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Delain, Fallen Angel's Symphony   18.04.2009   Leipzig, Hellraiser
von rls

Man staunt, welche Popularität Delain in relativ kurzer Zeit bereits gewonnen haben: Schon nach dem Debütalbum "Lucidity" wagten sie eine Headlinertour, die sie u.a. auch in den Hellraiser nach Leipzig führte, und sie erspielten sich dort offensichtlich so viele Freunde, daß auch die Tour zum aktuellen zweiten Album "April Rain" wieder in der Messestadt Station machte. Die hintere Hälfte des Hellraisers war zwar abgesperrt, aber die vordere sehr gut gefüllt - von diesem Zuspruch profitierten auch die Leipziger Fallen Angel's Symphony als unangekündigter Support (sie hatten diese Rolle übrigens auch schon auf der ersten Delain-Tour in Leipzig ausgefüllt), die umgekehrt ihr Scherflein zum Gelingen des Gigs beitrugen, indem sie einerseits eine ganze Anzahl Die-Hard-Fans mitgebracht hatten und andererseits auch eine starke musikalische Leistung boten. Zudem dürften sie sich etliche neue Fans erspielt haben, lag ihr Sound doch gar nicht so weit von dem der Headliner entfernt, irgendwo in der Schnittmenge zwischen Melodic Rock, Melodic Metal, Gothic Rock und Gothic Metal. Das Quintett hatte zudem gleichfalls eine Sängerin, eine recht hübsche langmähnige noch dazu und eine, die auch ihr Singehandwerk versteht, wenngleich man bei einem Stück ob dessen Rotation quer durch den Quintenzirkel hier und da doch die Stirn zu runzeln hatte, ob das jetzt alles so geplant gewesen war. Stimmlich wäre die Dame pseudonymens starchild übrigens mit einer etwas zurückhaltender singenden Marta Gabriel (Crystal Viper) vergleichbar, und überhaupt atmete nahezu die komplette Musik eine gewisse Aura der Zurückhaltung, sieht man von einigen expressiveren Soli des Gitarristen pseudonymens Mad Axeman ab. Das trübte freilich den Unterhaltungswert des aus acht Songs bestehenden Gigs nicht, wenngleich Fallen Angel's Symphony insgesamt durchaus noch viel mehr aus ihren zweifellos vorhandenen Möglichkeiten machen könnten. In Song 7 beispielsweise wechselte der Gitarrist zu einer Doppelhalsgitarre, unten sechs Wirbel und oben zwölf - aber er nutzte die sich daraus erschließenden Klangfarbenmöglichkeiten noch viel zu wenig aus, spielte auf dem oberen Griffbrett lediglich das schöne epische Intro und einzelne Strophenakkorde, auf dem unteren in diesem Song lediglich Standardkost. Da geht mehr! Freilich war die Urteilsfähigkeit des Publikums über die musikalische Darbietung leicht beeinträchtigt, da man den Keyboarder nur punktuell spielen hörte und auch seine gelegentlichen Backing Vocals mehr erahnen als hören konnte - das sollte neben dem wieder mal etwas zu lauten Schlagzeug allerdings der einzige soundliche Kritikpunkt bleiben. Den Schlagzeuger hatte man dem Vernehmen nach übrigens extra aus Italien "importiert", wobei Fallen Angel's Symphony generell irgendwie einen patchworkigen Eindruck hinterließen - neben dem Drummer und der beschriebenen Sängerin waren da noch der unauffällige Keyboarder, ein irgendwie stoned wirkender und optisch in jedwede Jugendtanzmusikgruppe der heutigen Zeit passender Bassist und ein klassischer Altmetaller an der Gitarre. Letztgenannter beherrschte auch die klassischen Metalposen perfekt und streute mal ein Warlock-Gedächtnisriff ein, wobei man nicht sagen könnte, daß Fallen Angel's Symphony irgendwie explizit an eine andere bestimmte Band erinnern würden - zumindest anhand des eingeschränkten Höreindrucks nicht, wenngleich einem einige Elemente, beispielsweise bestimmte Harmonien in "Fade Away", dem wohl besten Song des Sets, schon irgendwie bekannt vorkamen. Vor dem Gig hatte man übrigens anstatt einer Pausenmusik einige Videoclips auf eine Leinwand projiziert, u.a. die Nightwish-Coverversion von Gary Moores "Over The Hills And Far Away" - auch diese Sorte Melodik fand sich bei der Supportband wieder. Temposeitig blieben sie übrigens im unteren bis mittleren Bereich und mixten ihre Setlist diesbezüglich auf kuriose Weise, indem sie mit langsameren Songs begannen und die zwei schnellsten Exempel (oberhalb von "Nemo", aber deutlich unterhalb von "Wish I Had An Angel" liegend, um mal zwei bekanntere Hausnummern anzugeben) ans Ende des Sets stellten. Guter Gig - das sah auch das Publikum so, denn eine derart gute Stimmung während eines nicht angekündigten Supportacts erlebt man nicht alle Tage.
Zu den normalerweise eher lästigen Begleiterscheinungen eines Rockkonzertes gehören die Umbaupausen - die hier dauerte etwa 25 Minuten, hätte aber auch gerne noch länger ausfallen können, denn der Soundmensch kam auf die lobenswerte Idee, Dream Theaters "Images And Words" als Pausenmusik einzulegen. Justament im Intro von "Metropolis Part I" startete dann das Intro von Delain und wischte derartige Gedanken in Tateinheit mit dem Opener "Invidia" (natürlich kein Accept-Cover trotz der Textzeile "I don't wanna be like you") schnell wieder weg. Delain erwiesen sich als Band mit Sinn für Symmetrie: Schlagzeug und Keyboard standen im hinteren Teil der Bühne nebeneinander auf gleicher Höhe, Gitarrist Ronald und Bassist Rob besetzten die Außenpositionen im vorderen Teil der Bühne, und den Blickfang wie den Mittelpunkt der Show bildete die in eine eigenartige Mixtur aus Gothic-Girlie (u.a. das Netzhemdchen) und Rockerin (u.a. der Nietengürtel) gekleidete Sängerin Charlotte. Die Symmetrie noch unterstreichend waren links und rechts noch zwei Videoleinwände aufgebaut, auf denen entweder mehr oder weniger sphärische Bildcollagen (nicht selten mit Lyricfetzen und sehr häufig mit dem Rankwerk, welches das Bandlogo umgibt, spielend und an den Stellen derjenigen Songs, an denen Maria Ahn oder Rupert Gillet als Gastcellisten beteiligt waren, dann auch ein cellierendes Wesen einblendend) oder im Falle der neuen Singleauskopplung "April Rain", gleichzeitig Titelstück des neuen Albums, der zugehörige Videoclip (in dem die Band bei Gewitter auf einer Brücke spielt - wo ist der Arbeitsschutz?) zu sehen waren. Rein musikalisch hat eine Band mit gerade mal zwei Studioalben in der Hinterhand natürlich noch nicht das Luxusproblem einer Band wie sagen wir mal Yes (die hier gerade beim Reviewschreiben aus den Boxen tönen), aus einer immensen Anzahl von Klassikern wählen und viele davon weglassen zu müssen, aber andererseits spielten Delain einen sehr kompakten und ausgewogenen Set typischer Viereinhalbminutennummern der NWoDGM, der New Wave of Dutch Gothic Metal (falls es diesen Begriff noch nicht geben sollte, bitte für den Rezensenten patentieren), die gern Elemente des Prog, Symphonic und Melodic Metal mit verarbeitet und so irgendwo im Dreieck zwischen The Gathering zu "Mandylion"-Zeiten, Ayreon und (oops) The Gathering zu "Always ..."-Zeiten landet. In dieses Dreieck von Bands wie Epica, After Forever, Cirrha Niva und Within Temptation passen auch Delain bestens hinein, wobei der Vergleich zu Within Temptation quasi zwangsläufig aufkommen muß, da Keyboarder Martijn einstmals in den Diensten dieser Band stand und sein Bruder Robert dies noch heute tut. Auch Delain setzten gelegentlich (beispielsweise in "Sever") auf Männlich-Weiblich-Wechselgesang, wobei Charlotte aber stets die Leadfunktion behielt und Ronald nur (in unterschiedlichen, aber stets noch gemäßigten Rauhigkeitsgraden) Kontrastpunkte markieren durfte. Mit elektronischen Spielereien hielten sie sich sehr zurück und erzeugten einen recht erdigen, trotzdem aber perfekt anmutenden Sound, dem Härterekorde fremd waren, der aber dafür zahllose andere Qualitäten transportierte, unter denen die gute Laune nicht an letzter Stelle zu nennen wäre. Der Rezensent hat selten einen Gothic Metal-Gig mit so positiver Feierstimmung erlebt, auch das Publikum trug sein Scherflein dazu bei und stellte in puncto Feierlaune beispielsweise das von Paradise Lost anderthalb Jahre zuvor deutlich in den Schatten. Natürlich lag das nicht zuletzt auch an Sympathikus Charlotte, die ihre Ansagen in liebenswertem, nur leicht holperndem Deutsch machte und deren Grundsympathie irgendwie der von Nightwish-Knuddelbär Anette Olzon ähnelte, wenn auch auf andere Weise erzeugt wurde. Apropos Nightwish: Die hatten anno 2008 in Leipzig in mehrstimmigen weiblichen Gesangspassagen (außerhalb der Chöre) Anette allein singen lassen, also einen Unterschied zur Studioversion in Kauf genommen - Delain handhabten das anders, sie spielten die anderen Stimmen, die Charlotte live logischerweise nicht alle gleichzeitig übernehmen konnte, vom Band ein, und im Gegensatz zu Fallen Angel's Symphony hörte man die Samples sowie Martijns Keyboards hier sogar recht gut. Ein wenig zu holprig gerieten lediglich die Übergänge von den Vierer- in die Dreiertakte (et vice versa) von "Control The Storm", aber das sollte der einzige kleine musikalische Problemfall bleiben. "Nothing Left" bildete nicht nur den Closer des neuen Albums, sondern auch das nicht programmatisch zu verstehende Ende des regulären Sets (schon beeindruckend, wie Charlotte auch in diesem Stadium des Gigs noch problemlos alle geforderten Höhen meisterte), denn man hängte selbstredend noch einen Zugabenblock an und dehnte diesen wegen des enorm feierfreudigen Publikums sogar ungeplant um einen Song aus (auf der Setlist standen eigentlich nur zwei, und Ronald hatte vor "Virtue And Vice", dem ersten Zugabensong, auch zwei angekündigt, aber es gab drei zu hören), womit man unterm Strich auf etwas unter einer anderthalben Stunde Spielzeit kam. Starker Gig einer interessanten Band, die definitiv das Zeug zu mehr hat - wenn man sich mal erinnert, vor welcher Anzahl von Besuchern Nightwish auf ihrer ersten Headlinertour anno 2000 (da hatten sie allerdings schon drei Studioalben draußen) an gleicher Stelle gespielt haben, könnten Delain das auf ihrer nächsten Tour durchaus auch schaffen. Wir sind gespannt!



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