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von rls

ENTWINE: Gone   (Century Media Records)

Kann man HIMs Stil eigentlich noch deutlicher kopieren? Wer speziell in den Strophen der ersten beiden Songs "Losing The Ground" und "Snow White Suicide", wenn Sänger Mika Tauriainen lediglich von Baß, Drums und gelegentlichen akustikgitarristischen Einschüben begleitet wird, nicht an die Herren um Ville Valo denkt, sollte mal dringend sein musikalisches Gedächtnis überprüfen lassen. Was diesen beiden Tracks dann wenigstens eine kleine Portion Eigenständigkeit verleiht, sind die Gitarren, denn Tom Mikkola läßt es doch etwas metallischer angehen als sein Kollege in HIM-Diensten, dessen Name mir gerade entfallen ist, speziell auf "Razorblade Romance". Song drei, "Closer (My Love)", macht eine weitere Differenz zu HIM deutlich. Die hätten zweifellos rein vom stilistischen Aspekt her die ersten dreieinhalb Minuten (extrem slowe, dunkelromantische, fast samtige Klänge) nicht wesentlich anders gestaltet, aber den Song nach ebendiesen auch beendet. Entwine dagegen lassen ihn noch drei Minuten länger laufen und führen ihn in einen ausladenden Instrumentalteil mit wunderschönen Geigenmelodien (keine Ahnung, ob die Instrumente echt sind oder ein Synthie bemüht wurde, aber schön warm klingt's jedenfalls) und für ihre Verhältnisse viel Instrumentalbombast, der keineswegs aufgesetzt wird, sondern deutlich macht, warum Entwine in meinen Ohren die interessanteren HIM sind: Sie holen einfach mehr aus den Songs heraus, begnügen sich nicht damit, angedüstert-metallischen Pop zu fabrizieren, sondern kümmern sich in erster Linie um den Anspruch der Kompositionen und erst in zweiter Linie ums Radioformat. Was sie trotzdem in letztgenanntem Metier zu leisten imstande sind, zeigt das knapp vierminütige "New Dawn", das mehr Ohrwurmpotential besitzt als die komplette "Razorblade Romance"-Scheibe. Allein diese Gitarrenmelodie im Solo bringt mich immer wieder in Verzückung - zuckersüß und doch nicht klebrig, eingängig und doch nicht flach. Kein Wunder, daß dieser Track in den finnischen Singlecharts einstellige Plätze erreichte. "Silence Is Killing Me" tendiert generell in eine analoge Richtung, kompensiert den Mangel an einer solchen Gitarrenlinie aber mit dem stärksten Refrain der gesamten Platte. Zwischen diesen beiden Songs lagert mit "Grace" ein weiteres Exempel für die sehr düstere, an einen langsam schwelenden Waldbrand erinnernde Gangart von "Closer (My Love)", das wiederum mit Streicherklängen ausstaffiert wurde und dadurch einen besonderen Reiz gewinnt. "Gone" endet schließlich mit zwei überlangen Tracks, die den Versuch starten, die beiden genannten Hauptstoßrichtungen miteinander zu einem homogenen Ganzen zu verbinden. Das gelingt den vier Finnen und der einen Finnin (an den Keys steht Riitta Heikkonen, die auf dem Promofoto fast wie die kleine Schwester von Kimberley Goss aussieht) in "Thru The Darkness" ganz ordentlich (die Streicher sind auch wieder da), wohingegen "Blood Of Your Soul" mit seinen düsteren Riffs (nicht vom Sound her allerdings) fast in Type O Negative-Gefilde vorstößt, sich im zunehmenden Verlauf seiner siebeneinhalb Minuten aber ein Stück in Richtung Sentenced oder auch Charon, mitunter gar Cemetary zu ihren Bestzeiten (die lagen definitiv vor "Sundown", aber nach "Godless Beauty") entwickelt, damit nicht nur stilistisches Neuland für Entwine betretend, sondern auch den Höhepunkt eines durchgängig mindestens guten Albums markierend. Wer wie der Rezensent beim Durchhören von HIM-Alben nach spätenstens zwei Durchläufen mangels Substanz zu gähnen beginnt, sollte sich unbedingt mal "Gone" vorknöpfen. Das fängt nach dem zweiten Durchlauf nämlich erst richtig an zu wachsen.
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