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GENIUS (A Rock Opera by Daniele Liverani): Pt. II: In Search Of The Little Prince
von ta

GENIUS (A Rock Opera by Daniele Liverani): Pt. II: In Search Of The Little Prince   (Frontiers Records)

Zu "Genius Pt. II" würde ich am liebsten zwei Rezensionen schreiben, vielleicht die eine objektiver, die andere subjektiver durchprägt, zumindest stände kein homogenes Paar CD-Schau sich gegenüber. So muss ich den beschreibenden und den wertenden Teil in eine Rezension packen, auch wenn ich Herrn Liverani, der sicherlich Zeit und Mühe genug in dieses Projekt investiert hat, damit sicherlich Unrecht tue. Aber die Dinge stehen einfach: "Genius Pt. II" gibt mir gar nichts, ist eine der CDs, von denen ich weiß, dass sie nach den Zwangsdurchläufen für die Besprechung niemals mehr in meinen CD-Schacht wandern wird und dabei hätte, könnte, sollte ... Schade.
"Genius Pt. II" bietet den sog. Progressive Metal der bombastischen, keyboarddurchtränkten, ausufernden, mit Power Metal italienischer Machart durchsetzten Sparte. Weil es sich hier außerdem um eine "Rock-Oper" handelt, wird ein ganzes Arsenal an Sängern aufgefahren, genaugenommen neun Stück, die auf elf Songs verteilt und von einer Sängerin und einem Erzähler ergänzt werden. Der Vollständigkeit halber seien die Namen aller stimmlich Beteiligten hier vollständig angeführt: Mark Boals (Ring Of Fire), Daniel Gildenlow (Pain Of Salvation), Russell Allen (Symphony X), Edu Falaschi (Angra), Jeff Martin (Racer X), Rob Tyrant (Labyrinth), Eric Martin (ex-Mr. Big), Johnny Gioeli (Pell) und Oliver Hartmann (Empty Tremor) als Sänger, Philip Bynoe (Steve Vai, Ring Of Fire) als Erzählerfigur sowie Liv Kristine (ex-Theatre Of Tragedy), die in "To Be Free" in Erscheinung tritt und diese relativ laue Ballade mit ihrer gesanglichen Präsenz enorm aufwertet. Es wäre aber müßig, jeden Track für sich genommen durchzugehen. Freilich gewinnt jedes Stück durch den jeweiligen Sänger (und kaum einer taucht mehrere Male auf ...) seinen eigenen, speziellen Charakter, der jeweils vom Hörer mitgeprägt wird durch das, wenn gegebene, Wissen darum, wie der Sänger bei seiner jeweiligen Stammband klingt und die daraus resultierende intuitive Erweiterung des jeweiligen Songs um vergleichende Facetten, bei denen man z.B. darauf kommt, dass Russell Allen in "He Will Die" eigentlich ganz nach Symphony X klingt, Rob Tyrant sich durch "Beware" eher schwachbrüstig als labyrinthisch laviert und Daniel Gildenlow sich einfach nach Gildenlow anhören kann, auch wenn der musikalische Kontext von "Far Away From Here" ein anderer ist als der von Pain Of Salvation. Aber was heißt das? "Genius Pt. II": Ein Plazet für vielschichtige, abwechslungsreiche Musik? Antwort: Abwechslungsreich vielleicht, vielschichtig mitnichten. Beide Punkte treffen sich in einem: Popanz ohne Inhalt.
"Genius Pt. II" rotierte nun schon eine stattliche Anzahl von Durchläufen in meinem CD-Spieler vor sich hin, leider ist es aber beim isolierten Kreiseln um die eigene Achse geblieben, sowohl was CD als auch was den vermeintlichen Hörer betrifft. (Traurig, aber wahr.) Ich finde keinen Anschluss an dieses Stück Musik, weil ich gar nicht wüsste, worauf ich mich hier einlassen kann und sollte. Natürlich, auf Prog Metal mit überlangen Songs, Balladen und Doublebassspeedstern, vertrackten und einfachen Passagen usf. Aber wenn ich mich auf etwas einlasse, dann auf Stimmungen (oder wie man sonst nennen mag, was alle Musik miteinander verbindet), und die finde ich nicht in diesem Gewusel aus mannigfaltigen Leerhülsen. Das hier wirkt alles so kalt und leblos und konstruiert und unnatürlich, dass 80 Minuten Spielzeit schon als Extra-Strafe erscheinen: Stücke wie etwa die überlangen Epen "All My Fault" und "Far Away From Here" sind furchtbar zerrissene Künstlichkeiten, die aus vielen kleinen autonomen Teilen bestehen, welche sich durch sich selbst definieren, aber dabei weder einen adäquaten Spannungsaufbau noch einen anständigen Songfluss garantieren können und die ständigen Sängerwechsel unterstützen einen solchen Faktor ganz effektiv. So wirkt eigentlich von Track zu Track alles zerrissen und innerhalb des Stückes passiert nichts, weil nichts entwickelt wird, wächst oder zusammenfällt. Wenn dann in "What He Has To Say" im Schlussteil chromatisch die Gitarren nach oben steigen und mit verzweifelt-erstickten Bittrufen für ordentliche Dramatik gesorgt werden soll, ist das eher Realsatire, weil es erstens einfach nur separat abläuft zwischen zwei separaten anderen Songteilen und zweitens mit Mitteln arbeitet, die schon zu oft strapaziert wurden, um authentisch zu wirken - was meinen zweiten Kritikstrang an "Genius Pt. II" markieren soll. Arrangements, Melodien, Riffs, Rhythmen usw. kennt man eigentlich schon seit derart vielen Jahren von anderen Bands des Power/Prog/Melodic Metal-Bereiches, dass "Genius Pt. II" von Anfang an geöffnet ist, demnach nicht erschlossen werden muss, demnach ganz bitter langweilig wirkt. (Die daraus resultierende fehlende Konzentrationsfähigkeit äußerte sich in der Tatsache, dass ich mir, wenn ich zehn Minuten nach dem Durchhören des Albums das Gehörte zu rekapitulieren gedachte, eingestehen musste, dass nichts hängengeblieben ist selbst vom energischen "He Won't Escape" oder trauerweidenden "My Dear Son", die sich beim ersten Anhören schon offenbart haben und keinerlei unter- oder hintergründige Stimmungen transportieren.) "Genius Pt. II", das heißt ein Buch lesen, das ohne Allegorien oder sonstige Verschlüsselungen auskommt. "Genius Pt. II", das heißt ein Buch lesen und dabei jede zweite Seite überblättern. "Genius Pt. II", das heißt eine Menge Geschehen und wenig Handlung. Hier passiert viel und eigentlich gar nichts. Trivial. Wie bei Rosamunde Pilcher; was bei einer "Rock-Oper" nicht unbedingt hätte sein müssen.
Soviel zu ein paar sehr subjektiven Eindrücken. Ob und inwiefern das ganze Fantasy-Konzept hier einen neuen Betrachtungsrahmen spannen könnte, weiß ich nicht (Texte liegen nicht vor). Ob und inwiefern andere Hörer "Genius Pt. II" erfreuter aufnehmen werden, muss nicht gefragt werden, denn es wird so sein. Darum sei jedem Interessierten angeraten, sich selbst ein Bild von "Genius Pt. II" zu verschaffen. - Natürlich hätte auch die Möglichkeit bestanden, das Album an dieser Stelle milder, nichtssagender zu bewerten. Aber dann müsste ich so tun, als ob ich mir Liveranis Operette ganz freiwillig konzentriert angehört hätte und das ist nicht der Fall. Daniele Liverani ist zuständig für Gitarren, Bass und Keyboards. Alle Songs stammen von ihm. Liverani spielt bei Khymera und Empty Tremor, schreibt bei Empty Tremor den größten Teil der Musik. Als Solokünstler ist er nebenbei tätig. Produziert hat er dieses Album hier ebenfalls. Dieser Mann mag zu viele Ideen haben, eher aber einfach zu viel Zeit.
Kontakt: www.frontiers.it

Tracklist:
1. He Will Die
2. Playing In Their Dreams
3. He Won't Escape
4. Valley
5. Beware
6. My Dear Son
7. What He Has To Say
8. All My Fault
9. To Be Free
10. Fight Again
11. Far Away From Here




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