www.Crossover-agm.de HAMMERSCHMITT: Airborn
von rls

HAMMERSCHMITT: Airborn   (Karthago Records)

Nachdem bei Karthago Records ja schon das Asgard-Album "Dark Horizons" wiederveröffentlicht worden und damit der Kontakt zu deren damaliger Gitarrenhälfte Andreas Püschel hergestellt war, lag es nahe, in dessen Vergangenheit noch ein wenig tiefer zu graben: Bevor er Iron Breed gründete (die sich später in Asgard umbenannten), spielte Püschel bei der Formation Hammerschmitt aus Falkenstein im Taunus, die sich in den Frühachtzigern vom Deutschrock immer weiter in die metallische Richtung entwickelten. 1984 erschien ein Demo und 1985 dann eine selbstbetitelte LP, die das Rockport-Label leider mit einem selbst im Achtziger-Maßstab recht peinlichen Cover versah, das es schon damals schwer machte, freiwillig zuzugreifen, wenn man die Band nicht aus einem anderen Kontext positiv in Erinnerung hatte. Ergo passierte in der Zukunft nicht mehr viel, die Band warf schließlich das berühmte Handtuch, und die weiteren musikalischen Aktivitäten der Mitglieder fanden nur noch äußerst überschaubare Aufmerksamkeit (ja, auch Asgard, denn deren erwähntes Album ging ebenfalls völlig unter). Hört man die neun Songs der LP mit einem knappen Vierteljahrhundert zeitlichem Abstand, so fällt auf, daß die Band durchaus mit Können aufwartete und insgesamt eher britisch als typisch deutsch klang. Das sah auch Arno Hofmann so, der die Band im Buch "Heavy Metal made in Germany" irgendwo zwischen Maiden und Priest einsortierte, und diese Einschätzung bestätigt sich beim Durchhören auch, wobei die Mischung etwas mehr Maiden als Priest enthält. Deutlich wird die Kombination, wenn man die Songs an Position 3 und 4 in der gegebenen Reihenfolge hört: "The Devils Cry" enthält in seinem schnellen zweiten Teil deutliche Maiden-Referenzen, während das eher stampfende "Big City Action" an Priest (und eben nicht an Accept, wie das bei jeder zweiten deutschen Band damals der Fall war) erinnert. Das dreiminütige Intro "Line Of Meridian" hat den Hörer schon gut auf das Folgende vorbereitet, und auch "Race To Hell" fällt keineswegs so klischeehaft aus, wie man anhand des Titels vielleicht vermutet bzw. befürchtet hatte. Wohl der beste Song der Platte ist allerdings das flotte "I Go My Way", das mit den teils zweistimmigen Gesängen, der lockeren Herangehensweise und der eigenartigen Solostruktur (die "Solozeilen" sind zu lang, um in das gängige Vierermetrum zu passen, und machen daher jeweils noch ein Zusatzbreak am Ende notwendig - eine Praxis, die heute zum gängigen Handwerkszeug jeder Progmetalband gehört, damals aber noch Seltenheitswert besaß) am weitesten aus dem gängigen Mittachtziger-Metal-Schema ausbricht, aber sich nicht so weit aus dem Fenster lehnt, daß der Metalfan einen Absturz befürchten muß. Interessanterweise gibt es zwei Songs weiter, im zum Titeltrack des vorliegenden Re-Releases erkorenen "Airborn", noch einmal recht vertrackte Strukturen im Hauptsolo, und auch im Closer "Bringer Of War" schlägt Drummer Ralf Deutscher in der ersten Songhälfte zwischen den maidenlastigsten Parts des ganzen Albums mal recht außergewöhnliche Rhythmen an - scheint ein beliebtes Stilmittel bei der damaligen Songwritingfraktion der Band gewesen zu sein. Eine Ballade für die Mädels hatten Hammerschmitt natürlich auch im Gepäck, sie hört auf den Namen "Tears In My Eyes" und kommt insgesamt erfreulich unpeinlich rüber, wenn man das in diesem Titel besonders stark wahrnehmbare "deutsche" Englisch Edu Kellers mal ausklammert. Überhaupt liefert der Sänger insgesamt eine gute Leistung ab - keine sehr gute, denn dafür hätte es noch etwas mehr Treffsicherheit bei den Melodielinien bedurft, um diese etwas klarer auszugestalten. Aber er erreicht die Höhen gut, bleibt überwiegend allerdings im halbhohen Bereich, meist nur in einzelnen Schreien seine obere Tonlagengrenze ankratzend. So bekommt der Hörer 40 Minuten guten Mittachtziger-Metal, der übrigens trotz des von Motörhead inspirierten Bandnamens (das kann man jedenfalls einem der historischen Zeitungsausschnitte im Booklet entnehmen, der leider nur unter dem Mikroskop lesbar ist) musikalisch zu keiner Zeit an Lemmy & Co. erinnert.
Nun hätte man als Bonus für den Re-Release (der nicht nur einen neuen Titel, sondern auch ein neues Cover hat - das alte findet man im Inneren des Booklets abgebildet, zusammen mit den Songtexten, Liner Notes von Andreas Püschel und Edu Keller sowie ein paar historischen Dokumenten in winziger Größe) ja eigentlich die fünf Tracks des 1984er Demos noch mit draufpacken können, zumal für die LP nur "The Devils Cry" noch einmal neu eingespielt wurde, die anderen drei Songs plus Intro (sofern letzteres nicht mit "Line Of Meridian" identisch sein sollte) also in den Archiven verblieben. Aber man hatte schon für das Album keine vernünftige Vorlage auftreiben können (das stellenweise Geknister verrät, daß man das Material von einer LP abnehmen mußte), und vom Demo hat es wahrscheinlich auch keine gegeben. Diese im editorischen Sinne beste Lösung mußte also der zweitbesten weichen: Sechs Bonustracks entstammen zwei aktuellen Bandprojekten von Andreas Püschel. Da wären zum ersten Edu & die Handtuchleger, bei denen - man hatte es vermutet - auch Edu Keller am Mikro steht. Mit dieser Truppe gehen Keller und Püschel quasi zu den Wurzeln Hammerschmitts im Deutschrock zurück, allerdings in die satirisch-bösartige Ecke. Fans von "Per Anhalter durch die Galaxis" müssen sich unbefriedigt wieder hinlegen, denn das Handtuchlegen geißelt die Praxis der Touristen, in den Hotelbettenburgen im Süden Liegen am Pool frühmorgens mit Handtüchern zu besetzen. Da dieses Problem international ist, gibt es den Song einmal mit deutschen und einmal mit englischen Lyrics, wobei in der englischen Fassung die Szene, in der der deutsche Tourist seinen Hund Rex beauftragt, die Liege zu bewachen, fehlt. "Schina" wiederum entstand im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking und handelt den "Burgfrieden" rings um die Spiele ab - mit dem Vergleich mit den Spielen 1936 in Berlin wird sich Keller wohl nur wenig Freunde machen (der Direktvergleich ist noch "politisch korrekt", aber einige andere Anspielungen dürften der p.c.-Fraktion doch recht sauer aufstoßen). Die drei hinteren Tracks stammen von König Kuno, der praktisch die drei Handtuchleger hinter sich hat und hinter dem sich Olaf Dietzel verbirgt - noch eine alte Seilschaft Püschels, denn das ist der Ex-Sänger von Asgard. Hier freilich gibt's wieder eine ganz andere Stilistik, quasi auch Deutschrock, aber mit deutlich erhöhter Härte gespielt. Die geht mal in Richtung Totenmond ("König Kuno"), ohne freilich deren Abgründigkeit und Fiesheit zu erreichen, mal in Richtung Maiden ("Stimmen"), wobei man freilich die Stimme und die Leadgitarre nicht nur in Parallelen hätte führen können, und mal in Richtung epischen Power Metals ("Letzter Kampf"), für den das Verdikt des Vorgängers analog zutrifft. Dazu singt Dietzel mit einer tiefen und rauhen Stimme, die das Heraushören der Melodien nicht ganz einfach macht (vielelicht ist das mit der Parallelführung also auch pädagogisches Stilmittel zur Erschließungserleichterung). Keine schlechten Beigaben also und zumindest eine professionelle Realisierung der zweitbesten Lösung, die eine interessante Wiederentdeckung abrundet.
Kontakt: www.karthagorecords.de

Tracklist:
Line Of Meridian
Race To Hell
The Devils Cry
Big City Action
I Go My Way
Tears In My Eyes
Airborn
Victims
Bringer Of War
Handtuchleger
Towel War
Schina
König Kuno
Stimmen
Letzter Kampf
 





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