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HAARUS LONGUS SATANAS? - Teil 7: SCIENCE NEVER SLEEPS
von rls

Neben schillernden Gestalten wie Herrn Banol, deren Hanebüchenheit auch der Laie relativ problemlos durchschaut, tummeln sich unter den Rockmusikabhandlern auch wissenschaftlich anspruchsvoller zu Werke gehende, die mitunter gar für interessante Ansätze gut sind. Um einige von ihnen soll es heute gehen. Gut und Böse liegen auch auf diesem Areal ziemlich dicht beieinander.

Daß in einem Sammelband die Qualität der einzelnen Beiträge mitunter größeren Schwankungen unterworfen ist, liegt auf der Hand. So ist es auch in "Rock-Lyrik. Exemplarische Analysen englischsprachiger Song-Texte", erschienen 1989 im Essener verlag die blaue eule und herausgegeben vonErhard Dahl und Carsten Dürkob. Dahl ist Professor für englische Literatur und Didaktik an der Gesamthochschule Paderborn, Dürkob offenbar einer seiner Studenten - Informationen, wer die anderen Personen sind, die Beiträge beigesteuert haben, finden sich im Buch leider nicht. Insgesamt gibt es neben einem Kapitel über die Geschichte der Rock- und Popmusik sieben literaturwissenschaftlich orientierte Songtextanalysen, die z.T. einiges an germanistischem Grundwissen voraussetzen. Dabei wurde angestrebt, die Texte isoliert stehend zu betrachten. Das führt zwar zu einer eindimensionalen Betrachtungsweise, die aber gewollt ist, da das Einbeziehen der Musik oder weiterer Aspekte die Ergebnisse verfälscht hätte (so steht's jedenfalls auf S. 10 im Editorial, und dieser Fakt müßte eigentlich beim Zitieren aus dem Buch beachtet werden, auch wenn die eindimensionale Betrachtung nicht konsequent durchgehalten wird).
Das o.g. Geschichtskapitel liefert Dürkob selbst in Gestalt von "'... it doesn't matter what I say'? 100 Jahre 'Popmusik' - 100 Jahre 'lyrics'" ab. Diese superknappe History (100 Jahre Kulturgeschichte in 36 A5-Seiten abzuhandeln ist aber auch nicht einfach) zeitigt einen interessanten Blickwinkel auf die Entwicklung der Lyrics, ist leicht soziologisch angehaucht, bleibt aber trotzdem verständlich. Einzige offene Frage: Wer sind die Bands Cold Blood und Troyka? Dürkob bezeichnet sie auf S. 42 als Väter des Heavy Metal, aber dann müßte ich die doch eigentlich kennen ...
Martin Middeke steuerte 18 Seiten zum Thema "Individuum und Gesellschaft in modernen Songlyrics am Beispiel von Pink Floyds 'THE WALL'" bei. Der wichtigste Fakt steht gleich auf S. 50: Middeke zeigt, daß die vielen Leuten vom Schlage Bäumer-Banol eigene Interpretation der Zeile "We don't need no education" als Aufruf zur Anarchie völlig fehlgreift, da die Zeile einfach aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Ansonsten kommt Middeke nach exakter, nicht wertender Analyse der gesamten Texte von "The Wall" - die meisten überblicksartig, "Mother", "Hey You", "Comfortably Numb" und "The Trial" ausführlich (mit Reimschemata usw.), leider mit einigen technischen Fehlerchen (falsche Zeilennummernangaben etc.) - zu folgendem Schluß (S. 66): "Pink Floyd verstehen sich sicherlich als kritische Beobachter und Kritiker dieser modernen Gesellschaft und ihren Begleiterscheinungen. Sie verstehen, wie sehr das Individuum in sozial- und individualpsychologische Prozesse eingebunden ist, die die Identität des modernen Menschen in der Interdependenz zueinander so nachhaltig bestimmen. Der Rezipient wird in 'The Wall' mit all diesen Begleiterscheinungen konfrontiert: Abstraktheit, Pluralität, Bürokratie, Indifferenz, Paranoia."
Mit einem anderen bekannten Konzeptalbum setzte sich Robert Kluge auseinander: der Rockoper "Tommy" von The Who. Da ich mich mit The Who nicht sonderlich gut auskenne, möchte ich Kluges Darlegungen weder bestätigen noch demontieren. Nur soviel: Die Einführung ins Wesen eines Konzeptalbums (das gab's bei Middeke nicht) ist ebenso kurz wie gründlich, und Kluge behauptet auf S. 78, daß er es nicht schaffe, die Lyrics getrennt von der Musik zu betrachten, wie dies im Buch eigentlich Marschrichtung ist - umso kurioser, daß er's bis auf Marginalien aber doch hinbekommt. Minderwertigkeitskomplexe?
Mitherausgeber Dahl schrieb auch selbst einen Beitrag namens "Vietnam in der Rock-Lyrik" - ein ebenso wichtiges wie interessantes Thema (nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, daß wir auch selber immer mal einen Krieg vor der Haustür haben, sei es in Ex-Jugoslawien oder im Irak). Die Darstellung der künstlerischen Reflexionen des Vietnamkrieges in Literatur, Drama, Film und Musik ist als Einstieg durchaus brauchbar. Danach analysiert Dahl die Songtexte "Goodnight Saigon" von Billy Joel sowie "Born In The USA" von Bruce Springsteen - leider nacheinander; ein Vergleich der Texte wäre durchaus interessant gewesen, erfolgt aber nicht. Zudem haben sich bei Joel ein paar technische Diffizilitäten eingeschlichen (so sind z.B. Stropheneinteilung und Zeilenzählung unregelmäßig). Ansonsten ist aber auch dieses Kapitel sehr lesenswert. Dahl kommt im Falle von Joel zu folgendem Schluß (S. 100): "'Goodnight Saigon' hinterläßt keine Helden, keine heroischen Taten, erst recht keinen Ruhm für die USA. Es schildert ... eindrucksvoll die Entmenschlichung, die sich steigernden Ängste und den Tod einer Gruppe von Soldaten." In der Springsteen-Analyse räumt Dahl mit dem weitverbreiteten Urteil auf, "Born In The USA" sei eine Lobeshymne auf "God's Own Country", und stellt statt dessen fest, daß im Text bitterster Sarkasmus eines von allen verstoßenen Vietnam-Veterans zum Ausdruck kommt.
Das erste fast komplett ungenießbare Kapitel stammt aus der Feder von Quotenfrau Katharina Blencke: "'Who's bad?' Dirty Diana, Billie Jean und die anderen - Zum Frauenbild von Michael Jackson". Die primäre Analyse der beiden im Kapiteltitel genannten Songtexte ist dabei noch halbwegs gründlich und viertelwegs nachvollziehbar, aber sämtliche weitergehenden Argumentationen sind derart wirr und unlogisch, daß ich kapitulieren muß (vielleicht kann man das auch nur als Frau verstehen, ich weiß es nicht). Des weiteren fällt Blencke negativ auf, indem sie Jackos Autobiographie "Moonwalk. Mein Leben" wörtlich ernstnimmt, ohne darauf zu achten, welche Passagen vielleicht nur aus Imagegründen eingefügt oder geschönt wurden. Prädikat: Ungenügend.
Carsten Dürkob kann in seinem zweiten Beitrag die Scharte seiner Kollegin ein wenig auswetzen, indem er untersucht, wie amerikanische Großstädte in Rock- und Poptexten wegkommen. Nachdem er das Phänomen Großstadt und die künstlerische Reflexion darüber knapp, aber wissend beleuchtet hat, schafft er vier Kategorien der Auseinandersetzung mit der Stadt, wobei als Unterscheidungskriterium u.a. die Frage, ob eine bestimmte Stadt behandelt wird oder nicht, und die Intensität der Auseinandersetzung zum Tragen kommen. Abgerundet wird das Kapitel noch durch lesbare Analysen von Billy Joels "New York State Of Mind" (eine Liebeserklärung an die kreative Atmosphäre in New York City; allerdings äußert sich Joel in späteren Songs auch kritisch zur Urbanität im allgemeinen) und Barry Manilows "Brooklyn Blues" (Heimkehr in die Stadt, wo die Karriere begann - der Blues ist hier nicht als Ausdruck der Trauer zu verstehen). Zusammenfassung (S. 154): "Weil der Mensch des ausgehenden 20. Jahrhunderts nicht mehr umhin kann, die Stadt als natürlich gewordene Lebenserfahrung anzusehen, fällt es ihm auch nicht schwer, sie als Heimat zu begreifen." Dies ist angesichts der enormen Stadtflucht der heutigen Zeit zwar nicht mehr hundertprozentig zu unterstreichen, besitzt aber immer noch einen hohen Wahrheitsgehalt.
Leider folgt nunmehr wieder ein ungenießbares Kapitel, und zwar aus der Feder von Thomas Collmer: "'It hurts to set you free' - Jim Morrissons Rock-Psychodrama 'The End' als rituelles Scheitern". In puncto Wirrnis und Nichtnachvollziehbarkeit stellen diese 32 Seiten Blencke noch weit in den Schatten. Doors-Fachleute können hier vielleicht durchsehen, nachdem sie 40 LSD-Trips eingeworfen haben - ich muß wiederum kapitulieren.
Und nun kommt endlich der ins Spiel, auf den wir alle schon gelauert haben, nämlich Satan. Peter Lenz malt mit seinem Beitrag "'It isn't Rock'n'Roll - that's why we like it' - Faschistische und satanistische Tendenzen des Heavy Metal im Kontext der Geschichte der Rockmusik" den Teufel förmlich an die Wand und sorgt dafür, daß das Buch nicht nur ungenießbar, sondern sogar giftig endet. Wes Geistes Kind der Autor ist, beweist er schon auf der ersten Seite (188), wo er Black, Death, Thrash, Doom und HC-Metal als Genres outet, "... in denen nicht Kritik an etablierten Wertvorstellungen geübt wird, sondern jegliche ethischen Maximen programmatisch zerstört bzw. pervertiert werden ...", was selbstverständlich völliger Unsinn ist. Die wenigen positiven Aspekte (z.B. auf S. 190 die Feststellung, daß der AC/DC-Sänger wohl zu Unrecht satanismusverdächtig sei) werden auf der gleiche Seite wieder zur Strecke gebracht, wenn Lenz da z.B. den Terminus "Overkill Bands" verwendet, der angeblich ein "Sammelbegriff für diejenigen Formen des Heavy Metal ..., in denen Gewalt, Satanismus und sexuelle Perversion, 'verpackt' in extrem schnell gespielte Klangfolgen, eine zentrale Rolle spielen" sei und wozu "die Unterformen 'Death Metal', 'Black Metal', 'Thrash Metal' und 'Doom Metal'" gehörten. Mal davon abgesehen, daß Doom das langsamste Subgenre im Heavy Metal ist, existiert die Schublade "Overkill Bands" überhaupt nicht, der Sammelbegriff dürfte eine adaptierte Erfindung von Lenz sein, und mit der New Yorker Band namens Overkill hat das schon gar nichts zu tun. Um den im Kapiteltitel genannten Kontext herzustellen, walzt Lenz auf den Folgeseiten die Geschichte der Rockmusik seit den 60er Jahren noch einmal aus (das hat Dürkob in Kapitel 1 schon gemacht), ergänzt allerdings noch einige soziologisch zweifelhafte Deutungen (das hat Dürkob unterlassen - wohl nicht ohne Grund).
Was mich rapide stört, ist die permanente Gleichbehandlung faschistischer und satanistischer Aussagen. Selbst heutzutage (seit den Mitt-/Endneunzigern), wo in Norwegen, Polen, Thüringen und einigen anderen Landstrichen nicht wenige Bands aktiv sind, die diese beiden Themenkomplexe kombinieren, wäre eine solche Vorgehensweise angesichts der glücklicherweise geringen Anzahl solcher Bands nicht gerechtfertigt - aber Ende der 80er Jahre, als Lenz seinen Beitrag schrieb, gab es alle diese Bands noch gar nicht! (Daß die Böhsen Onkelz zur "Okkultrock-Szene" gehörten, wie auf S. 202 f. behauptet, ist ebensolcher Unsinn.) Auch die direkte Einflußlinie der Schriften Aleister Crowleys in den Metal, die Lenz auf S. 199 festgestellt zu haben glaubt, existierte Ende der 80er Jahre allenfalls als haardünner Strich, der erst in den Frühneunzigern etwas dicker wurde. Prophetische Gaben möchte ich Lenz dennoch nicht andichten ...
In unzulässigen Verallgemeinerungen ist Lenz sowieso Spitzenklasse. Beispiel gefällig? S. 200: "Die oben angeführten Auszüge aus Texten der Gruppen Exodus und Slayer stehen exemplarisch für den Grundtenor, der allen Songs von entsprechenden Bands gemein ist." Daß das Frühwerk von Slayer sowie die erste Exodus-Scheibe textlich mit etwas Vorsicht zu genießen sind, ist jedem Hörer sowieso klar. Aber beide Bands führten die Lenzsche Verallgemeinerung selbst ad absurdum, Exodus ab "Pleasures Of The Flesh", Slayer ab "South Of Heaven", wo sie bedeutend intelligentere (meinetwegen auch harmlosere) Lyrics schrieben - beide Scheiben waren schon auf dem Markt, als Lenz seinen Artikel schrieb. Metal-fachliche Ungenauigkeiten gibt's bei Lenz natürlich auch, etwa, wenn auf S. 199 in einer Liste mit Bands, "die vor allem bei Pubertierenden sehr beliebt sind", neben Slayer und Exodus auch Metal Deadness auftauchen. Erstens ist dies gar kein Bandname, sondern der Titel einer Split-LP zweier holländischer Thrashbands aus dem Jahre 1986, und die Scheibe "sehr beliebt" zu nennen, dehnt die Wahrheit zweitens doch ein bißchen stark. Dazu passen merkwürdige linguistische Interpretationen, z.B. "Negativwörter wie 'Sadist', 'Untergang', 'Tod' etc. haben innerhalb der Songtexte dieser Bands positive Bedeutungen." (S. 202) Auch das alte Märchen der unterbewußten Beeinflussung kommt bei Lenz vor, allerdings in einer neuen Ausprägung, die aber ebenso unbewiesen wie meines Erachtens unsinnig ist: Die Beeinflussung geschähe durch (S. 205) "... die nachhaltige akustische und visuelle Konfrontation mit Standardwörtern und -phrasen wie death, kill, destroy, evil, no law etc." Vorschlag zur wissenschaftlichen Untersuchung: Man lasse Lenz wochenlang Bundestagsreden hören, in denen permanent Standardphrasen wie Abbau der Arbeitslosigkeit, Ökosteuer und Atomausstieg vorkommen, und analysiere dann seine eventuelle Verhaltensänderung.
Richtig oberflächlich bleibt Lenz auch, wenn er auf S. 205 ff. die Auseinandersetzung mit moralischen Wertungen in der metallischen Fachpresse unter die Lupe nimmt. Die läßt mitunter zwar wirklich zu wünschen übrig, aber Lenz' Rundumschlag ist auch hier nicht gerechtfertigt. Kultig wird's auf S. 208: "Derartigen Publikationen (gemeint sind Bäumer, Banol und Anhang - Anm. rls) und entsprechenden Flugblättern sind jedoch häufig oberflächliche Textanalyse, das Herausreißen von Texten aus dem Kontext einer Platte bzw. dem Genre einer Band, fehlende bzw. mangelnde Quellenangaben gemein ...", stellt Lenz richtig fest, übersieht dabei aber, daß er selbst auch an einigen dieser Untugenden leidet. Daß er auf S. 209 die Indizierung als ungeeignete Methode der Verbreitungseingrenzung eines Mediums kennzeichnet, stimmt indes. Und nach dem insgesamt doch sehr schwächelnden Kapitel kommt die Schlußerkenntnis (S. 210 ff.) doch reichlich überraschend, in der Lenz eine konstruktiv-kritische Auseinandersetzung mit Heavy Metal aller Formen unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Umstände anregt. Warum hat er selber aber dann nicht nach dieser Maxime gehandelt?
Bleibt zusammenfassend betrachtet ein phasenweise wertvolles, mitunter kaum nachvollziehbares und manchmal auch schlechtes Buch, das aber unter o.g. Einschränkungen durchaus nützliche Lektüre darstellt - wenn es denn irgendwo aufzutreiben sein sollte.

Dem zweiten Buch kann man das "Wertvoll"-Prädikat leider beim besten Willen nicht verleihen, denn obwohl sich auch in "Musik um jeden Preis?" aus der Feder von Martin Heide (wieder einer, der eine Zeitlang selbst begeisterter Hörer von Rockmusik war; bei dem Nachnamen hätte ich mir für so 'ne Publikation allerdings ein Pseudonym gesucht), erschienen in der 2., überarbeiteten Auflage anno 1989 beim Bielefelder Christliche Literaturverbreitung e.V., diverse gute und richtige Ansätze finden, so werden diese doch durch eine größere Menge Unsinn überschattet. Dabei ist das auf S. 8 postulierte Anliegen, "Kriterien von der Bibel her zu zeigen, die eine hilfreiche Musik von einer zerstörerischen abgrenzen", ja durchaus lobenswert, und Heide geht mit theologisch angehauchtem, bedeutend exakt-wissenschaftlicherem Anspruch an die Sache heran als etwa Banol, aber die einseitige Betrachtungsweise sowie ein ganzer Haufen logische und theologische Fehler torpedieren den Ansatz erfolgreich. Vorwortschreiber Gerrit Alberts paßt sich diesem Level leider an, wenn er auf S. 9 feststellt: "In der Schrift wird deutlich gemacht, daß in den Bereichen, in denen der Abfall besonders kraß zutage tritt, die Musik als Medium der Beeinflussung eine wichtige Rolle spielt" und dabei auf Offb 18,22 verweist, wo allerdings in der Aufzählung, was es im ausgelöschten Babylon nicht mehr geben wird, neben Musikern auch Handwerker, Mühlsteingeräusche, Lampenlicht und Hochzeiten (!) vorkommen, was die angedachte Ausnahmestellung der Musik deutlich relativiert.
Heide gibt übrigens nicht an, welche Bibelübersetzung er benutzt hat - ein katastrophaler Fehler, denn da zahlreiche seiner Deutungen mit einzelnen Worten stehen und fallen, steigert das entweder den Arbeitsaufwand oder senkt den Glaubwürdigkeitsgrad. Doch nun auf in Teil I, der "Biblische Grundlagen" legen soll und demzufolge mit dem Kapitel "Geistliche Musik im Alten Testament" beginnt. Heide stellt korrekt fest, daß es in Moses Gesetzen keine konkrete Anordnung betreffend geistlicher Musik gibt, aber seine Folgerung ist schon ungenau (S. 13): "Musik war insofern für die Anbetung Jahwes in Israel nicht notwendig." Das stimmt nur, wenn man Gesang nicht unter den Terminus Musik faßt, was etwas zweifelhaft erscheint (Vokales kommt z.B. in 2. Mose 15 vor). Auch im folgenden Evozieren der Musik in den beiden Jerusalemer Tempeln leistet sich Heide (neben einer Reihe Wissenswertem) Inkorrektheiten, etwa wenn er feststellt (S. 15): "Folglich muß diese Musik in ihrem Charakter sanft, ernst und würdig geklungen haben." Die Begründung ist, daß "stille" Instrumente, z.B. Leier und Harfe, eingesetzt wurden - indes sind die ebenfalls verwendeten Trompeten und Zimbeln (eine Art Schlagwerk) alles andere als leise, und als Krönung führt Heide als Grundlage für die Tempelmusik 1. Chr. 15,16 an, wo es heißt, daß "... sie zum Freudenjubel laut ihr Spiel ertönen ließen." Es ist nicht gut, wenn man selber seine eigenen Argumente widerlegt, und merkwürdigerweise passiert Heide das noch öfter. So auch auf S. 26, als es heißt, "... in den letzten Jahren vor der babylonischen Gefangenschaft (sei) der gesamte Tempelkult vom Götzendienst geprägt" gewesen - unweit davon wird Psalm 137 ins Gefecht geführt, der ausdrücklich besagt, daß sich die Leviten weigerten, in Babylon Zionslieder zu singen (was sie unter götzischen Einflüssen wohl anders gehandhabt hätten). Logisch nachvollziehbar ist auch die Argumentation auf S. 25-27 nicht, wo das Ende der Tempelmusik als Erfüllung eines prophetischen Zeichens gedeutet wird, was allerdings m.E. aus den angeführten Bibelzitaten (u.a. Jes. 14, 9-12; Hes. 26, 12+13; Amos 6, 1+4-7; Amos 8, 2+3) nicht hervorgeht. Wen's interessiert, der lese selber mal nach.
Damit haben wir Kapitel 2 auch gleich mit abgearbeitet (es hieß "Das Aufhören der Tempelmusik und die Entstehung des Synagogalgesanges") und bewegen uns in Kapitel 3 nunmehr "Vom jüdischen Tempeldienst zum neutestamentlichen Gottesdienst". Dabei hat Heide wohl recht mit der Feststellung, daß die urchristlichen Gemeindegesänge (das Psalmsingen stand z.B. hoch im Kurs) wohl eher die Synagogalgesänge als die Tempelmusik zum Vorbild hatten (es wäre ja auch aufgefallen, wenn in Zeiten der Christenverfolgungen jemand seine Zimbeln und Harfen durch die Gegend geschleppt hätte), aber seine zweiseitige Deutung von Eph 5, 19 wird völlig sinnlos, wenn man mal den Text der Einheitsübersetzung als Grundlage nimmt (auch wenn Heide wiederum prinzipiell recht hat, wenn er das geistliche Lied als logozentrisch bezeichnet, also die Wichtigkeit des Textes unterstreicht - wir befinden uns wohlgemerkt bei der Erörterung des Gottesdienstgebrauchs). Die Zusammenfassung am Ende dieses Kapitels gehört unters Banol-Fallbeil: "Was jedoch das geistliche Lied betrifft, so zeigt uns das Alte und das Neue Testament, daß nicht jede Art von musikalischer 'Begleitung' dem geistlichen Lied Genüge tut." Das hat Heide in den bisherigen Kapiteln aber nicht zu beweisen vermocht.
Wir bleiben auch mit Kapitel 4 in alten Zeiten und schauen uns "Religiöse Musik zur Zeit des frühen Christentums" an, zunächst die Rolle von Musik in Fruchtbarkeitskulten einiger dionysischer Religionen (diese Absätze möchte ich mangels Fachwissens nicht bewerten), wo sie mitunter zum Zweck des Erreichens höherer Reizlevel dient. Heides Schlußfolgerung "Eine Parallele zu unserer heutigen Zeit ist beim Betrachten dieser Musik nicht zu verleugnen" läßt allerdings außer acht, daß die Gewöhnung an ein höheres Reizlevel heutzutage schon stattfindet, bevor die Kinder überhaupt mal mit "dionysischer" Musik in Berührung kommen. Als nächstes erhält eine Kohorte von Kirchenvätern das Wort, und zwar mit Textstellen, in denen Gesang als ein probates Mittel der Gottanrufung, -betung und -preisung dargestellt wird - das stimmt zwar, aber weder Eusebius noch einer seiner Mitdenker postulierte, daß Instrumentalmusik dafür nicht geeignet (und daher zu unterdrücken) sei. Außerdem muß ich an dieser Stelle auf Arne Effenberger verweisen, der in seinem lesenswerten Buch "Frühchristliche Kunst und Kultur" (1986) feststellte, daß schon in der frühestchristlichen Mosaikbildnerei sowie im plastischen Schaffen heidnische Einflüsse (z.B. Symbole) christianisiert wurden (indem man ihnen christliche Sinninhalte "einimpfte"), was besonders in den Katakomben zu Rom an vielen Beispielen betrachtet werden kann. Warum soll das mit der Musik nicht auch gegangen sein bzw. heute noch gehen?
Letztgenannte Frage wird bei der Betrachtung von Kapitel 5 ("(Rock)musik und evangelistische Verkündigung" heißt es) wichtig. Heide lobt auf S. 48, daß "... die Apostel - und besonders Paulus - es trotzdem verstanden, sich den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen und für die Menschen verständlich zu predigen", übersieht dabei aber, daß Myriaden christlicher Bands heute nichts anderes tun. Und man sollte es Paulus nicht unbedingt nachtragen, daß er vor knapp 2000 Jahren noch nicht ahnen konnte, daß es einmal ein Medium namens Rockmusik geben würde, welches von einer Anzahl Bands zur Verkündigung eingesetzt wird, und diese Art von Musik daher in keinem seiner biblischen Briefe erwähnte. Insgesamt ist Kapitel 5 reichlich wirr ausgefallen, was folgendes Zitat unterstreicht: "Dabei werden diejenigen Musiker gelobt, die es den weltlichen Rockmusikern am besten nachmachen können, oder, wie es Cliff Richard einmal ausdrückte: 'Wir sollten 10 Schritte Vorsprung vor der Welt haben; im Moment hinken wir noch 10 Schritte hinterher.'" Politisch wird's gar auf S. 53: "Würden wir den Bundeskanzler ernst nehmen, wenn er seine Regierungserklärungen in Englisch hielte und sie durch Rhythm & Blues und Lichtorgeln verpacken ließe?" Antwort: Ein guter Teil des Volkes ja, und zumindest die, die die "Verpackung" mögen, würden ihn vielleicht sogar ernster nehmen als heute. Kultig ist auch der abschließende Vorschlag (S. 56): "Übrigens gibt es auch heute noch genügend Möglichkeiten, das Evangelium verständlich und zeitgemäß weiterzutragen. Teestubenarbeit, Büchertische, Straßeneinsätze, Vortragsabende zu aktuellen Themen, Hauskreise, Freizeiten usw. sollten die Evangelisations'methoden' unserer Tage sein." Das schreit förmlich nach einem Feldversuch. Vorschlag: Heides Teestubenarbeit sowie ein christlich ausgerichteter Metal-Gig werden mit der gleichen Intensität vorangekündigt (soll heißen, einschlägig promotet) und im jeweils normalen Stil durchgeführt. Mal sehen, was dabei rauskommt ...
Die "Perspektiven christlicher Rockmusik" möchte Heide in Teil II seines Buches beleuchten. Der wesentliche Zweck dieses Abschnittes besteht darin, eine Antwort auf die Meinung von Steve Lawhead zu geben, der bekanntermaßen die evangelistischen Möglichkeiten der christlichen Rockmusik in seinem Buch "Das Schaf im Wolfspelz" (siehe "Haarus ..."-Teil 4) sehr hoch einschätzte. Allerdings leistet sich Heide auch hier einen Stapel Ungereimtheiten und schafft es meiner Meinung nach nicht, Lawhead entscheidend zu widerlegen (daß Lawhead hier und da auch einen Bock geschossen hat, ist in o.g. Abhandlung nachzulesen). Dafür widerlegt er (Heide) sich gleich auf S. 62 mal wieder selbst, indem er feststellt: "Wer davon ausgeht, daß ... einen Christen solche Dinge (z.B. säkulare Lyrics) unberührt lassen, ist ein Phantast." Wenn das stimmt, dann muß diese Aussage aber eineindeutig sein, also auch in ihrer Umkehrung stimmen, und die Logik verlangt dann die Aussage, daß christliche Texte einen Christen erst recht berühren MÜSSEN. Genau das streitet Heide aber im gesamten Buch ab. Passend dazu ist die Darstellung der Geschichte der Rockmusik (S. 64-67) genauso oberknapp wie unpräzise und gipfelt in Aussagen wie (S. 67) "Blieben die afrikanischen Elemente dominant, wie z.B. im Voodoo oder im ring-shout, so fand diese Musik kein Interesse in der breiten Bevölkerung", was gleich mehrfach falsch ist (erstens sind in Soul und Hip Hop immer noch zuviel afrikanische Elemente enthalten, als sie gemäß ihrer Verbreitung nach Heides Theorie haben dürften, zweitens ist Voodoo eigentlich keine Musik, sondern ein spiritueller Begriff, und drittens ist es gerade die Antinomie afrikanischer und karibischer Elemente, die die Musik prägt, welche Heide wohl mit Voodoo meinte). Auf S. 68 betreibt Heide sogar Gesetzesbruch, denn irgendwo im Grundgesetz oder im Bürgerlichen Gesetzbuch (war zu faul nachzusehen) steht das Verbot, wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln, und die von Heide über einen Kamm geschorenen Zitate von Gerhart Harrer (Musikpsychologe) und Timothy Leary (Autor und Drogenexperimentator) sind inhaltlich wesentlich verschieden (Leary sagt nämlich nix über die Wirkung von Lautstärke, obwohl Heide das Gegenteil behauptet, Harrer wiederum betrachtet die Rhythmen nur als Verstärkungsaspekt der Lautstärke). Dazu nutzt Heide auch noch die layouterische Eigenheit, die Anmerkungen als Block am Ende des Buches zu bringen (es macht sich kaum einer die Mühe, jedesmal nach hinten zu blättern), wodurch z.B. folgende Argumentationskette zustande kommt: "Der sexuelle Inhalt von Rockmusik läßt sich nicht eindeutig aus den Texten ablesen, denn die Texte müssen eher als Klangzeichen einer Stimme verstanden werden" (S. 73), ein Zitat des Soziologen Simon Frith, bekommt Anmerkung 33 verpaßt, die sich am Ende des Buches folgendermaßen liest: "Daß in der Rockmusik Worte und Text in erster Linie als 'Instrument' dienen, kaum als Informationsträger, begründet u.a., warum sie zur echten Kommunikation - auf der Basis von verbaler Information, wie z.B. in der Evangelisation - völlig wertlos ist." Andy Scott von The Sweet hat einmal gesagt, Musik sei nicht dazu da, eine Botschaft zu überbringen. Das sehen zahlreiche Bands aber anders - die gesammelten christlichen Metaller sowieso, die sozialkritischen Hardcoreler auch, vielleicht sogar die harten, ihr Gekreisch ernstnehmenden Satanisten, die Nazibands wohl erst recht. Musiktheoretisch ist Heide übrigens auch kein Meister. Wo ist z.B. das Problem, einen off-beat notenmäßig aufzuzeichnen, das Heide auf S. 73 bekennt zu haben? Das geht per Hand genauso gut wie mit meinem uralten Vierspurmusikprogramm für Amiga 500. Auf S. 75 ff. läßt Heide schließlich die Abschlußbombe über Lawhead fallen, die allerdings völlig an dessen Intentionen vorbeigeht (schließlich möchte Lawhead niemanden zwingen, sich christliche Rockmusik anzuhören, wenn dem-/derjenigen das nicht gefällt), und diagnostiziert bei Lawhead "häßliche Polemik" gegenüber seinen "Gegnern". Okay, an einigen Stellen schlägt Lawhead wirklich harte Töne an, aber im Vergleich mit dem, was ihm die auf der Seite Heides Stehenden entgegenschleudern (Heide selbst versucht sich lobenswerterweise verbal zurückzuhalten, was ihm indes nicht durchgehend gelingt), sind das fast schon Liebesbezeugungen.
Auch Herr Zimmermann (nicht Eduard, sondern Robert) bekommt sein Fett weg, und zwar im Kapitel "'The answer is blowing in the wind' oder: Das Phänomen Bob Dylan". Dessen Quintessenz läßt sich kurz zusammenfassen: Dylan ist kein echter Christ, da er nicht predigt. Da bilde sich jeder mal selber 'ne Meinung drüber!
Die kommentierte Bibliographie von christlichen Autoren zum Thema Rockmusik auf S. 99 ff. sieht genauso aus, wie man es sich anhand des bisherigen Leseeindrucks vorgestellt hat. Alles, was christliche Rockmusik nicht ablehnt, wird von Heide negativ bewertet. Daß dagegen die beiden Bäumer-Bücher hohe Wertschätzung erfahren würden, konnte man sich schon vorher an allen vier Gliedmaßen abzählen. Zitat gefällig? S. 107: "Bisher gab es vergleichbare Werke nur in der englischsprachigen Welt, wo allerdings Sorgfalt und saubere Recherchen oft fehlten." Wie "sauber" Bäumer recherchiert hat, kann der Interessierte in den "Haarus ..."-Teilen 4 und 6 nachlesen.
Noch was? Ja doch. Es folgt ein "Epilog über christliche Kultur im allgemeinen", der allerdings auch nicht sonderlich zu glänzen weiß. Ein Beispiel von S. 121: "Säkulare Kultur wird also nicht christlicher, sondern das Christentum wird zunehmend säkularisiert." Das liegt aber nicht an der christlichen Rockmusik, sondern ist schon seit knapp 2000 Jahren so (es gab in der Kirchengeschichte zwar Reformen von innen, aber auch zahlreiche solche von außen; wäre dem nicht so gewesen, hätten wir heute immer noch ein leicht modifiziertes Urchristentum, was zwar in einigen Aspekten sogar ganz nützlich wäre, aber leider unpraktikabel ist; ich verweise hier nochmals auf Effenberger). Den folgenden Vergleich, der so hinkt wie der Leibhaftige persönlich, hätte Bäumer auch noch hinbekommen (S. 122): "In unseren letzten Tagen ... ist Rock in der Kirche genauso deplaziert wie es eine Band im Dienste Noahs und seiner Söhne beim Bau der Arche gewesen wäre." Eigentlich gar keine schlechte Idee: Heavens Gate spielen "Noah's Dream", Fates Warning-Ur-Sänger John Arch wird ans Mikro der Proggies Arkhe gestellt, und ein hübsches christliches Metal-Festival kommt noch dazu. Abschließend soll noch der Hinweis an Heide folgen, daß man auch mit rhetorischen Fragen vorsichtig sein sollte (S. 122): "Glauben wir wirklich, durch z.B. die christliche Rockmusik im Hinblick auf unser christliches Zeugnis bereichert worden zu sein?" Unsere Antwort: JA!

Jetzt aber zur Abwechslung noch ein wirklich ernstzunehmender Wissenschaftler: Prof. Dr.Helmut Rösing kam in der "Haarus ..."-Serie schon mehrmals vor. Neulich stolperte ich über einen sehr interessanten Artikel, der auf einem Referat beruht, das Rösing 1991 auf dem Symposium "Musik als Droge?" in Mainz gehalten hat, und der sowohl im gleichnamigen, von der Stiftung Villa Musica, Mainz, herausgegebenen Buch (das über den Coda-Verlag, Theodor-Heuss-Straße 2, 61184 Karben vertrieben wurde; ob noch Exemplare erhältlich sind, weiß ich nicht) als auch in Prisma (Zeitschrift der Gesamthochschule Kassel, wo Rösing damals lehrte) Nr. 45, S. 53-60, hier leider um die Anmerkungen und Quellennachweise gekürzt, nachzulesen ist. Rösing legt sein Hauptaugenmerk wieder mal auf Backward Maskings und untersucht gemäß des Symposiumtitels, ob man den tatsächlich vorhandenen Rückwärtseinspielungen eine drogenhafte Wirkung z.B. aufs Unterbewußtsein zuschreiben kann. Dabei schießt zwar auch er den einen oder anderen Banol-artigen Vogel ab, etwa auf S. 54, wo von "Speedmetal-Gruppen der Punkszene" die Rede ist, geht aber ansonsten exakt und nachvollziehbar zu Werke. Nach einer einleitenden Sammlung der fundamentalchristlichen Meinungen und Beispiele für Backward Maskings (wo reale und irreale leider nicht getrennt genannt werden) unternimmt Rösing einen kurzen Ausflug in Richtung subliminaler Motivationskassetten. Dabei stellt er fest, daß zum einen deren Wirkung wissenschaftlich noch nicht nachgewiesen werden konnte (ob sich das inzwischen geändert hat, weiß ich nicht, habe aber noch nichts in diese Richtung Gehendes gelesen), zum zweiten die Gleichsetzung dieser als Willensverstärker angepriesenen Tapes bzw. ihrer Botschaften mit Backward Maskings anhand rationaler Kriterien nicht haltbar ist. Ein Zwischenteil über einen Film aus dem Jahre 1986 (den Titel nennt Rösing leider nicht - produziert hat Laurentis Entertainment), der okkulte Botschaften und Backward Maskings ins Absurd-Groteske übersteigert thematisiert und in dem Ozzy Osbourne einen amerikanischen Fernsehpfarrer spielt, leitet über zur "Spurensuche", in welcher Rösing zunächst einen Teil der angeblichen Botschaften als Sprachverschlüsselungen von Vorwärtstexten enttarnt, die in vielen Fällen mit einem Vocoder aufgenommen respektive verarbeitet wurden, und dann - ähnlich wie Heimann (vgl. "Haarus ..."-Teil 3) - legt Rösing seine Forschungsergebnisse beim Rückwärtsdurchhören einer Reihe weiterer angeblicher Botschaften dar. Neu ist dabei die Behandlung von Iron Maidens "Still Life" (den Song hat Heimann nicht untersucht), das von einem technischen Backward Masking eingeleitet wird, welches Rösing dahingehend deutet, daß sich die Band über die fundamentalistischen Botschaftensucher lustig machen wollte (einem Lacher folgt unverständliches Gequassel, das mit der Frage "Do you understand?" und einem Rülpser abgeschlossen wird). Dagegen glaubt Rösing hier noch, auch in Queens "Another One Bites The Dust" eine Rückwärtsbotschaft herausgehört zu haben, ein Urteil, das er später nach ausführlicheren Untersuchungen revidierte (vgl. "Haarus ..."-Teil 5).
Eine Untersuchung mit Musikstudenten der Gesamthochschule Kassel (also Personen mit überdurchschnittlich geschultem Gehör) ergab, daß verfremdete Vorwärtstexte - wenn auch in unterschiedlichem Maße - verstanden wurden, die angeblichen Rückwärtsbotschaften hingegen ohne Textvorgabe nahezu gar nicht, mit Textvorgabe ebenfalls nur im geringen Maße, wodurch sich die Vermutung, ein guter Teil der angeblichen Botschaften beruhe auf "verstehendem Hören", also dem Hineinhören von Texten in sprachartige Klangfolgen, bestätigt. Leider hat Rösing diesen Test nicht noch einmal mit entsprechend geschulten Metalfans gemacht. Dann hätte er nämlich bemerkt, daß die angeblichen Botschaften (oder auch die tatsächlich vorhandenen Backward Maskings) keinesfalls für Szenekenner verständliche Symbole einer für den "Normalsterblichen" apocryph bleibenden akustischen Symbolik sind, sondern (die "echten") nicht mehr oder weniger als Spielereien kreativer Musiker. Dies ist aber schon das einzige Entscheidende, was ich an Rösings Schlußfolgerungen auszusetzen habe; der Autor hält weiterhin den sehr interessanten Aspekt fest, daß, wer an die Wirksamkeit von derartigen Botschaften glaubt, deren Wirkungen (positive bei Motivationskassetten, negative aus der Rockmusik) dann auch zu spüren bekommt, "und zwar vor allem dann, wenn er weiß, daß bestimmte gesellschaftliche Gruppen diesen Glauben mit ihm teilen". Der französische Kulturphilosoph Claude Lévi-Strauss brachte dazu das treffende Beispiel einer schamanischen Heilung: "Daß die Mythologie des Schamanen keiner objektiven Wirklichkeit entspricht, ist ohne Bedeutung: der Kranke glaubt daran, und er ist Mitglied einer Gesellschaft, die auch daran glaubt." Resultat: Der Kranke wird seine Schmerzen los (ob sie physiologisch noch da sind oder nicht, ist zweitrangig). Übrigens beruhen auf diesem Prinzip auch Geistheilungen und ähnliche Phänomene - das muß also keinesfalls was mit Dämonologie zu tun haben (kann aber!).
Rösings komplette Argumentation kann ich hier natürlich nicht vorstellen, da sie viel zu ausführlich ist. Ich muß aber unbedingt noch eine Feststellung des Autors anführen: Eine Suche nach negativen Botschaften in Backward Maskings oder generell in der Rockmusik geht stets von Personen aus, die Rockmusik aus musikalischen Gründen prinzipiell nicht (mehr) mögen (ein zunächst affektiver Vorgang) und dann verstandesmäßig nach Beweisen für die Schädlichkeit besagter Musik suchen. Gleichzeitig ist dieser Personenkreis auch der gefährdetste, was das Realwerden der hineingehörten negativen Botschaften und ihrer Wirkungen angeht. Eine solche Person scheint auch der Layouter des betreffenden Prisma-Heftes zu sein, denn speziell die Bildunterschriften schießen noch eine Reihe von Böcken. Aber Rösings Text ist hier halt das Wichtigste.
 

Hier geht's zu "Haarus Longus Satanas? - Teil 8".



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