www.Crossover-agm.de LULLACRY: Be My God
von rls

LULLACRY: Be My God   (Century Media Records)

Wenn ich die Wahl zwischen einer erstklassigen Sängerin, die aber optisch nicht meinen Geschmack trifft, und einer wunderhübschen Frau, die aber keinen musikalischen Ton trifft, habe, so ist klar, daß ich mich im privaten Bereich eindeutig für letztgenannte entscheiden, am Mikro einer von mir zu rezensierenden Band aber genauso eindeutig erstgenannte präferieren würde. So gesehen ist der Platz von Tanya am Lullacry-Mikro richtig gewählt, wo sie ihren zur Verfügung stehenden Resonanzraum auch ordentlich ausnutzt und verdeutlicht, daß sie im musikalischen Sinne durchaus eine hypothetische Tochter von Manowar-Eric mit The Gathering-Anneke sein könnte. Gleichzeitig darf man Tanya als Originalitätsfaktor Lullacrys im Vergleich mit den allerorten wie die berühmten Pilze aus dem Boden schießenden angedüsterten Rockbands, von denen die meisten mehr oder weniger ideenfrei HIM nacheifern, ansehen. Ähnlich wie ihre finnischen Landsleute Entwine sind Lullacry quasi die besseren HIM, weil sie zum einen mit einer unbekümmerten Frische, Unverkrampftheit und Unkalkuliertheit ans Werk gehen, wie sie Ville Valo & Co. schon lange abhanden gekommen ist/genommen wurde, zum anderen, weil sie ganz einfach die besseren Songs schreiben und trotz omnipräsenten melancholischen Feelings in erster Linie rocken, selbst wenn sie's vorübergehend mal etwas ruhiger angehen lassen. Sami Vauhkonen spielt ideenreiche Melodien und Leads, und Trommler Jukka Outinen gibt von hinten einen Energieschub nach dem anderen, weiß sich in den richtigen Momenten aber auch zurückzuhalten. Das vornehmste Exempel für die "Gutes Songwriting"-These steht mit "Firequeen" ganz am Ende von "Be My God" – relativ schwerfällig bahnt sich diese großartige Hymne den Weg ins Ziel und wird vom einprägsamsten Chorus der ganzen Platte gekrönt, den Hörer mit dem akuten Wunsch nach Komplettwiederholung zurücklassend, obwohl der eine oder andere Vorgänger nach etwas zu kompaktem Muster zusammengestrickt wurde, quasi metallische Popmusik darstellend (oder anders ausgedrückt: die HIM-Krankheit). Welcher Option sich der lyrische Tiefgang anschließt, kann angesichts des nicht mitgelieferten Textblattes nicht endgültig eruiert werden. Der auch im religiösen Sinne Sinn machende Plattentitel (was für eine grammatikalische Konstruktion ...), zu dem es an zweiter Stelle auch einen Titeltrack gibt, dürfte wie ein Teil der übrigen Lyrics aber eher zwischenmenschliche Konstellationen thematisieren, selbst wenn man einrechnet, daß Rosen im botanischen Sinne eigentlich Stacheln und keine Dornen haben (höre "Thorn Of A Rose"). Daß ebendieser Track, wenn man den Gesang ausklammert, auch auf dem Zweitwerk Afflicteds, "Dawn Of Glory", nicht aus dem Rahmen gefallen wäre, darf indes als Zufall gewertet werden (hört mal genau auf das Hauptriff in den Bridges und aufs Solo, dann wissen die Besitzer der angesprochenen Platte, was ich meine). Kein Zufall ist allerdings die Schlußfolgerung aus diesem Review, daß man als Freund leicht verdüsterten Heavy Rocks finnischer Prägung (ich erwähnte bereits, daß auch Lullacry aus dem Land der 55000 Seen stammen) Lullacry auf jeden Fall mal eine Chance geben sollte.
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