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Whitesnake, The Traceelords   14.09.2004   Leipzig, Parkbühne im Clara-Zetkin-Park
von rls

Ein Paradoxon, wie ich es vor einiger Zeit (man lese bei Interesse mein CD-Review zum selbstbetitelten Pride Of Lions-Debüt auf www.guc-area.de nach, wenn denn die Reviews aus Nr. 20 irgendwann mal online gehen) schon einmal hatte: Hier gestaltet es sich derart, daß dem Rezensenten zwei phasenweise absolut traumhafte Septemberwochenenden mit lieben Menschen vergönnt sind, nach deren Ablauf man allerdings jeweils in ein Stimmungsloch fällt - und justament zwischen diesen beiden Wochenenden liegt ein Whitesnake-Gig, bei dem David Coverdale logischerweise nicht auf Songs vom Kaliber "Here I Go Again" (dessen Titelzeile, das muß dazugesagt werden, durch die Worte "on my own" abgerundet wird) verzichtet, welche trotz differierender Ausgangslage für den Rezensenten in manchen Situationen pures Gift sind. Trotzdem: Der Gig war ein absolutes Erlebnis, und nicht mal das Faktum, daß ein selbstherrlicher Terminredakteur eines Leipziger Stadtmagazins seine so oder so schon eher in hämischem Ton gehaltene Konzertankündigung mit den Worten "allenfalls für unverbesserliche Nostalgiker" (oder so ähnlich) beendet (Jawohl: Whitesnake sind nicht trendy - sie sind zeitlos!) und sich der zuständige Redakteur einer lokalen Tageszeitung spöttische Bemerkungen über den mangelnden Tiefgang von Coverdales Texten nicht verkneifen kann (lange nicht frisch verknallt oder aber einsam gewesen, was?), konnte da zum richtigen Aufreger werden.
Doch der Reihe nach: Ein Open Air Mitte September ist risikobehaftet, aber das Wetter spielte mit und inszenierte einen lauen Abend, dessen angedrohte Regenschauer ausblieben. Der wenige Minuten nach der Anstoßzeit von 20 Uhr eintreffende Rezensent stellte fest, daß The Traceelords schon fleißig drauflosrockten, was einen strikten Zeitplan (wohl durch die Anwohner des an den Park angrenzen Stadtviertels, das paradoxerweise das Musikviertel heißt, bedingt) vermuten ließ. Instrumental deutlich fitter als die meisten der üblichen neuzeitlichen "The"-Bands, spielten die vier Jungs einen Querschnitt aus ihren beiden Alben, konnten allerdings nur bedingt eigene Akzente setzen, um sich von den Myriaden anderer Rotz'n'Roller abzusetzen. Die bisweilen für das Genre überdurchschnittlich filigranen Gitarrensoli hätten ein solches Alleinstellungsmerkmal werden können, wenn der Soundmensch es nach gutem Beginn nicht fertiggebracht hätte, die Regler in einen Bereich hochzudrehen, wo man mal wieder kaum noch Feinheiten heraushören konnte (und ich hatte links neben dem Mischpult einen akustisch alles andere als ungünstigen Platz). Nicht jedes Mitsingspielchen, das Andy Brings inszenierte, gelang ganz hundertprozentig wie geplant, und letzten Endes war der Gig zwar nicht schlecht, aber außer vielleicht "Sex, Money, Rock'n'Roll" (das war der Titeltrack des Debütalbums) und dem abschließenden "Daddy Cool"-Cover blieb nicht allzuviel im musikalischen Langzeitgedächtnis haften.
Whitesnake hatten ihr Tourmotto schlicht "Greatest Hits" genannt, und genau solche gab's denn auch zu hören, wenngleich eine solche Band die undankbare Aufgabe hat, trotz knapp zwei Stunden Spielzeit immer noch selektieren zu müssen, da man keineswegs alle Highlights in einem solchen Set unterbringen kann. Los ging's mit "Burn" und einem dort eingewebten "Stormbringer"-Part - ein guter Auftakt, wenngleich noch nicht das Maß aller Dinge, da Glenn Hughes' Version von "Burn" (nachzuhören auf "Burning Japan Live") nicht in den Schatten gestellt werden konnte. Allerdings sollten dies die einzigen Reminiszenzen an Coverdales Deep Purple-Vergangenheit bleiben ("Mistreated" wurde also nicht gespielt) - oder sagen wir: fast. Der offensichtlich gut bei Laune und Stimme befindliche Coverdale sang nämlich wohl auf Zuruf der in den ersten Reihen stehenden Fans in einer kurzen Songpause die erste Strophe von "Soldier Of Fortune" a cappella - wenige Minuten zuvor hatte er das bereits mit "Walking In The Shadow Of The Blues" getan. Ansonsten nahm selbstredend das "1987"-Album breiten Raum im Set ein (und nicht nur, weil es das einzige Whitesnake-Album war, das regulär in der DDR bei Amiga erschien, wenngleich mit einem Song weniger als die internationale Version), wohingegen die beiden danach noch erschienenen Alben nur mit "Judgment Day" berücksichtigt wurden, das sich aber überraschend zu einem absoluten Highlight mauserte und durch die fetten Gitarren von Reb Beach und Doug Aldrich sowie die donnernden Drums von Tommy Aldridge fast doomigen Charakter aufwies, zumal der Sound auch wieder deutlich klarer geworden war. Auffällig war, daß Aldrich die meisten Soli in der ersten Sethälfte spielte, Beach die meisten in der zweiten - Slidegitarrenfetischisten, die immer noch Micky Moody hinterhertrauern, gingen an diesem Abend allerdings leer aus, und generell war nicht allzuviel sehr altes Material im Set. Dafür beeindruckte Tommy Aldridges Drumsolo, das er in der zweiten Hälfte nur noch mit bloßen Händen absolvierte, wohingegen Doug Aldrichs keyboardunterstütztes Solo nicht unbedingt hätte sein müssen und lieber noch durch "Lovehunter" hätte ersetzt werden können. Aber generell präsentierte sich die gesamte Band in hoher Spiellaune und brachte sowohl bluesigere Tracks wie "Ain't No Love In The Heart Of The City" als auch hardrocklastigeres Material wie das kapitale "Crying In The Rain" mit gleicher Intensität zu Gehör. Balladeskes zum Ausruhen und Träumen gab's eigentlich nur mit "Is This Love" (und das erstaunlich früh im Set), wohingegen die allergrößten Hits, nämlich "Fool For Your Loving" und das bereits erwähnte "Here I Go Again" gegen Ende des regulären Sets plaziert wurden. Der Zugabenteil hielt schließlich noch zwei besondere Schmankerl bereit: als finalen Rausschmeißer das Hardrock-Monument "Still Of The Night" (mit wunderbarem atmosphärischem Mittelteil), vorher aber noch "Take Me With You", zur Entstehungszeit (1978!) geradezu brutal schnell zu nennen und mit dem furiosesten Solo des gesamten Sets ausgestattet - auch heute noch ein Klassesong und so etwas wie mein heimlicher Favorit im gesamten Whitesnake-Repertoire. Die anwesenden Fans (es sollen ca. 1500 gewesen sein) erlebten also eine schöne Zeitreise in die Vergangenheit, und falls jetzt auch endlich mal ein starkes neues Studioalbum kommt und auf den nächsten Touren vielleicht ein paar seltenere Schmankerl ausgegraben werden (Vorschlag: "Sailing Ships"), sollte mit dieser Band auch im 21. Jahrhundert noch zu rechnen sein.



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