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ALES BRICHTA, PAVLA KAPITÁNOVÁ & HOSTÉ: Legendy 2
von rls

ALES BRICHTA, PAVLA KAPITÁNOVÁ & HOSTÉ: Legendy 2   (Popron Music)

Die Idee der Unterlegung original fremdsprachig betexteter Musik mit muttersprachlichen Texten ist nicht neu. Sowas gab's schon in der klassischen Musik häufig und machte diese oftmals erst überregional aufführbar (welcher durchschnittliche deutsche Chorsänger des 18. Jahrhunderts hätte so gutes Englisch hinbekommen, um Händels "Messiah" halbwegs vernünftig originalsprachlich singen zu können?); auch die deutsche Schlagerwelt hat sich nicht selten dieses Vorgehens bedient, womit dann aus "I Just Called To Say I Love You" "Ich wollt' nur mal mit dir reden" oder aus "I've Been Looking For Freedom" "Auf der Straße nach Süden" wurde. Warum also sollte sowas in der Rockwelt nicht funktionieren? Arakain, eine der größten tschechischen Metalbands, starteten in den Mittneunzigern mit dem Album "Legendy" den Versuch, internationale Rock- und Metalklassiker mit tschechischen Texten zu covern, und offensichtlich rannten sie damit bei den Anhängern in ihrem Land offene Türen ein, während die Resonanz in nichttschechischsprachigen Gebieten logischerweise gering blieb. 2002 verließ Sänger Ales Brichta Arakain, doch die Idee eines zweiten Teils dieses Coverprojektes nahm er mit und realisierte es letztlich 2004 mit den Musikern seiner Soloband und einem großen Stapel "hosté", also Gästen, von denen die meisten am Gesangsmikro agieren (einer ist noch für die Holzbläser und ein weiterer für die Violine zuständig, welche jeweils in einem Song gebraucht werden). Ob Pavla Kapitánová von Anfang an als gleichwertige Mitstreiterin gedacht war oder sich ihr Beitrag erst im Laufe der Arbeit als so voluminös herausstellte, daß sie auf einen solchen Status "befördert" wurde, kann offenbleiben; die Sängerin (die der Tschechen-Metal-Experte von Wolfram kennt, die in den letzten Jahren aber eher im Musicalbereich gearbeitet hat) überläßt Brichta allerdings den Großteil der Strophen und singt den überwiegenden Teil der Refrains im Duett mit ihm. In einem Song ist dann doch mal eine weibliche Leadstimme gefragt, nämlich bei "Legends Never Die" von Wendy O. Williams (der einzige Song, den es hier in zweifacher Ausfertigung zu hören gibt, einmal mit tschechischem und einmal mit originalem englischem Text - wußte gar nicht, daß da original Kiss-Schlabberzunge Gene Simmons mitkomponiert hat), aber die überläßt Pavla einem der Gäste, nämlich demjenigen, der den größten Bekanntheitsgrad unter den Beteiligten in Deutschland haben dürfte: Marta Jandová, die hauptamtlich bei Die Happy hinterm Mikro steht und hier erstaunlich zurückhaltend singt, während Pavla eine äußerst wandlungsfähige Stimme zur Schau stellt, zumeist in mittleren Lagen bleibt (auch erstaunlich weit nach unten kommt, ohne die Klarheit aufgeben zu müssen) und Brichtas leicht angerauhtem Organ erfolgreich Paroli bieten kann, hier und da sogar eine sehr hörenswerte Symbiose mit diesem eingeht (höre beispielsweise Rainbows "Temple Of The King"). Die Herangehensweise der Musiker an die Songs ist relativ unterschiedlich. Zwar bleibt die originale Struktur meist 1:1 erhalten, aber ob man auch bezüglich des musikalischen Gestaltungsarsenals und des Sounds einen Parallelkurs fährt oder sich etwas abgrenzt, scheint eine Einzelfallentscheidung gewesen zu sein. "Cocaine" von J.J. Cale hatte beispielsweise original keinesfalls so ein fettes, fast Black Sabbath-kompatibles Riff unterlegt bekommen (wer die Lefay-CD "Symphony Of The Damned" in der Re-Release-Version in der Sammlung stehen hat, kann interessante Vergleiche zur dortigen Version anstellen), auch "Jumpin' Jack Flash" der Stones erfuhr eine hardrockende Frischzellenkur, während "Ace Of Spades" von Motörhead etwas geschliffener auf den Kartentisch knallt als das Original, obwohl man den instrumentalen Sound recht originalgetreu angelegt hat. Zu den sehr nahe am Original befindlichen Versionen (die Gesangsparts logischerweise ausgeklammert) zählt gleich Alice Coopers "Poison" als Opener, später gesellen sich "Children Of The Sea" von Black Sabbath oder "Out In The Fields" von Thin Lizzy zu dieser Gruppe hinzu. Mit Petr Kolár befindet sich auch Brichtas Nachfolger bei Arakain unter den Gästen und erbringt bei Deep Purples "Burn" eine meisterliche Leistung, die sogar Brichta selbst fast in den Schatten stellt. Tja, und dann wäre da noch "Take Me For A Little While" von Coverdale/Page, eine schwierige Wahl, mit der man eigentlich nur verlieren konnte - einerseits ist der Song der breiten Masse relativ unbekannt, andererseits aber im Original derart ergreifend, daß, wer ihn liebt, dies aus vollem Herzen tut und an jeder Note hängt, so daß jede Adaption ein Risiko darstellt. Nun, die Tschechen haben sich trotzdem herangewagt - und gewonnen. Der Instrumentalteil wurde nahezu exakt kopiert (und nicht nur die Noten, sondern auch das an der Grenze zwischen Romantik und purem Eskapismus liegende Feeling), und der Gesang, hier weitgehend im Duett, kann neben David Coverdale zweifellos bestehen, selbst wenn man nicht weiß, was die beiden hier nun gerade singen, ob sie also das bitter-romantische Original reproduzieren oder nicht. Kundige der tschechischen Sprache können sich ja mal dahinterklemmen, wie die Herangehensweise bei den Texten ist - zumindest einige der Songtitel erwecken den Eindruck relativ direkter Übersetzungen aus der Originalsprache (alle tschechischen Texte bis auf "Cocaine" und "Flamengo", dessen musikalische Herkunft übrigens weder vom Booklet noch vom Rezensenten genau aufgeklärt werden kann, wurden von Brichta selbst verfaßt - damit man auch beim Mitsingen sattelfest wird, gibt es die tschechischen Texte im Booklet nachzulesen). Natürlich liebt man beim Hören manche Songs mehr als andere, was in der persönlichen Stellung zu den Originalen begründet liegt (wer mit Coverdale/Page nicht klarkommt oder sie gar nicht erst kennt, wird "Take Me For A Little While" vielleicht nicht als emotionalen Höhepunkt der CD ansehen), aber einen grundsätzlichen Unterhaltungswert besitzen die kompletten 66:44 Minuten definitiv, und man könnte sie paradoxerweise selbst als eigenständiges Album durchlaufen lassen, sofern man sich nicht an den angelegten unterschiedlichen Soundgewändern stört. In Deutschland dürfte die Platte eher schwierig aufzutreiben sein, aber die Suche (oder ein Abstecher in einen gutsortierten tschechischen Plattenladen) lohnt sich definitiv.
Kontakt: www.popronmusic.cz

Tracklist:
Noc Kouzel (Poison - Alice Cooper)
Vím Co Jsi Zac (Touch Too Much - AC/DC)
Hloupı Se To Zdá (Legends Never Die - Wendy O. Williams)
Zivot Je Pes (Jumpin' Jack Flash - Rolling Stones)
Chrám Kde Spí Nás Král (Temple Of The King - Rainbow)
Cocaine (Cocaine - J.J. Cale)
Rozdávej (Ace Of Spades - Motörhead)
Proc Nenechás Mi Na Mım Pohrbu Hrát (Take Me For A Little While - Coverdale/Page)
Plác Spálí Smích (Out In The Fields - Thin Lizzy)
Norskı Drevo (Norwegian Wood - Beatles)
Stále Dál (Flamengo)
Nikdo Nejsme Bez Chyby (Coz I Luv You - Slade)
Deti Oceánu (Children Of The Sea - Black Sabbath)
Sém (Burn - Deep Purple)
Dalsí Blbej Den (Death Is Not The End - Nick Cave)
Legends Never Die (Wendy O. Williams)



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