www.Crossover-agm.de ASGARD: Dark Horizons
von rls

ASGARD: Dark Horizons   (Karthago Records)

Von den drei in den Endachtzigern bzw. Frühneunzigern in Europa unter dem Namen Asgard hart rockenden Bands war diese hier sicherlich die unbekannteste. Wir erinnern uns: Es gab die italienischen Proggies, die es auf mindestens vier Alben brachten, es gab die holländischen Thrasher, die ihr Album "In The Ancient Days" immerhin bei Noise veröffentlichen konnten (was ihnen allerdings auch nichts nützte, aber zumindest einen gewissen Status offenbarte, denn 1986 bürgte ein Noise-Deal noch mehr oder weniger automatisch für Qualität), und dann gab es eben noch die Frankfurter Power Metaller, die mancher noch unter dem Namen Iron Breed kannte, unter dem ein Demo namens "Victory" und zwei Songs auf dem "Metal Hour"-Sampler erschienen waren. Nach einem Jahr Auszeit fanden drei der Iron Breed-Musiker unter dem Namen Exray wieder zusammen, stockten die Besetzung wieder auf ein Quintett auf, spielten zwei Demotapes ein, benannten sich abermals um, brachten die "Dark Horizons"-LP unter dem Namen Asgard heraus und streckten dann irgendwann die Waffen. Zwei der Musiker blieben der Szene erhalten, nämlich Drummer Martin Winter bei Squealer und als Bekanntester wohl Bassist Tomi Göttlich, dem die Metalwelt das Konzept für eines der besten Power Metal-Alben der 90er verdankt: "Tunes Of War" von Grave Digger - heute spielt der Mann bei Rebellion. Schade ist freilich, daß die Gitarristen nichts mehr von sich hören ließen, denn Andreas Püschel (den der Metalhistoriker noch von Hammerschmitt kennt) und Jörg Gehlhaar stellten besonders mit den neun Songs der LP unter Beweis, daß sie absolute Könner waren - die große Leistung wird noch deutlicher, wenn man weiß, daß alles komplett live und ohne Overdubs eingespielt wurde. Vom Songwriting her steckte die Band allerdings in einer Zwickmühle. Man versuchte sich vom gängigen Power Metal durch deutlich anspruchsvollere Songstrukturen etwas abzusetzen, erreichte damit aber Komplexitätsgrade, die den gemeinen Power Metal-Fan damals noch überfordert haben dürften (sie wurden gerade erst durch Iced Earth salonfähig gemacht), wohingegen der Progmetalfan Asgard aber als Power Metal-Combo konnotiert hatte und sich, wenn er überhaupt auf sie stieß (was bei der damaligen Releasestruktur über Metal Enterprises durchaus schwierig war, so daß wieder mal nur die Japaner hellhörig wurden), nicht für sie interessierte. Songs wie "Hero's Tears" oder der Titeltrack weisen nicht nur Überlänge auf (oft mehr als acht Minuten), sondern wimmeln beispielsweise auch von nicht vorbereiteten Tempowechseln und ähnlichen Überraschungen zumeist allerdings positiver Natur. Den technisch äußerst ausgefeilten, teils ruhigeren Mittelpart von "Hero's Tears" etwa hätte man an dieser Stelle in dieser Ausgedehntheit und Komplexität sicher nicht vermutet, und rein von der instrumentalen Eleganz hätte dieser Song als Titeltrack der gleichnamigen Sortilége-Platte durchaus auch eine prima Figur abgegeben. Die Einschränkung auf den instrumentalen Part ist allerdings nötig, denn am Mikro steht mit Olaf Dietzel ein Mann, der eher der Kategorie Chris Boltendahl zuzuordnen ist, allerdings noch etwas unkontrollierter singt und daher zumindest in die Kategorie "gewöhnungsbedürftig" fällt. Ein weiterer passender Vergleich für ihn ist der frühe Rock'n'Rolf, wenngleich man bis zum achten Song "Riders Of The Storm" vordringen muß, bis einen dieser Vergleich förmlich anspringt - dieser Song hätte nämlich auch instrumental zu Running Wild gepaßt, ausstaffiert gleichfalls mit einem teils ruhigen und fein ausziselierten Mittelteil. "The River", das den regulären Albumteil abschließt, wirkt allerdings ein wenig, als ob die Pferde mit der Band durchgegangen wären, wenn sie (kein Scherz) Elemente von Glamrock (hört mal genau auf das Gitarrenriff) und Progmetal (die Rhythmusarbeit und die komische Songstruktur) zu kreuzen versuchen. Vielleicht muß man diesen Song mindestens 23mal hören, um ihn zu verstehen, aber soviel Zeit ist hier gerade nicht. Daher gleich weiter zu den sieben Beigabesongs dieser Wiederveröffentlichung, die soundlich nochmal ein Stück abfallen (da leiert das Tape halt auch mal ein bißchen), obwohl schon "Dark Horizons" den Standard der damaligen Zeit nicht halten konnte und eher demomäßig-polternd klingt (zudem mußte die CD offensichtlich von einer LP abgenomnmen werden, so daß sie des öfteren vor sich hin knistert). Angeordnet sind sie in umgekehrt chronologischer Reihenfolge, beginnend also mit "On The Run" und "Highland Pride" vom zweiten Exray-Demo "Time For Exray". Schon hier fällt auf, was die Gitarristen draufhaben, die Songstrukturen sind ähnlich komplex wie die der späteren Albumtracks, und "Highland Pride" stellt gar einen kleinen Vorboten für die thematische Ausrichtung von "Tunes Of War" dar, sogar mit Übernahme ganzer Textzeilen. Am Frontmikro steht hier übrigens noch ein gewisser Kuno, aber es ist zu vermuten, daß es sich nur um ein Pseudonym von Olaf Dietzel handelt, denn die Stimmen ähneln sich doch relativ stark (wenngleich die auf dem Demo geringfügig "sauberer" klingt). Das "Demo 5/88" von Exray stellt gleichfalls zwei Songs, eingespielt noch mit Volker Kostorz anstelle Andreas Püschels an der einen Gitarre und zudem mit Dirk Mühlig als Sänger. Der klingt nun wirklich anders, noch etwas sauberer und hörer, aber trotzdem leicht angerauht, und in diesen Songs wird zugleich die Entwicklungslinie der Band vom "einfachen" Power Metal hin zur erhöhten Komplexität deutlich. Das läßt sich auch anhand der drei Iron Breed-Songs nachvollziehen: "Born To Rock" und "The Fall Of The Warlord" vom "Metal Hour"-Sampler und "Get Ready" vom "Victory"-Tape beinhalten zwar auch schon einzelne technisch anspruchsvollere Elemente, siedeln aber noch weitgehend im geradlinigen Power Metal, der abgesehen von der Stimme (hier singt wieder bzw. vielmehr noch Kuno und kreischt mitunter auch in großen Höhen herum) allerdings nicht diesen typischen teutonischen Touch aufwies, wie ihn Accept zu einer Art Markenzeichen entwickelt hatten. Und in "The Fall Of The Warlord" bewiesen Iron Breed schon damals, daß sie auch vor Akustikpassagen keine Angst hatten und zudem Black Sabbath-Platten aus den Siebzigern besaßen (wie sonst wäre der Leadgitarrensound zustandegekommen, den Tony Iommi an einigen wenigen Stellen seines Frühschaffens auch mal eingesetzt hatte?). Das Coverartwork wurde vom Originalalbum übernommen (also die IKEA-Fassung eines Wikingerbootes), und das Booklet hat mit ausführlichen Liner Notes und den Lyrics zumindest der regulären Albumsongs durchaus auch Referenzcharakter. Dazu gibt's ein paar Bilder, u.a. eine Albumkritik zu "Dark Horizons" aus einem Stadtmagazin und ein Foto aus Exray-Tagen (die hatten damals sogar metallene Gürtelschnallen mit dem Bandnamen ...). Summa summarum also ein feiner Einblick in ein Stück deutsche Metalgeschichte, das damals die allermeisten übersehen haben, das sich aber eigentlich niemand, der auch mit Bands wie Forced Entry was anfangen kann, entgehen lassen sollte, trotz der überwiegend durchschnittlichen bis unterdurchschnittlichen Soundqualität.
Kontakt: www.karthagorecords.de

Tracklist:
Rainbow Bridge
Hero's Tears
Fighting 'em Back
Dark Horizons
Soldiers' Waltz
Back To You
Hungry Hearts
Riders Of The Storm
The River
On The Run
Highland Pride
Kings Of Steel
Sailing Out
Born To Rock
The Fall Of The Wasteland
Get Ready
 




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