www.Crossover-agm.de KRYPTERIA: Bloodangel's Cry
von rls

KRYPTERIA: Bloodangel's Cry   (Synergy Records/EMI)

Von Null auf Hundert. Kaum einer kannte Krypteria vor noch nicht allzu lange zurückliegender Zeit, und nun hat die Truppe einen Majordeal bei der EMI, ist in diversen Gothicmagazinen gleich mal Titelband und kassiert fürs dritte Album "Bloodangel's Cry" (die beiden Vorgängeralben offenbarten das Toxic Smile/Fair Warning-Syndrom: riesengroß in Asien, tiefster Underground hierzulande) reihenweise hohe Benotungen. Ein Industriehype? Mag sein, aber das ist in diesem Falle auch egal, denn hier hat die Industrie zweifellos den richtigen Riecher gehabt: "Bloodangel's Cry" ist über weite Strecken eine richtig gute Platte, zudem eine, die stilistisch relativ risikolos zu Werke geht und ein ordentliches Crossoverpotential aufweist - zwar deutlich metallisch, aber nicht so metallisch, daß das Gothic-Girlie von nebenan weggeblasen würde; zwar angedüstert, aber nicht so düster, daß sich der Normalometaller gruseln müßte; zwar energisch, aber nicht so energisch, um Papa und Mama des Gothic-Girlies, die mit den Brachialhymnen eines Wolfgang Petry aufgewachsen sind, Sorge zu bereiten; zwar orchestral durchwoben, aber nicht so bombastisch, daß der Freund straighter Klänge an Übersättigung zu leiden beginnt; zwar mit weiblichen Vocals, aber nicht in derartigen Sopranlagen, daß Klassikfeinde verzweifelt ihre Gläsersammlung in Sicherheit zu bringen trachten; zwar eingängig, aber nicht so platt, daß dem Freund anspruchsvollerer Klänge von den Füßen nach oben der Reihe nach alle Körperteile einschlafen; zwar melodisch und harmonisch, aber nicht so melodisch und harmonisch, daß man schon beim ersten Durchlauf bei mehr als 50% der betreffenden Passagen ahnt bzw. weiß, wie es weitergeht. Damit könnten Krypteria zwar Gefahr laufen, daß sie schlicht und einfach zwischen sämtlichen im angedüsterten Orchestermetal vorhandenen Stühlen landen, aber diese Gefahr dürfte sich angesichts der Popularität von nicht allzuweit entfernt angesiedelten Acts wie Nightwish oder Within Temptation eher im marginalen Bereich bewegen. Von Nightwish unterscheiden sich Krypteria durch die deutlich dominantere Gitarrenarbeit (zumal die Band über keinen hauptamtlichen Keyboarder verfügt und Gitarrist Chris Hauptkomponist ist), die fehlende männliche Zweitstimme und die deutlich andere Ausrichtung der weiblichen Lead Vocals, denn Ji-In Cho (die asiatische Physiognomie und die ebensolche Namensgebung gehen Hand in Hand) ist keine Sopranistin und dringt nur an manchen Stellen in klassische Mezzosopranlagen vor, singt statt dessen überwiegend im "traditionellen" Rockgesangsgestus, wenngleich mit einer glasklaren Stimme, die im Direktvergleich näher an Edenbridge-Sabine liegt, aber deren ätherisch-zerbrechliches Element nicht reproduziert und insgesamt deutlich energischer als diese zu Werke geht. Zu Within Temptation sind die Parallelen insgesamt etwas stärker ausgeprägt, auch gibt es hier eher stimmliche Ähnlichkeiten (wenngleich Sharon den Adel insgesamt höher singt), aber auch hier ist die deutlich höhere Grundhärte Krypterias, verbunden mit niedrigerer Orchesterdichte, als Unterscheidungskriterium schon aussagekräftig genug. Gleich der Opener "All Systems Go" schiebt locker das komplette Schaffen von Within Temptation von der Bildfläche und macht sich trotz der in diesem Falle wenig einfallsreichen harmonischen Gestaltung des Refrains ordentlich breit; "Scream" und das erstklassige "I Can't Breathe" spinnen diesen Faden später fort, aber auch die midtempolastigeren Stücke wissen über weite Strecken zu überzeugen und erinnern aufgrund des häufig eingesetzten, von Ji-In eingespielten Pianos bisweilen an eine druckvollere Version diverser HIM- oder Evanescence-Klassiker. Apropos Evanescence: Die taugen als Vergleichsband an manchen Stellen auch, aber Krypteria erweisen sich in Riffing wie Rhythmik eher als metallische Traditionalisten, die sich von hüpfkompatiblen Rhythmen oder flackernden Riffs relativ weit entfernt halten. Zwar hat sich unter den 12 Songs auch der eine oder andere Durchhänger versteckt, so etwa "Dream Yourself Far Away", das in den Strophen dann doch mal auf ätherischeren Gesang umschaltet, der aber nicht so richtig zum fetten Unterbau passen will - vielleicht aber auch, weil man sich während der zuvor plazierten neun Songs und auch im Refrain von "Dream ..." schon zu sehr an die kräftigere Artikulation gewöhnt hat. Die Highlights liefern Krypteria allerdings mit den beiden Longtracks ab. "The Night All Angels Cry" (6:44) beginnt als sanfte Ballade und steigert sich später schrittweise zu einem abwechslungsreichen Bombastrocker mit einigen unerwarteten Wendungen, während der Closer "At The Gates Of Retribution" (10:03) mit einem leidenden Violinenthema beginnt (auch von Ji-In eingespielt), in epischen Stimmungen schwelgt und die vorher gehörten 50 Minuten praktisch noch einmal zusammenfaßt, obwohl bis auf den wilderen Part zur Songhälfte die eigentliche Ausbruchssituation, die man erwartet hätte, nicht mehr dargestellt wird und die Leadgitarre im Finale noch spannender hätte agieren können, als "nur" (wenngleich emotional gekonnt) den cantus firmus des Chors nachzuzeichnen. Soundlicherseits ist positiverweise nichts angebrannt (wenngleich die tiefergelegten Gitarren dem Baß hier kaum Entfaltungsspielraum lassen - in der Livesituation mit nur einem Gitarristen könnte das schon anders aussehen, und für Orchester und Chöre müßte man sich da auch noch was einfallen lassen), so daß man sich "Bloodangel's Cry" als Anhänger beschriebener Sounds ohne Bedenken in die Sammlung stellen kann.
Kontakt: www.krypteria.de, www.emimusic.de

Tracklist:
All Systems Go
The Promise
Time To Bring The Pain
Somebody Save Me
Scream
Lost
Out Of Tears
I Can't Breathe
The Night All Angels Cry
Dream Yourself Far Away
Sweet Revenge
At The Gates Of Retribution






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