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HAARUS LONGUS SATANAS? - Teil 3: BACKWARD MASKING
von rls

Der Terminus Backward Masking ist bereits in "Haarus Longus Satanas? - Teil 1" des öfteren gefallen. Da speziell hiermit immer wieder die ach so ultimative Verquickung von Rockmusik und Satanismus "bewiesen" wird, macht sich eine halbwegs neutrale überblicksartige Betrachtung notwendig, die ich im folgenden geben möchte. Da die thematische Einpassung nicht besser ausfallen könnte, habe ich mich dazu entschlossen, die eigentlich mit den ersten beiden Teilen als abgeschlossen geplante "legendäre" Rubrik "Haarus Longus Satanas?" wieder auferstehen zu lassen, als deren dritter Teil diese Untersuchung nun fungiert.
Abgesehen von Dierk Heimann, der eine nachahmenswerte wissenschaftlich-neutrale Position einnimmt, wird in sämtlicher Literatur, die am Ende des Artikels genannt ist, eine arg pseudowissenschaftlich angehauchte Sicht der Dinge vertreten. Leider bewegen sich die meisten Autoren auf dem Level der bereits in "Haarus Longus Satanas? I" von mir geschmähten Rockwell bzw. Passantinos. Selbst Gisela Esser, deren ganz passabel recherchierter Beitrag über Black und Death Metal trotz diverser Fehler durchaus lesenswert ist, baut in die Doppelseite zum Thema Backward Masking eine ganze Reihe von Widersprüchen ein. Die drei Hauptwerke zum Thema Backward Masking (Peters/Merrill, Buschmann, Heimann) sind zum Glück (Peters/Merrill, Buschmann) bzw. leider (Heimann) nicht im Frühjahrskatalog 1998 des größten deutschen Buchgroßhändlers Koch, Neff & Oetinger enthalten und offenbar derzeit nur über den Verlag oder gar nicht erhältlich. Größere Bibliotheken haben die Bücher aber sicher vorrätig. Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (Auguststraße 80, 10117 Berlin) kopiert auf Anfrage den Artikel von Groh (an dieser Stelle Dank und Gruß an Susanne Feess). Der ebenfalls des öfteren zitierte Artikel von Weirauch war indes nicht aufzufinden.

Doch was ist Backward Masking nun eigentlich? Fragt man jemanden, der sich in der Wissenschaft der Psychophysik (ja, sowas gibt's auch) auskennt, so wird er uns erklären, daß man dabei eine akustische Maskierung eines leisen Geräusches durchführt, indem man unmittelbar danach ein starkes Geräusch einspielt, das das erstere übertönt. Was hat das aber nun mit Satanismus zu tun? Nun, die Antwort ist einfach: Nichts. Irgend ein glorreicher Mensch (es ist mir nicht gelungen festzustellen, wer) hat irgendwann den gleichen Begriff für ein völlig anderes Verfahren benutzt, nämlich für das Rückwärtseinspielen von Musik und Texten beim Aufnehmen von Platten. Zahlreiche Rockmusiker werden nun beschuldigt, satanistische Rückwärtsbotschaften auf ihren Platten unterzubringen, und zwar so, daß man sie vorwärts nicht bewußt wahrnimmt, sie wohl aber im Unterbewußtsein zu wirken beginnen. Damit wird dann die Rolle der Rockmusik bei der Errichtung von Satans Reich auf Erden unterstrichen. Alles, was wir von jetzt an unter den Terminus "Backward Masking" fassen, soll sich auf diese Rückwärtsbotschaften beziehen.

Wir wollen nun also ein wenig Licht ins dunkle Geflecht bringen. Dazu sei zunächst ein Blick in die Historie der Backward Masking-Vorwürfe geworfen. Diese schwappten - wie so viele negative und zugegebenermaßen auch ein paar positive Errungenschaften - aus den USA nach Deutschland herüber. Die Wurzeln liegen in der Diskussion über subliminale Werbung, die in den 50er Jahren begann. Unter anderem soll bei einem Versuch in einem Kino, wo während des Filmes einzelne, bewußt nicht wahrnehmbare Bilder mit Cola und Popcorn über die Leinwand flimmerten, der Umsatz von Cola und Popcorn um zweistellige Raten gewachsen sein, was "Experten" auf unterbewußte Beeinflussung durch diese eingeblendeten Bilder zurückführten. Über diese Frühzeit liegt aber vieles noch im Dunkeln, weil, wie Peters/Merrill korrekt feststellen, sich viele Beteiligte nicht dazu äußern wollen (die Geschichte ebenjener subliminaler Werbebotschaften ist das Einzige, was am Peters/Merrill-Buch halbwegs lesenswert ist). Jedenfalls wurde die Öffentlichkeit irgendwie aufgeschreckt, man befürchtete umfangreiche unterbewußte Manipulationen (Romantip hierzu: "Die Prüfung" von F.C. Wilson), und schließlich wurde in einigen Staaten subliminale Werbung gesetzlich untersagt, was zahlreiche Leute natürlich bestärkte, prinzipiell an ihre Wirksamkeit zu glauben. Die allerdings ist noch keinesfalls bewiesen - im Gegenteil: Der überwiegende Teil der Wissenschaftler ist heute der Meinung, dies könne nicht funktionieren. Im Gegensatz dazu sagte der Psychologieprofessor und Psychotherapeut Wallace LaBenne (Michigan, USA), den Peters/Merrill zitieren, es gäbe mindestens tausend Untersuchungen, die die Wirksamkeit subliminaler Botschaften beweisen würden. Er sagte jedoch nicht, wo man die Ergebnisse dieser tausend Untersuchungen finden könne ...
Obwohl nun die angeblichen Backward Maskings auf eine völlig andere Weise den Sinnesorganen der Konsumenten zugeführt werden, setzen speziell Peters/Merrill ihre Wirkung mit der angeblichen der subliminalen Werbung gleich (daß letztgenannte wohl gleich Null ist, haben wir ja eben gesehen). Dazu müßte aber erst einmal bewiesen werden, daß sowohl subliminale Werbebotschaften als auch die Rückwärtsbotschaften der Backward Maskings überhaupt ins Unterbewußtsein gelangen, dort verarbeitet und in Handlungsimpulse verwandelt werden. Diese Wirkungsanalogie (unter der Voraussetzung, die subliminalen Techniken würden tatsächlich wirken) hat aber nun noch gar niemand untersucht, weil eben die gerade genannte Voraussetzung fehlt, so daß diese Gleichsetzung eigentlich unzulässig ist. Da Peters/Merrill ihr gesamtes Buch aber auf dieser Gleichsetzung aufbauen, könnten wir dieses in der weiteren Untersuchung theoretisch vernachlässigen. Daß ich gegen Ende trotzdem noch einmal darauf zurückkomme, hat praktische Gründe.
Die Ansicht, die Wirksamkeit subliminaler Botschaften sei gleich Null, hatte bereits in den 60er Jahren große Verbreitung erlangt. Deshalb suchten die Anhänger der Subliminalität fieberhaft nach Indizien, die ihre Theorie untermauern konnten. 1969 kam ihnen ein Zufall zu Hilfe: Ein englischer DJ hatte das Gerücht in die Welt gesetzt, Paul McCartney sei schon drei Jahre tot, bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und an seiner Stelle spiele ein Ersatzmann namens William, der sich einer schönheitschirurgischen Operation unterziehen habe müssen, damit er wie Paul aussehe. Untermauert wurde dieses Gerücht u.a. mit der beim Rückwärtsabspielen des Beatles-Songs "Revolution No. 9" angeblich zutage getretenen Botschaft "Turn me on, dead man" (die anderen "Beweise" sind bei Heimann ausführlich behandelt und bei Interesse dort nachzulesen), wobei der "dead man" natürlich Paul gewesen sein soll. Da war sie, die Brücke zur Subliminalität! Genau hier hat die Gleichsetzung subliminaler Botschaften mit Backward Maskings ihren Ursprung. Eine wilde Backward Masking-Hysterie nahm ihren Anfang - sowohl in den USA als auch in Europa. Plattenverbrennungen und Schwarze Listen waren die extremsten Auswüchse dieser Hysterie, bei der Hunderte, ja Tausende von Songs auf Rückwärtsbotschaften abgeklopft wurden. In dieser Aufregung ging fast unter, daß Paul McCartney Mitte November 1969 ein klärendes Interview gab, um zu dokumentieren, daß er noch am Leben sei (der Zeitpunkt, Mitte November, ist wichtig, weil Buschmann die Beatles beschuldigte, diese Falschmeldung nur zwecks Umsatzsteigerung im Weihnachtsgeschäft lanciert zu haben - dann wäre es aber völlig unlogisch, daß McCartney das Interview gab, nachdem das Weihnachtsgeschäft gerade erst angelaufen war), und daß John Lennon, der die Soundcollage "Revolution No. 9" zusammengeschnipselt hatte, erklärte, daß er an der fraglichen Stelle den letzten Teil des EMI-Jingles "Dies ist die EMI-Testserie Nummer 9", also "Number Nine", mehrfach rückwärts eingesampelt habe, was irgend ein findiger Rückwärtshörer dann als "Turn me on, dead man" verstand. In den 70er Jahren legte sich die Backward Masking-Hysterie wieder.
Aber wo bleibt nun Satan? Gemach, gemach, er kommt gleich ins Spiel. Irgendwann Anfang der 80er Jahre bemerkte ein selten kluger Kopf, daß diese rückwärts eingespielten Passagen satanisch sein müssen. Warum? Er stellte eine Verbindung zu Aleister Crowley her, dem wohl bekanntesten Satanisten der Neuzeit! Dieser hatte ja bekanntlich in seiner Lehre die Negation des Christentums verfochten und u.a. das Rückwärtsaufsagen des Vaterunser zum Pflichtprogramm für jeden Satanisten gemacht. Rückwärts! Und dann tauchte dieser Crowley auch noch auf dem Cover der LP "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" auf, die von wem stammte? Genau, von den "Backward Masking"-Urvätern, den Beatles. Es paßte scheinbar alles so gut zusammen, daß wieder eine wilde Hysterie ausbrach, die die ganzen 80er Jahre hindurch anhielt und deren Nachwehen auch in den 90ern immer noch zu spüren sind (dies liegt u.a. auch daran, daß jeder der im Literaturverzeichnis genannten Autoren - und nicht nur die - viele Passagen einfach von seinen Vorgängern abgeschrieben hat, ohne sie auf ihren Wahrheitsgehalt zu checken). Grundsätzlich sei an dieser Stelle zur Crowley-Connection nur gesagt, daß diese an drei Punkten scheitert: Erstens ist Crowley zwar tatsächlich auf besagtem Plattencover abgebildet - aber gemeinsam mit über 50 anderen Persönlichkeiten. Unter denen befinden sich u.a. Albert Einstein und Karl-Heinz Stockhausen. Keiner kommt aber auf die Idee zu behaupten, die Beatles-Musik sei speziell von Stockhausens moderner Klassik oder gar Einsteins Relativitätstheorie beeinflußt - nur bei Crowley soll das angeblich der Fall sein. Zweitens wandte sich Crowley selbst in seinen Schriften gegen Rückwärtsbotschaften zur Informationsweitergabe (und nichts anderes sollen Backward Maskings nach ihren Jägern ja sein). Drittens schließlich streikt die Logik: Wenn Crowley das Vaterunser durch Rückwärtsaufsagen "böse macht", müßten ja satanische Botschaften durch deren Rückwärtseinspielung zu positiven christlichen Messages werden ...

Mit diesen Hintergrundkenntnissen versehen, fällt es uns nun leichter, uns auf die Spuren der Backward Maskings zu begeben. Als erstes stellt sich hier die Frage, wie man denn ein Backward Masking auf einer Tonkonserve unterbringen könnte. Die simpelste Variante hat sicher jeder schon einmal in seinen Kindertagen ausprobiert und z.B. seinen Namen von hinten gelesen. Man unterliegt aber einem Irrtum, wenn man glaubt, beim Rückwärtsabspielen eines Bandes, auf das vorher "Giwdul Dnalor" gesprochen wurde, käme "Roland Ludwig" heraus. Die Betonung der "neuen" Wörter ist eine völlig andere, und damit ist der ursprüngliche Text nicht zu verstehen. Das erste bekannte Backward Masking der Popmusikgeschichte war ein solches: Ein Sänger namens Red Ingle brachte 1948 einen Song namens "Serutan Yob" heraus, der sich als persiflierende Coverversion des Nat King Cole-Titels "Boy Nature" entpuppte, dessen Titel Red Ingle kurzerhand von hinten gesungen hat (das S ist offenbar aus klangtechnischen Gründen dazugegeben worden). Zu mehr als einem Gag ist diese Methode nicht geeignet.
Als zweite Variante hätten wir die Möglichkeit des Rückwärtseinmischens eines regulär vorwärts gesungenen, gesprochenen oder gespielten Parts. Mit heutiger Studiotechnik ist ein solches, von Heimann als technisches Backward Masking bezeichnetes Verfahren überhaupt kein Problem. Die ersten, die ein technisches Backward Masking anwandten, waren - wer sonst - die Beatles, und zwar im Song "Rain" (1966), wo der letzte Refrain rückwärts eingemischt wurde.
Die dritte Methode ist die komplizierteste und gleichzeitig die, welche nach Meinung von Buschmann und Peters/Merrill am häufigsten angewandt wird: Das phonetische Backward Masking beruht auf der erstgenannten Methode, aber hier werden solche Vorwärtssätze gewählt (und dementsprechend betont), die rückwärts abgespielt die gewünschte Botschaft ergeben. Wer einmal den Versuch machen möchte, so etwas hinzubekommen (über Methoden, wie man auch zu Hause Musik rückwärts anhören kann, wird weiter unten berichtet), sollte ein paar Monate Zeit einplanen - und die Ergebnisse dürften in aller Regel selbst dann nicht eindeutig heraushörbar sein. Beispielsweise wurden Queen beschuldigt, im Song "Another One Bites The Dust" in der Titelzeile ein phonetisches Backward Masking eingebaut zu haben. Fünf Autoren hörten allerdings fünf verschiedene Rückwärtstexte heraus ...

Heimann hat sich dankenswerterweise die Mühe gemacht, so ziemlich jeden Song, in dem irgendein Autor bis zum Zeitpunkt der Untersuchung irgendein Backward Masking entdeckt haben wollte, genauestens abzuklopfen. 46 Songs nahm er unter die Lupe, deren Palette von Madonnas "Act Of Contrition" über Led Zeppelins "Stairway To Heaven" bis zu "Zarah" von Nina Hagen reichte. Auf 29 der Songs fand sich keinerlei rückwärts eingemischte Textpassage, die anderen 17 enthielten ein technisches Backward Masking. Die rückwärts eingemischten Botschaften haben mit Satanismus allerdings überhaupt nichts am Hut - mal abgesehen von Venom. Die drei britischen Marketingsatanisten blieben sich natürlich treu, machten sich die in den 80ern grassierende Backward Masking-Hysterie zunutze und mischten ein paar Passagen ihres augenzwinkernd-satanischen Gebrülls rückwärts ein. Alle anderen technischen Backward Maskings - von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung über Karat bis zum Electric Light Orchestra - haben "harmlose" Inhalte und sind als Ausdruck der Kreativität der Musiker anzusehen.
Doch wie kommt es nun dazu, daß die anderen 29 Songs "sauber" waren, obwohl da irgend jemand irgend etwas gehört hatte? Nun, eine Variante wäre sicherlich, daß ein Autor eine Band, die ihm sowieso nicht paßte, kurzerhand mit auf die Liste der bösen Rückwärtsrocker setzte. In den meisten Fällen wird aber eine andere Erklärung zutreffen: Es lag an der Methode, wie die Autoren die Musik rückwärts abspielten. Viele werden es gemacht haben wie Buschmanns Romanhelden Celeste Rousseau und Saul Gideon und ihren Plattenspieler per Hand rückwärts gedreht haben. Wie ultraschwierig das ist, stellt man beim Selbstversuch schnell fest: Ganz abgesehen davon, daß Plattennadel, Platte und Antriebssystem einem extremen Verschleiß ausgesetzt sind, ist es praktisch unmöglich, per Hand eine gleichbleibende Geschwindigkeit zu erzeugen. Sobald sich aber die Geschwindigkeit ändert - auch nur geringfügig -, entstehen sogenannte Artefakte, also undefinierbare Laute, in die man alles und jeden Satz hineininterpretieren kann. Das also sind die "phonetischen Backward Maskings" gewesen! Heimann dagegen hat zwei andere Methoden angewandt: Mit einem zweikanaligen Tonbandgerät geht's ganz einfach (die Dinger waren laut Heimann aber nicht ganz billig; ob's sowas heute überhaupt noch gibt, entzieht sich meiner Kenntnis), ein technisch etwas manipulierter Walkman tut's aber auch. Wer sich für die technischen Einzelheiten interessiert, lese bei Heimann nach, BEVOR er an seinem Walkman herumbastelt! Mit beiden Methoden ist eine absolut gleichbleibende Geschwindigkeit gewährleistet; es entstehen also keine Artefakte, und so verwundert es nicht, daß Heimann kein einziges phonetisches Backward Masking finden konnte! Es waren alles nur Artefakte!

Eigentlich könnte ich den Artikel damit beenden, denn die Vorwürfe, es wären satanistische Rückwärtsbotschaften in Rocksongs eingebaut, sind (abgesehen wie gesagt von Venom) widerlegt. Da ich aber keine Lust habe, mich im nächsten Teil von "Haarus Longus Satanas?" noch einmal mit dem Geschreibsel von Buschmann und Peters/Merrill zu befassen, zähle ich jetzt genüßlich noch diverse Ungereimtheiten und fachlichen Fehler auf, die sich in deren Büchern befinden (die Ergüsse der anderen lasse ich jetzt mal unkommentiert, da hier wirklich einer vom anderen abgeschrieben und meist per "Stille Post"-Prinzip noch etwas hinzugefügt, aufgebauscht oder auch weggelassen hat).
Zuerst ein paar Worte zu Buschmann. Dieser hat eine sehr geschickte Form gewählt, den Leser einzulullen: Er verarbeitete seine Backward Masking-Theorien kurzerhand in Romanform und kann sich bei vielen Ungereimtheiten mit dichterischer Freiheit herausreden. Für einen Roman, der ein realistisches Geschehen darstellen soll, ist dies allerdings indiskutabel (als Science Fiction-Roman könnte ich "Rock im Rückwärtsgang" durchgehen lassen, aber das widerspricht Buschmanns Intention völlig). Von der literarischen Qualität schweigt man lieber, denn der klassische Satz von Marcel Reich-Ranicki "Ich habe es gelesen, und ich muß sagen, ES IST SCHLECHT!" trifft hier den berühmten Nagel auf den Kopf. Buschmann verknüpft Dichtung und Wahrheit, um mal mit Goethe zu sprechen, zu einem recht üblen Gebräu. Das Mittagessen kommt dem Leser spätestens auf Seite 35 hoch, wenn Buschmann behauptet, 1932 hätte es ein Nazi-Deutschland gegeben. Passend dazu wird auf Seite 66 Ronnie James Dio unterstellt, er habe eine "Hitler European Tour" gemacht und T-Shirts mit Führerbildern und Hitlergruß drucken lassen - eine glatte Lüge! Zwei Seiten weiter im Buch noch die Steigerung: Die Beatles sollen das Gleiche getan haben. Wann? Wo? Beweise bitte! Sofort! Immerhin beruht diese Sache auf einem klassischen kulturellen Mißverständnis: In England kann man mehr oder weniger legal an die Tourshirts einer Rockband angelehnte Shirts von der "Hitler European Tour 1939-45" kaufen, wo dann als Stationen "1939 Gleiwitz", "1943 Stalingrad" oder "1945 Berlin" angegeben sind. Diese Sorte schwarzen Humor kann man sich wirklich nur als Siegermacht des Zweiten Weltkrieges leisten. Vermutlich hat Dio, eines seiner Bandmitglieder oder jemand aus seiner Tourcrew irgendwann mal ein solches Shirt getragen, analog war's wohl bei den Beatles.
Die Tatsache, daß ein Rockmusiker nur im Bunde mit Satan richtig erfolgreich sein kann, wird schon auf S. 60ff. bewiesen, und zwar am Beispiel von Van Halen, die erst so richtig erfolgreich geworden seien, als sie auf der "1984"-LP Backward Maskings unterbrachten (die Heimann übrigens nicht finden konnte). Daß dies Blödsinn ist, weiß jeder, der die Geschichte der Band etwas genauer kennt: Schon das 1978er Debütalbum erreichte siebenstellige Verkaufszahlen und wurde in einer Reihe von Ländern mit Platin ausgezeichnet. Noch ein Beispiel gefällig? Bitte: Auf Seite 177 wird ein Plakat erwähnt, das eine USA-Tournee von Warlord ankündige. Warlord indes sind nie auf US-Tour gewesen (laut Matthias Herr sind sie in ihrer kurzen Lebensdauer in den 80ern überhaupt nicht live aufgetreten - selbst ihr "Livevideo" schnitten sie in einer leeren Halle mit), und außerdem haben sie auch nicht zwei Gitarristen gehabt (wie angeblich auf dem Plakat stand) - der Mensch mit dem Künstlernamen Arc Angel spielt nämlich Baß. Die Guillotine endgültig zum Herabsausen bringt indes ein eher kleines Detail auf Seite 167: Die Staatsgründung Israels nach dem Zweiten Weltkrieg hat nämlich im Gegensatz zur Meinung des Herrn Buschmann überhaupt nichts mit dem biblischen "neuen Israel", das u.a. bei Hesekiel, Sacharja und Jeremia vorkommt, zu tun (50 Jahre später sollte man das bewerten können, aber auch schon nach 35 Jahren, zur Entstehungszeit von Buschmanns Buch). Bleibt nur ein Fazit: Diese bereits in zweistelliger Auflagenzahl vorliegende Ressourcenverschwendung gehört in den Giftschrank oder auf die Sondermülldeponie.

Verquickt Buschmann Dichtung und Wahrheit, so tun Peters/Merrill dies mit Unrichtigkeit und Wahrheit. Soll heißen: Sie versuchen, die Sache sachlich (welch Wortspiel!) abzuhandeln, scheitern aber - wie oben dargelegt - an der durch nichts zu begründenden Gleichsetzung von subliminalen Werbebotschaften und Backward Maskings. Auch ansonsten bestechen die Autoren durch eine Recherchegenauigkeit, die noch weit unter der der BILD-Zeitung liegt. Wichtigster Experte, den Peters/Merrill und andere Autoren derselben Denkweise anführen, ist der Psychologe William Yarroll - Heimann hat versucht, ihn zu kontakten, aber das Institut in Denver (Colorado), dem er angeblich vorsteht, existiert gar nicht, und unter seiner Privatadresse in Aurora (wo war das gleich noch?) war nur seine Tochter zu erreichen, die zu ihrem Vater seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Eine Hauptrolle spielt auch der ehemalige Marketingprofessor Wilson Bryan Key, der bereits auf Knabber-Crackern und auf Fünfdollarnoten satanische Zeichen entdeckte. Zweifellos Top-Leute ...
Aber Peters/Merrill passen sich diesem Level problemlos an. Beispiel gefällig? Seite 29: "Interessanterweise sind der Rock'n'Roll und die verdeckten Botschaften ungefähr gleichaltrig." Das sind Thomas Feist und Claudia Schiffer auch. Noch eins? Diesmal eine Wortkaskade von Seite 36: "Pink Floyd, jene vor Heiterkeit sprühende Undergroundgruppe mit dem Melancholikerimage ..." Um eine analoge Kaskade aufzubauen, mußte ich einen Moment überlegen. Vielleicht so: "Helmut Kohl, jener kugelförmige Anarchist mit dem Image einer Modelfigur ..." Noch mehr Mühe bereitete mir Herr Yarroll auf Seite 53: "Eine gute, von Hand angefertigte Kopie eines spiegelverkehrten Bildes herzustellen, sei es eine Zeichnung, ein Brief oder eine Unterschrift, sei für das Gehirn keine besonders schwierige Aufgabe." Das mußte ich, mit einem recht leistungsfähigen Gehirn ausgestattet, natürlich mal ausprobieren. Ich bekam jedoch nicht mal eine halbwegs ansehnliche gespiegelte Kopie meiner Unterschrift zustande. Nun gut, vielleicht liegt's ja auch an mir. Gehen wir also weiter: "Immerhin ist er (gemeint ist Satan, Anm. rls) der Meister der Verstellung, und backmasking scheint für seine Vorspiegelungen genau der richtige Kanal zu sein. Aus diesem Grund ist es immer noch vernünftig, zwischen backmasking und Satans Aktivitäten einen Zusammenhang zu vermuten ..." Klasse. Solche stichhaltigen Argumentationsführungen kommen im 1998 gerade laufenden Wahlkampf des öfteren vor. Noch ein Exempel? "Inzwischen (das Buch wurde in den Mittachtzigern geschrieben, Anm. rls) sagt eine der größten Werbeagenturen der Welt voraus, daß bis 1990 viele Fernsehspots uns in nur drei Sekunden mit einer Kombination aus Worten, Symbolen und anderem Bildmaterial überschütten werden." Wo sind sie heute, was ist mit ihnen geschehen?
Als Fazit bleibt hier eigentlich nur ein analoges zu Buschmann, zumal auch diese Autoren lügen wie geschmiert. Sie betonen nicht selten, daß nicht alle Rockbands schädlich seien - die nächste Überschrift fünf Zeilen weiter heißt "Wie kann ich mein Leben von den Auswirkungen der Rockmusik befreien?" Ab in die Ecke!

Sla Noisulknok ethcöm hci hcon lamnie fua Nnamieh (red snegirbü niek rehcsillatem Tamgod tsi, nrednos muz Leipsieb rebünegeg Saduj Tseirp redo Monev enie rhes ehcsitirk Noitisop tmminnie, saw aj nies setug Thcer tsi) nemmokkcüruz, red edneglof Stizaf theiz: Eid Znetsixe rehcsitenohp Drawkcab Sgniksam tsi neseiwebnu (nnew thcin rag tgelrediw), ehcsinhcet Drawkcab Sgniksam dnis netles dnu nebah (nov Monev nehesegba) eniek netlukko Etlahni, enie etßuwebretnu Gnussulfnieeb ttirt thcin fua, dnu nie Gnahnemmasuzlasuak nehcsiwz Drawkcab Sgniksam dnu Sumsitlukko tsi thcin nednahrov!

RUTARETIL (jetzt aber wieder richtig herum):
Buschmann, Michael: Rock im Rückwärtsgang - Manipulation durch "backward masking". Asslar: Verlag Schulte & Gerth 1987.
Esser, Gisela: Mit Musik die Welt zertrümmern. In: Bücken, Eckart (Hrsg.): Musik gegen Gewalt 2. AG Musik 1993.
Groh, Arnold: Rockmusik im Zwielicht. In: Materialdienst der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen 12/86. Stuttgart: Quell-Verlag.
Heimann, Dierk: Backward Masking - Fluch oder Flop? Asslar: Verlag Klaus Gerth 1990.
Peters, Dan & Steve / Merrill, Cher: Manipulation im Rückwärtsgang - Was ist "backward masking"? Asslar: Verlag Schulte & Gerth 1988.
Weirauch, Wolfgang: nataS - Satan   "Backward Masking" bestätigt. In: Materialdienst der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen 5/87. Stuttgart: Quell-Verlag (nicht auffindbar).
 

Hier geht's zu "Haarus Longus Satanas? - Teil 4".



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