www.Crossover-agm.de ICE VINLAND: Vinland Saga
von rls

ICE VINLAND: Vinland Saga   (Eigenproduktion)

Puristen am Werk! Zumindest was die Soundverhältnisse des Albums angeht. Hier klingt ein Schlagzeug noch wie ein solches, und wenn beide Gitarristen gleichzeitig Leadfunktionen übernehmen, dann wird auch in der Studioversion nicht noch eine Rhythmusgitarre druntergelegt, sondern die Fassung, wie sie auch live ohne einen dritten Gitarristen erklingt, belassen. Der Purismus von Ice Vinland geht nun aber nicht so weit, daß sie wie mancher anderer Traditionsmetalpurist den Einsatz von Keyboards als Verrat am Heavy Metal brandmarken würden. Sänger Damian Leif bedient gelegentlich nämlich auch dieses Instrument, das in manchen Songs nur sehr punktuell zum Einsatz kommt (etwa im Opener "Battlefield", wo es eigentlich nur den Schlußakkord etwas bombastischer macht), in anderen aber durchaus tragende Funktionen ausüben kann, etwa im Titeltrack mit seinen genrecharakteristischen pseudonordischen, zum Streit rufenden Fanfaren. Aus dem Rahmen fällt allein die verzerrte Orakelstimme in "The Plague", die eher an finsterste NDW-Tage erinnert - das hätte man sicherlich geschickter lösen können. Welchem Genre Ice Vinland zuzuordnen sind, sollte anhand der diversen Andeutungen im Text schon klar geworden sein: Traditioneller Metal mit Wikingerthematik steht auf dem Plan, wobei Ice Vinland hier thematisch vor ihrer Haustür fündig wurden: Die Band kommt aus dem östlichen Kanada und hat als Konzept ihres "Vinland Saga"-Albums die Entdeckung und Besiedlung der Labradorhalbinsel durch die Wikinger gewählt, die bekanntlich dem neu entdeckten Land den Namen "Vinland" gaben, wo die gegründeten Kolonien zu Zeiten des Kolumbus aber schon wieder ausgestorben waren. Dementsprechend gibt es das volle Arsenal, das eine Metalband mit dieser Thematik aufbieten kann. Das geht schon mit dem Cover los: zwei Raben, zwei Kreuze, ein Drachenboot und ein Mensch mit Hörnerhelm und Streitaxt im Gegenlicht eines Sonnenauf- oder -untergangs. Das Booklet bekam eine Zierleiste aus Runen verpaßt, die Mitglieder nennen sich Richie Blacksmith (g), Dan The Red (dr), Damian Leif (v, k), Loiss Darkstorm (g) und als einziger "Ausreißer" Jon Ian Adams (b), auch Ex-Drummer Sven Raudi, der eine Erstfassung der Songs eingetrommelt hatte, nach seinem Wechsel zu Hanker aber von Dan The Red "übertrommelt" wurde, reiht sich problemlos in die Bootsbesatzung ein. Unter dem CD-Cleartray prangt, das sollte nicht vergessen werden, noch so eine Zeichnung, die eine Art Steinmosaik von Karl Marx mit Hörnerhelm zeigt. Mit dem, was man heute gängigerweise unter den Terminus "Viking Metal" faßt, haben Ice Vinland musikstilistisch aber nur bedingt etwas zu tun - sie spielen traditionellen melodischen Metal ohne jegliche härtere Zutat wie etwa Kreischgesang oder Blastbeats (die kurzen harschen Gesangsparts in "Armistice" bleiben Episode). Die stilistisch wohl ähnlichste Band wohnte paradoxerweise in Italien: Wer das Drakkar-Debüt "Quest For Glory" liebt, wird mit "Vinland Saga" sicherlich problemlos glücklich, wobei die Italiener im Direktvergleich etwas bombastischer (unpuristischer) zu Werke gingen und auch ihr teilweise an Running Wild erinnerndes Riffing von den Kanadiern nicht reproduziert wird. Bombast erzeugen können die allerdings auch, wenn sie das wollen, nur eben mit anderen Mitteln. Man könnte sie übrigens auch "MaMaMa" taufen, denn sie sind irgendwo in einer imaginären Schnittmenge von (Iron) Maiden, Manowar und Manilla Road anzusiedeln, ohne sich allerdings einer der drei Bands allzusehr anzunähern. Statt dessen entdeckt man noch ganz andere überraschende Dinge: Irgendwie kommt man ständig in Versuchung, im Refrain von "Battlefield" plötzlich in den von Helstars "Black Silhouette Skies" überzuwechseln, wobei einem die Tatsache hilft, daß die Stimme von Damian Leif an manchen Stellen, besonders in den Höhenlagen, ein wenig wie die von James Rivera klingt; auch Bruce Dickinson scheint manchmal ganz leicht durch. Der erwähnte Refrain ist übrigens zweistimmig, schon in der Hauptmelodie hoch, aber in den Backings noch einmal eine Oktave hochgesetzt - wer von solchen Stimmen Blutstürze im Hirn bekommt, sollte sich von der einstündigen "Vinland Saga" also tunlichst fernhalten. Deren stilistische Bandbreite ist mit den beiden ersten Songs praktisch abgesteckt: melodischer Speed Metal in "Battlefield", bombastischeres Midtempo im Titeltrack, das Ganze versehen mit einigen gewitzten Ideen beim Songwriting, etwa den immer wieder losbrechenden Beschleunigungen im Albumherzstück, dem knapp elfminütigen "Secrets Of The Gods", das nur nach hinten heraus mal eine etwas unlogische Fortsetzung nimmt, bei der man sich schon im nächsten Song wähnt. Der Purismus Ice Vinlands erstreckt sich somit auf viele Dinge, aber keinesfalls auf die Arrangements: Von den acht Songs erreichen gerade mal drei die Siebenminutenmarke nicht - und das, obwohl man Ice Vinland nun keineswegs ins Proglager stecken kann. Aber wenn die Gitarristen einmal ins Spielen kommen, dann kann ein Solo halt auch mal etwas länger dauern, und zwei so hervorragenden Könnern wie Herrn Dunkelsturm und Herrn Schwarzschmied hört man durchaus gerne zu. Daß dem Sound insgesamt ein wenig Druck fehlt, mag der nicht überreich gefüllten Bandkasse geschuldet sein und ist mit einem Griff zum Lautstärkeregler der Stereoanlage zumindest ansatzweise behebbar, und ansonsten wäre da nur noch der Marketingaspekt als kleines Manko zu erwähnen - das Booklet weist zwar alle Texte und auch kurze Liner Notes aus, aber einen Bandkontakt anzugeben hielten die Marketingstrategen offenbar für unnötig. Vielleicht sind sie in Kanada auch schon so bekannt, daß sich das erübrigt, aber diese These dürfte angesichts nur zweier eigenproduzierter Alben, die auch noch mit fast einem Jahrzehnt Abstand erschienen sind (das Debüt "Masters Of The Sea" datiert noch aus dem alten Jahrtausend), gewagt sein und ist auf keinen Fall auf den Herkunftskontinent der Wikinger übertragbar. Aber wenn das die einzigen Probleme einer Band sind, darf sich diese durchaus glücklich schätzen. Mit dem neunminütigen Closer "Armistice" liefern Ice Vinland dann noch den Beweis ab, daß sie auch im balladesken Fach klasse Arbeit abliefern können - ein langer ruhiger Teil leitet den Song ein, der später härter wird und akustisch einen Überfall unter Zuhilfenahme von Steinwurfmaschinen darstellt, aber vielschichtig bleibt und das Album auf hohem Niveau abschließt. Zu dessen Erwerb muß man nicht erst sein Drachenboot gen Vinland lenken - ein virtueller Besuch bei gutsortierten Importhändlern wie www.karthagorecords.de tut's auch.
Kontakt: www.myspace.com/icevinland

Tracklist:
Battlefield
Vinland Saga
The Cosmic Rules
Secrets Of The Gods
Fate Is Done
The Plague
Upcoming Foresight
Armistice
 




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