www.Crossover-agm.de AXEL RUDI PELL: The Ballads II
von rls

AXEL RUDI PELL: The Ballads II   (Steamhammer)

Es ist ja so 'ne Sache, wenn man als für gewöhnlich hart rockender Künstler einen Balladensampler rausbringt. Der Fan hat die regulären Longplayer eh komplett im Schrank stehen (und, wenn seine Freundin ihm lange genug auf die Ketten gegangen ist, für sie auch schon einen gleichgearteten Sampler zusammengebrannt), der gewillte Neueinsteiger bekommt ein reichlich verzerrtes Bild vom typischen Oeuvre des Künstlers, und die Erschließung neuer Käuferschichten aus den Kreisen der Nichthardrockanhänger gelingt meist nur in begrenztem Maße, da besagte Kreise dem für gewöhnlich hart rockenden Künstler gerne pauschal jede Ader für gefühlvolle Klänge absprechen. Axel Rudi Pell indes scheint den schwierigen Spagat geschafft zu haben, denn ansonsten wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, "The Ballads" aus dem Jahre 1993 einen zweiten Teil gleicher Bauart folgen zu lassen. Nachdem Pell auf besagter Scheibe sein balladeskes Schaffen mit seiner Band Steeler sowie das seiner ersten drei Solowerke rekapitulierte, kommen nun logischerweise die seither erschienenen Tonträger zum Zuge.
Die ersten sechs Songs auf "The Ballads II" gehören Sänger Johnny Gioeli (Kennern vielleicht vom Hardline-Projekt mit Journey-Gitarrist Neal Schon ein Begriff), der seit der 98er Scheibe "Oceans Of Time" in Pell-Diensten steht. Allerdings stammen lediglich zwei der Songs von besagtem Longplayer (der Titelsong sowie "Ashes From The Oath", letzterer an Position 6, also genau in der Mitte der Scheibe und auch sowas wie ihr Herzstück darstellend, zudem "nur" halbballadesk, episch angelegt und gegen Ende richtig losspeedend und den potentiellen Teil der bis dahin eingeschlafenen Hörer wieder weckend), den Rest bilden die exklusiven Gründe, mit denen auch eingangs genanntem Fan der Erwerb von "The Ballads II" schmackhaft gemacht werden soll: "The Clown Is Dead" kommt in einer passablen Akustikversion, die statt zwölf nur noch knapp fünf Minuten dauert, auch von "Broken Heart" bekommt man eine neue Version geboten, und der Opener "Come Back To Me" sowie "I Believe In You" sind komplett neu, wobei letztgenannter etwas Langeweile aufkommen läßt, da er weder besonders innovativ noch mit fragilen Emotionsausbrüchen rüberkommt, sondern eher einem Schema F folgt, das in diesem Falle auch in Schema B umbenannt werden könnte. Erst das folgende "Ashes From The Oath" weckt, wie bereits angeführt, des Hörers Aufmerksamkeit wieder, entweder schon der mit wunderschönen Harmonien und viel Atmosphäre ausgestattete Eingangsteil oder eben spätestens der hart klopfende Schlußteil, der den Neueinsteigern zeigt, was Pell sonst noch so verzapft (und bei dem der Eingeweihte sofort heraushört, wer hier am Schlagzeug sitzt - so spielt nur Jörg Michael). Dieser leitet zum zweiten Teil der CD über, welcher mit einer Instrumentalversion von "Silent Angel" beginnt, die an das Niveau des ebenfalls vertretenen Originals allerdings nicht herankommt, obwohl sie beileibe nicht schlecht ist. Die nächsten drei Songs hat Jeff Scott Soto eingesungen, von jedem "seiner" Alben seit 1994 kommt jeweils einer zum Zuge, und alle drei punkten in höheren Regionen: "The Eyes Of The Lost" bringt ein die sanfte Gitarrenarbeit gut ergänzendes dezentes (!) Computerstreicherarrangement von Christian Wolff mit (wir erinnern uns, dieser Mann scheiterte am Versuch, aus der Mittneunziger-Rage-Besetzung Rage Musiker zu machen, die das Niveau eines Nachwuchssinfonieorchesters halten können), und "Innocent Child" sowie "Silent Angel" hätten die Scorpions locker zu Hits werden lassen. Beim abschließenden "Hey Joe" (in der Fassung von Jimi Hendrix nicht gerade unbekannt) singt dann Mr. Pell himself, und das tut er nicht mal schlecht, wenn er auch unter den auf dieser CD vertretenen Sängern klar den dritten Platz belegt. Hm, und der Song selbst ... naja, schlecht isser nich', aber es hätten wohl auch nicht viele Leute ein Problem gehabt, wenn er Japan-Bonustrack von "Black Moon Pyramid" geblieben wäre, und so richtig kuschelig isser auch nich'.
Unterm Strich also ein hörenswerter Silberling, sicherlich prädestiniert zur akustischen Untermalung von Kuschelstunden bei Kerzenschein (mangels passendem Gegenstück konnte ich das allerdings nicht testen) und für alle geeignet, die gleich mir der Kuschelrock-Samplerserie absolut nichts abgewinnen können, weil sich bei den ersten Computerdrums und gerappten Vocals eine bleierne Kälte im Raum breitmacht, die jegliche Gedanken an einen Zärtlichkeitenaustausch unter sich begräbt. Statt dessen ist das hier, um mal "Silent Angel" zu zitieren (alle Lyrics im Booklet nachlesbar), "a whisper in the garden of Eden, like a sound of love and peace on earth". Was will man als Romantiker eigentlich noch?
Kontakt: www.spv.de



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver