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LANCELOT: But I Just Can't Stay Behind
von rls

LANCELOT: But I Just Can't Stay Behind   (Karthago Records)

König Artus und seine Tafelrunde waren seit jeher in der Rockwelt als Inspirationsquellen beliebt, und so gab sich auch diese Formation aus dem Saarland einen entsprechenden Namen und hatte schon relativ früh auch einen Song mit gleichem Titel im Repertoire. "Relativ früh" heißt hier "noch in den Siebzigern", denn die Anfänge der Band reichen bis 1973 zurück, und 1979 erschien die erste Single "Little Jane", auf deren B-Seite sich die erwähnte Nummer namens "Lancelot" findet. Fünf Jahre später kam das Album "But I Just Can't Stay Behind" heraus, flankiert von weiteren Singles, bevor Lancelot den Sprung über den Großen Teich wagten und dort ein weiteres Album herausbrachten, allerdings unter dem Bandnamen Juicy Lucy, den freilich schon in den Siebzigern eine Band deutlich erfolgreicher verwendet hatte (bei denen Micky Moody in die Saiten griff, der später mit Whitesnake ganz an die Hardrockspitze vorstoßen sollte). Die Exil-Saarländer kamen karrieretechnisch hingegen nicht so richtig vom Fleck, auch nach ihrer Rückkehr ins Saarland nicht, so daß 1996 erstmal Schicht im Schacht war und auch die Reunion anno 2003 in der bisher vergangenen reichlichen Dekade eher Rück- als Fortschritte brachte, so daß aktuell nur ein einziges Zeugnis regulär auf dem Tonträgermarkt zu haben ist: der auf 500 Einheiten limitierte Re-Release von "But I Just Can't Stay Behind" im Rahmen der Heavy-Metal-Classics-Serie des Karthago-Labels.
Dabei ist das mit dem Heavy Metal bei Lancelot so eine Sache, wie auch Karthago-Chef Stefan Riermaier in den Liner Notes mit leichter Selbstironie anmerkt: Ebensolchen gibt es auf den insgesamt 16 Songs nämlich eigentlich gar nicht zu hören. Lancelot waren in den Siebzigern musikalisch geprägt worden, und das merkt man ihnen auch deutlich an: Eine Nummer wie das schnelle "Stargazer" stellt zwar keine Rainbow-Coverversion dar, hätte allerdings durchaus prima auf das kurze Zeit nach dem Album der Saarländer erschienene Deep-Purple-Comebackalbum "Perfect Strangers" gepaßt. Der auch als Single ausgekoppelte Opener "Stop Man" mixt frühe Queen-Klänge, Backingvokaleinwürfe im Stil von The Sweet und noch diverse andere Siebzigerrock-Elemente, "Rock'n'Roller" koppelt klassischen Melodic Rock mit titelgebenden Stilelementen, der die B-Seite eröffnende Albumtiteltrack bietet reinrassigen und bis auf die schnöde Ausblendung erstklassigen AOR im Spannungsfeld zwischen Toto, Saga und Foreigner, mit "Struck Down" und "Treat Me Right" zeigten Lancelot, daß sie auch das Balladenfach beherrschen (ersteres eine klassische Heavy-Ballade, zweiteres eine zweieinhalbminütige, aber irgendwie nicht zu Ende gedacht wirkende Akustiknummer), und das Free-Cover "All Right Now" demonstriert die musikalische Sozialisation der Bandmitglieder in den Frühsiebzigern, kann allerdings in der Lancelot-Fassung nicht überzeugen: Das Original entfaltet seine Wirkung von der Basis des Klassiker-Riffs aus, und ebenjenes wird hier so verwaschen dargeboten, daß das ganze Fundament zu wackeln beginnt. Daß die Saarländer mit Fremdmaterial bedeutend stärker umgehen konnten, beweist der Albumcloser, dessen erster Teil mit "Tribute To F. J. Haydn" betitelt ist und bei dem es sich um eine kreative Auseinandersetzung mit musikalischen Themen aus dessen Komposition "Gott erhalte Franz den Kaiser" handelt, bevor das flotte "ABJFV" (wofür auch immer dieses Akronym steht) das Zehn-Song-Album auf hohem Niveau abschließt - der Classic-Rainbow-verdächtige Keyboardsound Volker Herschbachs im Hauptsolo dürfte wohl kaum ein Zufall sein. Wer genau hinhört, wird in einigen Songs, etwa im sechseinhalbminütigen "Home Again", noch einen möglichen Einfluß entdeckt haben: Magnum - deren Pomprock war ebenso in den Siebzigern verwurzelt wie die Musik von Lancelot. Ihre Instrumente beherrschten die Saarländer perfekt, auch die Produktion genügte jederzeit internationalen Ansprüchen, und mit Sänger Albert Jochum (so nennt ihn jedenfalls das im Booklet abgebildete Backcover der LP, während die Liner Notes und die Bandbio den Namen Rick de Vito anführen - vielleicht war das ein Pseudonym für die Amerika-Phase, oder aber es handelt sich wirklich um zwei verschiedene Personen) hatten Lancelot einen absoluten Spitzentrumpf in der Band: Daß ein Mann solcher Sangesfähigkeiten aus der deutschen Provinz stammt, gleicht einem Treppenwitz der Musikgeschichte - was er kann, höre man sich am besten im Albumtiteltrack an: glasklar, ausdrucksstark, treffsicher. Da war einer der besten deutschen Rocksänger am Werk, und kaum einer hat's gemerkt.
Sechs Bonustracks hieven den Re-Release auf knappe 66 Minuten Spielzeit - sie stammen allesamt von den diversen Singles und stehen gleichfalls allesamt nicht auf dem Album. "Little Jane" hört man seine Herkunft aus den Siebzigern dabei noch deutlicher an als dem Albummaterial, wobei die Rock'n'Roll-Elemente gar auf den Sechziger-Beat zurückverweisen. Die erwähnte Bandhymne "Lancelot" führt noch slideartige Klänge in die Gitarrenarbeit von Bernd Ferone ein, "Far Away" hingegen tendiert wieder zum AOR und kontrastiert die sehr zurückhaltend instrumentierten Strophen mit einigen bombastischeren Einwürfen, wobei interessanterweise die Keyboards teilweise typische Achtziger-Sounds, teilweise aber auch Hammondorgeln ins Feld führen. "Miss You" wiederum klingt wie ein (richtig guter!) Saga-Song, den Saga zu schreiben und aufzunehmen vergessen haben, auch wenn man die Stimmen natürlich gut unterscheiden kann. Mit "Pretty Thing", "versteckt" als B-Seite des nach merkwürdig abgestoppter Einleitung energisch treibenden AOR-Klopfers "Blinded", ist den Saarländern eine sehr starke Bombasthalbballade mit geschickt eingesetzten Orchestersamples gelungen, die durchaus auch zu Petra gepaßt hätte, wie überhaupt Anhänger der Bob-Hartman-Truppe generell mal ein Ohr bei Lancelot riskieren sollten. Generell aber ist der vorliegende Re-Release für alle, die vielschichtigen Melodic Rock mit deutlicher Siebziger-Schlagseite hören wollen, antestenswert - Lancelot hatten internationales Format und hätten unter glücklicheren Umständen viel mehr erreichen können, so daß alle, die die Band damals verpaßt haben, auf die Suche gehen sollten, ob noch ein Exemplar der 500 Re-Releases aufzutreiben ist.
Kontakt: www.karthagorecords.de

Tracklist:
Stop Man
Home Again
Struck Down
Stargazer
Treat Me Right
But I Just Can't Stay Behind
Killer Machine
All Right Now
Rock'n'Roller
Tribute To F. J. Haydn/ABJFV
Little Jane
Lancelot
Far Away
Miss You
Pretty Thing
Blinded



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