www.Crossover-agm.de SAIDIAN: Evercircle
von rls

SAIDIAN: Evercircle   (Blistering Records)

Kollege CSB hatte in seinen Reviews zu den beiden ersten Saidian-Alben die in den Infoblättern aufgeführte Mixtur aus Edguy, Stratovarius und Royal Hunt dankbar übernommen. Aufgrund des Charakters von "Evercircle" als Privatkauf fehlt diesmal logischerweise ein Infoblatt, aber schon der erste Hördurchlauf verrät, daß sich an der prinzipiellen Marschrichtung nichts geändert hat, obwohl die Esslinger wieder mal ihre Rhythmusgruppe austauschen mußten. Aber die kompositorisch aktive Fraktion, bestehend aus den beiden mit Vornamen Markus heißenden Bandmitgliedern, ist erhalten geblieben und bastelte auch für Album Nummer 3 neun Eigenkompositionen in obengenannter Schnittmenge zusammen. Dazu kommt diesmal allerdings eine Coverversion, überraschend früh plaziert, nämlich gleich an Position 2, und überraschend auch in ihrer Wahl: Nicht etwa einer der gängigen Melodic Metal-Standards wurde gewählt, sondern ein einfach zu beschreibender Song - er heißt "Tokyo", er stammt von einer Band namens Tokyo und stand original auf deren 1981er Debütalbum namens "Tokyo". (Treppenwitz: Die Band war in Frankfurt/Main ansässig, bestand aber aus zwei Deutschen, zwei Österreichern und einem Bassisten karibischer Herkunft.) Von einer gewissen Grundhärtung abgesehen, haben Saidian nicht viel am Song verändert, ihn aber von den Klangfarben her perfekt in den Rest des Albums eingepaßt. Besagter Rest wird von den Speedies "Out Of The Shadows" und "Halos For Everyone" eingerahmt und besteht hauptsächlich aus Midtempostücken mit diversen Ausflügen in schnellere sowie in balladeske Gefilde, mal fein säuberlich getrennt, mal innerhalb eines Songs vereint. Immerhin finden sich diesmal gleich drei Songs mit einer Spielzeit von über sechs Minuten, darunter "Moonlight's Calling" mit 8:16 als Spitzenreiter - solche Epen war man von Saidian bisher eher nicht gewöhnt, kannte sie eher als Freunde kompakterer Inszenierungen mit dennoch einem gewissen Händchen für Abwechslung. Letzteres ist auch auf "Evercircle" natürlich immer noch da, und die Vorliebe für im Melodic Metal mittlerweile als klassisch etablierte Harmoniemodelle haben weder Sänger Markus Engelfried noch Keyboarder Markus Bohr zwischenzeitlich abgelegt. Das wird Fortschrittsgläubigen natürlich wieder ein Gähnen entlocken, aber nicht nur im Ländle dürfte es nach wie vor Menschen geben, die traditionelle Werte zu schätzen wissen. Freilich: Die Hookline von "Burn Down The Night", dem Opener des Debütalbums, ist auch nach Jahren immer noch fest im Rezensentengedächtnis verankert, was auf keinen Song des "Phoenix"-Zweitlings zutrifft, und ob sich "Evercircle"-Material dort behaupten kann, erfordert naturgemäß einen Langzeittest, der angehörs des ersten akustischen Kontaktes mit dem Material zwei Jahre nach Erscheinen und relativ zeitnah dazu verfaßter Rezension logischerweise noch nicht abgeschlossen sein kann. Aber die Analyse möglicher Fremdeinflüsse geht natürlich trotzdem: Die genannten großen Drei bleiben, wie bereits ausgeführt, omnipräsent, aber hier und da tritt dann doch noch ein anderes Element hinzu. "Solomon's Dance" etwa kommt zwar ohne nahöstliche Melodieskalen aus, trägt aber durchaus ein Rainbow-Gen in sich, während der Riffpart in der Einleitung von "Stroke Of Genius" (diesen Song hat übrigens Tom Naumann von Sinner mitkomponiert) ein gewisses Dio-Feeling transportieren würde, wenn man sich an dieser Stelle das Keyboard etwas in den Hintergrund und dafür die Gitarre weiter nach vorn gemischt denkt. Überhaupt werden Metalpuristen ob des dominanten Keyboards alle verfügbaren Hände über dem Kopf zusammenschlagen, aber der Keyboarder ist nun mal einer der Hauptkomponisten und will logischerweise nicht im Off verschwinden - wer das nicht mag, kann ja immer noch puristischere Alben hören, es gibt ja heutzutage genug Auswahl. Bohr mag übrigens offensichtlich auch Nightwish - zumindest entlockt er seinem Instrument häufig solche Klangfarben, die Tuomas Holopainen in der Zeit, als er sich noch kein Orchester leisten konnte, auch oft und gern eingesetzt hat (und das Break in "Moonlight's Calling" bei 3:30 min ist Nightwish pur!). Standards für Originalität setzen Saidian also auch auf ihrem Drittling nicht, obwohl sie sich zaghaft trauen, auch mal aus den erwarteten Schemata auszubrechen. Leider haben sie dabei noch nicht genug Mut gesammelt und bleiben auf halber Strecke stehen - auch hierfür gibt "Moonlight's Calling" ein schönes Beispiel ab, wo die Chorpassage vor dem ersten Speedausbruch erstmal eine gute Idee ist, aber eben noch viel intensiver ausgebaut hätte werden dürfen, während sie in ihrer nunmehr zu hörenden Version etwas halbherzig wirkt. Da haben Saidian für die Chöre schon Könner wie Alex Koch (Powergod, SceneS) oder Jürgen Volk (Glenmore, Rawhead Rexx) im Studio - und dann nutzen sie die damit verbundenen Chancen nicht konsequent genug. Das ist schade, denn so bleibt auch "Evercircle" unterm Strich leider nur eine relativ gewöhnliche Melodic Metal-Scheibe - eine, die zwar keinen Anhänger wirklich enttäuschen wird, aber auch keine, mit der der Band ein eigenes Profil zu verleihen wäre. "Sign In The Sky" ist auch so ein Fall: Das coole Gitarre-Baß-Leadduell im Intro erinnert an beste Talisman-Zeiten und stellt damit mal einen wirklich originellen Farbtupfer dar, die Fortsetzung läßt eine Verschmelzung aus diesen Elementen und dem herkömmlichen Saidian-Sound zu einem großartigen Instrumentalstück erwarten - aber dann geht der Song doch wieder "nur" in einen der typischen gutklassigen, aber eben nicht weltbewegenden Saidian-Melodictracks über. Man ahnt, daß sie mehr könnten - aber sie zeigen es nicht und bleiben damit weiterhin die "ewigen Zweiten", da der Überraschungseffekt des mit begeisternder Frische alles wegwehenden Debütalbums mittlerweile natürlich auch verflogen ist. Und dafür stellt auch die nicht reizlose Dame auf dem Cover (selbst wenn man auf diesen Typus von Frau steht - Link zu ihrer Homepage gibt's übrigens im Booklet) keine wirkliche Kompensation dar ...
Kontakt: www.saidian.de, www.blisteringrecords.se

Tracklist:
Out Of The Shadows
Tokyo
Solomon's Dance
Once In My Dreams
Pale Moon Rider
Stroke Of Genius
Moonlight's Calling
Sign In The Sky
The Princess
Halos For Everyone
 




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