www.Crossover-agm.de MIRAGE: ... And The Earth Shall Crumble
von rls

MIRAGE: ... And The Earth Shall Crumble   (Karthago Records)

Oberschatzgräber Stefan Riermaier wühlt sich auf der Suche nach lohnenden Zielobjekten für sein Karthago Records-Label quer durch die Nachbarstaaten Deutschlands. Von Polen (Lord Vader) aus grub er sich mit einer deutschen Zwischenstation (Black Fate) nach Dänemark durch, und mit der dortigen Entdeckung Mirage zeigt auch die Formkurve nach der nicht so überzeugenden Black Fate-Veröffentlichung wieder deutlich nach oben. Mit dieser CD gibt es nun drei Veröffentlichungen unter dem Titel "... And The Earth Shall Crumble". Die erste bestand aus fünf anno 1985 in Eigenregie eingespielten Songs, welche man außerhalb Dänemarks nur mit sehr viel Glück erstehen konnte. Doch siehe da, ein französisches 80.000-Einwohner-Nest namens Cannes stellte mittels einer in seinen Mauern stattfindenden Veranstaltung den Kontakt zum englischen Label Metal Masters her. Selbiges wedelte mit einem Kontrakt unter der Bedingung, daß noch drei weitere Songs eingespielt würden. Diese acht erfuhren abermals eine Veröffentlichung unter dem Titel "... And The Earth Shall Crumble", und sogar das Cover hatte man von der ersten Version übernommen. In der Fülle der in den Mittachtzigern aus dem Boden schießenden Metalbands gingen Mirage allerdings unter, vielleicht nicht zuletzt bedingt durch die Tatsache, daß sie sich standhaft weigerten, der "Schneller/Härter"-Welle zu folgen, also in Thrash-Gefilde abzudriften, vielleicht aber auch dadurch, daß sie mit Mogens Laursen einen festen Keyboarder besaßen, was in jenen Tagen bei vielen Fans noch als Sakrileg und als "Verrat am Heavy Metal" galt. Erstaunlicherweise hat besagter Keyboarder in den acht Songs der ursprünglichen LP aber recht wenig zu tun, beschränkt sich über weite Strecken darauf, im Hintergrund eine leicht unheimliche Atmosphäre hervorzurufen, und darf nur selten mal richtig (dann meist hammondend) vom Leder ziehen. Beispielsweise bestreitet er das Intro von "So Many Years Ago" mit Kirchenorgelklängen im Alleingang (es tut sich eine akustische Parallele zu "Heavy Metal Attack" von Griffin auf). Der religionsbezogene Inhalt macht aus Mirage allerdings ebensowenig eine christliche Band wie ein Songtitel Marke "Apostle Of Hell" eine satanische - pure 80er Metal-Lyrics halt, allerdings noch mit ein paar persönlichen (also weniger klischeehaften) Zusatzgedanken und nicht zuletzt auch einer Portion, ähem, Dreibeinsteuerung. Unter den acht Songs ragen drei heraus, zum einen der Opener "Out There (Survivors)", der mit einer ordentlichen Promotion ein Riesenhit hätte werden können, auch wenn ihm die polierte Produktion etwa von Europe fehlt, zum zweiten das knapp sechsminütige "Killer Dwarf Shorty" mit einem ausladenden Soloteil und überdeutlichen Siebziger-Rock-Reminiszenzen und zum dritten das massiv treibende "Hellbound". Dagegen fällt beispielsweise das etwas arg holprige "Apostle Of Hell" ein Stück ab. Sänger Torben Deen bewegt sich hauptsächlich im mittelhohen Bereich, versucht an einigen Stellen aber seinem Landsmann Kim Bendix Petersen alias King Diamond nachzueifern, indem er sehr hohe Schreie einbaut, was nicht in jedem Fall hundertprozentig befriedigende Ergebnisse zeitigt. Das in einer völlig heruntergekommenen Gegend geschossene Backcoverfoto führt ob der zu erwartenden Mucke eher in die Irre - kein Hardcore, kein Thrash, kein Punk, kein sonstiger härterer No Future-Metal kommt aus dem Hause Mirage, sondern gediegener melodischer Metal, oftmals an der Grenze zum Hardrock, und solchen hätte man auch hinter dem apokalyptischen Cover (auf dem eine Flying V mit einer Schwertklinge anstelle des Gitarrenhalses quasi die gesamte Zivilisation vernichtet) nicht zwingend vermutet. Dieses Originalcover überkommt uns auf der Rückseite des Booklets, während für die nunmehr vorliegende dritte Version von "... And The Earth Shall Crumble", nämlich die Karthago-CD, ein neues angefertigt wurde, was man aber lieber hätte bleiben lassen sollten, denn der lavaspuckende und mit grobem Pinselstrich gezeichnete Totenschädel im Vulkankrater stellt eindeutig eine Verschlimmbesserung dar.
Dafür gibt's wenigstens interessantes Bonusmaterial zu belauschen, nämlich nochmal acht Tracks, womit nun das komplette konservierte Schaffen von Mirage auf einer CD verewigt ist. "Shave It All Off" und "Savin' Love" wurden anno 1984 als Single in grünem Vinyl veröffentlicht und zeigen die Band noch bedeutend hardrocklastiger - schon das Introriff des erstgenannten kann eine Deep Purple-Verwandtschaft nicht leugnen. Torbens Stimme klingt hier noch bedeutend weniger gefestigt. Die letzten sechs Songs, eingespielt in zwei Sessions, hätten eigentlich auf der zweiten LP von Mirage stehen sollen, aber zur Komplettierung einer solchen kam es nie. Die Soundqualität ist immer noch im grünen Bereich, wenn man den Aufnahmen auch anhört, daß diese Versionen eigentlich nicht zur Direktveröffentlichung bestimmt waren. Das Material verdeutlicht einen musikalischen Schritt zurück, indem es die auf der regulären LP weit in den Hintergrund getretenen Hardrockeinflüsse wieder aus der Kiste holt und zudem Keyboarder Mogens bedeutend umfangreichere Aufgaben zuweist. Komme niemand und rede von "Auswimpen" - "Guiding Light" beispielsweise ist einer der schnellsten Songs von Mirage (wenn auch eben ohne fettes Riffing drunter) -, aber zugänglicher war das Material zweifellos geworden, obwohl ein Hitkandidat Marke "Out There (Survivors)" weit und breit nicht auszumachen ist, jedenfalls nicht, wenn man in Kategorien der Mittachtziger denkt. Man wage mit den Ohren des Jahres 2003 allerdings mal das Gedankenexperiment, HIM würden "Searching" interpretieren - wenn sie den einen oder anderen Übergang noch geringfügig flüssiger gestalten würden, hätten wir hier nicht nur den besten Song für eine Platte wie "Razorblade Romance", sondern zugleich ein Stück, das Millionen Girlies weltweit auswendig kennen würden. Daß Torben im Intro von "Far Away" fast wie David Coverdale in clean-tiefen Momenten klingt, mag purer Zufall sein, kann aber auch als kleines Anzeichen für die gestärkte Hardrockorientierung gewertet werden. Ganz zum Schluß steht mit "Turn On The Darkness" noch ein hymnischerer Track, der laut Torbens Linernotes von vielen Fans als Mirages bester angesehen wird. So weit würde ich zwar nicht gehen, aber auch er gehört zu den (dankenswerterweise zahlreichen) inspirierten Momenten, die Mirage zu konservieren in der Lage waren. Das Antesten sollte sich daher nicht nur für fanatische Dänenmetalsammler, sondern für alle, die sich vorstellen können, Mittachtziger-Metal mit starker Hardrockschlagseite zu mögen, durchaus lohnen. Das Booklet enthält neben reichlich Fotos auch alle Lyrics, die erwähnten Linernotes von Torben sowie einen Abriß der Bandhistory aus der Feder von Stefan Riermaier. Zu bekommen ist die knapp 72minütige CD (im orangefarbigen Jewelcase) bei ebenjenem Stefan Riermaier, Feichtetstraße 41, 82343 Possenhofen, Riermaier@aol.com, www.karthagorecords.de

Tracklist:
Out There (Survivors)
So Many Years Ago
Lords In Space And Time
Apostle Of Hell
Heading For The Sun
Killer Dwarf Shorty
Hellbound
Punisher
Shave It All Off
Savin' Love
The Emperor
Guiding Light
Get Down To Love
Searching
Far Away
Turn On The Darkness
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver