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von rls

KREATOR: Endorama   (Drakkar)

Die letzte Kreator-Scheibe, die ich in meinem Tonträgerschrank stehen hatte, ist die 1995er "Cause For Conflict", ein ziemlich herber Thrash-Hammer, der in eine völlig andere, roots-orientiertere Richtung wies als der Vorgänger "Renewal". "Phobia", das ich als Appetizer für den 97er "Outcast"-Longplayer vorgesetzt bekam, erwies sich als nicht interessant genug, um die Scheibe genauer anzuchecken, zeigte allerdings die Entwicklungsrichtung auf, die auf dem neuen Album "Endorama" konsequent fortgeführt wird. Von Thrash Metal findet sich hier nicht mehr allzuviel, statt dessen dominiert recht gemäßigter, zumeist in mittlerem Tempo dahinziehender Power Metal, der nur gelegentlich mal einen Speedausbruch aufweist und weit melodischer orientiert ist als alles, was man bisher aus dem Hause Kreator vorgesetzt bekam. Irgendwie erinnert mich "Endorama" an Metallicas "Black Album" (das in Gestalt von "And Justice For All" ebenfalls eine Art Ankündigung erfuhr). Analog zu dieser Scheibe ist das typischste Identifikationsmerkmal der Gesang - obwohl die Herren James Hetfield respektive Mille Petrozza hörbar an sich gearbeitet haben und die melodischere Ausrichtung der Musik ihren Widerhall auch in den Vocals findet, bleibt doch noch stets erkennbar, wer da singt. Apropos singen: Im Titelsong ist Tilo Wolff von Lacrimosa zu hören, der es aber dankenswerterweise nicht schafft, diesen Song dadurch zu versauen, daß er ihm seinen Stempel aufdrückt (kann nämlich meiner Meinung nach nicht so gut singen, der Mann, sondern hat 'ne höchst durchschnittliche Stimme), und auf irgendwelches Frauengesäusel im Hintergrund (große Mode momentan) haben Kreator netterweise auch verzichtet. Dafür gibt's das eine oder andere neue Element im Kreator-Sound, z.B. die Elektrosounds in den Strophen von "Passage To Babylon", die bedeutend melodischer ausgefallenen Soli von Tommy Vetterli, einige verzerrte Vocals in "Pandemonium" oder ein paar orchestrale Passagen im düstersten Song der Scheibe, "Everlasting Flame". Überhaupt ist die ganze Scheibe einen Zacken düsterer ausgefallen als das bisherige Kreator-Schaffen, was auch durch das Coverartwork dokumentiert wird. Die Texte sind weniger politisch gehalten als in der Vergangenheit (Mille meint, daß inzwischen eh jeder wisse, wo die Band politisch steht), sondern verarbeiten mehr persönliche Situationen, auch wenn's natürlich nach wie vor den einen oder anderen zynisch-kritischen Text gibt, wie z.B. den obersarkastischen Opener "Golden Age" oder das kapitalismuskritische, auch musikalisch an alte Zeiten erinnernde "Children Of A Lesser God" (bei letztgenanntem muß ich mich mal aufs Rock Hard-Interview stützen, denn der Song ist auf meiner Promo-CD nicht drauf). So weit, so gut. Irgendwas stört mich aber an der Scheibe und sorgt dafür, daß sich nach einer Weile des Anhörens Langeweile bei mir breitmacht. Ich habe es nur noch nicht geschafft, das irgendwie festzumachen und in Worte zu fassen. Als ich das Review vom Kollegen Kai Wilhelm im Eternity las, glaubte ich, es herausgefunden zu haben, diagnostiziert er doch dort eine überhandnehmende Simplizität speziell im rhythmischen, ganz speziell im Drumbereich, die ihn (allerdings auch beim Songwriting) fast an AC/DC erinnern würde, aber bei weitem nicht deren Standard erreiche - nachdem ich beim nächsten Hördurchlauf mal ganz speziell auf diese Diagnostik geachtet habe, kann ich sie zumindest teilweise nicht nachvollziehen, denn Ventor baut immer noch eine Reihe Breaks und Fills ein, wenn auch bei weitem nicht so viele wie sein zwischenzeitlicher Ersatz Joe Cangelosi (in der zweiten Hälfte der Achtziger übrigens bei Whiplash in Lohn und Brot) auf "Cause For Conflict". Daß die Songs prinzipiell simpler angelegt, ja streckenweise gar tanzflächentauglich sind, stimmt indes, und an diese Ausrichtung muß man sich fast in gleichem Maße gewöhnen wie an die Power Metal-Marschrichtung. Damit stehe ich bei der Frage, warum mich "Endorama" öfter mal langweilt, allerdings immer noch wie die berühmte Milchproduzentin vor dem rekonstruierten Hofeingang. Das Eingangsriff von "Pandemonium" ist übrigens geklaut, aber auch hier fällt mir momentan nicht ein, von wem. Ihr seht also, ich bin mal wieder in Erklärungsnöten, und deshalb überlasse ich es euch selbst, euch eine Meinung über "Endorama" zu bilden. Ungehört kaufen sollte man sich die Scheibe nur, wenn man bereits von "Outcast" angetan war, während derjenige, der immer noch auf "Terrible Certainty", Part 15 hofft, sich lieber "Rusted Angel" von Darkane zulegen sollte.
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