www.Crossover-agm.de WHITESNAKE: Good To Be Bad
von rls

WHITESNAKE: Good To Be Bad   (Steamhammer/SPV)

Durch ein Übermaß an neuen Studioalben haben Whitesnake in den letzten 20 Jahren nicht geglänzt. Das erstklassige, wenngleich vielen Altfans deutlich zu metallische und zu unbluesige "Slip Of The Tongue" markierte 1989 den vorläufigen Endpunkt einer großen Karriere, und die nächste Dekade warf lediglich das 1997er "Restless Heart"-Album ab, bei dem David Coverdale nicht müde wird zu betonen, daß es eigentlich als sein Soloalbum geplant war und nur aus pekuniären Gründen unter dem Whitesnake-Banner veröffentlicht wurde (wobei böse Zungen einwerfen würden, daß JEDES Whitesnake-Album quasi ein Coverdale-Soloalbum mit mehr oder weniger wichtigen Mitstreitern darstellt). Bei "Into The Light" setzte sich der Sänger aber dann durch, und die CD erschien tatsächlich unter seinem Namen; das beste Album der Post-"Slip"-Periode unter seiner Beteiligung war da allerdings schon lange draußen, nämlich seine sträflich unterschätzte Ein-Album-Kollaboration mit Jimmy Page, die ewiglich funkelnde Songperlen wie "Take Me For A Little While" hervorbrachte. Im neuen Jahrtausend tourte Coverdale allerdings wieder unter dem Whitesnake-Banner, brachte eine Liveplatte heraus - und nun liegt auch ein neues Studioalbum vor, den Vorwurf, er zehre wie Hunderte anderer Altrockstars nur von der gloriösen Vergangenheit, allein schon durch seine Existenz wirkungsvoll entkräftend, aber auch durch die fast durchgehend gutklassige Qualität überzeugend. Freilich, ob hier Klassiker vom Schlage eines "Lovehunter", "Fool For Your Loving" oder "Ain't No Love In The Heart Of The City" enthalten sind, kann nach der einstelligen Zahl von Hördurchläufen bis zum Reviewschreiben noch nicht entschieden werden (nebenbei bemerkt: Coverdales Lieblingswort "Love" kommt in immerhin drei der elf neuen Songtitel vor), aber es gibt zumindest einige Songs, die das Potential dazu besitzen. Das geht gleich beim mächtigen Opener "Best Years" mit seinen wunderbaren Gitarrenharmonien im Refrain los - zwar muß man sich einen Moment lang an den etwas moderneren Sound vor allem der Gitarren gewöhnen, aber auch an einer Band wie Whitesnake geht die Zeit nicht ganz vorbei, und mit Gitarrist Doug Aldrich als neuem Sidekick scheint Coverdale sowieso noch einmal in einen Jungbrunnen gefallen zu sein, obwohl man ihm schon anhört, daß ihn die hohen Schreie mehr Energie kosten als die tieferen Vocals, die dementsprechend auch deutlich überwiegen, was den Altfans recht sein dürfte, die sich mit den sehr hohen Vocals auf "1987" und eben "Slip Of The Tongue" nicht anfreunden konnten. Freilich: Der musikalische Unterbau erinnert immer noch eher an jene beiden Alben als an die ältere Phase mit Micky Moody, wenngleich die Gitarren von Aldrich und seinem Partner Reb Beach durchaus auch bluesige Untertöne beinhalten und deutlich weniger technokratische Elemente auffahren als etwa Steve Vai auf "Slip Of The Tongue" - aber die Slidegitarre beispielsweise bleibt eingepackt. Dafür lassen Aldrich und Beach im nächsten Highlight "Call On Me" die Gitarren auch mal eine Mundharmonika simulieren, die Soli fliegen hin und her, und Coverdale baut gleich noch einen Ankündigungsspruch ein, den er live nutzen kann, um die Bandmitglieder vorzustellen. "Call On Me" ist mit 5:01 Minuten der zweitkürzeste Song und auch der zweitschnellste - selbst "Got What You Need" mit 4:14 Minuten erreicht allerdings nicht die Geschwindigkeit etwa eines "Take Me With You", so daß Geschwindigkeitsfanatiker mit "Good To Be Bad" also weniger glücklich werden (wobei dieses Urteil auch auf fast alle anderen Whitesnake-Alben zutrifft). Keyboardfanatiker übrigens auch nicht, denn mit Timothy Drury hat die Band zwar einen festen Tastendrücker im Line-Up, aber der verrichtet in den rocklastigeren Tracks im Prinzip durchgängig nur hintergründige Arbeit, ohne irgendwelche individuellen Akzente zu setzen, selbst solieren darf er so gut wie nie, und sogar in den drei balladeskeren Stücken erhält er kaum mal eine etwas tragendere Rolle zugewiesen. Man sollte allerdings nicht vergessen, daß etwa das hintergründige Hammondgeorgel im Titeltrack (nach merkwürdig strukturiertem Beginn der nächste Vielleicht-Klassiker, ein fester Kandidat für die nächsten Liveshows und zum Ende hin plötzlich noch ein furioses Solo in hoher Schlagzahl auspackend) durchaus eine reizvolle Stützfunktion erfüllt, ohne die der Song "leerer" wirken würde. Generell bleibt festzuhalten, daß auf "Good To Be Bad" definitiv der Bombast die Richtung angibt, denn die Songs sind mit Details, Licks, Bridges und Melodien nur so vollgestopft, ohne daß sie deshalb aber Brechreiz erzeugen würden. Freilich muß festgehalten werden, daß nicht jede Songidee richtig funktioniert und auch der arrangementseitige Aufbau diversen Merkwürdigkeiten unterliegt. Hinter dem seltsamen Eingangspart von "All For Love" etwa vermutet man niemals den immer schöner werdenden Melodic Rocker, der sich danach auszubreiten beginnt. Schwachpunkt der CD sind zwei der drei Balladen - keine richtig schlechte dabei natürlich, aber außer dem großartigen, geschickt zwischen Reduziertheit und einigen bombastischen Elementen pendelnden CD-Closer "'Til The End Of Time" auch keine, die im Emotionenpotential an vergangene Großtaten heranreichen würde. Nehmen wir "Summer Rain" als Exempel: Richtig beeindruckend-emotionaler Akustikgitarreneinstieg, sanfter Gesang von Coverdale - dann aber eine plötzliche Wendung, der Gesang wird rauh-gepreßt, und weg ist die Stimmung, auch wenn die insgesamt 6:15 Minuten (das Maximum der elf Songs) durchaus noch ein paar weitere Seelenstreichelelemente beinhalten, die allerdings auch wieder negiert werden, woran hier eben speziell der eigenartige Gesang schuld ist. Was Coverdale in seinem Alter immer noch stimmlich auf der Pfanne hat, kann man danach in "Lay Down Your Love" eindrucksvoll nachhören (dort gibt es auch einen wunderbaren ruhig-atmosphärischen Mittelteil, den man songwriterisch auch zu einer Ballade hätte ausbauen können), und da verzeiht man ihm auch gern, daß er sich in der Songstruktur hier etwas arg an den Led Zeppelin-Klassiker "Rock And Roll" angelehnt hat, den er mit einem kleinen Stupser gen "Come Together" der Beatles und seinem eigenen Werk "Still Of The Night" abrundet (beide Verweise findet man in der Passage vor dem ersten richtigen Refrain). Generell klingt das Material aber so sehr nach Whitesnake, wie nur irgend etwas nach Whitesnake klingen kann, und für einen derartigen Wiedererkennungswert würden andere Bands sonstwas geben. Zwar hat sich - auch das ist typisch für die Band - die Besetzung kurz vor dem Studiotermin mal wieder geändert, aber Neuzugang Chris Frazier an den Drums macht zumindest im Studio seine Sache sehr gut; ob er auch live in die übergroßen Fußstapfen von Tommy Aldridge treten kann, bleibt einer gelegentlichen Überprüfung vorbehalten. Mindestens die Hälfte des neuen Albums jedenfalls könnten Coverdale und seine Mannen bedenkenlos in den neuen Liveset integrieren, ohne offensichtliche Qualitätsabfälle befürchten zu müssen (wobei der test of time selbstredend erst noch bestanden werden muß, aber das war ja bei den alten Scheiben auch nicht anders), und auch bezüglich der CD kann eigentlich jedem Freund zeitlosen hochqualitativen Hardrocks nur ein Erwerb empfohlen werden - selbst als Einstieg für all die Jüngeren, die zu Zeiten von "1987" noch gar nicht geboren waren, sollte das Album hervorragend tauglich sein, was nun wirklich kaum eine gestandene Altrockband von ihren Alben der jüngeren Zeit behaupten kann.
Kontakt: www.spv.de, www.whitesnake.com

Tracklist:
Best Years
Can You Hear The Wind Blow
Call On Me
All I Want All I Need
Good To Be Bad
All For Love
Summer Rain
Lay Down Your Love
A Fool In Love
Got What You Need
'Til The End Of Time
 



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