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SAGA: Sagacity
von rls

SAGA: Sagacity   (Ear Music)

Verbirgt sich hinter dem Albumtitel etwa ein gemeinsames Projekt der 1976 gegründeten kanadischen Progrockheroen Saga mit den gar noch vier Jahre älteren DDR-Rock-Helden City? Nein, diese heimliche Hoffnung manches Anhängers geht nicht in Erfüllung (wobei sie nicht von der Hand zu weisen wäre, denn Saga hatten schon in den Achtzigern auch in der DDR gespielt). Statt dessen handelt es sich "nur" um ein neues Saga-Studioalbum, aber auch das genügt erstmal, um die Anhängerschaft in eine gewisse Vorfreude zu versetzen. Zwar hatten es Saga im neuen Jahrtausend nicht mehr geschafft, an die Qualitäten ihrer Frühwerke anzuknüpfen, aber für gut durchhörbare Alben im Spannungsfeld zwischen Melodic Rock und Progrock waren sie quasi immer gut, und ab und zu versteckte sich auf selbigen auch noch ein richtiges Glanzlicht, etwa "I'm OK" vom 2006er "Trust"-Album, dessen Refrain sicherlich nicht nur für den Rezensenten in der einen oder anderen Situation als Motivationshymne gedient hat, auch wenn die Band selbst ihn möglicherweise anders gemeint hat. Von daher geht man mit gewissen Erwartungen an "Sagacity" heran, zumal, so steht's unter dem Tray, der ungewöhnliche Albumtitel als ein Synonym für Weisheit gilt. Und nach knapp 51 Minuten stellt man fest, daß die Erwartungen erfüllt worden sind und sich auch "Sagacity" problemlos in die gutklassigen, wenn auch nicht überragenden Veröffentlichungen der Kanadier aus den letzten anderthalb Jahrzehnten einreiht. Dabei fällt auf, daß Saga diesmal ihren Progrockwurzeln deutlich stärkeren Raum geben, wie gleich der phasenweise recht vertrackte Opener "Let It Slide" deutlich macht. Und so nah an Yes (in deren zugänglicheren Phasen) wie in "Go With The Flow" waren sie praktisch noch nie. Hier setzt Ian Crichton oft und gern auf Akustikgitarren, bevor der Song später doch noch rocktechnisch explodiert - und man lasse sich die diversen Tonartwechsel einen nach dem anderen genüßlich auf der Zunge zergehen! Allerdings sollte bis zu diesem Song (er steht an Position 4) auch schon klargeworden sein, daß die Rückkehr von Michael Sadler ans Frontmikrofon keine Dauerlösung darstellt: Der Mann singt natürlich alles andere als schlecht, aber mit doch relativ gedeckter, hier und da fast matt wirkender Stimme, und wenn man ihn noch von früher her in Erinnerung hat (was auf die heutige Anhängerschaft der Band natürlich mehrheitlich zutreffen dürfte), erkennt man ihn bisweilen kaum wieder. Das muß nicht zwingend ein Problem sein, wie das rein akustische "Press 9" beweist, textlich übrigens eine bitterböse Abrechnung mit dem Tastenwahlsystem von Hotlines und Phänomenen wie Online-Beichte, gesungen mit einer ungewöhnlichen tiefen Stimme, wobei noch die Frage bleibt, ob das überhaupt Sadler ist oder eines der anderen am Gesang beteiligten Bandmitglieder. Aber solch eine Stimmfärbung kommt durchaus öfter vor, und so ist die Wahrscheinlichkeit, daß wir hier Sadler hören, nicht gerade klein. In "Wake Up" und "Don't Forget To Breathe" wiederum ist deutlich die klassische Sadler-Stimme am Werk, aber eben nicht mehr mit der Klarheit wie früher, und nur in "Luck" packt einen der Sänger wie früher, und zwar sogar mit deutlich erhöhter Farbvielfalt. Vor diesem Hintergrund bleibt die Frage spannend, wie lange die aktuelle Saga-Konstellation noch aktiv sein wird - bis auf Drummer Simon Negus, der über mehrere Zwischenstufen jetzt durch Mike Thorne ersetzt worden ist, spielt auf "Sagacity" wieder die "klassische" Besetzung. Welchen Anteil Thorne an der sehr progressiven Ausrichtung des Albums hatte, kann nur gemutmaßt werden. Zwar findet sich durchaus auch eher geradliniger Melodic Rock wie "On My Way" (zunächst in gemütlichem Midtempo, dann allerdings überraschend in ein Speedsolo ausbrechend, was aber die einzige Ungewöhnlichkeit darstellt), aber die Dominanz hat ganz klar das vertracktere Material a la "The Further You Go" oder eben "Go With The Flow". Das wird nicht jedem Hörer schmecken, zumal offenkundige Hits abwesend sind und die Songs durchaus einiges an Erschließungsarbeit verlangen. Die im Vergleich zu früher weniger markanten Vocals tun ihr übriges dazu, aber wenn man sich der entsprechenden Mühe unterzieht, kann einen das auch optisch nicht uninteressant gestaltete "Sagacity" (die Coverheuschrecken wirken wie eine mutierte Ausgabe der von Rodney Matthews bekannten, und die Figur dazwischen gibt es in friedfertiger Version mit völlig anderer Aussage als Skulptur an der Strandpromenade von Batumi in Georgien) durchaus reich belohnen.
Kontakt: www.sagaontour.ca, www.ear-music.net

Tracklist:
Let It Slide
Vital Signs
It Doesn't Matter Who You Are
Go With The Flow
Press 9
Wake Up
Don't Forget To Breathe
The Further You Go
On My Way
No Two Sides
Luck
I'll Be



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