www.Crossover-agm.de NINJA: Invincible
von rls

NINJA: Invincible   (Karthago Records)

"Ich wollt', ich wär' ein Ninja", dichteten einst die Ruhrpott-Punks Lokalmatadore und brachten die für dieses Genre überraschende Konklusion, daß der Titelheld am Ende sein Ziel zwar erreicht hat, aber sich sein Freundeskreis stark verkleinert hat und er mehr Zeit hinter schwedischen Gardinen zubringt als mit seinen Schwertübungen. Die Randruhrpöttler Ninja hingegen ließen sich von eventuellen negativen Begleiterscheinungen nicht ins Bockshorn jagen und benannten sich bei der Gründung anno 1986 nach den besagten japanischen Schwertkämpfern. Einige der Bandmitglieder hatten schon zumindest semibekannte Stationen hinter sich, so Holger vom Scheidt als Frontmann von Danton und Ulrich Siefen als Gitarrist von Black Jack, in denen mit Drummer Frank Friedrich ein Accept-Veteran hinter den Kesseln arbeitete und der Opt-in-opt-out-Sidekick von Wolf Hoffmann, also Jörg Fischer, die zweite Sechssaitige bediente. Da Accept zu allem Überfluß auch noch Ortsnachbarn von Ninja waren, blieb es nicht aus, daß entsprechende Vergleiche gezogen wurden, und die waren, wenn man das 1988er Debütalbum "Invincible" hört, auch durchaus nicht unberechtigt - zumindest die grobe Richtung stimmt überein, und das Hauptriff des stampfenden "Hard As Steel" etwa hätte auch auf "Balls To The Wall" seinen Platz gefunden, auch wenn die Strophenentwicklung dann eher an Judas Priests "Devil's Child" erinnert. Aber mit denen wurden wiederum Accept ja phasenweise gern verglichen, insofern schließen sich hier eher Kreise, als daß Verwirrung aufkommt. Wir hören also typischen deutschen Traditionsmetal, der allerdings in der Gesamtbetrachtung nicht ganz so nah an Accept liegt wie etwa Stormwind, wofür zum einen der Aspekt, daß die Ninja-Gitarristen sich von Klassikanwandlungen komplett fernhielten, mitverantwortlich ist (das taten die von Stormwind freilich auch), zum anderen aber auch Holger vom Scheidts Stimme, die zwar wie diejenige Udo Dirkschneiders im leicht angerauhten bis kreischigen Bereich anzusiedeln ist, aber eine ganz andere Stimmfärbung besitzt und sich damit auch von derjenigen Klaus Lemms deutlich abhebt. In der Halbballade "Follow Me", aber auch in diversen Metalklopfern fühlt man sich bisweilen an Jon Oliva erinnert, jedenfalls in den größeren Höhen - und vom Scheidt beherrscht die Möglichkeiten seines Sangesorgans durchaus und weiß sie songdienlich einzusetzen. Das Gros des Materials macht relativ viel Druck, erreicht die Intensitätsgrade eines "Fast As A Shark" allerdings nicht, was freilich wohl auch nicht die Intention Ninjas gewesen sein dürfte, die mit dem Titeltrack und "Every Hour" jeweils eine schnelle Nummer an die Seitenanfänge der LP gesetzt hatten, aber auch im weiteren Verlaufe der Seiten noch genügend Drive entwickelten, entweder vordergründig wie in "Hold On" oder auch eher versteckt, aber trotzdem wirkungsvoll in "Phoenix", wo sich ein genaues Hinhören bei den doublebassunterstützten Passagen empfiehlt. Ninja waren in ihrer frühen Inkarnation auch live recht aktiv und konnten das Material daher denjenigen geneigten Headbangern, die sich noch nicht zwischen Thrashern und Posern diversifiziert hatten (für beide Strömungen hatte das Quintett eher wenig zu bieten), auch von der Bühne herab vorstellen, wo es vielleicht noch etwas mehr Wirkung entfaltete als auf der zwar guten, aber nicht herausragenden Tonkonserve, die zudem auf D&S Records erschien, einem Label, das schon damals nicht den allerbesten Ruf hatte und seine Bands kaum voranbringen konnte. Differenzen unter den Bandmitgliedern taten ihr übriges dazu, daß die Besetzung 1989 auseinanderfiel. Zwei weitere Inkarnationen Ninjas brachten 1992 und 1997 als Eigenproduktionen die Alben "Liberty" und "Valley Of Wolves" hervor, und auch die derzeit aktuelle Besetzung brachte das neue Album "Into The Fire" zunächst als Eigenproduktion heraus, bevor die Pure-Steel-Labelfamilie hellhörig wurde und alle vier Alben regulär zugänglich machte, die ersten drei in der "Heavy Metal Classics"-Serie des Karthago-Labels. Das mit einem eher unauffälligen Lederjacken-Cover ausgestattete "Invincible" macht chronologisch folgerichtig den Anfang und besteht auch in der remasterten Re-Release-Variante (war der erste Akustikgitarrenakkord in "Follow Me" schon im Original so schräg, oder ist da bei der Nachbearbeitung was Ungewolltes passiert?) aus den zehn Songs des Originals - Bonusmaterial findet sich also keins, wobei die Frage offenbleibt, ob überhaupt passendes aus der Frühphase zur Verfügung gestanden hätte, denn die Bandbiographie im serientypisch auch noch mit alten Fotos, aber diesmal ohne Texte ausgestatteten Booklet, erwähnt nichts von Demoaufnahmen oder etwaigen anderen Releases in der ersten Aktivitätsperiode der Band, und die Encyclopedia Metallum führt ein Demo von 1987 auf, das aber nur die Songs der späteren A-Seite außer "Invincible" enthält. Das hymnische "Farewell", quasi eine Art erweitertes Mitgröl-Outro, schließt die 41 Minuten deutscher Metalgeschichte ab, die man sich als Accept-Anhänger, aber auch als Freund anderer, zweitreihiger Bands wie Gravestone oder Noisehunter bedenkenlos ins Regal stellen kann, wenn man keine Wunderdinge erwartet.
Kontakt: www.karthagorecords.de

Tracklist:
Invincible
Phoenix
Wet Dreams
Hard As Steel
Follow Me
Every Hour
Strangers
Rich Man
Hold On
Farewell
 




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