www.Crossover-agm.de JUDAS PRIEST: Redeemer Of Souls
von rls

JUDAS PRIEST: Redeemer Of Souls   (Sony)

Lange haben es Judas Priest im Quasi-Ruhestand nicht ausgehalten: Lediglich Langzeitgitarrist K.K. Downing verblieb in selbigem, nachdem er allerdings bereits in der letzten Aktivitätsphase durch den Quasi-Jungspund Richie Faulkner (der in dem Jahr geboren wurde, in dem seine heutigen Kollegen ein Album namens "British Steel" veröffentlichten) ersetzt worden war. Nun erinnert man sich an den vorvorvorherigen Besetzungswechsel der Band, der Scott Travis auf den Schlagzeughocker geführt hatte, und der Neue war durchaus nicht ganz unschuldig daran, daß der Band mit "Painkiller", dem ersten Studioalbum unter seiner Beteiligung, ein frisches und mitreißendes Klassikerwerk glückte. Selbiges war Tim "Ripper" Owens als Halford-Ersatz am Mikrofon mit "Jugulator" nur bedingt gelungen und Rückkehrer Halford mit "Angel Of Retribution" auch nur bedingt - zwei durchaus gutklassige Alben mit etlichen starken Momenten, aber nicht der erhoffte frische Wind. Nun hatte Downings letztes Album mit der Band, das Konzeptwerk "Nostradamus", sowieso durchaus ambivalente Bewertungen kassiert, so daß die Erwartungen an den Albumneuling mit einer in gewisser Weise gespannten Nervosität behaftet waren.
Nun liegt "Redeemer Of Souls" also vor, und es bleibt zunächst festzuhalten, daß es sich nicht um ein Konzeptalbum, sondern um 13 Einzelsongs handelt. Einzelsongcredits weist das Booklet nicht aus, sondern beschränkt sich auf die Feststellung, daß Gitarrist Glenn Tipton zusammen mit Halford und Faulkner für Songwriting und Arrangement zuständig war, so daß schwer zu ergründen ist, welchen Anteil der Neue konkret hatte. Aber einige grundsätzliche Erörterungen sind auch so anstellbar. Zunächst fällt auf, daß sich Judas Priest von höheren Spielgeschwindigkeiten mittlerweile nahezu vollständig verabschiedet haben. Zwar entwickelt der Midtempo-Opener "Dragonaut" durchaus einigen Zug nach vorn, und "Halls Of Valhalla" an Position 3 tastet sich vorsichtig noch weiter nach oben, aber der einzige richtig treibende Song ist "Battle Cry", und der steht an Position 12. Alles, was dazwischen steht, variiert also Midtempolagen, unterbrochen nur durch die halbminütige balladeske Einleitung von "Hell & Back". Das wird Menschen, denen schon "Nostradamus" zu langatmig und nicht flott genug ausgefallen war, ganz und gar nicht schmecken, zumal "Redeemer Of Souls" wie erwähnt kein Konzeptalbum ist, das nach bestimmten Umsetzungen verlangt. Klar, "March Of The Damned" wäre als Speedsong eher deplaziert gewesen, denn die Verdammten rennen ja nicht, sondern marschieren, wobei sie dafür allerdings schon einen relativ flotten Schritt an den Tag legen (müssen), obwohl der Oberkommandierende Halford gerade hier mit derart matter Stimme befiehlt, daß es schwierig ist, ihm ernsthaft Folge zu leisten. Überhaupt wird Halford die Geister zur Scheidung zwingen: Hohe Gesangspassagen sind mittlerweise so gut wie völlig passé, und "Halls Of Valhalla" verdeutlicht mit seiner Einleitungspassage, warum das auch besser so ist, obwohl der Steigerungsschrei bei Minute 4:30 durchaus beweist, daß der Sänger noch über eine gewisse Stimmkraft verfügt, auch wenn man selbst hier hört, daß er eben kein frischer Jungspund mehr ist und nach oben hin eben viel eher Schluß ist als früher. Insofern erscheint es also nur konsequent, daß der Sänger darauf geachtet hat, kein Material zu konzipieren, das er im Studio und besonders auch live nicht mehr bewältigen kann, auch wenn mancher Anhänger, der nicht wahrhaben will, daß auch Metalsänger altern, mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein wird und Halford selbst sich dann auch hier und da zuviel zumutet, wie der völlig verunglückte Schrei am Beginn von "Metalizer" zeigt. Freilich bleibt da immer noch das andere Problem, daß Judas Priest ein temposeitig eher beschauliches Album eingespielt haben, dessen Dramaturgie besonders im Mittelteil unter dem bereits auf der zweiten "Nostradamus"-CD feststellbaren Problem leidet, daß zu viele Midtemponummern hintereinander stehen und einige davon einen nahezu kraftlosen Eindruck hinterlassen. Der schnelle Schluß von "Hell & Back" erfüllt da wenig mehr als eine Alibifunktion, zumal gerade Travis hier derart laid-back trommelt, daß einem tatsächlich das böse Wort vom zahnlosen Altherrenmetal ins Gehirn springt. Zwar versucht Tipton das mit einem aus dem früheren Schaffen der Band bekannten Gitarrenthema im Intro von "Cold Blooded" wieder wettzumachen, aber so richtig will ihm das auch nicht gelingen, wenngleich dieser Song mit seinem interessanten Arrangement noch zu den besseren auf dem Album gehört und völlig überraschend noch ein starkes Speedsolo auspackt, nachdem man schon vermutet hatte, er würde sich überraschungsarm bis zum Ende durchschleppen. Auch "Sword Of Damocles" fällt ein wenig aus dem Rahmen, indem Travis hier einige für Judas Priest eher ungewöhnliche Rhythmusverschleppungen spielt. Solche Tracks dürften für die Liveumsetzung zwar weniger geeignet sein, machen aber das Hören weniger eintönig und funktionieren auch besser als etwa "Metalizer", wo der Mixer offenbar völlig auf seinen Ohren gesessen haben muß, ein derartig inhomogenes Klangbild durchgehen zu lassen (matschige Gitarren, stark nach Computer klingende und sehr weit im Hintergrund vor sich hin klöppelnde Drums). "Crossfire" wiederum überrascht stilistisch: Blues war man aus dem Schaffen Judas Priests bisher eher nicht gewöhnt, und gerade hier wäre es mal spannend zu erfahren gewesen, ob Faulkner (der von Voodoo Six durchaus Erfahrungen mit blueslastigem Hardrock mitgebracht hat) an diesem Song mitgeschrieben hat oder nicht. Vielleicht war er auch für die Intro-/Outro-Melodie von "Secrets Of The Dead" verantwortlich, denn die gibt's auf Tiamats "The Astral Sleep"-Album in ähnlicher Form. Aber all das bleibt mal wieder Analyse, die man eher anstellt, um sich beim Anhören nicht gar zu sehr zu langweilen. Richtige Begeisterung kommt auf "Redeemer Of Souls" nur an zwei Stellen auf, und das sind paradoxerweise die letzten beiden Songs: "Battle Cry" entwickelt wie bereits erwähnt richtig starken Zug zum Tor, und der verschleppte Mittelteil ist gerade noch kurz genug, um den positiven Eindruck nicht gar zu sehr zu verwässern; außerdem klingt Halford hier endlich mal wieder wie Halford, ohne seine Grenzen aber zu überschreiten. Die gefühlvolle Ballade "Beginning Of The End", wieder mit ganz leichtem Bluestouch in der Gitarrenarbeit, schließt "Redeemer Of Souls" auf dem hohen Niveau ab, das man über weite Strecken der über einstündigen Spielzeit vermißt hat. Das Material ist durchgehend nicht schlecht und zudem zwar modern, aber nicht zu modern produziert - aber zünden will es nur in den seltensten Fällen, und gemäß dem Titel des letzten Songs könnte sich das Werk tatsächlich zum Anfang vom Ende Judas Priests entwickeln. Vielleicht weiß der eine oder andere Hörer auch noch den einen oder anderen der ersten elf Songs zu schätzen, aber insgesamt liegt die Trefferquote für eine Band vom Status Judas Priests deutlich zu niedrig, auch wenn mancher Hörer "Redeemer Of Souls" allein schon wegen des Schritts weg vom Rockopernschaffen hin zu "normalen" Metalalben schätzen wird. Aber ob das reicht?
Kontakt: www.judaspriest.com

Tracklist:
Dragonaut
Redeemer Of Souls
Halls Of Valhalla
Sword Of Damocles
March Of The Damed
Down In Flames
Hell & Back
Cold Blooded
Metalizer
Crossfire
Secrets Of The Dead
Battle Cry
Beginning Of The End



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