www.Crossover-agm.de ANGRA: Rebirth World Tour - Live In Sao Paulo
von rls

ANGRA: Rebirth World Tour - Live In Sao Paulo   (Nothing To Say/Wagram Music)

Das Frühwerk von Angra bis einschließlich "Holy Live" habe ich komplett im Plattenschrank stehen, die Folgewerke "Fireworks", "Rebirth" und "Hunters And Prey" aber allesamt nicht. Nun kommt also eine Live-Doppel-CD daher, welche allerdings bereits im Dezember 2001 im heimatlichen Brasilien mitgeschnitten wurde, und der CD-Titel sagt bereits, daß es sich dabei um die Tour zum "Rebirth"-Album handelte - Material der "Hunters And Prey"-Mini findet sich unter den insgesamt 18 Tracks also nicht. Das allgemein wenig geliebte "Fireworks"-Album (nach welchem sich die Band spaltete - Sänger André Matos, Bassist Luis Mariutti und Drummer Ricardo Confessori verließen die Band und arbeiteten unter dem Banner Virgo bzw. Shaman weiter) findet sich in der Setlist lediglich mit "Metal Icarus" wieder, wohingegen "Rebirth" erwartungsgemäß fast komplett durchgespielt wird. Dem Bombast-Intro "In Excelsis" folgt also wie auf dem Studioalbum, dem Schnittmuster von "Angels Cry" und "Holy Land" entsprechend, "Nova Era", das für Uneingeweihte die musikalische Marschrichtung Angras deutlich vorgibt: melodischer Metal mit häufigen Speedausflügen, virtuos instrumentiert, gelegentlich klassische Themen einstreuend und in der Gesamtbetrachtung hochgradig begeisternd. "Acid Rain" kommt eher im Midtempo zum Zuge und leitet zum ersten "Oldie" über, nämlich "Angels Cry", bei dessen Ansage das vielköpfige Publikum (man betrachte das Foto im Inneren des Digipacks!) schier zu bersten droht. Auch hier gibt's wieder einen barocken Mittelteil, von den Gitarristen Kiko Loureiro und Rafael Bittencourt leichtfüßig und spielfreudig intoniert - ein absolutes Highlight. "Heroes Of Sand" ist eher hymnisch angelegt, versteckt aber auch einige progressiv-vertrackte Passagen - letztgenanntes Attribut gilt auch für das bereits erwähnte "Metal Icarus", dessen Fluggerät zwar stellenweise im Concorde-Tempo über den Himmel rauscht (wiederum: was für eine Gitarrenarbeit!), im Hauptsolo dann aber in einen langsamen Schwebeflug übergeht und sich die Landschaft in aller Gemütsruhe aus der Luft ansieht. Für die Atmosphäre sorgt Gastkeyboarder Fabio Laguna, und das Publikum darf mit einigen Ohoho-Passagen ebenfalls sein Scherflein beitragen (frage mich aber niemand, was Sänger Edu Falaschi da so alles zum Auditorium sagt, denn er tut das logischerweise in Portugiesisch, dessen ich nur sehr marginal mächtig bin). Abgerundet wird der Song ebenfalls durch einen hymnisch-einprägsamen Refrain. Ich kenne zwar die Studioversion auf "Fireworks" nicht, aber wenn da noch mehr von dieser Kajüte drauf ist, kann das Album gar nicht so mittelmäßig sein, wie oft behauptet wird (der einzige dort enthaltene Song, der mir vorher bekannt war, ist das ebenfalls sehr ordentliche "Speed", das anno 1998 mal auf'm RockHard-Sampler stand). Nach einem langsamen ersten Drittel steigert auch "Millennium Sun" wieder das Marschtempo, bevor "Make Believe" erstmals zum "Holy Land"-Album zurückblendet. Mit diesem konnte und kann ich nicht allzuviel anfangen und halte es allgemein für etwas überbewertet - der Metalfaktor in "Nothing To Say" und "Z.I.T.O." weiß zwar ebenso wie das gigantische Bombastopus "Carolina IV" auch heute noch zu begeistern, aber das restliche Material war und ist mir dann doch etwas zu relaxt ausgefallen. Nicht daß ich was gegen relaxten halbakustischen Stoff hätte - aber die Dosis macht's. Auf "Holy Land" war die eindeutig zu hoch, hier dagegen steht "Make Believe" von dieser Sorte relativ singulär da, gibt einem die Gelegenheit der eingehenderen und abgrenzenden Betrachtung und entpuppt sich als durchaus funkelnder Diamant, den auch das Publikum zu schätzen weiß. Nicht zwingend notwendig dagegen ist das Drumsolo von Aquiles Priester, obwohl der Schachzug, es mit exakt der Drumpassage einzuleiten, die auch Judas Priests "Painkiller" eröffnet, als taktisch durchaus geschickt einzustufen ist - immerhin haben Angra "Painkiller" auch schon mal gecovert (nachzuhören beispielsweise auf der "Freedom Call"-Mini). Es ist nicht schlecht, aber auch nicht absolut herausragend. aber vielleicht war es noch ein Schachzug, mit ihm die erste CD enden zu lassen. Da steigt nämlich die Vorfreude, CD 2 einzulegen und wieder "richtige" Songs zu hören. Das geht dann auch gleich mit "Unholy Wars" los, wieder einem größeren Opus, das einige dieser Angra-typischen flötenartigen Keyboardpassagen enthält. "Rebirth" beginnt verhalten (wiederum mit einem klassikangelehnten Thema) und geht in gemäßigtes Midtempo, aber auch hier haben die Jungs ins Hauptsolo eine fröhlich-jubelnde Speedpassage eingebastelt. "Time" läßt dann langsam Ahnungen ans Grande Finale aufkommen - wieder ein Rückgriff auf "Angels Cry"-Material, der unterstreicht, daß Edu Falaschi zu 99% ein erstklassiger Ersatz für André Matos ist und nur die ganz extremen Höhen (von denen Matos gerade auf "Angels Cry" etliche untergebracht hat) nicht ganz so klar rüberbringt. Von der Geschwindigkeit bleibt "Time" im marschierenden Midtempo und stellt in der Gesamtbetrachtung den powermetallischsten Track der Livescheibe dar. Mit "Running Alone" geht's noch einmal zu "Rebirth" - erneut ein klassisches Intro, bevor die Jungs nicht etwa allein, sondern alle sechs gemeinsam losflitzen. Sieben Minuten Speed vom Feinsten, der nun aber wirklich das Grande Finale einläutet. Selbiges war in ähnlicher Struktur schon auf der "Holy Live"-Mini vertreten und erlaubt deshalb direkte Vergleiche. Diese fallen in einem nicht unwesentlichen Punkt allerdings zu Ungunsten von "Rebirth World Tour" aus: Der Sound ist nicht schlecht und durchaus transparent, aber irgendwie auch ein wenig dünn, speziell die Bassdrums klingen fast nach Schreibmaschinentastatur, und auch das Riffing macht vergleichsweise wenig Druck. Gut, Angra waren wohl noch nie eine Band, die die Zuschauer live mit Riffwalzen plattmachen möchte (ich habe sie leider noch nie live gesehen), aber ein bißchen mehr Substanz wäre meiner Meinung nach hier durchaus drin gewesen, ohne den Gesamtsound entscheidend zu verunklären. Besonders auffallend ist dieses Faktum im etwas kraftlos klingenden "Nothing To Say" (dürfte vermutlich der Namensgeber für die heutige Plattenfirma Angras gewesen sein), wohingegen das von der kompositorischen Substanz her genauso unsterbliche "Carry On" der Gefahr etwas besser entgeht. Den Schlußgong setzt dann eine gute, aber nicht weltbewegende Coverversion von "The Number Of The Beast". Ich besitze die Digipakversion (mit knapp 100 Minuten Spielzeit), weiß aber nicht, inwieweit es in der Tracklist Unterschiede zur regulären Version gibt. Der Gig ist auch in DVD-Form erhältlich.
Kontakt: www.angra.net

Tracklist:
CD 1
In Excelsis
Nova Era
Acid Rain
Angels Cry
Heroes Of Sand
Metal Icarus
Millennium Sun
Make Believe
Drums Solo

CD 2
Unholy Wars
Rebirth
Time
Running Alone
Crossing
Nothing To Say
Unfinished Allegro
Carry On
The Number Of The Beast






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