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HAARUS LONGUS SATANAS? - Teil 10: ... DIE REIHEN IMMER NOCH FEST GESCHLOSSEN ...
von rls

Extreme Ideologien haben die unangenehme Eigenschaft, sich mit Vorliebe mit ebensolchen zu paaren, gemäß dem volksmundlichen Motto "Gleich und gleich gesellt sich gern". Infolgedessen ist es nicht verwunderlich, daß es gerade im Black Metal-Bereich, der ja über weite Strecken extrem nihilistische bis satanistische Ansichten vertritt (und ziemlich extreme Musik fabriziert), auch reihenweise rechtsextrem orientierte Personen bzw. Bands gibt - jedenfalls vom prozentualen Anteil her mehr als in anderen Szenen (das soll jetzt allerdings nicht so verstanden werden, daß jeder zweite Black Metaller ein Nazi ist). Im folgenden soll ein kleiner Einblick in die Geschehnisse rund um einige angebliche oder tatsächliche sehr weit rechtsaußen stehende Musiker bzw. Bands nicht nur aus dem Blackie-Areal gegeben werden, der ob der Materialfülle allerdings unvollständig bleiben muß, obwohl er in Teil 11 noch fortgesetzt wird.

Absurd aus dem nordthüringischen Sondershausen hatten sich eigentlich schon disqualifiziert, bevor sie es für nötig hielten, rechtsorientiertes Gedankengut von sich zu geben (es sei denn, sie hätten letzteres bereits Anfang der 90er Jahre getan, was zwar durchaus kein Ding der Unmöglichkeit ist - eher im Gegenteil -, aber mir nicht mit Sicherheit bekannt). Die Band erlangte durch den Mord an ihrem Mitschüler Sandro Beyer, der sich dem Dunstkreis um sie nähern wollte, traurige Berühmtheit - und damit Kultstatus in bestimmten Kreisen, der sich durch die mehrjährigen Gefängnisstrafen noch zu einem Märtyrerstatus ausweitete. Mittlerweile sind die Strafen abgesessen (Mitte 1998 war die Entlassung, wenn ich mich recht erinnere), die Band hat sich reformiert (wenngleich aus verschiedenen Gründen nicht in Originalbesetzung), und das Netzwerk rechtsorientierter Black Metal-Bands meist (aber keinesfalls ausschließlich) thüringischer Herkunft, dessen Fäden u.a. bei Ronald "Hellsturm" Möbus, Fanzinemacher und Bruder von Absurd-Mitglied Hendrik Möbus (der später noch wegen anderer Delikte einsaß), zusammenlaufen, brach in Jubel aus. Medien, um ihre Ansichten (also auch das rechte Gedankengut) weiten Kreisen bekanntzugeben, hatten Absurd ja schon seit der Aufklärung des Mordes mehr als genug zur Verfügung gehabt, auch in ihrer Haftzeit, und sie nutzten dies mit der gebotenen Vorsicht, aber doch weidlich aus. Gerüchteweise sollen die reformierten Absurd auch einen Plattenvertrag bei No Colours Records unterschrieben haben, so daß auch in Zukunft die Verbreitung ihrer Ansichten gewährleistet sein dürfte, wenngleich mir bisher keine neueren Veröffentlichungen in die Hände gefallen sind (ich habe aber auch nicht explizit danach gesucht).

Apropos No Colours Records: Die sind sowieso ein ziemlich eigenartiges Völkchen. Zwar haben sie auch völlig unpolitisch orientierte Bands im Labelprogramm, kommen dann allerdings z.B. mit Nargaroth über den Deich geschippert, deren bloßes Vorliegen der CD "Herbstleyd" selbst bei einem Metal-Kenner wie Jan Fischer vom Legacy-Zine zur eindeutigen Einschubladisierung in die Rechtsaußen-Ecke führte, da das Booklet von "... extrem provokanten und ... undifferenzierten Aussagen ..." (zit. nach Legacy Nr. 2, S. 127) durchzogen ist. Erst zwei Telefonate mit Bandkopf Kanwulf versetzten Fischer in die Lage, die Position Nargaroths differenzierter zu betrachten. Nun wird sich nicht jeder Nargaroth-Käufer die Mühe machen, das in analoger Weise zu hinterfragen, und damit bekommen Nargaroth von mir zumindest einen "Bedenklich"-Stempel verpaßt. Ich weiß nicht, ob die Veröffentlichung der angesprochenen Aussagen im Booklet auf einem Intelligenzaussetzer beruht oder schlicht und einfach Marketing sein sollte, aber das ist in diesem Falle eigentlich auch egal.

Eigentlich sollte man annehmen, daß das polnische Volk angesichts der Geschehnisse im Zweiten Weltkrieg seine Lektion in puncto Rassismus etc. gelernt haben sollte, aber einige Bands beweisen immer wieder, daß dem keinesfalls so ist. Speerspitze der polnischen Version einer "Black Metal For White People"-Bewegung sind Graveland, musikalisch von mehreren Seiten als ausgesprochen begabt klassifiziert und daher (leider) auch von vielen geschätzt, die mit rechtem Gedankengut überhaupt nichts am Hut haben. Matthias Herr behauptet (Black Metal Bible Vol. 1, S. 273), die CDs selbst seien "frei von Hetze und Propaganda". Da ich sie nicht besitze, kann ich das nicht nachprüfen, aber ein Songtitel wie "White Hand's Power" erschiene bei Gelegenheit durchaus hinterfragungswürdig. Der extrem militante Satanismus, den Graveland anstelle von Führerliedern von sich geben, dürfte aber auch für sich allein stehend ein Grund sein, sich den Platten nur mit Vorsicht zu nähern. Graveland ihrerseits lassen keine Gelegenheit aus, ihre rechtsorientierten Ansichten in Interviews etc. zu verbreiten, von denen in Deutschland besonders zwei für Wirbel sorgten, zum einen eins mit Bandkopf Rob Darken im Ablaze (hab' die Nummer gerade nicht parat, müßte so 1995/96 gewesen sein), zum anderen dasjenige im Legacy Nr. 1 mit Drummer Capricornus (Frühsommer 1999), das auch für harte Diskussionen unter der Leserschaft des in puncto zweifelhafte Aussagen nicht immer ganz eine eindeutige Linie fahrenden Heftes (dazu in Teil 11 mehr) sorgte, von denen ein Teil in Nr. 2, S. 127, nachzulesen ist. Capricornus sorgte übrigens gleich noch für eine Liste von Bands, die ihm sehr gefallen, wonach es naheläge, alle diese Bands prompt in die rechte Ecke zu stecken (was aufgrund einer unglücklichen Ausdrucksweise von Interviewer Jan Fischer, die in Nr. 2, S. 127 dann allerdings korrigiert wurde, noch verstärkt impliziert wurde), also von deutscher Seite Absurd, Aryan Blood, Barad Dur, das Labelprogramm von Darker Than Black Records, Nargaroth und Falkenbach sowie aus der polnischen Szene Thunderbolt, Old Fullmoon und Veles. Allerdings schießt man dabei zumindest in anderthalb Fällen fehl. Der halbe sind Nargaroth, die ja bereits behandelt wurden, und den ganzen stellen Falkenbach dar, die zwar auf traditionell-germanische Mythologien zurückgreifen, welche die Ideologen im Dritten Reich auch für ihre Zwecke eingespannt hatten, aber mit den drittreichischen Folgerungen daraus absolut nichts am Hut haben (sie sind in ihren Anfangstagen übrigens auch mal bei No Colours Records unter Vertrag gewesen). Noch eine Bandliste existiert, diesmal von Matthias Herr übermittelt (a.a.O., S. 272/73) und die Bands enthaltend, die in der von Graveland-Kopf Rob Darken gegründeten Organisation The Temple Of Fullmoon partizipier(t)en, sich dort aber angeblich primär satanischem Gedankengut widmeten. Allerdings spielt Darken so eine Art Führerrolle in diesen polnischen Black Metal-Kreisen, und damit erscheint es nicht unwahrscheinlich, daß neonazistisches Geisteswesen hier lediglich hinter einer satanischen Fassade kaschiert wird. Vorsicht dürfte also auch bei Veles (die hatten wir ja oben schon, bei No Colours sind 'se nebenbei auch noch), Infernum, Mysteries, Fullmoon (vielleicht mit den o.g. Old Fullmoon identisch), Kohort, Perunwit, Dark Storm, Midnight und Pagan Temple geboten sein.

Bleiben wir gleich in Polen: Auch Piotr Wiwczarek, Bandkopf von Polens bekanntester Death Metal-Band Vader, wurde (so berichtet u.a. Herr, a.a.O., S. 547 f.) bereits mit SS-Aufkleber auf seiner Gitarre sowie mit Waffen-SS-Uniform gesichtet. Allerdings handelt es sich in diesem Falle um militärhistorisches Interesse, wie Piotr in mehreren Interviews äußerte (Herr zitiert zwei davon). Das Tragen der genannten Symbole zeugt damit zwar immer noch von einem gewissen Mangel an politischer Sensibilität (besonders der Aufkleber), berechtigt m.E. aber nicht zum Schieben in die rechte Ecke. Nur eine Anmerkung sei mir noch erlaubt: Die Bemerkung "Ich habe bis heute noch nicht mal einen Schimmer, ob 'Angel Of Death' für oder gegen die Nazis und den Zweiten Weltkrieg war" im RockHard-Interview (Januar 1998, S. 129) ist, wenn sie denn tatsächlich so gefallen und nicht vom Interviewer so hingebogen worden ist, für einen Hobby-Militärhistoriker dann doch ein bißchen arg dünn ...

Damit hätten wir den perfekten Übergang zu Slayer geschafft. Die vier Amis waren in den 80ern einer der wichtigsten musikalischen Impulse, die die Heavy Metal-Szene aufzuweisen hatte, und hielten es aufgrund des damals sehr viel ausgeprägteren rebellischen Charakters des Metal für nötig, einiges an (sicherlich auch im jugendlichen Übermut entstandenen) Provokationen von sich zu geben, wozu auch die plakativ-gewaltdarstellenden (gelegentlich satanistische Symbolik einsetzenden) Lyrics der ersten drei LPs gehörten. Auf Platte Nr. 3, "Reign In Blood", stand dann ein Song namens "Angel Of Death", dessen Text mit recht eindringlichen Worten das Wirken von Josef Mengele in Auschwitz beschreibt. Dieser genügte, um diverse einflußreiche Kreise dazu zu bringen, Slayer in die Rechtsaußen-Ecke zu stellen. Die einfachste Begründung dafür lautete, der Text sei in der Ich-Form verfaßt und impliziere damit die Identifikation von Texter Jeff Hanneman bzw. Sänger Tom Araya mit den geschilderten Taten. Dieses Argument kann man mit dem Hinweis, daß es das Stilmittel des lyrischen Ich in der Dichtkunst schon seit Jahrhunderten gibt und dort keiner auf die Idee kommt, pauschal eine solche Identifikation zu unterstellen, getrost vom Tisch schieben. Liest man sich den Text einmal durch (er ist z.B. in "US Metal Vol. 1", S. 151, abgedruckt zu finden), findet man darin keinerlei Glorifizierung der Taten Mengeles, sondern lediglich Beschreibungen der Situation in Mengeles Wirkungskreis Auschwitz. Tom Araya selbst äußerte im "Sounds"-Magazin (zit. nach "US Metal Vol. 1, a.a.O.): "Wir sagen nicht, daß Mengele Gott ist. Wir sagen nur: das ist Mengele, das hat er getan, und hier ist ein Song über ihn." Bekanntermaßen reagiert man gerade in Deutschland (teilweise nicht zu Unrecht) etwas empfindlich, wenn die Sprache auf Auschwitz und insbesondere Mengele kommt, da man diese zeitgeschichtliche Episode am liebsten ganz verdrängen möchte (von Aufarbeitung war bekanntlich weder in der DDR noch in der BRD eine deutliche Spur). Eines der typischsten Zeichen für diese Empfindlichkeit war der Film "Nichts als die Wahrheit", der auf derart peinliche Weise politisch korrekt herübersabberte, daß ihn kein Mensch mit gesundem Verstand ernstnehmen konnte, und der ungewollt einen tiefen Einblick in die Verkrampfung der deutschen Justiz gab, wenn es ums Thema "Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit" geht. Das Bundesinnenministerium, das den Film förderte, hat sich damit absolut keinen Gefallen getan. Die angesprochenen Empfindlichkeiten traten (während bzw. nach der Veröffentlichung von "Reign In Blood") aber auch in anderen Ländern auf, so durfte z.B. (nach "US Metal Vol. 1", a.a.O.) in England der Text von "Angel Of Death" nicht abgedruckt werden, was eine demokratisch orientierte Diskussion über ihn von vornherein ausschloß (man versteht Tom Arayas Gesang nicht allzugut, so daß es selbst für einen Muttersprachler schwierig ist, alles korrekt herauszuhören). Eindeutig der falsche Weg, denn somit war der "Legendenbildung" Tür und Tor geöffnet. Den falschen Weg beschritt allerdings auch Jeff Hanneman selbst, indem er auf der Tour zur besagten Platte (vielleicht aus einer Protesthaltung heraus) Aufkleber verschiedener SS-Divisionen auf seiner Gitarre anbrachte, was wie bei Vader-Piotr zumindest einen Mangel an politischer Sensibilität zeigt, die für Amerikaner allerdings keineswegs ungewöhnlich ist, zumal wenn es um politische Probleme weit entfernter Länder geht. Hanneman selbst gilt wie auch Vader-Piotr als militärhistorisch interessiert, muß sich aber in der Gesamtbetrachtung das Urteil gefallen lassen, sich (gewollt oder ungewollt) streckenweise wie ein Elefant im Porzellanladen benommen zu haben. Gleiches sagt man seit 1994 Tom Araya nach, der in einem Rock Hard-Interview sinngemäß äußerte, daß das Pinochet-Regime in Chile nicht durchgehend schlecht gewesen sei (er stammt selbst aus Chile), was der politisch korrekten Fraktion natürlich neue Munition gab, wobei diese allerdings völlig außer acht ließ, daß sie wenig bis keinen Einblick in die internen Verhältnisse Chiles besaß (den Araya auf jeden Fall in größerem Maße hatte) und lediglich über die Medien informiert wurde. Da auch jede Diktatur, will sie überleben, gezwungen ist, ihr Volk zumindest mit "Zuckerbrot und Peitsche" an den Zügeln zu halten, kann es also durchaus sein, daß auch Pinochet Zuckerbrote verteilte und Araya schlicht und einfach darauf anspielen wollte, aber vom Interviewer mißverstanden wurde. Ich besitze allerdings keinen tieferen Einblick in Chiles Verhältnisse und unterlasse es daher, weitere Wertungen abzugeben.

Nochmal zurück in die USA: Peter Ratajczik alias Peter Steele war bei der politisch superkorrekten Fraktion schon seit seinen beiden Platten mit Carnivore unten durch, da diese Kreise die apokalyptischen Lyrics, die sich nicht wesentlich von dem unterscheiden, was beispielsweise der allgemein anerkannte Stephen King in "The Stand - Das letzte Gefecht" zu Papier gebracht hatte, mal eben in die sozialdarwinistische Ecke steckten. Klar, ein Titel wie "Jesus Hitler" ist nicht gerade unplakativ, "Race War" auch nicht, aber man sollte dann doch etwas genauere Textstudien betreiben. Herr hat dies getan und seine (nachvollziehbaren) Gedanken dazu im "Heavy Metal Lexikon Vol. 1", S. 29ff., ausführlich dargelegt. Für Aufsehen sorgte auch der Titel "Der Untermensch" von "Slow Deep & Hard", der ersten Platte von Peters neuer Band Type O Negative (wobei mir nicht bekannt ist, ob das der gleiche Song ist wie "The Subhuman" von einem frühen Carnivore-Demotape), den man wiederum ob seiner Plakativität in die sozialdarwinistische (und aufgrund der Titelterminologie in die rechte) Ecke steckte. Sprachlich nach Herr nicht sonderlich ausgefeilt, kanzelt Steele in dem Song Sozialhilfeempfänger ab, die sich seiner Meinung nach in parasitärer Weise durch den Staat bzw. das Wohlwollen(müssen) seiner Bürger aushalten lassen, ohne daran zu denken, dafür irgendwelche positiven Gegenleistungen zu erbringen, auch nur dankbar zu sein oder bei Gelegenheit angebotene Arbeitsmöglichkeiten wahrzunehmen. Diese Wertung Steeles ist vom staatspolitischen Blickwinkel her betrachtet mehr als nur akzeptabel, da eine weitere Verbreitung dieser Handlungsweisen zu einer Überlastung der staatlichen, eigentlich zur Härtefallvermeidung gedachten Einrichtungen führt, und ist m.E. lediglich aufgrund Steeles Ruf aus Carnivore-Zeiten sowie dem (bewußt?) provokativen Songtitel als rechtsorientiert bezeichnet worden. Steele selbst unterließ seither solcherartige Äußerungen und konzentrierte sich eher aufs süßlich-erotisch geladene Fach, was ihm speziell ob des weiblichen Fanzustroms auch bedeutend bessere Plattenverkäufe bescherte.

In "Haarus Longus Satanas?" - Teil 11 geht's an dieser Stelle weiter.



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