Dr.W. während der ganzen Sendung nicht gesagt. Er bemerkte zwar, daß er primär etwas an der Musik, sekundär etwas an den Texten auszusetzen hätte, enthielt uns allerdings vor, was denn nun eigentlich konkret sein Mißfallen erregte. Der Verdacht liegt nahe, daß Dr.W. gar keine konkreten Angriffspunkte gefunden hat - wie auch? Er gab selbst zu, noch nie auf einem Rockkonzert gewesen zu sein, außerdem höre sich auch in seiner Familie niemand Rockmusik an. Wie kann er dann aber gegen etwas wettern, von dem er nicht die geringste Ahnung hat???
Zur Abschreckung seien noch einige Thesen des Dr. W. angeführt: Songs wie "All You Need Is Love" ermutigen den Hörer zur freien Liebe - egal wann, wo und mit wem (Live to fuck oder so ähnlich ...). Des weiteren sind Rockfans nach einiger Zeit geistig beschränkt und praktisch nicht mehr zum Denken fähig (Was zum Henker treiben dann Kohorten von Metallern an Gymnasien, Hochschulen und Universitäten?). Schließlich bauen die bösen Musiker auch noch Tonkombinationen in ihre Songs ein, die negative Botschaften transportieren (ein ADEA-Gitarrenriff ist also satanisch, ein ADEA-Thema einer Bach-Fuge aber offenbar nicht ...), und frönen dem Backward Masking (Einbau rückwärts gesungener Textteile, die böse Botschaften ins Unterbewußtsein einschleusen), einer Technik, deren Wirksamkeit von führenden Psychologen schon vor Jahren widerlegt worden ist.
Übrigens spielte man Dr.W. ein Stück von Christian Anders vor, atmosphärisch ruhig, nur von einer Akustikklampfe und einer exotischen Art von Holzblasinstrument begleitet. Es war ihm zu schrill. Das legt den Verdacht nahe, daß hier einer einfach einen Feldzug gegen eine Art von Musik, die ihm stilistisch nicht gefällt, beginnen wollte. Zum Glück macht das nicht jeder so, sonst gäbe es bei mir zu Hause einen Verein gegen klassische Musik (mein Bruder), eine Bewegung gegen rhythmisches Wumm-Wumm (meine Mutter) sowie eine Organisation für die Ausrottung des Drumcomputers (von mir) ...

Nur unwesentlich besser als Dr.W. ist John Rockwell (heißt der wirklich so, oder ist das ein Pseudonym?). Dessen Buch "Trommelfeuer" (Verlag Schulte & Gerth 1993) stellt eine der besten Satiren überhaupt dar, ist aber leider hundertprozentig ernst gemeint und hat seit Anfang der 80er Jahre eine zweistellige Anzahl von Neuauflagen erfahren. So behauptet R., das Durchschnittsalter der Rockmusikhörer liege bei 6 (in Worten: sechs) Jahren (S. 18). John Lennon fällt auf S. 22 noch unter die Protagonisten der Lyrik über "... Sexualität, Anarchie, Gewalt, Okkultismus und Tod ...", macht auf S. 33 aber plötzlich "... Rock'n'Roll, der die Seele besänftigt" - allerdings nicht lange, denn auf S. 109 ist er wieder Nihilist und Nietzsche-Schüler. Klasse! Und in diesem Stil geht's weiter: "Und es ist nicht die Musik, es sind nicht die lauten Gitarren ... die eine Gehirnwäsche verursachen." (S. 26) - auf S. 31/32 wird genau das Gegenteil "bewiesen". Das Ganze steigert sich zu folgender Verallgemeinerung: "Kinder und Heranwachsende akzeptieren und praktizieren immer mehr Homo-, Bi- und Gruppensexualität, Sado- und Masochismus, Sex mit Tieren, Sex mit Toten, Sex und Gewalt, Vergewaltigungen, Brutalität und Tod." Revolten und Hexerei werden später noch genannt. Urteil: Statistiken nicht schlecht ausgewertet, Herr R., aber ob das nun in jedem Fall an der bösen Rockmusik liegt, wie parallel dazu behauptet wird?
Diverse Übersetzungsfehler in den Songtexten ab S. 44 sind natürlich nicht dem Autor, sondern dem Übersetzer zuzuschreiben. Aber R. kennt sich auch nicht so gut in der Szene aus: Venom, deren Satanismus übrigens pure Marketingstrategie war, debütierten mit "Welcome To Hell" schon im Jahre 1980, "Don't Fear The Reaper" (Kultübersetzung: "Fürchte nicht den Mäher") stammt nicht von Black Sabbath, "Born To Be Wild" nicht von Blue Öyster Cult, Carcass spielten keine Gothic Music, und bei AC/DC trägt keinesfalls der Leadsänger die Highschooluniform auf der Bühne, wie auf S. 119 behauptet, sondern Klampfer Angus. Aber es wird noch besser: "Keith Richard beobachtete, daß die Lieder der Stones oft ganz spontan entstanden ..." (S. 70), was nach R. nur mittels satanischer Inspiration gehen konnte. Zwei Seiten weiter riß man den Iron Maiden-Text zu "Moonchild" vollkommen aus dem Zusammenhang des Konzeptalbums "Seventh Son ...".
An Backward-Masking glaubt R. auch (S. 83), und auf S. 95/96 weist er anhand der Ballade vom "Zauberlehrling" nach, daß Goethe Satanist war. Den Backcovertext auf Jethro Tulls "Aqualung" mißinterpretiert R. völlig - es ist bekannt, daß Amis mit britischem schwarzem Humor oft nix anfangen können -, und wir nähern uns dem Höhepunkt des Buches: "Kein Wunder, daß ihr Lied 'We Are The Champions' [gemeint sind natürlich Queen - rls] als Hymne der Befreiung zur Homosexualität verstanden und aufgegriffen wurde." (S. 114), und kurz danach: "Wenn es für heterosexuell veranlagte Heranwachsende schwierig ist, sich ständig mit diesen Belästigungen in den Medien durch Homosexuelle zu befassen, warum lassen wir unsere Kinder dann immer wieder solche Lieder hören?" (S. 115) - hier erübrigt sich wohl jeder Kommentar. Für alle, denen das noch nicht reicht, gibt's noch ein Schmankerl zum Schluß (S. 137): "Wozu sind Kriege da?" sei auch blasphemisch - dabei stellt Udo Lindenberg doch lediglich fest, daß es Kriege mit religiösen Hintergründen gibt.
Fazit: Ein Buch, das eigentlich wegen Volksverdummung indiziert werden sollte ...

Etwas anspruchsvoller gehen Bob und Gretchen Passantino in ihrem Buch "Auf Teufel komm raus?" (ebenfalls Schulte & Gerth, 1992) zu Werke. Die allgemeine Darstellung des modernen Satanismus und Hexentums ist ziemlich genau - jedenfalls aus dem 1997er Blickwinkel eines diesem Sektor nicht Angehörenden wie mir betrachtet - und passabel recherchiert. Kaum geht's aber um das Thema Heavy Metal, kommen die Scheuklappen zum Vorschein, und die Recherchegenauigkeit läßt sofort zu wünschen übrig. Es geht schon auf S. 10 los, wo Poison in einer Liste gewalttätiger, satanistischer Bands auftauchen - die sind aber allenfalls etwas sexistisch angehaucht (daß die Passantinos eine ziemlich knüppelhart musizierende deutsche Undergroundband, die sich noch in den Achtzigern in R.U.Dead? umbenannte, gemeint haben könnten, wage ich mal stark zu bezweifeln). Was wir alle noch nicht wußten, steht auf S. 117: "Der ganze Zweck der Metal-Musik ist die Freude an der Zerstörung. Bands und Fans sind gleichermaßen darauf aus, voneinander zu nehmen, was sie kriegen können - fast immer gehören Sex und Drogen dazu, oft im okkulten Rahmen." Und: "'Head banging' ist eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Metal-Musik-Fans. ... Die Fans stoßen immer wieder mit dem Kopf gegen Wand, Boden, Bühne, oder Tür, während sie ihrer Lieblingsband zuhören." Kenne ich nur die falschen Leute, oder wie???
Diverse fachliche Fehler haben sich natürlich auch bei den Passantinos eingeschlichen: Ozzy Osbourne macht keinen "Trash Metal" und auch keine okkulten Texte ("Mr. Crowley" entpuppt sich beim Lesen nämlich als differenzierender bis gar Anti-Crowley-Text ...), die Band Field of the Nephalam gibt's nicht (lediglich Fields Of The Nephilim), Here comes Trouble auch nicht (allenfalls Trouble, die nebenbei bemerkt diverse christliche Einflüsse verarbeiteten), und N.W.A. ist 'ne Rap-Band. Zählen können die beiden auch nicht: "Die Texte der meisten Metal-Stücke sind geschmacklos, schockierend und offen gewaltverherrlichend. Lieblingsthemen sind ... [es folgt eine Liste mit 21 Themen von Bisexualität über Grabschändung bis Folter - rls]." Die wahren Relationen verhalten sich doch etwas anders. Passend dazu heißt es über Sepultura (S. 127): "Ihre jetzigen Texte geben die gleiche Dekadenz wider, die im heutigen Satanismus herrscht." Es handelt sich in Wahrheit um Schilderungen der Realität in Brasilien, und die kann verdammt hart sein.
Die üblichen Widersprüche finden sich schließlich auch bei den Passantinos: Auf S. 129 glauben sie noch an Backward Masking, stellen indes auf S. 202 fest: "Genaue Untersuchungen wurden bei unterschwelligen Botschaften durchgeführt; es zeigte sich keine Wirkung."
Dies sind nur drei von zahlreichen Beispielen, welche Kombinationen der Gedanken "Rockmusik" und "Satanismus" auftreten. In den Folgeteilen von "Haarus Longus Satanas?" werden noch einige weitere ans Tageslicht kommen.

Eigentlich hatte ich überlegt, den zweiten Teil (der hier kurzerhand angefügt wird, da die ersten beiden Teile zusammen ursprünglich als abgeschlossen konzipiert waren) mit "Haarus Kurzus Satanas?" zu überschreiben. Bemerkte doch am 20. Juni 1997 auf dem Nordplatz in Leipzig ein Pfarrer namens Forgothisname nach dem Headcase-Gig, daß das doch bitteschön dämonische Musik gewesen sei und folglich nichts auf einer Kirchentagsveranstaltung zu suchen habe. Nun gut, solche Leute bringen dann wenigstens etwas Erheiterung in den tristen Alltag ...
Aber nun Butter bei die Fische: Ich möchte euch auf einen kleinen Streifzug durch die dunkle Ecke der Rockmusik mitnehmen, bei dem wir mal etwas genauer beleuchten wollen, wer dort wirklich hingehört und wen man warum nur dorthin gesteckt hat. Zunächst müssen wir aber noch eine kleine Begriffsdefinition anbringen: Heavy Metal - gleich welchem musikalischen Untergenre angehörig - mit christlichen Texten wird mitunter auch als White Metal bezeichnet. Für die gewaltige Masse an Bands, die sich in keiner Richtung religiös äußern, gibt es keinen zusammenfassenden Begriff. Alle Bands, die okkulte oder satanistische Texte schreiben, werden schließlich - ebenfalls unabhängig vom musikalischen Schaffen - gern in die Schublade Black Metal gepackt. Hiervon scharf zu trennen ist der ebenfalls oft gebrauchte Begriff black music, hinter welchem sich sämtliche hauptsächlich der schwarzen Bevölkerung entstammenden Musikstile wie Soul oder Hip Hop verbergen. Das weite Feld der Rockmusik, obwohl ebenfalls mit schwarzen Wurzeln, fällt in der Regel nicht unter diesen Begriff.
Also noch einmal: Einziges Kriterium, ob eine Band Black Metal macht oder nicht, ist eigentlich ihre textliche Ausrichtung. Konsequenterweise müßte man also die Scorpions, wenn diese ihr nächstes Album komplett mit okkulten Texten versehen würden, als Black Metal-Band einordnen, und die Diskussion müßte eher darum gehen, ob denn das im musikalischen Sinne überhaupt noch Heavy Metal sei oder schon nicht mehr ... Da sich mit diesem Gedanken aber niemand so richtig anfreunden kann, gibt es in den Fachzeitschriften häufig auch eine musikalische Abgrenzung des Black Metal, ausgehend von der Tatsache, daß speziell einige skandinavische Black Metal-Urgesteine einen recht ähnlichen Sound haben. Diesen bezeichne ich im folgenden als Norweger-Sound, da er Anfang/Mitte der 90er Jahre hauptsächlich von norwegischen Bands zelebriert wurde (seine Stammväter Venom und Bathory stammten allerdings aus England respektive Schweden). Alles, was also diesem Norwegersound ähnelt, wird gern in die Schublade Black Metal geworfen. Ein weiteres wichtiges Kriterium für die musikalische Abgrenzung ist der Gesang, der beim Norwegersound sich in heiserem Kreischen äußert. Folglich wird alles, was Kreischgesang aufweist, in der Fachpresse ebenfalls als Black Metal tituliert, und die Bezeichnung "Black Metal-Gesang" für diesen Stil hat sich eingebürgert. Würde man das allerdings wieder konsequent ausreizen, käme es wieder zu diversen Lustigkeiten: Angenommen, Deutschlands Vorzeigerocker Heino würde seine nächste Platte komplett mit Kreischgesang versehen, müßte das ja dann "Volksmusik mit Black Metal-Gesang" heißen ... (Wer jetzt meint, musikalisch lägen doch zwischen Heino und Black Metal Welten, der irrt: Die Kombination aus Kreischgesang und folkigen Elementen ist im Untergrund seit längerem ein ganz großes Ding.) Ihr seht also, selbst die Fachpresse tut sich mit der Abgrenzung schwer (selbst innerhalb eines Heftes sind sich die Schreiberlinge selten einig), und daher halte ich es in diesem Rahmen für das Beste, Black Metal weiterhin nur nach den textlichen Kriterien abzusondern und auf eventuelle Soundaffinitäten mit den Herren Norwegern gesondert hinzuweisen.

Nachdem wir jetzt also wissen, wovon wir eigentlich sprechen, nehmen wir uns den Pulk der Bands, die in der schwarzen Ecke rumlungern oder dahin gesteckt werden, mal etwas genauer vor. Die Analyse ist eigentlich recht einfach nachzuvollziehen, und wir wollen unterwegs auch ein paar kleine Merksätze aufstellen.

1. Nicht alles, was einen plakativ-düsteren Namen trägt, gehört auch in die Black Metal-Ecke.
Die britische Heavy Metal-Legende Judas Priest wäre so ein Fall. Trotz ihres scheinbar okkulten Namens machen sie keine entsprechenden Texte. Ein noch krasseres Beispiel sind Satan, die sich Ende der 70er Jahre, damals noch als Schülerband, diesen im satanischen Sinne eigentlich unübertrefflichen Namen zulegten, was man ihnen in ihrem Alter sicherlich nachsehen kann. Textlich absolut nicht okkult orientiert, mußten sie in den 80ern auf Druck ihrer Plattenfirmen ihren Namen in Blind Fury und, nach einer reumütigen Rückbenennung, schließlich in Pariah ändern. Pariah verschwanden kurze Zeit später auf dem Bandfriedhof und verließen diesen lediglich 1997 für eine Eigenproduktion wieder, was die Richtigkeit von Kerstin Brauns These, eine schon etwas bekanntere Band solle mit Namensänderungen äußerst vorsichtig sein, nachdrücklich unterstreicht.

2. Nicht alle Musiker, die ein umgedrehtes Kreuz oder ein Pentagramm umhängen haben, spielen auch wirklich Black Metal.
Ein analoges Phänomen ist eigentlich weitreichend bekannt: Nicht jeder, der am Hals ein Goldkettchen mit einem Kreuz trägt, ist auch wirklich Christ. Die Scheuklappen gehen aber sofort hoch, wenn jemand mit einem umgedrehten Kreuz rumläuft oder ein solches auf Plattencovern abbildet. Daß auch dieses Symbol lediglich Schmuckcharakter haben kann, fällt in dieser Situation kaum einem ein - und doch ist es oft der Fall.

3. Nicht alles, was Norwegersound spielt, gehört in die Black Metal-Schublade.
Extremstes Gegenbeispiel ist die australische Einmannband Horde, die 1995 bei Nuclear Blast eine CD namens "Hellig Usvart" (das ist norwegisch und heißt wörtlich übersetzt "heilig unschwarz") herausbrachte. Von der Musik her typischster Norwegersound, gibt es hier christliche Texte zu hören! Die Band gehört folglich zur White Metal-Ecke und nur bei musikalischer Definition in den Black Metal.

4. Nicht alle Bands, von denen behauptet wird, sie würden Black Metal spielen, tun dies wirklich.
Klassisches Beispiel sind die Norweger Enslaved, von denen es lange Zeit immer wieder hieß, sie würden dem sogenannten "Inner Circle" angehören. Der Inner Circle war eine lose Gruppe norwegischer Black Metaller, die ziemlich gewalttätig waren, mehrere Holzkirchen anzündeten, einige Morde begingen und insgesamt arg faschistoide Ansichten vertraten. Die Führer dieser Gruppe sind mittlerweile tot oder sitzen für längere Zeit hinter Gittern. Das Gerücht, auch Enslaved hätten dem Inner Circle angehört, hielt sich auch nach Dementis der Band noch ziemlich lange und beruht wahrscheinlich auf der Tatsache, daß sich Enslaved und Emperor (letztgenannte gehörten z.T. wirklich zum Inner Circle) ziemlich nahe stehen (der langjährige Enslaved-Drummer Trym Thompson knüppelte später für Emperor). Außerdem spielen auch Enslaved ziemlich typischen Norwegersound, in ihren Texten geht es aber um alte Wikingerstories, die zudem noch in Isländisch vorgetragen werden (was jedem, der der Band irgendwas anhängen will, natürlich sehr zupaß kommt, denn welcher Durchschnittsmitteleuropäer kann das schon nachprüfen?) Enslaved sind also nach der hier vertretenen Definition keine Black Metal-Band. Probleme treten allerdings bei einer Reihe anderer "Viking Metal"-Bands auf, deren Texte oft auf alten skandinavischen Mythen beruhen, wo die Einordnung oftmals sehr schwer fällt. Analogie: Vertont eine Band alte deutsche Sagen, so sind viele Texte arg okkult angehaucht. Ob man solche Truppen nun ins Black Metal-Fach steckt oder nicht, bleibt dann meistens am Rezensenten respektive Hörer selbst hängen, wobei unterschiedliche Standpunkte durchaus möglich sind.

5. Nicht alle Bands, die vorgeben, Satanisten zu sein, sind auch welche.
Die britischen Black Metal-Urväter Venom sind das beste Beispiel für eine Band, deren Satanismus pure Marketingstrategie war. Die ersten drei Platten, die Anfang der 80er herauskamen, enthielten tatsächlich okkult erscheinende Texte, und die Band betonte in Interviews immer wieder gern, wie furchtbar böse sie doch sei. Dies wurde auch von fast allen Leuten damals geglaubt, ein paar gewitzte Presseleute und diverse ernsthafte Düsterkundler wie die Musiker von Witchfynde hatten den Vorhang allerdings schnell durchschaut. Die große Masse merkte indes erst, als die Musiker die Legende selbst lüfteten, daß sie jahrelang an der Nase herumgeführt worden war - und fiel kurze Zeit später auf einen analogen Gag der Amis Possessed herein. Ultraböse Images waren damals (wie heute) ein nicht unwirksames verkaufsförderndes Instrument, und heute rennen haufenweise solcher Truppen durch die Gegend, deren Musiker mit Satanismus absolut nichts am Hut haben. Sicheres Kennzeichen solcher Formationen ist die Tatsache, daß sie in der Kunde von den düsteren Mächten oftmals wenig bewandert sind und ihre Aussagen leicht widerlegt werden können, wenn man sich ein wenig mit der jeweiligen Materie auskennt. Das Problem ist halt nur, daß viele diese Kenntnisse eben nicht haben (ist auch verständlich) und so Imagetruppen und wahre Düsterkundler in einen Topf werfen. Andererseits kann man auch bei weitem nicht jedem empfehlen, sich mit Aleister Crowley zu befassen, ebensowenig wie man jedem Nietzsche als Lektüre ans Herz legen kann ...

6. Das Umgekehrte gibt's natürlich auch: Musiker, die Satanisten sind, dies aber in ihren Texten nicht verarbeiten.
Als Beispiel sei hier der Däne King Diamond angeführt. Dessen Lyrics für seine eine Band namens Mercyful Fate sind zwar nicht selten wirklich okkult, in seiner Soloband schreibt er jedoch lediglich Horrorstories Marke Stephen King, oft sogar noch mit sozialkritischem Hintergrund, wie z.B. auf der CD "The Graveyard" nachzuhören ist.

7. Zu unterscheiden sind jetzt noch Dünnbrettbohrer und wirklich Wissende.
Diese Musiker sind also wirklich Satanisten und bringen dies in ihren Texten auch zum Ausdruck. Die Unterscheidung, wer in der dunklen Lehre nur an der Oberfläche bohrt und wer wirklich bewandert ist, ist dem Laien nahezu unmöglich. Nur eine gewisse Elite, die sich mit diesen Themenkreisen genauer beschäftigt, kann diese Unterschiede erkennen. Allen Dogmatikern, die mir jetzt vorhalten, ich würde mit solchen Äußerungen die Leser quasi ermutigen, sich mit Okkultismus zu befassen, und sie damit auf die schiefe Bahn bringen, halte ich entgegen, daß zwischen Beschäftigung mit solchen Themen und dem Glauben an diese ein himmelweiter Unterschied besteht - und daß auch die Beschäftigung damit nicht jedermanns Sache sein sollte, habe ich weiter oben schon betont.

8. Aus all diesen Gruppen sind jetzt noch die mit faschistoiden Ansichten auszusondern.
Da gibt's leider auch ein paar Dogmatiker, die ihre Parolen aber meist leicht erkennbar unters Volk schleudern, so daß diese Absonderung nicht sonderlich schwer fallen sollte. Besonders in Norwegen, Polen und auch Deutschland rennen da ein paar "arische" Herrenrassen-Spinner herum. Bandnamen zu nennen spare ich mir, um nicht noch unfreiwillig Werbung für sowas zu machen. Solche Truppen sollte man bei aller Toleranz nun wirklich meiden. (Da aber drei Jahre, nachdem dies ursprünglich geschrieben wurde, eine Auseinandersetzung mit diesen Bestrebungen doch notwendig erschien, habe ich mich doch zu einer Abhandlung diesbezüglich entschlossen. Diese gibt's als "Haarus Longus Satanas? - Teil 9, 10 und 11.)

Damit sind wir am Ende unserer kleinen Reise durch Dunkelmetallistan angelangt. Wenn euch also demnächst mal wieder die Frage peinigt, ob eine bestimmte Band denn Black Metal spielt, dann prüft sie anhand obiger Merksätze mal durch. Die Entscheidung, ob ihr euch sowas anhört, kann ich euch aber nicht abnehmen. Meiner Meinung nach ist "richtiger" Black Metal Musik für einen kleinen Haufen Spezialisten, die sich im Satanismus auskennen, unabhängig davon, ob sie daran glauben oder nicht. Auch Leute, die in der Lage sind, Musik und Texte unabhängig voneinander zu betrachten (Matthias Herr und meinereiner sind z.B. solche), gehören zu diesem Haufen. Der großen Masse (insbesondere Jugendlichen, die ja immer gerne nachplappern, was ihre "Stars" raushauen) ist jedoch zu empfehlen, diesen Bereich zu meiden.
 

Hier geht's zu "Haarus Longus Satanas? - Teil 3".



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