www.Crossover-agm.de V.A.: Camelot/Nightprowler - Stranger In The Twilight/Nightprowler
von rls

V.A.: Camelot/Nightprowler - Stranger In The Twilight/Nightprowler   (Karthago Records)

Bisher war jeder Teil der "Heavy Metal Classics"-Re-Release-Serie einer einzelnen Band gewidmet - der Fall, daß Material mehr als einer Combo auf ein und derselben Scheibe stand, trat höchstens beim Bonusmaterial auf, das z.B. bei Hammerschmitt von einem neuen Bandprojekt des alten Sängers stammte. Das ist bei vorliegendem Teil 29 der Serie nun anders, denn der vereint zwei Shortplayer nordrhein-westfälischer Bands, die augenscheinlich personell nichts miteinander zu tun hatten.
Da wären zunächst die Wuppertaler Camelot, die zwar nicht mit den ab den Neunzigern aktiven und deutlich bekannteren Amerikanern Kamelot verwechselt werden dürfen, aber den Anhängern von deren Frühphase trotzdem durchaus empfohlen werden können, denn wer sich eine weniger progressive und auch die Düsternis späterer Alben nicht reproduzierende Version von Kamelot vorstellen kann, der liegt gar nicht so falsch, wenn es um den Stil der vier Songs der einzigen EP "Stranger In The Twilight" geht. Camelot dachten ihre Kompositionen allerdings deutlich aus dem Melodic Metal bzw. partiell sogar dem Melodic Rock heraus, weshalb sie auch schon als zweiten Song eine Halbballade brachten, eine nicht mal schlechte übrigens namens "You Came For Me", die nur etwas unter der unmotiviert wirkenden Ausblendung am Ende leidet, nachdem kurz zuvor mit einer plötzlichen Tempobeschleunigung noch ein unerwartetes zusätzliches Spannungsmoment eingeflochten worden war. Die vier Songs bewegen sich alle um die Fünfminutengrenze herum, der relativ flotte Opener "Young Man" ist mit 4:53 der kürzeste Beitrag. Bisweilen denkt man an eine wesentlich unbombastischere und mit dezenteren Keyboards versehene Version von Ten - Tastendrücker Benedikt Koch wird nur als Gastmusiker geführt, das Quartett hat auch nur einen Gitarristen. Der, namentlich Ronnie Rodney, versteht sein Handwerk allerdings ausgezeichnet, wie nicht zuletzt das großartige Hauptsolo in "Working Hard" unterstreicht, das bisweilen an eine ausgedehntere und etwas gehärtete Version des Solos auf der Maxiversion von Clowns & Heldens "Ich liebe dich" erinnert. Die Ein-Gitarristen-Situation findet auch im Studiomaterial ihre Entsprechung - diverse Soli, etwa im abschließenden "I'm A Tramp", werden nicht oder nur dezent von einer Rhythmusgitarre untermalt, damit die Livesituation replizierend. Im Karthago-Katalog findet sich mit Mirage noch eine weitere passende Vergleichsband, und auch die Pretty Maids schielen hier und da mal um die Ecke. Die 1988 veröffentlichte Vier-Track-EP, aufgenommen übrigens im schon damals relativ bedeutenden Franz K. Studio in Witten, blieb das einzige offizielle Tondokument des Quartetts (das restlos unauffällige Cover wird ebenso zum mäßigen Erfolg der Scheibe beigetragen haben wie der sehr überschaubare Status des Labels Steps Records), das sich bei den nächsten Aufnahmen im Winter 1988/89 nicht auf eine stilistische Ausrichtung einigen konnte und daher seine Aktivitäten einstellte. Veröffentlichbare Tonzeugnisse scheinen in dieser Finalphase nicht mehr entstanden zu sein, denn Bonustracks aus der Feder Camelots enthält die CD nicht.
Beim Bandnamen Nightprowler denkt man natürlich zuallererst an AC/DC, aber die Bandhymne ist eine Eigenkomposition und keine Coverversion der Australier. Die haben zwar prinzipiell durchaus Spuren im Sound der Düsseldorfer Formation hinterlassen (man nehme mal gleich das Eröffnungsriff von "Attention" her), aber prägender dürften Motörhead gewesen sein, wobei das Quintett aus der Landeshauptstadt die berühmten Briten nicht kopierte, sondern ähnlich wie etwa Tank deren Sound in ihrer eigenen Weise interpretierte und sich im Spannungsfeld zwischen Rock'n'Roll und Metal eine Nische zu suchen trachtete, was in den Mittachtzigern noch deutlich einfacher war als heutzutage. Einziges offizielles Tonzeugnis wurde eine mit einem kultigen Fledermauscover ausgestattete Single mit "Attention" und "Nightprowler" bzw. "Night Prowler" (es finden sich auf der CD beide Schreibweisen), die 1986 veröffentlicht wurde, allerdings scheinbar zu einem Zeitpunkt, als das Originalquintett schon auseinandergebrochen war - das Booklet enthält serienüblich auch die Rückseite der Originalveröffentlichung als Faksimile, und dort ist um das Bandfoto eine Schmuckkante mit dem Spruch "Schlafe wohl - Ruhe sanft" gezogen. Zwar arbeiteten wechselnde Besetzungen noch einige Jahre weiter, aber zu Veröffentlichungen kam es nicht mehr, und so speist sich das Bonusmaterial aus anderen Quellen. Zunächst wäre da eine Demoaufnahme von 1984, die neben einer Frühfassung der Bandhymne (die nicht auf die CD übernommen wurde) noch zwei weitere Stücke enthielt, die auf der CD den Singletracks folgen. Da wäre zunächst das knapp siebenminütige "Truck Driver", das im rauhen Hardrock angesiedelt ist und mit dem langsamen Mittelteil einen interessanten Spannungsmoment enthält. Sänger Max Steglich klingt hier noch etwas melodischer als später bei den Singleaufnahmen, wobei er allerdings auch dort noch deutlich klarere Linien als Lemmy fährt - die zugänglicheren Sangesmomente von Gorilla-Monsoon-Fronter Jack Sabbath taugen gleichfalls als Anhaltspunkt. Titelgemäß mehr Rock'n'Roll-Elemente enthält "Rock'n'Roll Lady", wo Leadgitarrist/Bandkopf Tucky Ptak im Solo zudem auf eine klassische Tonfolge dieses Genres setzt. Die restlichen Bonustracks, die die CD letztlich auf 55 Minuten Spielzeit bringen, sind entweder weitere Demos unbekannter Zeitstellung oder aber Livemitschnitte unbekannter Herkunft mit partiell etwas zu schepprigen Becken, aber ansonsten durchaus annehmbarem Klanggewand, wobei man allerdings so gut wie kein Publikum wahrnehmen kann. Hier tritt der Rock'n'Roll gegenüber dem Hardrock deutlich in den Hintergrund, wenngleich sich trotzdem diverse diesbezügliche Anklänge finden lassen. Zwei dieser Nummern wurden als Hidden Track versteckt und geben ihre Identität ohne weitere Informationen nicht preis. Die schepprigen Becken des ersten Songs, der an Nr. 21 steht, klingen so wie in "Alcohol" und der Rest der Instrumente noch räudiger, und die anfangs gebrüllte Ansage "S.O.B." findet sich als Refrain wieder, so daß es sich a) wirklich um einen Livemitschnitt handeln dürfte und b) damit auch der Titel gegeben sein dürfte, dessen Auflösung "Son Of A Bitch" sich im Refraintext auch noch findet, wobei es sich allerdings nicht um ein Accept-Cover handelt. Song 22 wiederum ähnelt soundlich eher "Black Sheep", verzichtet ganz auf Rock'n'Roll und läßt anhand des Gesangs und Refrains keine verständlichen Rückschlüsse auf einen Titel zu - Steglichs rauhes "Yeah, danke" zum Schluß verrät lediglich wieder die Liveherkunft. Schlecht ist das Nightprowler-Material nicht, aber heutzutage eher aus historischer Sicht interessant (der Live-Unterhaltungswert dürfte freilich durchaus nicht gering gewesen sein), während Camelot das Zeug zu mehr gehabt hätten und sich die vier Songs auch heute noch mit Abstrichen gut anhören lassen.
Kontakt: www.karthagorecords.de

Tracklist:
Camelot: Young Man
Camelot: You Came For Me
Camelot: Working Hard
Camelot: I'm A Tramp
Nightprowler: Attention
Nightprowler: Nightprowler
Nightprowler: Truck Driver
Nightprowler: Rock'n'Roll Lady
Nightprowler: Alcohol
Nightprowler: Black Sheep



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver