www.Crossover-agm.de
Lord's Party - Das Finale mit Saphena, Seventh Avenue, Wooden Cross, Lightmare   19.01.2008   Adorf, Schützenhaus
von rls

Weit über ein Jahrzehnt lang versorgte das Lord'sParty-Projekt die mehr oder weniger Jugendlichen im Oberen Vogtland sowohl mit geistlichen Impulsen als auch mit kulturellen Highlights, im Idealfall mit einer Verquickung beider Komponenten. Eine solche Kombination war nun auch zum letzten Event unter dem Lord'sParty-Banner hervorgezaubert worden: Als großen Schlußgong lud das LP-Team noch einmal vier Bands des christlich sozialisierten Spektrums ein, die bereits in vergangenen Jahren mehrmals zu LP-Veranstaltungen aufgetreten waren und nunmehr helfen sollten, dem Projekt einen würdigen Grabstein zu setzen. So pflanzte jede der Bands mit ihrem ganz individuellen Stil ein Vinca major (Botaniker wissen mehr) auf den LP-Friedhof, natürlich in der Hoffnung, daß mit der Asche vielleicht das eine oder andere junge Projektpflänzchen kräftig gedüngt werden könnte.
Als der Rezensent kurz nach 20.30 Uhr im Schützenhaus zu Adorf/Vogtland eintraf, spielten Lightmare bereits (pünktlichen Beginn ist man doch von der Lord'sParty gar nicht gewöhnt ...), und "Fear" war, wie sich herausstellen sollte, der zweite Song in der Setlist. Paradoxerweise war der Sound VOR dem Schützenhaus zunächst besser als IM Schützenhaus, aber der Soundmensch sollte im Verlaufe des Gigs noch eine Steigerung auf ein ordentliches Niveau hinbekommen, lediglich die Drums blieben durchgängig einen Tick zu laut, die Keyboards waren dafür arg unterrepräsentiert, und der Gesang klang völlig komisch, als ob man eine Entfernung von mindestens 150 Metern zwischen der Box und dem Gehör hätte. Letzteres führte bisweilen dazu, daß die Backing Vocals die Leadgesänge zu übertönen drohten, aber da die vielschichtigen Lightmare-Kompositionen sowieso auf unterschiedliche Art und Weise funktionieren, stellte das ein überraschend kleines Problem dar. Die Band mit Rückkehrer Timon am Frontmikro präsentierte sich in blendender Spiellaune und als eingespielte Einheit, obwohl die Livepraxis in letzter Zeit eher mager ausgefallen sein dürfte. Besonders Timons Gesang, der auch größere Höhen immer noch so spielend wie früher meisterte, wußte (wenn man ihn denn mal deutlich vernahm) zu begeistern, aber Chefdenker/Gitarrist Andi stand ihm mit feiner Saitenarbeit in nichts nach. Lightmare kramten einige Male in der gaaaanz tiefen Vergangenheit ("Darkness", "Vampires", "Grave"), spielten natürlich die Highlights des immer noch aktuellen Albums "The Fool" (das ist mittlerweile elf Jahre alt ...) und pflanzten auch einige neue, aber noch unkonservierte (bzw. als Konserve noch nicht regulär fürs Volk erhältliche) Songs ein, wobei etwa "Sense Of Life" auch schon vor fünf Jahren in Chemnitz beim ersten Fear Dark-Festival dargeboten worden war, der Terminus "neu" also etwas zu relativieren wäre. Daß die neuen Songs den Bereich des neoklassischen Metals verlassen würden, stand nicht zu erwarten und passierte auch nicht; die konkrete Einschätzung abseits der prinzipiellen Livetauglichkeit muß einer intensiveren Beschäftigung mit der eines Tages dann hoffentlich mal erhältlichen Konserve vorbehalten bleiben. Lightmare ernteten gute, jedoch nicht euphorische Reaktionen beim zu nicht geringen Teilen relativ jungen Publikum, das, als "The Fool" erschien, gerade eingeschult worden sein dürfte, machten aus ihrer geistlichen Heimat keinen Hehl und ließen zum Leidwesen einiger alter Säcke im Publikum "Bachtro" weg, das angesichts des strikten Zeitplanes auch nicht mehr als Zugabe intoniert wurde (man hatte statt dessen Bloodgoods "Messiah" in der Hinterhand, das aber auch unerklungen blieb).
Setlist Lightmare:
River Of Life
Fear
Rebellion
The Fool
Autumn Of Life
Terrion
Vampires
Grave
Darkness
The One
Sense Of Life
Wooden Cross hatten vor vielen Jahren ihren letzten Gig vor der Auflösung der Band auf einer Lord'sParty-Veranstaltung bestritten und sich extra für diesen letzten LP-Gig noch einmal zusammen gefunden. Daß die Truppe einen gewissen Kultstatus im Vogtland besitzt, wurde schnell am gegenüber Lightmare ein Stück nach vorn rückenden und teilweise richtig euphorisch mitgehenden Publikum deutlich (obwohl auch hier der Vertrautheitsgrad vieler Anwesender mit der Band eher marginal gewesen sein dürfte). Stilistisch war die Truppe erneut nicht einzuordnen, lavierte zwischen Rock, Punk und Ska, hatte einige Hymnen im Gepäck (die entsprechend euphorisch mitgesungen wurden), packte selbstredend die skaimmanenten Blechblasinstrumente aus (in Gestalt einer Trompete), eröffnete gleich mit "Cleaning The Temple", einem ihrer besten Songs, und ließ sich auch danach nicht die Butter vom Brot nehmen, zumindest was die Interaktion mit dem Publikum anging (über ihre songwriterischen Qualitäten darf man geteilter Meinung sein). Die Praxis, die alle vier Bandmitglieder in der Zeit der woodencrossigen Abstinenz in anderen Bands gesammelt hatten, schien auch gewisse Auswirkungen auf die Performance dieses Abends gezeitigt zu haben - jedenfalls machte gerade der gegenüber früheren Gigs doch etwas verbesserte Gesang, was beispielsweise die Tontreffsicherheit anbelangte, einen solchen Eindruck (Drummer Jens etwa ist mittlerweile bei den vielversprechenden Mannheimern Sunburst aktiv), und auch das alles andere als sichere Zusammenspiel nach der langen Pause konnte in den wackelnden Passagen durch die reichere Erfahrung problemloser überspielt werden. Dem Publikum wär's freilich sowieso egal gewesen, denn das feierte die Südwestdeutschen nach allen Regeln der Kunst ab (das Splendid Back-Syndrom, jaja) und geruhte keine (textlich eigentlich durchaus notwendigen) theologischen Reflexionen über "Gandhi" (der umjubelte Setcloser mit dem größten Moshpit des Sets und einem vereinzelten Diver) anzustellen. Rein soundtechnisch stand auch bei Wooden Cross der Leadgesang etwas zu weit hinten, ansonsten war das Ganze relativ ausgewogen. Erwartungsgemäß kam die Band ohne zwei Zugaben nicht davon, und deren erste bildete der Kulthit "Fliegen", von dem der Rezensent zwar immer noch nicht weiß, warum gerade dieses songschreiberische Vakuum zum Kulthit geworden ist, aber sei's drum - er stand mit dieser Meinung relativ alleine da, wie das Szenario nach der zweiten Zugabe demonstrierte, als das Publikum noch minutenlang "Fliegen" mantraartig weitersang und die Band damit förmlich zu Tränen rührte. Das theologische Programm blieb allerdings auch hier erkennbar, indem die Band den auf sie projizierten Dank nach oben weiterlenkte.
Bei bisherigen Lord'sParty-Konzertveranstaltungen hatte man im Regelfall Lightmare ODER Seventh Avenue im Billing gehabt, nun zur Grabsteinparty gab es also Lightmare UND Seventh Avenue. Letztgenannte rechtfertigten ihren hohen Billingsplatz mit der deutlich gesteigerten Publikumsresonanz im Direktvergleich mit Lightmare (sie sind im letzten Jahrzehnt allerdings auch halbwegs konstant aktiv gewesen) und waren sowas wie die LP-Konsensband fürs Publikum mit Geschmack - jedenfalls theoretisch. Praktisch litt allerdings auch ihr Set unter Soundproblemen (bei Wooden Cross war das relativ egal gewesen, aber bei einer detailreich agierenden Band wie Seventh Avenue ist es Gift, wenn man die Leadgitarre kaum erahnt - paradoxerweise hörte man sie am besten vom Tresen der Backstage-Bar im Seitenschiff der Halle, wohin sich der Rezensent beim dritten Song zurückzog), während ein anderes Problem hausgemacht war: Sänger Herbie hatte sich bis zum 2002er Album "Between The Worlds" zu einem achtbaren Vokalisten gemausert, seitdem aber ist ein deutlicher Abfall der Stimmkraft zu konstatieren, besonders was die hohen Passagen angeht. Das hatte zur Folge, daß etwa die Höhenlagen von "Future Tale" vom sowieso nicht sonderlich starken 2004er Album "Eternals" (es gibt Redakteure, die dieses Verdikt nicht unterschreiben, wie in besagtem Review nachzulesen ist) an diesem Abend noch fürchterlicher gepreßt klangen als in der Studiovariante - "ein Fall für den Wick-Rachendrachen" heißt sowas in der metallischen Presse gelegentlich und berührte in der Konzertsituation unangenehm, zumindest den Rezensenten, dem das komische "Raging Fire" (auch von "Eternals") dann den Rest gab und zu erwähntem Rückzug führte. Seventh Avenue sind unbestritten eine Institution im deutschen melodischen Speed Metal, aber der bis "Between The Worlds" andauernde Aufstieg konnte mit "Eternals" nicht fortgesetzt werden, und ob das Ende März 2008 erscheinende Konzeptalbum "Terium" die Band zu alter Stärke zurückführt, darf mit Spannung, aber sicherheitshalber nicht allzugroßer Hoffnung erwartet werden. Einige neue Songs wurden schon mal live vorgestellt, von denen der erste namens "Needs" dadurch negativ auffiel, daß er das komplette Hauptthema von Mind Odysseys "Men Of No Return" klaute, ansonsten aber wenigstens abwechslungsreichen und auf den ersten Hör ganz passablen Melodic Metal bot, wenngleich er mit dem hervorragenden Opener "A Step Between The Worlds" (der durch das nicht minder geniale Intro "Beyond The Ocean" eingeleitet wurde, das nur den Nachteil hatte, daß es soundlich auch so weit nach hinten gestellt worden war, daß man vermutete, die Boxen würden im Wolfsburger Proberaum der Jungs stehen) nicht konkurrieren konnte. Mit "Infinite King" hatte man von "Eternals" noch einen der besseren Songs ins Programm gehievt, aber auch hier bildete Herbies Stimme den Knackpunkt, der einen der Gründe dafür darstellte, daß diese Show wie schon die letzten beiden vom Rezensenten miterlebten (2004 in Oelsnitz und 2006 in Gornau) diesen emotional nicht packen konnten (Lightmare hatten das an diesem Abend noch vermocht, von Wooden Cross war es von vornherein nicht zu erwarten gewesen, bei Saphena scheiterte es aus anderen Gründen); gleichzeitig erwies sich dieser Song auch als lebendes Beispiel für ein zu lange ausgedehntes Mitsingspielchen (wenn keine Steigerung mehr erkennbar ist, das Mitmachen gar abflaut, sollte man lieber rechtzeitig aufhören). In Gestalt von "Levy Your Soul From Hate" legte die Band einen Klassiker vom 2002er Album nach, aber auch hier stand der hervorragenden instrumentalen Leistung (auch leadgitarrenseitig - wie gesagt konnte man diese Komponente vom Nebentresen aus erstaunlich vernünftig hören) ein negativ berührender bis stressender Gesang zur Seite (wenn sich noch jemand an die Amis Griffin erinnert: Deren Sänger William Roderick McKay klang phasenweise ähnlich anstrengend). Nächster neuer Song war "A Crowd In The Dark", über weite Strecken im Midtempo gehalten, aber gegen Ende hin beschleunigend, mit einem starken Hauptsolo und einem ersten großen Break, das ich erst als Konserve (mehrmals) hören will, bevor ich darüber ein Urteil abgebe. Daß in diesem Song das Licht kurz völlig ausfiel, könnte sowohl effekttechnische Absicht als auch passender Zufall gewesen sein. Der Gesangspart nach dem Hauptsolo goß kubikmeterweise Wasser auf die Mühle des Haupttenors dieses Artikels: Die Pause während des Solos hatten Herbies Stimmbänder offensichtlich für eine kurze Erholungspause genutzt, und der unmittelbar einsetzende hohe Part saß, seine Wiederholung nur einige Sekunden später aber starb wieder völlig ab. Ich bin sicher nicht befugt, der Band Ratschläge zu erteilen, aber vielleicht würde Herbie der Band, Teilen des Publikums und nicht zuletzt sich selbst einen Gefallen tun, wenn er einen neuen Sänger in die Band holt und sich aufs Gitarrenspiel konzentriert, worin er bekanntermaßen ein Meister ist. Der reguläre Set endete wie erwartet mit der Hymne "Goodbye", bei der "der Saal weinte" (das soll laut Saphena-Drummer Axel so geschrieben werden - der Wunsch wird postwendend erfüllt) und Herbie den Kultwitz des Abends landete, als er postulierte, er freue sich schon jetzt auf die Reunion-Lord'sParty. Als Zugabe diente traditionell Maidens "Run To The Hills", wozu sich auch der Rezensent nochmal in die zweite der mittlerweile arg gelichteten Reihen begab, feststellend, daß auch dort die Gitarrenleads mittlerweile geringfügig besser zu hören waren - aber der Gesang (wer den Refrain kennt, ahnt, was passiert ist) ... Ich schätze Seventh Avenue nach wie vor als außerordentlich begabte Band (daß Ersatzgitarrist Kai, der den in den USA weilenden Florian vertrat, nach dessen Rückkehr die Band übrigens mit drei Gitarristen weiterarbeiten will, trotz des phasenweise beileibe nicht einfach nachzuvollziehenden, komplexen Materials hundertprozentig integriert wirkte, sprach Bände), aber irgendwie fehlt seit einiger Zeit der letzte Kick (oder überhaupt einer). Bleiben wir also neugierig, was das neue Album so bringt, und haken wir einen Auftritt ab, von dem einige Anwesende wahrscheinlich noch den Enkeln ihrer Geschwister erzählen werden (wenn man die Reaktionen in den ersten drei Reihen als Maßstab hernimmt), der Rezensent aber vermutlich eher nicht.
Setlist Seventh Avenue:
Beyond The Ocean
A Step Between The Worlds
Future Tale
Raging Fire
Iron Man
Needs
Levy Your Soul From Hate
Infinite King
Crowd In The Dark
Goodbye
Run To The Hills
Als Saphena loslegten, war die Geisterstunde bereits vorüber, und der jüngere Teil des Publikums hatte sich schon auf den Heimweg gemacht, was vor der Bühne zu etwas mehr Platzangebot führte, den nun wiederum einige der Verbliebenen für ihre kampfsportartigen Mosheinlagen nutzten. Saphena selbst hatten mit anderen Problemen zu kämpfen. Erstens fiel Zweitgitarrist Ralph aufgrund von Hörproblemen aus, so daß Rob allein an der Sechssaitigen agieren mußte, und zweitens sabotierte der Sound ihren massiv konzipierten Neo Thrash in ziemlich paradoxer Weise. Von Robs Riffing blieb akustisch nahezu gar nichts mehr übrig (das Harmonyspiel hörte man dafür umso besser, was etwa in "Schatten" ganz ungewohnte Höreindrücke hervorrief, nach denen man auch eine astreine melodische Doomkapelle vor sich hätte wähnen können), und Andis Gesang stand ähnlich weit im Hintergrund wie der von Lightmare-Timon, so daß der Hauptteil des akustischen Eindrucks durch die Rhythmusgruppe beigesteuert wurde und man bisweilen arge Schwierigkeiten hatte, die Songs überhaupt zu identifizieren. Irgendwie hatten aber auch diese eigenartig gewichteten Versionen einen gewissen Charme, den man nicht näher beschreiben kann (auf DEN konsequenten melodischen Doomsong als "Schatten"-Nachfolger warte ich ja fürs zweite Album), und in Relation zur geringeren Publikumsanzahl konnten auch Saphena durchaus ordentliche Resonanzen hervorrufen, zumal sie die Möglichkeit des um 20% reduzierten Bühnenpersonals nutzten, um auf der nicht sonderlich geräumigen Bühne ordentlich herumzutoben, was bisweilen fast in kleine Machtkämpfe zwischen Andi und Rob ausartete, aus denen sich Bassistin Silvi lieber heraushielt. Trotz aller freigesetzter Energie endete der Gig und damit auch die Existenz des Lord'sParty-Projektes doch in harmonischem Gitarrengedröhn. Die Schlußworte zu sprechen blieb Projekturgestein Mario vorbehalten, dem dieselben bisweilen zu fehlen drohten und der seine kurze Grabrede samt Schlußgebet unter das Motto "Nicht traurig sein, daß es sie nicht mehr gibt, sondern dankbar sein, daß es sie gegeben hat" stellte. Amen.
Setlist Saphena:
Gefangen
Sie
Keine Antwort
Endlos
Schatten
Gestern
Die Schlacht
Der Gott
Be Free



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver