www.Crossover-agm.de NINJA: Liberty
von rls

NINJA: Liberty   (Karthago Records)

1989 gab die erste Inkarnation von Ninja auf - das im Jahr zuvor erschienene Debütalbum hatte die Band keinen Schritt vorwärtsgebracht, und Uneinigkeiten unter den Bandmitgliedern taten ihr übriges. Nur drei Jahre später aber versammelten sich drei Fünftel der alten Besetzung abermals im Studio und spielten einen Zweitling namens "Liberty" ein, den sie, da kein Label angebissen hatte, als Eigenproduktion in Demoform herausbrachten. Freilich landeten sie damit in einer Zeit, als nach dem Willen der Szenepäpste keiner mehr traditionellen Metal hören wollte und dieser sich folgerichtig, von ein paar großen Bands abgesehen, in den Untergrund zurückgezogen hatte. Ebendort verblieben auch Ninja, und da es abermals keinen Schritt vorwärtsging, stellte diese zweite Inkarnation der Band 1993 ihre Aktivitäten ein.
Hört man sich das nunmehr in der "Heavy Metal Classics"-Serie des Karthago-Labels wiederveröffentlichte "Liberty" mit dem Abstand eines knappen Vierteljahrhunderts ein, fällt auf, daß das Schattendasein definitiv unverdient war. Das Quintett verfolgt prinzipiell die Traditionsmetallinie des Debüts weiter, fährt aber einen geringfügig melodischeren Kurs und wird damit insgesamt einen Deut zugänglicher, ohne aber an Energie einzubüßen. Holger vom Scheidt kreischt bedarfsweise ("Time Time"!) immer noch wie Jon Oliva, bringt aber wie gewohnt auch andere Facetten seiner Stimme zum Einsatz, und interessanterweise tauchen hier und da einige Backingvokalarrangements auf, die ein bißchen an, nein, nicht Accept, sondern Blind Guardian erinnern. Accept taugen natürlich immer noch als grober Anhaltspunkt für das Ninja-Schaffen, wenngleich die im "Invincible"-Review genannten Differenzierungskriterien auch auf "Liberty" nach wie vor Gültigkeit haben, aber da es Accept anno 1992 sowieso nicht gab (bzw. sie sich gerade erst wieder zusammenfanden, um Anfang 1993 "Objection Overruled" zu veröffentlichen), hätten die kleinen Ortsnachbarn durchaus als "Ersatzdroge" dienen können, wenn die Accept-Anhänger erstens irgendwie auf sie aufmerksam geworden wären und zweitens die genannten Unterschiede akzeptiert hätten. Gereift in den technischen Möglichkeiten und kompositorischen Ideen, versuchten Ninja allerdings auch, einige ungewöhnliche Rhythmuswechsel und andere später als progressiv apostrophierte Parts einzubauen, und das klappt noch nicht in jedem Fall richtig harmonisch - gleich im Intro des Openers "Glory Seven" beispielsweise wirkt die blitzartige Abstoppung eher merkwürdig, und auch in "Killer No. 9" funktioniert nicht jede Wendung so, wie sie soll. Interessantes Detail am Rande: Das "Game Over"-Sample am Ende des letztgenannten Songs gab es ein Jahr später auf dem Sacrosanct-Album "Tragic Intense" nochmal, dort nur ohne Echo-Effekt, wobei kaum zu vermuten ist, daß die Deutsch-Holländer das Werk der Wuppertaler kannten. Das Outro von "Ice In Your Hand" wiederum ähnelt etwas dem Schlußakkord von Helloweens "Rise And Fall", aber auch das wird purer Zufall sein. War schon auf dem Ninja-Debüt eine Judas-Priest-ähnliche Passage zu konstatieren gewesen, so finden wir auf "Liberty" auch wieder eine, sogar in Richtung des gleichen Albums "Screaming For Vengeance": Das Intro von "Ice In Your Hand" könnte sich zu "You've Got Another Thing Comin'" weiterentwickeln, tut das letztlich aber doch nicht. Eine schöne Ballade hatten Ninja auch wieder am Start, wobei die Position von "Winds Of War" deutlich macht, daß wir uns nicht mehr im Vinylzeitalter befinden. In selbigem hätte man einen solchen Song auf Position 5, also ans Ende der A-Seite, gesetzt, und das war mit "Follow Me" auch der Fall gewesen - aber "Winds Of War" steht an Position 7, also inmitten des Zehnerpacks der CD. Interessant ist zudem die personelle Konstellation der CD: "Liberty" ist das einzige Ninja-Werk, auf dem Ulrich Siefen nicht Gitarre spielt - an seiner Stelle greift Bernd Rohde neben Altmitglied Martin Reinert in die Saiten. Neben diesem und wie erwähnt Sänger Holger vom Scheidt ist von der alten Truppe noch Bassist Jörg Lennartz am Start, während Alt-Drummer Christoph Segreff ebenfalls 1992 einen schweren Autounfall hatte und nach 17 Jahren im Koma 2009 starb. An seiner Stelle hören wir auf "Liberty" den noch ganz jungen Andre Hilgers, der später mit Silent Force, Axxis und Rage zu szeneinterner Popularität kommen sollte. Als Anspieltip eignet sich das geradlinig treibende "Runner In The Night", und wenn man den genannten Intro-Holperer überstanden hat, wird auch der speedige Opener "Glory Seven" noch richtig gut, während "Snickers From Space" ein Paradebeispiel für die eher mäßige Einbindung eines Akustikintros darstellt, während der Akustikpart, der das Hauptsolo einläutet, wiederum paßgenau eingefügt ist. Der irgendwie orientierungslos wirkende Titeltrack (das Intro verspricht eine große Hymne, aber es wird dann irgendwie weder Fisch noch Fleisch draus) schließt ein trotzdem mit viel Licht aufwartendes 45minütiges und soundtechnisch gutklassiges Album ab, dessen Entdeckung dem Freund traditionellen melodischen Metals definitiv ans Herz gelegt sei. Bonustracks gibt es übrigens abermals keine, aber da sowieso so gut wie niemand das Original im Schrank stehen haben wird, dürfte das kein Kriterium für einen eventuellen Nichterwerb darstellen.
Kontakt: www.karthagorecords.de

Tracklist:
Glory Seven
Ice In Your Hand
Time Time
Get It All Up
Killer No. 9
Runner In The Night
Winds Of War
Scream Out
Snickers From Space
Liberty
 




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