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von rls

THUNDERSTORM: Vise Digitale   (Metalfan Records)

Dieses Gewitter hier zieht aus Südosten gen Mitteleuropa, aus Rumänien, um genau zu sein, und es entlädt sich in 40 Minuten hochklassigen traditionellen Metals mit modernem Sound. Wenn man die Platte nach etwa "Vinland Saga" von Ice Vinland in den Player wirft (wie beim Rezensenten in Vorbereitung des zugehörigen Updates geschehen), glaubt man soundlich erstmal Def Leppard zu lauschen, aber beim unbeeinflußten Hören relativiert sich dieser Eindruck schnell wieder, und einzig der Drumsound bleibt über die ganze Spielzeit hinweg eher eine neuzeitliche Zutat. Daß der Opener und Titeltrack auch in den Gitarren mit modernen, kalt-steril anmutenden Elementen spielt und zudem einige Effekte in diese Richtung weisen, dürfte wohl songthematisch bedingt sein - so weit man das mit fragmentarischen Rumänischkenntnissen erahnen kann, geht es um die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft, also die Zurückführung aller Prozesse auf den Zustand Null oder Eins (das Debüt "Beyond The Dawn" von 2001 hatte übrigens englische Songtitel am Start - ob auch die Lyrics englisch gehalten waren, muß herausfinden, wer das Werk besitzt). Auch einige andere Songs hat Alleinsongwriter/Bassist Alex Pascu mit kurzen Effekteinlagen ausgestattet, die aber meist keine tragende, sondern lediglich verzierende Wirkung entfalten. Das trifft beispielsweise auf "Cer In Flacari" zu, einen schleppenden Track, den auch manche der etwas traditionsmetallischer angehauchten finnischen Düsterbands, etwa Lullacry, mit Kußhand in ihr Repertoire übernommen hätten, wobei sich hier nach etwas mehr als drei Minuten plötzlich ein tempobeschleunigtes Hauptsolo Bahn bricht, das stilistisch an der Grenze zwischen Sleaze (Gitarren) und Southern Rock (das hämmernde Barpiano, dessen Bediener im Booklet anonym bleibt) anzusiedeln ist. Vor Überraschungen ist man also keineswegs sicher, aber diese bilden hier eindeutig das Salz in der Suppe und weisen die fünf Rumänen bzw. im speziellen Chefdenker Pascu als songwriterische wie arrangementöse Könner aus. Daß der Bassist auch dafür sorgte, daß sein Instrument im Klanggewand angemessene Präsenz entfaltet, ist logisch und rückt die Band ein Stück weit in Richtung Iron Maiden, mit denen Thunderstorm auch an einigen Stellen musikalisch verglichen werden können, etwa in der ersten Hälfte des Hauptsolos von "Avertizare" (auch hier geht's in der zweiten Hälfte dann wieder in völlig andere Stilgefilde, diesmal symphonisch angehauchte), während der Hauptteil auch im Repertoire einer anderen von Iron Maiden beeinflußten Band Platz gefunden hätte, nämlich bei den Russen Arija auf einer der neuen, schon unter Beteiligung von Sergej Popow eingespielten Platten. Zu Arija gibt es seitens Thunderstorm auch noch einen weiteren Querverweis: Sänger Vlad Necula ist stimmlich in der Nähe sowohl von Waleri Kipelow als auch von Artur Berkut anzusiedeln (nicht kopierend, aber hörbar verwandt, vor allem in den höheren Lagen), und allein dieser Fakt würde schon ausreichen, um jedem Arija-Anhänger den Erwerb von "Vise Digitale" dringend zu empfehlen. Wie sich das für eine traditionelle Metalband gehört, packen Thunderstorm auch eine Ballade auf ihr Album, hier "Soapte Pierdute" heißend, anfangs wegen der hier vor allem in den Strophen doch sehr technisch klingenden Schlagzeugeffekte aus der Collins-Schmiede etwas gewöhnungsbedürftig tönend, aber die Sozialisation der "Kuschelrock"-Generation wird dafür sorgen, daß das kaum eine der hörenden Damen als Problem empfinden wird. Das traditionell-metallische Herz wird in "Vortex" auf die härteste Probe gestellt, aber die diesbezügliche Warnung erklingt mit einem sehr modernen Intro gleich zu Songbeginn, so daß man notfalls noch rechtzeitig die Skiptaste erreicht, während die Deathstars-Fraktion unter der Hörerschaft, um mal einen Anhaltspunkt zu geben, mit Genuß weiterhören dürfte. Die Reanimation des traditionell-metallischen Herzens schafft dann "Timpul" trotz seiner Synthieteppiche problemlos - dafür sorgt schon die ausgedehnte Leadmelodie der Gitarre im Intro, die sich auch als Hauptthema durch den ganzen, recht flotten Song zieht, der auch auf Kreysons "Elixir Zivota"-Meisterwerk eine prima Figur abgegeben hätte und in der erwähnten Leadmelodie auch nochmal kurz nach Finnland weist, in der ähnlichen Struktur von Children Of Bodoms "Needled 24/7" einen Bruder findend. Das Hauptsolo bestreitet hier übrigens Basser Pascu in sehr hohen Lagen seines Instrumentes. Das Instrumental "Dimensiunea X" verknüpft dann in für osteuropäische Bands fast typischer einfallsreicher Weise Tradition und Moderne mit einem futuristisch-spacigen Konzept, bevor "Ultimul Drum" in moderner Power Metal-Manier durch die Botanik stampft (coole harfenartige Effekte im Refrain!) und das abschließende siebenminütige Epos "Secretele Noptii" quasi alle Stärken des Albums noch einmal bündelt: speedig beginnend, zwischenzeitlich das Tempo verschleppend, im Hauptsolo ganz weit herunterschaltend und den Bassisten wieder mal Führungsfunktionen ausüben lassend, bevor sich eine sehnsüchtige Leadgitarre ausbreitet, die ein Michael Schenker auch kaum gefühlvoller hinbekommen hätte. Der zweite Teil des Solos zieht das Tempo dann wieder an und leitet in die Wiederkehr des einleitenden Speedparts über, der von einem ruhigen Outro (da ist sie wieder, diese Leadgitarre) abgeschlossen wird. Klassescheibe, hierzulande bei gut sortierten Importeuren wie www.karthagorecords.de zu bekommen.
Kontakt: www.thunderstorm.ro, www.metalfan.ro

Tracklist:
Vise Digitale
Curenteaza
Cer In Flacari
Avertizare
Soapte Pierdute
Vortex
Timpul
Dimensiunea X
Ultimul Drum
Secretele Noptii



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