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Manowar, Holyhell, Metalforce   16.01.2010   Leipzig, Haus Auensee
von rls

Nachdem fast anderthalb Jahrzehnte lang alle größeren Power Metal-Touren einen Bogen um Leipzig gemacht haben, trauen sich nun ausgerechnet Manowar als erste wieder her - und sie werden mit einem ausverkauften Haus Auensee belohnt. Im Vorprogramm hat Joey DeMaio zwei seiner eigenen Schützlinge vom Magic Circle-Label untergebracht - selbstredend ein geschickter Schachzug, was die promotionale Möglichkeit angeht. Und Metalforce haben, als sie noch Majesty hießen, sowieso immer als deutsche Antwort auf Manowar gegolten - im positiven wie im negativen Sinne übrigens: Während die einen ihnen zutrauten, quasi das Erbe von Manowar anzutreten bzw. deren Werk fortzuführen, empfanden die anderen Majesty praktisch als ungewollte Parodie auf Manowar. Der Rezensent zählt sich weder zur einen noch zur anderen Kategorie, konnte sich allerdings des parodistischen Eindrucks angesichts einer derart blutarmen Studiofassung der Aufforderung "Bring Metal To The Stadiums", mit der man die schwere Last nicht mal bis zum äußeren Stadiontor hätte schleppen können, nicht ganz erwehren. Als Tarek Maghary dann die ganzen Mitmajestäten (zu denen auch mal Gitarrist Rolf Munkes zählte) davongelaufen waren, holte er sich neue Leute und benannte das Ganze in Metalforce um, deren selbstbetiteltes Debütalbum seit 2009 draußen ist und selbstredend an diesem Abend promotet werden soll - aber auch Majesty-Material findet sich in der Setlist, nämlich u.a. genau jenes "Into The Stadiums", das sich in der Livefassung doch als etwas mitreißender herausstellt, so daß man mit ihm im Herzen die schwere Last des Metals immerhin bis zum inneren Stadiontor bringt, bevor man dann allerdings doch entkräftet zusammenbricht. Da macht ein neuer Song wie der Speedie "Faster, Louder, Metalforce" doch mehr her, und auch der Majesty-Oldie "Metal Law" als Closer des nur halbstündigen Sets ist in der Liveversion durchaus anhörbar. Die erste Hälfte des Sets hat der Rezensent in der riesigen Schlange vor dem Haus Auensee freilich verpaßt, lediglich feststellen können, daß man innen pünktlich 20 Uhr zu musizieren begonnen hat. Im Vergleich zu den Albumaufnahmen hat Maghary (der mit seinen Leder-Schulterklappen fast wie Randoms Fred Otto aussieht) noch einen zweiten Gitarristen dazugeholt, was der Livedarbietung sicherlich förderlich ist, auch wenn es den schon hier recht lauten Sound nicht eben transparenter macht. Freilich offenbart der Leadgitarrist, daß es auch Nachteile hat, wenn man als Langhaariger Gitarre spielt - offensichtlich den Fingern auf dem Griffbrett in die Quere kommende Haare verursachen nämlich komische kleine Aussetzer in den Gitarrensoli, die so nicht beabsichtigt gewesen sein dürften. Den Publikumsreaktionen tut dies freilich keinen Abbruch, und Metalforce ernten sogar lautstarke Zugabeforderungen, die allerdings nicht erfüllt werden. Statt dessen kommt etwas anderes: Hinter der Bühne ist eine große Leinwand befestigt, und über die flimmert Metal-Werbefernsehen. Ja, richtig gelesen - es wundert einen zwar, daß nicht Gene Simmons dieses Prinzip erfunden hat, und auf Festivalleinwänden ist es ja mittlerweile auch nicht mehr unüblich, aber im Rahmen eines Hallenkonzertes kannte der Rezensent dieses Vorgehen bisher nicht, obwohl es bei genauer Überlegung alles andere als unlogisch erscheint - man hat die Zielgruppe beisammen, und es erzeugt kaum Zusatzkosten. Natürlich stehen Dinge rings um Manowar im Mittelpunkt der Werbung - alles andere wäre ja auch verwunderlich gewesen ...

Maria Breon  Joe Stump

Francicso Palomo  Francisco Palomo

Jay Rigney
Nach urewigen Verzögerungen ist 2009 auch das Holyhell-Debütalbum erschienen - die Vorab-Auskopplung "Apocalypse" gab es immerhin bereits 2007. Aber das Warten hat sich gelohnt, denn Maria Breon und ihre vier Mitstreiter demonstrieren auch live, daß sie zu den interessanteren Vertretern des neoklassischen Metals mit weiblichem Leadgesang zu rechnen sind. Holyhell verbinden auf geschickte Weise die prinzipielle Herangehensweise von Edenbridge mit der Energie von Nightwish, der latenten Düsternis von Krypteria und der Opulenz von Rhapsody (Of Fire), ohne allzusehr in eine der vier Richtungen abzudriften. Maria besitzt eine äußerst kräftige hohe, aber nie nervende Stimme, mit der sie souverän die oft gar nicht mal so kompliziert aufgebauten Songs strophenseitig führt, während die Refrains mehrstimmige weibliche Chorpassagen enthalten und das sonst sehr saubere, allerdings auch enorm laute Klangbild nicht erlaubt festzustellen, welche der Linien denn gerade von ihr live gesungen wird. Gitarrist Joe Stump und der aus Mexiko stammende Keyboarder Francisco Palomo halten sich in den Songgerüsten oftmals zurück, geben dann aber in den Solopassagen dem Affen umso mehr Zucker, worin sie bisweilen ein wenig an eine von der Rhythmusgruppe her etwas langsamere Version von Dragonforce erinnern. Wie Kollege Pruzhanov bestreitet auch Palomo einen Song soloseitig mit einem tragbaren Keyboard am vorderen Bühnenrand, allerdings gibt es mit diesem einige technische Probleme, so daß man von ihm kaum etwas hört, und so wird das Experiment wieder abgebrochen. Im Vergleich zu den ersten Auftritten haben Holyhell keinen Zweitgitarristen mehr, aber das stellt sich als Nicht-Problem heraus - die Songgerüste baut Stump problemlos alleine, und in den Soli bleibt eh kein Loch zu stopfen. Vielseitigkeit, Frische und Virtuosentum geben sich bei Holyhell in angemessenem Maße die Hand, Maria hält sich mit ausladenden Ansagen zurück, sondern läßt lieber die Musik für sich sprechen und sieht in ihrem Schwarzweiß-Kostüm auch sehr elegant aus. Interessanterweise hat sie neben Stump noch einen weiteren nicht eben szeneunbekannten Musiker in der Band: Drummer Rhino spielte in den Frühneunzigern bei Manowar und half dort auch später noch gelegentlich aus, z.B. in Bad Arolsen anno 2008. All das aber reicht irgendwie nicht, um große Teile des Publikums richtig zu packen - die Stimmung ist generell positiv, aber nach den auch recht knapp bemessenen 40 Minuten bleiben Zugaberufe komplett aus. Übrigens fehlt "Phantom Of The Opera" in der Setlist, das auf der Vorabauskopplung in einer Liveversion mit Maria und Eric Adams im Duett enthalten gewesen war - ein bissel schade drum, denn Eric ist ja sowieso vor Ort ...

Joey de Maio  Joey de Maio

Karl Logan  Eric Adams

Eric Adams  Karl Logan
Aber er hält sich stimmlich vielleicht noch zurück, um Kraft für den langen Manowar-Set zu sparen - der Jüngste ist er mit seinen weit über 50 Jahren ja nun auch nicht mehr, und speziell beim Mitschnitt des 2008er Festivals in Bad Arolsen, auf dem Manowar ihre alten Alben komplett aufführten, bemerkte man doch deutlich ein gewisses Nachlassen der Stimmkraft, was ja im biologischen Sinne auch ganz natürlich ist, und ein Profi wie Eric Adams versucht dann auch gar nicht erst verkrampft noch diese oder jene Lage zu erreichen, sondern denkt sich ein alternatives, aber genauso wirkungsvolles Stimmarrangement aus. Nun konnte man in der Zeit seit 1998 den Eindruck gewinnen, Manowar seien in erster Linie eine Band, die von ihrer eigenen glorreichen Vergangenheit zehrt. Das ist erstmal nichts Verwerfliches, denn das machen Tausende andere Bands auch so. Die Zahl 1998 bemißt sich übrigens anhand der Tour, auf der die Band zum ersten Mal all die alten epischen Songs wie "Bridge Of Death" oder "Guyana (Cult Of The Damned)", die zum Teil ewig nicht mehr gespielt worden waren, wieder auspackte - der Rezensent erlebte damals in Chemnitz einen denkwürdigen Livemoment, der in Gestalt der ersten Hälfte von "Herz aus Stahl" auch auf dem folgenden Livealbum konserviert wurde. Das Festival von Bad Arolsen 2008 stellte in bezug auf die eigene Vergangenheit den wohl maximal möglichen Reaktivierungsgrad dar - die Setlist der "Death To Infidels"-Tour 2010 (auf so einen Titel können auch nur Manowar kommen) nun verkehrt das Prinzip der Vergangenheitszehrung vollkommen ins Gegenteil: Ganze vier Songs, wenn man das traditionelle Orchesteroutro "The Crown And The Ring" mitrechnet, besitzen ein Entstehungsdatum im letzten Jahrtausend. Die besagte Tradition bleibt auch die einzige ihrer drei, die Manowar mit der neuen Setlist nicht brechen. "Battle Hymns" fehlt im Programm und kann daher seinen traditionellen Platz am Ende entweder des regulären Sets oder des Zugabenteils nicht einnehmen, und auch nach dem Opener mag sich mancher bereits verwundert die Augen gerieben haben: Nicht die Bandhymne "Manowar" erklingt da, sondern "Call To Arms", der Opener des 2002er Albums "Warriors Of The World", witzigerweise allerdings in seinem Schlußteil mit ein paar Versatzstücken aus "Manowar" angereichert. Nach "Hand Of Doom" und "Kings Of Metal" stellt dann das umstrittene "Gods Of War"-Album, garniert mit viermal Material der "Thunder From The Sky"-EP, den Löwenanteil der Setlist, was die anwesenden Altfans nur bedingt begeistert. Allerdings gewinnt man die für manchen durchaus erstaunliche Erkenntnis, daß das Albummaterial in gestraffter und mit den erwähnten EP-Tracks legierter Form ohne Zwischenspiele und sonstige Elemente durchaus funktioniert und richtig unterhaltsam werden kann. Überhaupt darf sich Joey de Maio ein Kompliment abholen: Er hat einen recht kompakten Set inszeniert, sein Baßsolo ufert nicht aus, und auch auf überlange Dröhnorgien an den Songenden verzichten Manowar diesmal, vom Opener "Call To Arms" und der zweiten Zugabe "Black Wind, Fire And Steel" mal abgesehen. Die im letztgenannten Song langweilt dann allerdings wirklich durch Überlänge - in der Zeit hätte man locker noch zwei Songs pure fucking Heavy Metal spielen können, von dem laut Joey in seiner Ansprache vor der ersten Zugabe in dieser Nacht doch noch so viel erklingen sollte. Ansprachen gibt es übrigens zwei, und in der ersten mokiert sich der Bassist über die Regelungen in verschiedenen europäischen Staaten, was Lautstärkebegrenzungen bei Konzerten angeht. Das ist ein gutes Stichwort: die Lautstärke. Im letzten Jahrzehnt hat der Rezensent kein lauteres Metalkonzert gehört, und er war auf Dutzenden. Und das, was da in den ersten drei Songs aus den Boxen scheppert, ist klare Gesundheitsgefährdung, selbst mit Ohrstöpseln. Wäre es wenigstens ein klarer Sound gewesen - aber es dröhnt und röhrt, daß man Karl Logans Gitarre außerhalb der Leads bestenfalls erahnen kann, während Vocals und Drums problemlos vernehmbar sind. Kurioserweise bricht die Band Song 4, "God Or Man", nach den ersten Takten ab, Eric Adams konstatiert entschuldigend ein technisches Problem und bittet um ein paar Sekunden zur Lösung desselben, und nach tatsächlich nur ein paar Sekunden geht es auch schon weiter - mit geringfügig leiserem (aber absolut betrachtet immer noch immens lautem) und dafür deutlich klarer strukturiertem Klangbild, das erst gegen Ende hin wieder problematischer wird, als auch der Manowar-Soundmann der alten Soundmann-Krankheit erliegt, gegen Konzertende die Regler noch einmal nach oben zu fahren. Aber das macht dann irgendwie auch nichts mehr: Die Altfanriege hat sich sowieso schon früher in die innere Emigration begeben, die Freunde von "Gods Of War" und "Thunder In The Sky" sind begeistert, und der erwähnte Erkenntnisprozeß ist zu diesem Zeitpunkt schon so polarisiert, daß es dazwischen eigentlich wenig gibt. Eric Adams profitiert übrigens von der Wahl der Setlist, da ihm das neue Material technisch nicht ganz so viele Extreme abverlangt - er leistet aber auch in diesem Kontext noch als gut zu bewertende Arbeit, die ihm mancher Jungspund erstmal nachmachen muß. Joey hat auch wieder ein paar Brocken mehr Deutsch gelernt (wir wissen seit Ansprache Nr. 2 jetzt also auch, daß er eine geile und heiße Sexmaschine ist), und es ist wohl bezeichnend, daß sich für den aus dem Publikum geholten Gastgitarristen Willi, der in "The Gods Made Heavy Metal" mitspielen darf und nicht nur völlig unmetallisch aussieht, sondern vorher auch eher indierockiges und enorm verzerrtes Geschrubbe aus der Gitarre holt, auch auf ausdrückliche Aufforderung keine geeignete Frau im Publikum findet. Die Gesamtbruttospielzeit liegt übrigens bei für Manowar früher undenkbar gewesenen zwei Stunden, und die erwähnte erfreulich songorientierte und kompakte Inszenierung führt auch zu einem erfreulich hohen Anteil an Nettospielzeit, dessen Unterhaltungswert je nach Herangehensweise den beschriebenen Schwankungen unterlegen ist. Dafür gibt es eine neue Freizeitbeschäftigung der Metalfans zu bestaunen: Als sich die Umbaupause ins Unendliche zu ziehen beginnt (bis zum Ende des Holyhell-Gigs war das Zeitmanagement eingehalten worden, aber die Pause bis zum Manowar-Beginn dauert eine Dreiviertelstunde und damit 15 Minuten länger als laut Tourrider ursprünglich geplant), stellt links vorn jemand fest, daß er Substanz zur Erzeugung von Seifenblasen dabei hat, und so steigen kleine Wolken ebensolcher in die Höhe. Und noch ein Kuriosum: Die ausgedruckte Setlist wird links und rechts oben vom Stadtwappen Leipzigs geschmückt - derart detailverliebten Fanatismus findet man eben auch nur bei Manowar ...

Sign of the hammer ...  ... be my guide

Setlist:
Call To Arms
Hand Of Doom
Kings Of Metal
God Or Man
Swords In The Wind
Joey Solo
Die For Metal
Die With Honor
Let The Gods Decide
The Sons Of Odin
The Gods Made Heavy Metal
Sleipnir
Loki
Thunder In The Sky
Warriors Of The World
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House Of Death
Black Wind Fire And Steel
The Crown And The Ring

Fotos: Elisabeth Audersch



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