www.Crossover-agm.de MICHAEL SCHENKER GROUP: Live - The Unforgiven World Tour
von rls

MICHAEL SCHENKER GROUP: Live - The Unforgiven World Tour    (Steamhammer/SPV)

Als Rocklegende hat man ja das Problem, auch nach Jahrzehnten immer noch an gewissen Höchstleistungen gemessen zu werden. Im Falle von MSG heißt das, daß jede neue Livescheibe an "One Night At Budokan" vorbei muß, und diese Aufgabe ist etwa so dankbar wie die, fünf gewisse Herren aus dem Raum Hannover nach dem durchfallerzeugenden "Eye II Eye" wieder auf den Pfad der Tugend befördern zu wollen. So verwundert es nicht, daß vorliegender, im Mai 1999 in Palo Alto mitgeschnittene Doppelsilberling trotz des spartanischen Booklets zwar sehr zu gefallen weiß, vom Kultstatus besagter Budokan-Aufnahme aber nicht nur einen Kilometer entfernt ist.
Da hat etwa Wayne Findlay den unangenehmen Job, einen Schatten namens Paul Raymond abschütteln zu müssen, und obwohl der eine oder andere holpernde Übergang von den Keys zur Gitarre respektive umgekehrt die Liveatmosphäre unterstreicht und deutlich macht, daß hier nicht allzuviel Studionachbesserung stattgefunden haben dürfte, kann er den UFOlogen ebensowenig vergessen machen wie die Malmsteen-erprobte Rhythmusgruppe Barry Sparks/Shane Galaas zwei Herren namens Chris Glen und Cozy Powell (trotz der genialen Solopassage im Mittelteil von "Into The Arena"). Und Gary Barden war zwar nicht der perfekteste Sänger, aber sein cleanes Organ paßte auf jeden Fall besser zu Schenkers Sechssaitenfiligranität als die vergleichsweise angerauhten Kehlen von Keith Slack und Kelly Keeling, die zehn respektive sieben Songs der neuen Scheibe einträllerten (man vergleiche einmal die Versionen von "Attack Of The Mad Axeman").
Man sollte über all der Nostalgie jetzt aber nicht übersehen, daß auch diese MSG-Besatzung die partiell arg verkulteten Tracks in ansprechender Weise umzusetzen vermag. In den 105 Minuten kommen fast alle Schenkerschen Schaffensperioden zum Zuge, verzichtet wurde lediglich auf Songs der Scorpions-Embryonalphase (verzeihlich, obwohl es schon kultig wäre, wenn jemand mal "Lonesome Crow" exhumieren würde), der Contraband (auch verzeihlich) und der McAuley-Phase (weniger verzeihlich, denn "Destiny" oder "Nightmare" gehören immer noch zum Besten, was Schenker je eingespielt hat). Dafür wird gleich ein Drittel der 21 Songs von UFO-Kompositionen in Beschlag genommen, von denen eine schräg-schöne Version von "Love To Love" das Highlight dieser Scheibe markiert. Dicht dahinter geht die Instrumental-Troika aus "Captain Nemo", "Into The Arena" und "Essence" durchs Ziel. Besonders hier, aber bei näherer Betrachtung eigentlich in jeder Spielminute, beweist Schenker, daß er einer der besten Gitarristen ist, die jemals auf der Erde wandelten, und daß er im kleinen Finger der linken Hand mehr Gefühl hat als alle Black Metaller dieser Welt zusammen. Und daß "Doctor, Doctor" oder "Attack Of The Mad Axeman" zu den besten Songs im hart rockenden Sektor gehören, die sich je ein menschliches Hirn erdacht hat, kann allenfalls von Personen bestritten werden, denen schon Napalm Deaths "From Enslavement To Obliteration" zu kommerziell war. Ganz abgesehen davon, daß, wer Michael Schenker gar nicht kennt, von mir höchstpersönlich als metalgeschichtsbewußtlos gebrandmarkt und zum sofortigen dreimaligen Kauf von "One Night At Budokan" verurteilt wird. Der Rest kommt mit einmaligem Erwerb von "Live - The Unforgiven World Tour" davon. Das Urteil ist rechtskräftig und unanfechtbar. Die Verhandlung ist geschlossen.




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