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Fear Dark-Festival mit Morphia, Eluveitie, Royal Anguish, Saphena, Taketh 27.05.2006 Chemnitz, Atomino
von rls und mic
Back to the roots: Nach zwei Jahren im Alten Gasometer zu Zwickau kehrt das Fear Dark-Festival nach Chemnitz zurück, allerdings nicht in den ZV-Bunker, sondern ins geringfügig geräumigere Atomino, dessen Füllungsgrad durchaus ansehnliche Ausmaße annahm. Der diesmal später im Jahr liegende Termin bewahrte nicht vor Schlechtwetter, diesmal in Gestalt von Dauerregen, und man hatte von Zwickau auch die Soundprobleme mit herübergebracht, wenngleich in etwas anderer Form als im Gasometer, der 2004 ein völlig übles Ergebnis gezeitigt hatte, während ich 2005 doch eher angenehm überrascht worden war, wenngleich das Resultat noch nicht optimal war. Zu dem, was 2006 passierte, später mehr.
Irgendwie brachten sowohl mic als auch ich es fertig, zu spät einzutreffen, während das Festival diesmal tatsächlich halbwegs pünktlich begann - so verpaßten wir beide den Opener Taketh (eigentlich hatte ich an dieser Billingsstelle ja Saphena vermutet, aber das war wohl nochmal umdisponiert worden). Aber netterweise sprang Thoralf Bach von Exaudi als Gastschreiber in die Bresche: (rls)
Den Auftakt machten Taketh, hervorgegangen aus der vielleicht manchem noch bekannten Band Pergamon. Angekündigt als Melodic Death Metal, heizten sie dem zahlreich erschienenen Publikum mit typisch nordischen Gitarrensounds und ordentlich bearbeiteten Schlagzeugfellen kräftig ein. Der meist gekreischte Gesang von Vocalist David Dahl fügte sich gut ins Soundgewitter der Schweden ein. Taketh verstehen es, Melodien geschickt in ihren Songs zu verpacken und ihnen damit Atmosphäre zu verleihen. Ein gelungener Start an diesem Abend mit einer Band, die man unbedingt weiter beobachten sollte. (Thoralf Bach)
Saphena eröffneten ihren Set mit "Gefangen", präsentierten das peitschende "Keine Antwort" und punkteten mit Songs wie "Endlos" und "Schlacht" bis zum abschließenden "Der Gott". Livehaftig gaben sie einige ihrer fetzenden Songs vom pressfrischen Longplayer "Das Leben wird zu Glas" und luden zur Feier des Abends zum Kopf- und Haareschütteln ein. Auch bauten sie dieses Mal wieder voll auf die Livedarbietung auf der Bühne:
Axel Kunz bediente sich an der Schießbude und prügelte seine Felle windelweich, die Basserin, Silvia Leistner, trat mit ihren tiefen Tönen sanft in die Magengrube und die beiden Gitarristen Ralph Leistner und Robert Kunz verwöhnten mit melodisch dahinschwebenden und druckvollen Klangfarben ... Auch der dreckige Brüllgesang von Andreas Herrmann verfehlte seine Wirkung nicht. Der Frontkreischer hat nicht nur eine ordentliche Stimme, sondern erwies sich auch als wuselnder Gummiball on stage. In den Refrains gibt's neben den wütenden Shouts auch cleanen Gesang dazu.
Die Mitglieder der Gruppe aus dem Chemnitzer Raum hängen sich treffsicher in ihre Instrumente rein und spielen sie mit einer unglaublichen Energie - mal tief nach vorne gebeugt, mal in breitbeiniger Rocker-Pose oder auf den Knien liegend. Alles war darauf ausgelegt möglichst derb, rau und böse zu klingen, was auch vortrefflich gelang. Saphena schafften es sogar bei ihrem wuchtigen Heimspiel das etwas schwerfällig wirkende, ja nahezu hüftsteife Publikum mit ihren Nackenkrachern zu mobilisieren.
Mit guten tiefer bohrenden deutschen Lyrics. Texte, die jeden aufhorchen lassen und - manchmal fragend - persönlich interpretiert werden wollen. Hier eine kurze Textpassage mit eindringlichem Sinn als Appetitmacher:
Ein Tropfen Blut ist, was ich will
Das Licht geht an und es wird still
Das Leben wird zu Glas und ich fühl
Ein Tropfen Blut ist genug"
Dennoch muss festgehalten werden, dass es sowohl Licht als auch Schatten gab. Bemängelt werden müssen zum Beispiel die Gitarren in der Ankurbelphase, von denen man kaum etwas vernehmen konnte. Das änderte sich aber glücklicherweise nach den ersten paar Songs.
Setlist Saphena:
Gefangen
Keine Antwort
Endlos
Schatten
Niemals
Sie
Feuer
Schlacht
Der Gott (mic)
Hatten schon Saphena mit dem Sound zu kämpfen, so waren Royal Anguish die Hauptleidtragenden des Abends. Mikros erzeugten permanente Rückkopplungen oder fielen gleich ganz aus, und die Gitarristen sah man zwar spielen, nur hören konnte man sie nahezu überhaupt nicht, was auch auf den glatzköpfigen Keyboarder zutraf. Das war sehr schade, denn was man erahnen konnte, ließ auf eine hübsche Mixtur aus Death und Black Metal schließen, und ein Song wie "The Tale Of Sullen Eyes", der aktuellen EP entnommen, klang schon in der wahrnehmbaren Basisversion mehr als interessant. "Hybrid Metal" nannte die Band zur Zeit ihres 2003er Albums "Mysterion" ihren Sound (wohingegen sie auf ihren ganz frühen Demos Anfang der 90er noch mehr oder weniger simpen Death Metal gespielt haben soll), ein paar doomige und/oder atmosphärische Passagen gesellten sich zur genannten Mixtur, und eine klassische Sängerin, die nicht selten in schwindelnde Sopranhöhen hinaufglitt und dort auch mehr als deutlich zu hören war, duellierte sich mit Frontschrat Matt. Schade, daß man sich das alles akustisch nicht so richtig gönnen konnte - diese Band will ich auf alle Fälle nochmal mit klarem Soundgewand hören. (rls)
Was die technische Infrastruktur angeht, gab es an diesem Abend ein mittleres Chaos, was für Punktabzüge sorgte. Ungefähr eine dreiviertel Stunde allein ging drauf, um alles so zu verkabeln, dass Eluveitie überhaupt spielen konnten. Banges Warten und sie standen regungslos auf der Bühne ... Mit zunehmender Dauer wirkte dadurch auch das erwartungsvolle Metal-Volk des Liebhaberfestivals genervt. Ich hatte schon leise befürchtet, dass die Truppe aus der Schweiz in einer von Leuten leergefegten Location spielen müssen, ohne dabei die Chance haben zu dürfen, die hartgesottenen Fans in den siebten Metal-Himmel zu befördern. Natürlich gibt's an dieser Stelle ein dickes Lob an die gastierenden Zuschauer fürs ausdauernde (wenn auch langatmige) Warten bis zum Startschuss.
Zu der nun schon späteren Stunde waren die herzerfrischenden Mittelalter-Folk-Metaller Eluveitie endlich an der Reihe. Die Band, bestehend aus 9 Musikern, verbreitete von Anfang an gleich gute Laune mit mittelalterlichen Treiben und einer verblüffenden Vielzahl an Instrumenten. Darunter waren unter Anderem Dreileier, Dudelsäcke, Geige, jede Menge Flöten, u.v.a.
Man merkte den Musikern an, wie sehr sie in ihrer Musik aufgingen und gerade das machte sie so reizvoll. Eluveitie live, das macht richtig Spaß und Herz wie auch Kopf kommen genauso zum Zuge. Spieltechnisch war dieser Part geprägt von einer Mischung aus keltischer Folklore, mittelalterlicher Marktmusik und Brachialmetal.
Die Reaktionen des Publikums waren überaus positiv und Eluveitie gewannen durch eine authentische und somit liebenswerte Art die Herzen der Fans. Eines der schönsten Stimmungshochs - mehr Glanz zauberte beinahe keine andere Band an diesem Abend in diese Hütte.
Ein Topgig, der einmal mehr die außergewöhnliche Klasse dieser Band unterstrich. Originalität, Atmosphäre, Feeling, blendende Spiellaune - alles war in großem Maße vorhanden. Das Auditorium anerkannte das ehrliche Bemühen der Musiker auf der Bühne, von wo aus sie selbst leider nicht viel von ihrem Sound vernehmen konnten. Doch für die akustischen Handicaps konnten sie nichts. Die Soundprobleme waren insofern schade, da gerade die vielen schnellen Passagen im Liedgut der Schweizer nach einem transparenten Sound verlangten, so aber manchmal in einem ziemlichen Brei untergingen.
Aktivposten der tanzbeinschwingenden Rhythmen war der bangende Lockenkopf (dessen Zwillingsbruder auch mit in der Bande dabei ist), der mit seiner Flöte förmlich verschmolz. Gespielt wurden Songs von der gerade erst bei Fear Dark erschienenen CD "Spirit". Die Texte der Band orientieren sich an der Geschichte, dem täglichen Leben und der Spiritualität des keltischen Stammes der Helvetier und sind teilweise in einer rekonstruierten Form des helvetischen Gallisch geschrieben. So ist auch der Name der Band selbst aus dieser Sprache und bedeutet soviel wie: "Ich, der Helvetier".
Ein Auftritt dieser Band geht rum wie nix und dabei könnte man dem Neuner doch ewig zuschauen. Eluveitie meisterten ihre Aufgabe mit Bravour, so dass die Musiker unter großem Applaus die Bühne verließen.
Setlist Eluveitie:
Spirit
Your Gaulish War
The Song Of Life
The Dance Of Victory
... Of Fire, Wind & Wisdom
Aidû
Tegernakô
Andro
Großen Dank an www.whirlwind-records.de, die dieses kleine, aber feine Festival organisiert haben. (mic)
Den Schlußpunkt des Gigs setzten Morphia. Die hatten unlängst ein Drittel ihrer Bandmitglieder verloren, und die Frage blieb spannend, ob sie adäquaten Ersatz haben finden können. Den vakanten Baß übernahm Sänger Jasper gleich mit - kein Problem also, wenngleich er dadurch in seiner Bewegungsfreiheit einen Tick eingeschränkt war und nicht mehr ganz so bühnenaktiv wirken konnte wie früher. Auch der neue Zweitgitarrist Vince machte seine Sache gut, zumindest was seine Gitarrenarbeit betrifft. Nur in einem Punkt konnte er seinen Vorgänger Roger nicht ersetzen: Dieser hatte nämlich live die zweite klare Stimme (neben Keyboarder Peter) übernommen, und exakt die fehlte nun in den beiden Zentralpassagen mit "extremen Emotionsschüben", wie Kollege Tobias es in seinem CD-Review zu "Frozen Dust" so schön ausgedrückt hatte, nämlich in "Again" (Setopener) und besonders in "Emptiness" (Setcloser - nie wurde Melancholie besser in akustische Szene gesetzt als im ausgedehnten "A place inside my heart is empty"-Schlußpart). Aber dieses Lamento des Rezensenten ist Jammern auf hohem Niveau, denn ansonsten überzeugten Morphia auf der ganzen Linie mit ihrem elegischen Doom/Death Metal und hatten zudem plötzlich einen wunderbar klaren Sound, der selbst kleinere Details zur Wirkung kommen ließ. Neben den beiden erwähnten Songs kam mit "When Silence Fell" noch ein weiteres Mal "Frozen Dust"-Material zum Zuge, dazu noch dreimal "Fading Beauty"-Stoff - fertig war ein hervorragender Auftritt, der sich würdig in die Galerie der von mir bisher erlebten Morphia-Gigs einreihte und selbstredend nicht ohne eine Zugabe abgeschlossen werden konnte. (rls)
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