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Threshold, Spheric Universe Experience, Damnation Angels   17.01.2016   Markneukirchen, Framus & Warwick Music Hall
von rls

Als es das Schützenhaus in Markneukirchen noch gab und dort so manche größere Metaltour haltmachte (der heutige Rezensent hat dort im letzten Jahrtausend HammerFall gesehen, Kollege Mario war u.a. bei Dio anwesend, und Janets irrtümlicher 1999er Konzertbesuch bei Gamma Ray samt anschließendem Leserbrief ans Rock Hard hatte in den nächsten anderthalb Jahrzehnten ganz ungeahnte Folgen ...), waren die Metaller vor Ort stolz, daß ihr Stadtname auf den Tourshirts zwischen diversen Musikmetropolen prangte. Das ist lange her, aber seit die Framus & Warwick Hall auf der Clublandkarte erschienen ist und dort etliche Bands, deren Bassisten eben diese Marke spielen, gastieren, taucht auch der Stadtname wieder regelmäßig auf Tourshirts auf - und im Falle von Threshold kommt wieder eine Konstellation zustande wie früher: Am Vortag hat das Package in Berlin gespielt, am Folgetag steht München auf dem Programm. Die spannende Frage angesichts des Wintereinbruchs dieses Wochenendes ist es allerdings, ob es a) die Bands nach Markneukirchen schaffen und b) wie viele Besucher sich auf die Straßen wagen. Der Rezensent hat auch 120 Kilometer Anfahrt zu bewältigen, aber die Hauptstraßen sind mit einer gewissen Vorsicht durchaus passierbar, und das letzte Stück von der Bundesstraße bis ins Gewerbegebiet, wo sich die Halle befindet, ist dankenswerterweise nicht allzulang.
Auch der Bandbus hat es bis zur Halle geschafft (wenn auch nicht ganz ohne Schwierigkeiten, wie der Merchandiser erzählt), und der Gig ist offenbar pünktlich angepfiffen worden, denn als der Rezensent 20 Minuten nach 19 Uhr die Räumlichkeit betritt, sind Damnation Angels schon voll im Gange und spielen, wie sich herausstellt, mit "Finding Requiem" bereits ihren vorletzten von fünf Songs, so daß sie summiert auf eine halbe Stunde Spielzeit kommen dürften. Zu hören ist Power Metal mit gewisser Prog-Schlagseite, angeführt von einem kleinen, aber stämmigen Sänger, der irgendwie die metallische Antwort auf Luciano Pavarotti darzustellen scheint und dem man rein optisch alles zutrauen würde, aber nicht eine klassische hohe Power-Metal-Stimme mit einigen Anklängen an den jungen Michael Kiske. Auch der Rest der britischen Band sieht bis auf den Bassisten (der übrigens einen Fünfsaiter spielt) nach allem anderen aus, aber nicht nach einer traditionell geprägten Metalband - der Gitarrist etwa erinnert etwas an Farin Urlaub, ist allerdings deutlich aktivismusgeprägter als dieser, wie nicht nur im Intro des Setclosers "Pride (The Warrior's Way)" deutlich wird, der dem Publikum eine rhythmisch relativ ungewöhnliche Struktur beim "Hey"-Faustrecken abverlangt, was dieses aber problemlos bewältigt (man ist schließlich im Musikwinkel). Die Keyboards kommen vom Band, und der Sound ist leider relativ verwaschen, aber das tut der prinzipiell positiven Stimmung keinen Abbruch.
Spheric Universe Experience sind nicht zum ersten Mal als Threshold-Support unterwegs, und da das Publikum zu einem nicht geringen Teil aus Threshold-Die-Hards zu bestehen scheint, können sie mit einem nicht geringen Bekanntheitsgrad rechnen. Aber auch diejenigen, die sie offenbar noch nicht kannten, werden von den Franzosen problemlos überzeugt, sofern sie eine Affinität zu klassischem Progmetal besitzen, der klassischer kaum sein könnte: Dream Theater eignen sich als der große Anker, bisweilen ergänzt durch Symphony X, allerdings ohne deren Hang zu barocken Elementen. Der Bassist spielt hier allerdings sogar einen Sechssaiter, so daß eine Menge Druck von unten her kommt, und der Soundmensch schafft es leider nicht, die Keyboards durchgängig hörbar zu machen, so daß ein etwas unausgewogenes Klangbild entsteht, das allerdings zur staunenden Bewunderung der Fertigkeiten dieser Könner auch schon ausreicht. Und dann ist da ja auch noch Franck Garcia am Mikrofon, der gleich im Opener, dem Titeltrack des immer noch aktuellen 2012er Albums "The New Eve", am Ende mit einem extrem lange ausgehaltenen hohen Schrei klar macht, was er zu leisten imstande ist, während die ganz große Stunde der Instrumentenfrickler im urlangen Soloteil des "Anima"-Openers "Sceptic" schlägt. Daß pure Technik hier aber keineswegs zum Selbstzweck verkommt und etwa das Gefühl vernachlässigt würde, zeigt gleich danach die hochemotionale Ballade "Echoes Of The Stars", die ein Jahrzehnt zuvor das Albumdebüt "Mental Torments" abschloß. Die perfekte Eingespieltheit des Quintetts überrascht, ist der Drummer doch gerade mal seit vier Wochen an Bord und hatte einstudierungstechnisch durchaus nicht wenig Arbeit vor sich. Ganze fünf Songs bringen die Nizzaer in ihrer Dreiviertelstunde Spielzeit unter, aber langweilig wird's hier zu keiner Sekunde, zumal die Kompositionen bei allem technischen Anspruch durch merkfähige Refrains zusammengehalten werden. Daß der Keyboarder, der zusammen mit dem Bassisten für die ausgefeilten Backings sorgt, auch mal eine Ansage in Deutsch dazwischenschiebt, sorgt für zusätzliche Sympathiepunkte, auch wenn die Aufforderung, daß jetzt die weiblichen Zuschauer (von denen durchaus nicht wenige anwesend sind) mal jubeln sollen ("Wir können die Mädchen nicht hören!"), ins Leere geht. Die allgemeine Laune bleibt prima, und "The Key", abermals vom "Anima"-Album, schließt einen starken Gig auf hohem Niveau ab.
Trotzdem ist das Publikum natürlich in erster Linie wegen Threshold da, und die haben einen speziellen Set angekündigt - sie wollen ihr aktuelles Studioalbum "For The Journey" komplett spielen. Solch ein Vorhaben funktioniert natürlich nicht bei jeder Band und wird oftmals kritisch beäugt, aber es bietet dem Anhänger die Möglichkeit, Songs zu hören, die er möglicherweise sonst nie live serviert bekommen hätte, wobei Threshold seit dem 2014 erschienenen Album ja schon erste Touren mit "normaler" Setlist, also "nur" einigen eingestreuten neuen Songs, bestritten haben, ergo auch der Teil der Anhängerschaft, der möglichst viele ältere Songs hören möchte, bereits zufriedengestellt worden ist. Im Gegensatz etwa zu Marillion, die auf dem 2013er Fanwochenende die acht Songs von "Sounds That Can't Be Made" über den Set verteilt und auch die Reihenfolge anders als auf dem Studioalbum gewählt hatten, starten Threshold zunächst mit zwei älteren Nummern (der Opener "Freaks" vom "Clone"-Album aus dem letzten Jahrtausend soll, so wird sich herausstellen, der älteste Beitrag des Abends bleiben, so daß alle, die gehofft hatten, mit dem Wiedereinstieg von Damian Wilson würden auch dessen frühe Alben "Wounded Land" und "Extinct Instinct" breiteren Raum im Set einnehmen, zumindest auf dieser Tour diesen Wunsch nicht erfüllt bekommen) und spielen die acht Nummern von "For The Journey" dann am Stück und auch in der vom Album bekannten Reihenfolge, bevor sie den Abend noch mit drei plus zwei älteren Songs abrunden. Für selbige Abrundung haben sie interessanterweise ziemlich komplexe Stücke gewählt, während das Material des neuen Albums zwar immer noch ziemlich anspruchsvoll, aber doch auch einen Deut geradliniger strukturiert ist. Freilich bereitet es keine großen Schwierigkeiten, beide Herangehensweisen Thresholds zu lieben, wenn man denn generell melodischen Progmetal schätzt, und das tun alle Anwesenden, so daß sich allgemeine Begeisterung breitmacht und die Freaks neben dem Rezensenten das Material bis zum letzten Beckenschlag rhythmisch exakt nachvollziehen. Spieltechnisch ist erwartungsgemäß alles im grünen Bereich, nur der Soundmensch gibt deutlich zuviel des Guten, so daß ein zwar immer noch ziemlich klares, allerdings extrem lautes Klanggewand entsteht. Trotzdem läßt sich der melodische wie rhythmische Reichtum der Songs problemlos nachvollziehen, und man merkt einmal mehr, was für Könner sich hier versammelt haben. Auch am Mikrofon steht ein solcher: Damian Wilson gibt stimmlich eine erstklassige Figur ab (auch die Backingchöre, an denen außer Drummer Johanne James alle Bandmitglieder beteiligt sind, sitzen wie eine Eins), und der Mann ist außerdem ein prima Entertainer, wie Kollege CSB vor geraumer Zeit bereits feststellen durfte, dabei aber bodenständig geblieben und immer das Gefühl vermittelnd, er meine das, was er tut, ehrlich und sei dankbar für jeden einzelnen Anwesenden - er geht tatsächlich schon vor dem Gig wieder durch die Reihen, schüttelt fleißig Hände, und auch nach dem Gig ist er, kaum daß der letzte Ton verklungen und die Band von der Bühne gegangen ist, sofort wieder im Zuschauerraum anzutreffen, hält Smalltalk und steht für Fotos bereit. Mehr Fannähe geht kaum, und man nimmt ihm die Dankbarkeit, das tun zu dürfen, was er tut, auch wirklich ab. Daß er im Finale von "The Art Of Reason" auf den vordersten der in der hinteren Hallenhälfte fest installierten Tische klettert und von dort aus seine Bandkollegen anfeuert, paßt prima ins Bild, und Humor hat der Mann auch, wie er unter Beweis stellt, als er seine Mitmusiker vorstellt und zum in der hinteren rechten Ecke stehenden Keyboarder Richard West kommt: "In a metal band, a keyboarder is really bad, so put him somewhere beyond a ... (er macht eine Geste, die das Zuziehen eines Vorhangs andeutet). In a progressive band, you need a keyboarder in the front row. Now, we are a progressive metal band - what should we do?" In "The Box" wiederum muß/darf sich der Drummer als Schauspieler betätigen, der im Intro ein Päckchen unbekannten Inhalts bekommt - und dieses "The Box" stellt eindeutig das Meisterstück von "For The Journey" dar, ein klassischer Zehnminüter, dessen Grande Finale derart hochemotional ausfällt, daß so mancher im Publikum die eine oder andere Träne wegdrücken muß. Aber auch der Rest des Sets überzeugt mit seiner Mischung aus Anspruch und Zugänglichkeit von der ersten bis zur letzten Minute und macht deutlich, um was für eine Ausnahmeband es sich bei diesem Sextett handelt - und es ist eigentlich fast egal, was sie spielen, wenn sie eben nur spielen. Ein brillanter Gig - und da vergißt man problemlos, daß man ja auch noch 120 Kilometer Rückweg auf zumindest partiell verschneiten Straßen vor sich hat ...

Setlist Threshold:
Freaks
Mission Profile
Watchtower On The Moon
Unforgiven
The Box
Turned To Dust
Lost In Your Memory
Autumn Red
The Mystery Show
Siren Sky
Oceanbound
Pilot In The Sky Of Dreams
Ashes
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The Art Of Reason
Slipstream



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