www.Crossover-agm.de LYNX: Caught In The Trap
von rls

LYNX: Caught In The Trap   (No Remorse Records)

Die erste und bis vor kurzem auch einzige akustische Begegnung des Rezensenten mit Lynx fand auf einem obskuren Sampler statt, nämlich dem anno 1990 vom Laserlight-Label herausgebrachten und doch etwas irreführend betitelten "On The Edge Of Death", auf dem Lynx zusammen mit ihren Landsleuten, Labelmates bzw. teils sogar innerstädtischen Kollegen Crystal Pride, Lazy und Shere Khan für die melodischeren Komponenten sorgten, während die anderen Bands (Crosshead, Torrent, Death Squad und die belgischen Killer) deutlich härteren Klängen zugeneigt waren, aber in der Gesamtbetrachtung deutlich weniger Raum einnahmen und schon gar keinen Death Metal spielten (wenn man's genau nimmt, ist der Samplertitel dann also doch gar nicht so verkehrt, denn man steht ja nur "am Rande des Todes"). Lynx steuerten "Don't Fool Me" und "Nightwalker" bei, und diese zwei Stücke standen auch auf "Caught In The Trap", ihrem ersten und einzigen Album, das nun unter Nr. 2 der "Swedish Hard N' Heavy Series" des Labels No Remorse Records als Wiederveröffentlichung vorliegt. (Wer sich bei dem Labelnamen wundert: Nein, Charly Rinne ist nicht wieder aktiv geworden und hat sein Label dieses Namens, unter dem seinerzeit u.a. die ersten Blind-Guardian-Scheiben erschienen waren, wiederbelebt - es handelt sich hier um das gleichnamige griechische Label.)
Lynx hatten anno 1985, als das besagte Werk erschien, schon eine relativ lange, bis in die Mittsiebziger zurückreichende Geschichte hinter sich - allerdings nicht unter diesem Namen, sondern als Pegasus. Die beiden Bandmitglieder vornamens Mats, nämlich Sänger Eriksson und Keyboarder Hermansson, hatten die Formation nach dem inspirierenden Besuch eines Deep-Purple-Konzertes gegründet, und als der Gründungsgitarrist Jan Elvi die Band verließ, wurde Per Larsson sein Nachfolger. Nach einer Auszeit von 1977 bis 1981 fanden Pegasus erneut zusammen, neben Eriksson, Larsson und Hermansson jetzt auch mit Kuano Vaatovaara am Baß. Abermals vier Jahre später wurde die aus Eskilstuna nördlich von Stockholm stammende Band von Mill Records unter Vertrag genommen, mußte sich kurz vor den Albumaufnahmen aber noch einen neuen Drummer suchen, der in Gestalt von Carl Moser gefunden wurde. Und noch eine weitere Änderung machte sich erforderlich: Da es bereits eine Band namens Pegasus gab, wie die Liner Notes besagen (wobei es davon weltweit sogar schon etliche gegeben haben dürfte, aber es gab damals halt noch kein Internet, wo man das mit drei Mausklicks hätte recherchieren können, und eigentlich ist's ja auch egal, denn eine namensgleiche Band hat ja schon gereicht), benannte sich das Quintett in Lynx um, was der wissenschaftliche Gattungs- und auch Artname des Luchses ist, woraus sich in Kombination mit dem Albumtitel (der frei gewählt wurde - es gibt keinen Titeltrack) eine schöne Coveridee ergab, auch wenn Tierschützer aufgrund der Kleinheit des Käfigs wohl Sturm laufen würden, wenn das eine reale Situation wäre. Aber der Zeichner Magnus Andersson hat einen sehr schönen naturalistischen Luchs hinbekommen, vor allem die Augen assoziieren dem Betrachter, daß er möglicherweise Ärger mit dem Raubtier bekäme, wenn nicht ein durchaus stabil anmutendes Gitter zwischen beiden Parteien stünde.
So angriffslustig präsentieren sich die neun Songs des regulären Albums allerdings ganz und gar nicht. Lynx spielten eine etwas merkwürdige Form des traditionellen Hardrocks: Auf der einen Seite hört man ihnen ihre Einflüsse des Siebziger-Hardrocks und hier besonders die von Deep Purple und Rainbow deutlich an, auf der anderen Seite sind aber auch Ausprägungen des skandinavischen Achtziger-Hardrocks zu vernehmen, also im wesentlichen Anleihen an die frühen Europe vor dem finalen Countdown, der ja auch erst über die Welt niederging, als "Caught In The Trap" schon längst eingespielt war. Interessanterweise verzichten Lynx allerdings auf klassische Einflüsse, wie man sie sowohl bei Deep Purple als auch bei z.B. Silver Mountain reichlich finden konnte - dafür addieren sie etwas anderes, nämlich seltsame Keyboardklänge aus dem Achtziger-Synthiepop, die in Kombination mit Larssons doch recht traditionsbewußtem Riffing einen etwas merkwürdigen, aber durchaus nicht reizlosen Eindruck hinterlassen. Freilich dürften Lynx in der Gunst der Musikhörer jener Zeit etwas zwischen den Stühlen gelandet sein, und trotz der Deep-Purple-Reunion von 1984 und ebenjener Versuche moderner Anklänge mutete das, was das Quintett da produzierte, in den Mittachtzigern doch reichlich anachronistisch an und interessierte nur eine gewisse Fan-Minderheit. Lynx kamen also nicht vorwärts und legten noch im Jahr 1986 die Bandaktivitäten zu den Akten.
Drei Dekaden später hört man die Songs durchaus mit Gefallen (wieder): Alle fünf sind gute Musiker, und obwohl das letzte Quentchen songwriterischer Genialität fehlt, so präsentiert sich "Caught In The Trap" doch als gutklassiges und in der beschriebenen Kombination sogar in gewisser Weise originelle Scheibe. Vielleicht hätte man den Doublebass-Knaller "Nothing In Return" (wer ruft da "Scream Of Anger"?) ein paar Positionen nach vorn schieben sollen - an Nr. 7 geht er etwas unter, und überhaupt fällt auf, daß die ehemalige B-Seite die druckvolleren Nummern zu bieten hat, während die A-Seite etwas schwer ins Rollen kommt, obwohl auch dort interessante Songs lauern. Der düstere Mittelteil in "Fingers Crossed" etwa weist weit in die Zukunft, und das besagte "Don't Fool Me" löst dann endlich die Handbremse mal etwas stärker. Der andere Samplertrack "Nightwalker" beschließt das reguläre Album und beweist, daß Lynx ihre Vorbilder intensiv studiert haben, sie aber nicht kopieren. Das Vorbild hier heißt ganz klar "Gates Of Babylon", aber solche Keyboardflöten wie hier hätten sich die Keyboarder an der Seite von Ritchie Blackmore wohl nicht einzusetzen getraut. Dazu kommt Erikssons Gesang, der bisweilen ein wenig an Doogie White erinnert und stilistisch perfekt in die Lynx-Mixtur paßt. Einige Elemente findet man in ähnlicher Form übrigens auch auf den ersten drei Tad-Morose-Alben wieder, also denen, als dort noch ein Keyboarder aktiv war, und so wären Lynx in diesem Kontext sogar ihrer Zeit vorausgewesen - düstere Keyboards über trockenem Riffing stellten noch bei Tad Morose die Rezensenten vor arge Probleme bei der Vergleichsbildung, und an Lynx wird da kaum jemand mehr gedacht haben. In der Encyclopedia Metallum findet sich wiederum die Einschätzung, einige Tracks klängen wie eine etwas metallisierte Variante von US-AOR-Bands wie Night Ranger, und auch dieser Gedanke hat durchaus etwas für sich.
Von den drei Bonustracks, die alle noch während der Pegasus-Ära entstanden, entpuppt sich "Race To Hell" als noch etwas energischere Frühform von "Final Race", hier aber noch mit Johan Skagerlind am Drumkit. Auf den anderen beiden Tracks trommelt noch dessen Vorgänger Tommy Karlsson. "In The Night" ist dabei als 1981 vom Schwedischen Rundfunk angefertigter Livemitschnitt aus Oxelösund enthalten, enthält mehr oder weniger noch puren Siebziger-Hardrock und läßt die Frage offen, ob im dortigen Rundfunkarchiv vielleicht noch ein ganzer Konzertmitschnitt lagert - der dürfte für Genrefreunde von hochgradigem Interesse sein, wenn da noch mehr Stoff der Preisklasse "Keep On Loving Me" (oder "Keep On Giving Me Love", wie der Liner-Notes-Text von Per Larsson ausweist - zu allem Überfluß sind dieser Song und "Race To Hell" auch noch in der Tracklist vertauscht; real auf der CD zu hören ist die untenstehende Rehenfolge) enthalten sein sollte. Dieser flotte Song stammt aus dem gleichen Jahr und weist von der Siebziger-Basis aus (die allein schon aufgrund der typischen Hammondarbeit dominiert) ein Stück weit in Richtung Frühachtziger-Metal. Wären Pegasus in dieser Richtung weitergegangen, hätten sie eine treibende Kraft im schwedischen Metal werden können, aber sie nischten sich ein und wurden damit für die fortschrittlicheren Hörer uninteressant, während die anderen dann doch bei Deep Purple blieben oder Europes neuen, polierteren Sound antizipierten. Aus heutiger Sicht ist "Caught In The Trap" für die beschriebenen Fanlager jedenfalls durchaus empfehlenswert - und Eriksson (der heute Mats Feretti heißt) und Larsson haben aktuell auch schon wieder begonnen, gemeinsam Songs zu schreiben, so daß vielleicht auch mit neuen akustischen Lebenszeichen zu rechnen sein wird.
Bleibt die editorische Komponente: Drei Jahre nach der Bandauflösung traten Lynx akustisch nochmal in Erscheinung, und zwar auf dem vom Imtrat-Label (genau, dasjenige, das später die "Live USA"-Mitschnitte aller möglicher Bands vertickte) herausgebrachten 19-Track-Sampler "Metal Hammer From Scandinavia", der nicht weniger obskur anmutet als der obengenannte und weitere zwei Jahre später erschienene "On The Edge Of Death"-Sampler. Am Hammeralbum beteiligt sind außerdem - welche Überraschung - Shere Khan, Lazy und Crystal Pride, alle außer letztgenannten mit je fünf Songs. Lynx steuern hier "My Own Way", "Final Race", "Nothing In Return", "Nightwalker" und "Don't Fool Me" bei, sicherlich in den Albumfassungen. Es geht aber noch obskurer: Dieser 19-Track-Sampler wurde von Imtrat nochmal sublizensiert, und zwar ans Fortuna-Label, das daraus die erste Scheibe einer 3-CD-Box namens "Heavy Metal Battle" machte, auf deren dritter Scheibe sich - welche Überraschung - das restliche Material vom "On The Edge Of Death"-Sampler wiederfand (ergänzt um Bands wie - Obacht! - die Polen Kat). Auch hier gibt's also kein alternatives Lynx-Material - und doch existiert offenbar solches: Das Mill-Label brachte 1985, so sagt es zumindest die Encyclopedia Metallum, neben dem Album auch noch eine Single von Lynx heraus, mit "Caught In The Act" auf der A- und "Kiss And Tell" auf der B-Seite, zwei Non-Album-Tracks also, die eigentlich die logische Ergänzung dieses Re-Releases gebildet hätten. Zwar weiß man natürlich auch das Pegasus-Material zu schätzen, aber es wäre genügend Platz auf der CD gewesen, um auch noch die beiden Singletracks mit dazuzupacken - eine verpaßte Chance, nicht nur, aber auch im Sinne der Werkvollständigkeit ... Aber vielleicht ergeben die neuen Bandaktivitäten ja nochmal ein aktuelles Tonzeugnis, dem dann auch die beiden Singletracks noch hinzugefügt werden können.
Kontakt: www.noremorse.gr

Tracklist:
My Own Way
Win Or Lose
Fingers Crossed
Man Without A Face
Don't Fool Me
Final Race
Nothing In Return
Master Of Evil
Nightwalker
In The Night
Race To Hell
Keep On Loving Me



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver