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HAARUS LONGUS SATANAS? - Teil 5: PERIODICA
von rls

Nicht jeder, der glaubt, den stichhaltigen Beweis für die Gleichsetzung von Rockmusik und Satanismus gefunden zu haben, schreibt gleich ein Buch darüber. Das ist bei dem "Mangel" an Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt (ca. 70.000 Titel jährlich im deutschen Sprachraum) auch besser so. Da aber das Gewissen drängt, die neuen Erkenntnisse doch zu veröffentlichen, kommt das Medium Zeitschrift zum Einsatz. Weil deren "Halbwertszeit" aber bedeutend geringer ist als die von Büchern (und es in der Regel auch nicht zu Neuauflagen kommt), ist an solche Artikel oft nicht leicht heranzukommen, speziell wenn's um schon etwas ältere Hefte geht. Nichtsdestotrotz werden auch solche älteren Artikel gern und oft zitiert, wenn ein Fundamentalist mal wieder den o.g. Beweis erbringen will. Ich habe mich also mal in den Zeitschriftendschungel gestürzt, um einige dieser Artikel auseinanderzunehmen. Die Ergebnisse gibt's nachstehend zu lesen.

Zunächst jedoch noch eine kleine interessante Ergänzung zu "Haarus ..."-Teil 3: Backward Masking, die mir bei der Zeitschriftenrecherche in die Hände fiel. Der damals bereits genannte Helmut Rösing publizierte einen Artikel mit der Überschrift "Rückwärtsbotschaft im Queen-Song Another One Bites The Dust. Absicht, Zufall oder Mißverständnis?". Zu finden ist dieser in: Annegrit Laubenthal (Hrsg.): Studien zur Musikgeschichte. Eine Festschrift für Ludwig Finscher. Kassel: Bärenreiter 1995, S. 795-805. Rösing ist Musikprofessor an der Gesamthochschule Kassel und ging an das Thema mit wissenschaftlicher Akribie heran (was ihn leider nicht vor ein paar kleineren Trugschlüssen bewahrte, die aber den Wert seiner Arbeit nicht entscheidend schmälern). So stellt er z.B. fest: "Teilweise handelt es sich hier um rückwärts in den Musikverlauf einmontierte Klavierakkorde und nicht um Synthesizerklänge, wie sie Queen auf diesem Album erstmals zur Soundgestaltung mit einbezogen hat." Daß "The Game" (von welchem "Another One Bites The Dust" stammt) das erste Queen-Album mit Synthie-Einsatz war, kann man häufiger lesen (wenn ich mich recht erinnere, stand's sogar auf der Platte hinten drauf), aber um dieses Rückwärtsklavier (das nirgendwo erwähnt wurde) zu identifizieren, bedarf es schon einer spektrographischen Analyse, die Rösing auch durchgeführt hat (dazu gleich mehr). Ist dieses Rückwärtsklavier aber schon das gesuchte Backward Masking? Natürlich nicht. Es handelt sich einfach um eine technische Spielerei der vier hyperkreativen Musiker.
Weiter im Text: Auf S. 797 stellt Rösing kurz seine Einteilung der Backward Masking-Varianten vor, er kommt auf vier: das Rückwärtseinmontieren gesungenen (1) oder gesprochenen (2) Textes (diese beiden Varianten hatte Heimann - vgl. "Haarus ..."-Teil 3 - unter "technisches Backward Masking" subsumiert), als Variante 4 das phonetische Backward Masking (dazu am Ende dieses Kapitels noch ein Wort) und als Variante 3 folgendes: "Rückwärtsverwendung von ganz oder teilweise verfremdeten Texten. Diese bevorzugt bei Hardrock- und Heavy Metal-Bands anzutreffende Technik ist die gebräuchlichste. Die nur rudimentär entschlüsselbaren Texte enthalten 'okkulte Botschaften' für Eingeweihte. Sie tauchen primär in Verbindung mit Wegbeschreibungen zur Hölle auf und übernehmen, wenn man so will, symbolhaft die Funktion des Höllenhundes Cerberus." Möchte mal wissen, wie Rösing auf diesen Banol-artigen Unsinn gekommen ist (werde ihn bei Gelegenheit mal fragen - er führt leider weder Beispiele noch Beweise an). Ich habe den Verdacht, daß Rösing die technischen Backward Maskings von Venom entdeckt, das Gebrüll von Sänger Cronos aber nicht verstanden hat und sich deshalb zu dieser Verallgemeinerung hinreißen ließ. Irgendwie paßt dieses Vorgehen überhaupt nicht zu seiner sehr genauen Analyse von Musik (die Melodie gibt's als Notenbild) und Text von "Another One ...". Letztgenannter ist zwar leider nur fragmentarisch übersetzt, aber ein interessantes Statement wiegt das wieder auf: "Text und Melodie bilden in ihrer positiven, tänzerisch-lebensbejahenden Art eine überzeugende Einheit. Eine Rückwärtsbotschaft mit der Aufforderung zum Drogenkonsum paßt eigentlich nicht in dieses Umfeld."
Nun beweist das ja noch nichts. Also griff Rösing zur Methode des Feldversuchs: 29 Musikstudenten der Gesamthochschule Kassel (also alles Leute mit feinstem und geschultem Gehör) bekamen "Another One ..." rückwärts vorgespielt - keiner konnte eine Rückwärtsbotschaft heraushören. Erst als sie gesagt bekamen, daß die unter der Refrainzeile liegende Rückwärtsbotschaft "Start to smoke Marihuana" (die einige Backward Masking-Verfechter identifiziert haben wollten) heißen müsse, identifizierten 72,5% der Probanden die Botschaft eindeutig, 20% teilweise und nur 7,5% gar nicht. Ein zweiter Versuch mit 71 anderen Versuchspersonen, von denen die meisten keine Musikstudenten waren, führte, nachdem man den zu erwartenden Rückwärtstext bekanntgegeben hatte, zu ähnlichen Ergebnissen: 62% verstanden die Botschaft eindeutig, 26% teilweise und 12% gar nicht.
Nun kam die Technik zum Einsatz. Rösing stellte bei einer spektrographischen Analyse fest, daß beim Herausfiltern von 60% des Klangspektrums der Vorwärtstext noch deutlich zu verstehen war, die angebliche Rückwärtsbotschaft aber gar nicht mehr. Das zeigt eigentlich schon, daß die angebliche Rückwärtsbotschaft in diesen 60% enthalten sein müßte - zu denen der entsprechende Vorwärtstext (durch dessen besondere Betonung nach Meinung von Buschmann und anderen die Rückwärtsbotschaft aber erst zustande gekommen sei soll) aber gar nicht gehört! Um dieses Ergebnis zu untermauern, analysierte Rösing auch noch die sogenannten Hüllkurvenverläufe. Dabei kam heraus, daß bestimmte Ausprägungen der Gesangs-Frequenzkurve (Formanten nennt man das), die vorwärts Vokale darstellen, rückwärts allenfalls rudimentär vorhanden sind, so daß die angebliche Rückwärtsbotschaft ohne Vokale auskommen müßte und also auf jeden Fall nicht "Start to smoke Marihuana" heißen könnte.
Aufgrund aller dieser Ergebnisse kommt Rösing zu folgendem Schluß (S. 802): "Die physikalisch-akustische Analyse macht deutlich, daß die Rückwärtsbotschaft mehr das Ergebnis eines 'verstehenden' Hörens, d.h. eines Zurecht- oder Hineinhörens von Wortsinn in sprachartige Gesangsfolgen ist als das Rezipieren von nachweislich vorhandenen Schallstrukturen." Und (S. 805): "... alles deutet darauf hin, daß die Rückwärtsbotschaft in diesem Song ein Zufallsprodukt ist." Leider scheut Rösing hier die letzte Konsequenz: Von Rückwärtsbotschaft dürfte er eigentlich gar nicht sprechen, da Queen nachweislich keine solche eingebaut haben. Hier schließt sich dann auch der Kreis zur oben angesprochenen Variante 4 des Backward Maskings: Als einziges Beispiel für ein phonetisches Backward Masking führt Rösing (S. 797) eben "Another One ..." an, dessen Nichtexistenz er auf den Folgeseiten eindrucksvoll bewiesen hat. Ich kann mir das nur so erklären, daß er o.g. Varianten lediglich als Hypothesen der herrschenden Meinung aufgefaßt hat - dann hätte er das aber auch dazuschreiben müssen, sonst stiftet dies nur Verwirrung. Ansonsten aber ein sehr wertvoller Artikel.

Die Zeitschrift Diakonia trägt den Untertitel "Internationale Zeitschrift für die Praxis der Kirche". In Heft 5/1990, S. 335-341, erschien der Beitrag "Satanismus in der Rockmusik - ein Trivialmythos" von Christa Zöller, die zwar versucht, sich differenziert mit dem Thema auseinanderzusetzen, aber an zahlreichen Klippen Schiffbruch erleidet. Ob der Hardrock, wie im redaktionellen Vorwort postuliert, tatsächlich einen neuen Mythos darstellt, will ich an dieser Stelle nicht ausdiskutieren (interessierte Leser seien auf Koenot verwiesen, dem ich zwar auch nicht bedingungslos folge, der aber interessante Statements zum Thema "Mythos" zu bieten hat). Diverse Klippen in Gestalt von fachlichen Fehlern hat Zöller nicht umschiffen können: Celtic Frost spielten z.B. keinen Speed Metal (S. 336), Ozzy Osbourne ist nicht etwa erst seit 1982 solo unterwegs (das erwähnte "Blizzard Of Oz"-Album stammt nämlich schon von 1980), und "Mr. Crowley" ist auch kein bedingungsloser Lobgesang auf diesen. Daß Metaller "zu 90% ... Hauptschüler, Ausbildungsabbrecher oder Arbeitslose ..." seien (S. 338), hat Bettina Roccor ("Kunst. Kommerz. Ketzerei.") mittlerweile eindrucksvoll widerlegt. Daß während Schwarzer Messen alles mögliche, aber kein Metal gespielt wird (auch kein "Occult Rock", dem angeblich auch Celtic Frost angehören sollen), wie auf S. 336 behauptet, ist auch nicht erst seit dem "Schwarzbuch Satanismus" der Grandt-Zwillinge bekannt. Unsinnig ist auch folgende Aussage (S. 336): "Sie (die Musik des "Occult Rock" - Anm. rls) wird von vielen als satanistisch empfunden, selbst wenn die Texte anders lauten. Mit dem Satan wird also ein Klang assoziiert, der durch Lautstärke und Tempo übermächtig ist."
Schauen wir mal, welche Experten Zöller ins Feld führt. Da kommt Bernhard Wenisch mit seinem Buch "Satanismus" vor, in dem er u.a. behauptet, Crowley habe für den "satanischen Pantheismus" gestanden (ein hübscher Widerspruch in sich). Recht hat er allerdings damit, die satanischen Symbole in der Rockmusik als "Protestsatanismus" zu deuten. Also weiter: Daß die Geschehnisse in Altamont 1969 eine Folge der "satanischen Phase" der Rolling Stones gewesen seien (S. 337), ist ein auch durch oftmalige Wiederholung nicht wahrer werdendes Klischee. Oder (immer noch S. 337): "Letztere (Black Sabbath - Anm. rls) wurden damals maßgeblich durch Ozzy Osbourne geprägt. Dämonische Bühnenshows mit schwarzmagischen Ritualen kompensierten die mangelnde musikalische Qualität und sicherten der Gruppe über viele Jahre anhaltenden Erfolg." Dazu ist zu bemerken, daß erstens (nach "Matthias Herr's Heavy Metal-Lexikon Vol. 2") Bassist Geezer Butler die meisten Texte der Black Sabbath-Frühphase geschrieben hat und nicht etwa Ozzy, zweitens das mit der mangelnden musikalischen Qualität höchst subjektiv ist und drittens gerade diese Platten heute als absolute Klassiker der Metalgeschichte gelten, die sich selbst nach Jahrzehnten (und ohne "dämonische Bühnenshows") noch tausendfach verkaufen. Damit sind wir aber wieder bei Ozzys Song "Mr. Crowley". In dessen Orgelintro, so behauptet Zöller auf S. 338, befände sich ein Punktklang, der zweimal einen Kreis beschreibt, was "auf einer Stereoanlage hörbar" sei. Weiter heißt es: "Der Hörer wird von der magischen Wirkung Aleister Crowleys eingeschlossen. Darüber hinaus weicht dieser Titel stilistisch insofern vom Hardrock ab, als der Text gut verständlich ist." Letztgenanntes kann man getrost ins Reich der Fabel verweisen: Ozzy singt in "Mr. Crowley" genauso wie sonst auch, und der Song selbst ist nicht etwa 'ne Ballade (bei der aufgrund sparsamerer Instrumentierung der Gesang automatisch verständlicher rüberkommt), sondern ein Ozzy-typischer Midtempo-Hardrocker. Die Sache mit dem Intro habe ich natürlich auch gleich nachgeprüft. Erstes Problem war herauszufinden, was Zöller mit dem Punktklang meinte - offenbar einen gewissermaßen in sich zusammenfallenden Akkord, der im zweiteiligen Intro jeweils am Ende eines Teiles zu finden ist. Der erste dieser Klänge beschreibt aber keinen Kreis, sondern wird gespielt und bricht zusammen. Interessanter wird es beim zweiten: Dieser kommt zunächst nur aus der linken Box, wandert dann zur rechten (indem er links leiser und rechts lauter wird), hört dann für einen Moment völlig auf, um danach wieder in der linken Box zu erscheinen. Nach einem sauberen Schlußakkord ist das Intro zu Ende. Die beschriebene Bewegung könnte man mit viel gutem (oder bösem) Willen als Kreis interpretieren, aber durch die kurze Unterbrechung ist er nicht geschlossen und für etwaige magische Zwecke damit unbrauchbar. Eine zweite Kreisbewegung, die Zöller angeblich gehört haben will, ist weit und breit nicht auszumachen.
Wie sieht es denn mit den theologischen Kenntnissen von Frau Zöller aus? Auch hier leistet sie sich einen groben Schnitzer, und zwar beim Versuch, das gesprochene Intro zu Iron Maidens "The Number Of The Beast" zu deuten. Selbiges ist aus der Offenbarung entnommen. Zöller stellt richtig fest, daß die Zitatangabe Offb 13,18 nicht ganz korrekt ist, sondern dies nur auf den zweiten Teil des Intros ("Let him who hath understanding reckon the number of the beast, for it is a human number, it's number is six-hundred and sixty-six") zutrifft. Auch Zöllers Feststellung, daß der einleitende Ausruf "Woe to you, oh earth and sea" aus Offb 8,13 stammt, trifft zu. Aber es geht weiter: "Der sich anschließende Nachsatz ("For the devil sends the beast with wrath because he knows the time is short" - Anm. rls) ist entgegen den Angaben kein Zitat, sondern eine Interpretation der Aussageintention und der Schrift stilistisch nachempfunden." Hätte sie die beste Freundin des Pfarrers beim Predigtschreiben, die Konkordanz, nur mal noch offengelassen. Dann wäre sie vielleicht darauf gestoßen, daß "For the devil ..." doch ein Bibelzitat ist, und zwar aus Offb 12,12. Dazu paßt auch einer der bei solchen Autoren beliebten Widersprüche (S. 338): "... da nachweislich viele Jugendliche durch die Musikszene zu diesen (okkulten - Anm. rls) Praktiken kamen." Abgesehen davon, daß mich mal interessiert, wo diese Nachweise zu finden sind, heißt es 17 Zeilen weiter unten: " ... wird man feststellen können, daß das Hören von Heavy Metal oder auch Black Metal nur selten zur Übernahme von okkulten Anschauungen führt ..."
Auf S. 339 stellt Zöller richtig fest: "Die Leistung der Rockmusiktexte besteht also eher darin, Ängste, Sehnsüchte oder Protest zu thematisieren." In den folgenden Ausführungen wird der Symbolcharakter einzelner Textfetzen m.E. aber stark überbetont. Dazu paßt auch die Aussage von S. 340: "Der Klang als Symbolträger ist dabei offensichtlich so stark wirksam, daß viele Inhalte im Kontext des Heavy Metal als Bedrohung empfunden werden, während vergleichbare Texte und Szenarien in der Diskomusik, etwa in 'Thriller' von Michael Jackson, weitaus weniger Beachtung finden." Die Beobachtung ist zwar zweifellos korrekt, die Ursache liegt aber nicht hauptsächlich im "Klang als Symbolträger", sondern im BILD, das die breite Öffentlichkeit immer noch vom Metaller hat.
Die folgende 1,75seitige Abhandlung "Rockmusik - ein moderner Mythos" können wir übergehen. Sie steht relativ zusammenhanglos im übrigen Text und macht mir den Eindruck, nur ihre Daseinsberechtigung zu haben, um der Artikelüberschrift einigermaßen Genüge zu tun (vom Terminus "Mythos" war im bisherigen Text noch gar nicht die Rede). Interessant ist aber folgender Satz über die Ursachen des Jugendsatanismus: "... auch noch einige vordergründige Motive zu nennen, etwa das der Neugier, das - verbunden mit der spektakulären Medienberichterstattung - wesentlich zu seiner Verbreitung beigetragen hat ..." Die Rolle der Medien ist m.E. sogar noch höher einzuschätzen.
Angesichts der partiellen Haarsträubereien in diesem Artikel hat mich die durchdachte und nachvollziehbare Abschlußbewertung Zöllers aber doch einigermaßen überrascht: "Über den Prozeß der Identitätsfindung werden Jugendliche mit der derzeitigen Weltanschauungsszene, also auch mit Formen des Satanismus, konfrontiert. Dabei kann es bei persönlicher Disposition geschehen, daß solche destruktiven Kulte und Allmachtsphantasien als scheinbare Lösungswege angenommen werden. Im allgemeinen aber werden solche Extreme im Rahmen von Jugendkulturen Übergangsphasen auf dem Weg zu einer individuellen Lebensgestaltung sein." Wer jetzt hier was von Verharmlosung faselt, hat weder Zöller noch mich richtig verstanden.

Die Zeitschrift "Wort und Antwort" erscheint vierteljährlich mit einem Themenheft. In Heft 1/96 (Januar-März) drehte sich alles um die "Hölle", und wo die ist, kann die Rockmusik ja bekanntlich nicht weit sein. Prompt erschien in diesem Heft (S. 34-38) dann auch ein Artikel von Anto Bobas, überschrieben "Satanismus in der Rock-Musik". Der kroatische Autor scheint "Die Sehnsucht nach mehr" von Ilse Kögler exzerpiert zu haben und glaubte wohl, daß er es auch verstanden hätte. Jedenfalls bezieht er sich in 6 von 22 Fußnoten auf dieses Buch (das er als "Kogler" zitiert) und meinte offenbar, das sähe schon sehr nach einseitigem Wissen aus, also sei es wohl besser, wenn er die gesamte obere Hälfte von S. 35 nicht auch noch als Kögler-Zitat angäbe, obwohl es wörtlich abgeschrieben ist. Und der Zusammenhang, in den Bobas die Kögler-Zitate stellt, ist auch keinesfalls immer mit deren Intention identisch.
Schauen wir mal, was Bobas als Eigenleistung vollbracht hat. Da sieht's ziemlich böse aus. Die Behauptung auf S. 35, heute werde "... Heavy-Metal als eine Reaktion auf Soundexperimente des Psychodelic-Rocks in die siebziger Jahre eingegliedert", schießt gleich mehrere Böcke mit einem Mal (orthographisch wie inhaltlich), und ein Satz wie "Die Musik (gemeint ist Heavy Metal - Anm. rls) wird von mehreren Bands gespielt" (ebenfalls S. 35) ist schon oberkultig. Auch im düsteren Fach vollbringt Bobas nicht gerade Höchstleistungen. Die Crowley-History auf S. 36 ist miserabel recherchiert (das "Do what thou wilt ..."-Gesetz zum Beispiel schrieb Crowley schon über ein Jahrzehnt vor der 1921 erfolgten Thelema-Gründung im sizilianischen Cefal und nicht etwa aus Anlaß dieser), und über Anton Szandor LaVey heißt es: "Er hat seine eigene Philosophie des modernen Satanismus entwickelt, für den selbst Satan nicht mehr nötig ist" (das hat Wenisch mit seinem oben erwähnten Wort vom Crowleyschen "satanischen Pantheismus" eleganter, wenn auch genauso widersprüchlich ausgedrückt). Nicht neu ist auch folgendes Märchen (S. 37): "Von einigen Rockgruppen ist bekannt, daß sie ihre Schallplatten/CDs, bevor sie auf den Markt kommen, im Rahmen einer 'Schwarzen Messe' durch besondere Rituale dem Satan widmen." Um seinen Artikel aufzuwerten und seine Unkenntnis zu verschleiern, muß Bobas sich gedacht haben, macht sich Fremdworteinsatz immer gut. Dabei kommt folgendes heraus: "Wir wissen, daß 80 Prozent der Heavy-Metal-Hörer (und über 50 Prozent Heavy-Metal-Musiker) Adoleszenten sind." Ganz abgesehen davon, daß mich mal seine Quelle interessieren würde (die 50% erscheinen mir nämlich deutlich zu niedrig gegriffen - wer ist denn die andere knappe Hälfte? Rentner? Kindergartenkinder?), hat er m.E. den fremdartig und gefährlich klingenden Terminus "Adoleszenten" (könnte sich ja auch 'ne Geisteskrankheit dahinter verbergen) nur aus Proporzgründen gewählt.
Unterm Strich bleibt ein recht zusammenhangloser Artikel in schlechtem Deutsch, zusammengewürfelt aus Klischees, Phantasien, den genannten Kögler-Zitaten und einigen kroatischen Quellen (die ich mangels Sprachkenntnissen nicht nachprüfen kann). Die Überraschung kommt (wie bei Zöller) zum Schluß: Bobas hat offenbar Bubmanns "Pop und Religion" gefunden und daraus (zitatenunterlegt) eine erstaunlich einsichtige Abschlußansicht gemacht, gipfelnd im Zitat: "Bieten wir (die Kirche - Anm. rls) ihnen (den Jugendlichen - Anm. rls) etwas Besseres an, womit wir sie aus dieser Welt herausführen können?" Denken wir mal drüber nach ...

"bildung konkret" ist die Zeitung des Deutschen Lehrerverbandes. In Ausgabe 10/1989 hatte die Redaktion gleich drei Seiten (8-10) der "Dokumentation: Satanismus in der Rockmusik" gewidmet, auf der drei ältere Statements zum Thema plaziert wurden. Ich fange mal hinten an: Statement 3 ist ein Auszug aus "Neureligiöse Bewegungen" von Christoph Minhoff und Holger Lösch, herausgegeben von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit 1988. Ich weiß zwar nicht, was sonst noch so in dem Buch steht, aber der abgedruckte Auszug ist, um mal einen "Gastbayern" zu zitieren, "wie Flasche leer". Daß Iron Maidens "Seventh Son ..."-Scheibe ein Konzeptalbum ist, das man schon als Ganzes betrachten muß, wenn man es verstehen will, haben die beiden ebensowenig bemerkt wie die Tatsache, daß "Sympathy For The Devil" zwar ein Stones-Song ist, aber nicht die ganze Platte so heißt. Und die Selbsterklärung von Alice Cooper über "seinen satanisch-okkultistischen Anspruch" (den er nie gehabt hat - seine Show war nur zur Unterhaltung gedacht) muß, wenn sie nicht ganz erfunden ist (eine Quellenangabe fehlt), Mitte/Ende der 70er Jahre entstanden sein, als Alice wirklich permanent besoffen war. Damals waren "viel Flasche leer", um o.g. Gastbayern etwas abzuwandeln. Viel mehr hat der Artikel schon nicht mehr zu bieten. Positive Aspekte erst recht nicht.
Rüdiger Hauts "Der neue Hang zum Okkulten" erschien original im Heft 4,5/88 des AJS-Forums und ist nicht wesentlich gehaltvoller. Im BILD-Stil schwadroniert sich der Autor durch Sätze wie "Dem Autor sind Fälle bekannt, bei denen Zusammenhänge zwischen der 'Message', einschließlich der 'Black Metal'-Symbole, und satanistischen Praktiken bis hin zu kriminellen Handlungen (Tötungsdelikten) eindeutig zu erkennen sind ...", zählt unter Black Metal Bands wie Venom, Slayer, Mercyful Fate/King Diammond (sic!), AC/DC, Kiss oder Mötley Crüe (da sind sogar 'n paar Zufallstreffer dabei) oder führt einen "Einladungszettel zum Konzert einer dieser Bands" an, womit er "deutsche Hard-Rocker" meint und wo mich, da Haut den Bandnamen nicht nennt, die Herkunft mal interessiert hätte. Ansonsten ist auch dies ein Fall für Adornos Philosophie des Nichts ...
Eindeutig am interessantesten ist Harald Baer mit "Distanz zur Erwachsenenwelt oder auf dem Weg in die Hölle?", entstammend der Zeitschrift "Jugend und Gesellschaft" 4/88. Wissenschaftlichen Ansprüchen genügt aber auch dieser Artikel nicht, da nur Autorennamen als Quellenbezeichnungen angeführt werden, aber keine Werktitel. In blau umrahmten Kästen (erinnert vom Layout her an finsterste Zeiten der Deutschen Lehrerzeitung der DDR) werden vier Texte angeführt, mitunter nur auszugsweise: Slayers "Hell Awaits", Iron Maidens "Only The Good Die Young" (aus dem Zusammenhang der Konzeptscheibe "Seventh Son ..." gerissen), Mercyful Fates "Don't Break The Oath" und AC/DCs "Highway To Hell" (gar nicht erst übersetzt, aber dafür mit dem alten Märchen ergänzt, der Bandname stehe für Anti-Christ/Death to Christ). Die ersten anderthalb Spalten des eigentlichen Artikels stellen völlig wüste Beziehungen zu den Wiener Aktionisten auf; einer derselben, Joseph Dvorak, soll eine halböffentliche schwarze Messe zelebriert haben, zu welcher die Rockband Dry Halleys gespielt habe. Wenn dem wirklich so war, hat Dvorak die Band garantiert nur als Mittel zum Zweck benutzt - zu echten schwarzen Messen, ich wiederhole mich, gibt's andere Sounds als Background. Der nächste Abschnitt "Emotion und Körperlichkeit" hingegen rechnet in nachvollziehbarer Weise mit Banol ab. Auch seine Ablehnung der Backward Masking-Vorwürfe ist Baer positiv anzurechnen, obwohl die Begründung etwas seltsam dahergehumpelt kommt: Baer meint, er könne nicht einsehen, "... daß sich der Aufwand für relativ dürftige Aussagen lohnen sollte." Noch was fast Richtiges: "Die vom Hardrock ausgehende eigentliche Umwälzung gegenüber dem herkömmlichen Musikbetrieb (er meint Klassikkonzerte - Anm. rls) besteht in den Konsequenzen für die Motorik der Jugendlichen." Diese Konsequenzen wurden vom Hardrock zwar verstärkt, aber sie entstanden schon im Rock'n'Roll der 50er Jahre oder noch früher (man erinnere sich an Swing und andere "Negermusik", die in konservativen Kreisen auch schon reichlich verpönt war). Aber mit dem Kapitel über "Gruselrock" reißt Baer vieles wieder ein. Daß Ozzy nicht Führer von Black Sabbath war, hatten wir weiter oben schonmal. Der Song "Mr. Crowley, I wanna know what you meant" (der eigentlich nur "Mr. Crowley" heißt) stammt auch nicht mehr von Black Sabbath. Thesen wie "Die wachsende Aggressivität des 'Gruselrocks' und die Demonstration von Gewalt auf der Bühne wird in der Folgezeit begleitet von zunehmender Primitivität der Musik, welche sich ohne theatralisches Rahmenprogramm als zu wenig attraktiv erweist" gehören ebenfalls ins Reich der Fabel - Slayer-Songs beispielsweise gehörten zum technisch Anspruchsvollsten, was der Heavy Metal in den Achtzigern zu bieten hatte, und Metallica sind auch ohne theatralisches Rahmenprogramm zur größten Metalband der Achtziger herangewachsen. Auch die "... verkrampfte Suche nach dem subversiven Gag ...", die Baer einigen Bands unterstellt, führt hier und da in die Sackgasse: Die Amis Wehrmacht waren bei der Bandgründung noch keine 15 Jahre alt (und daß selbst die Hälfte der erwachsenen Amerikaner nahezu kein Geschichtsbewußtsein, schon gar nicht europäisches, aufweist, sollte bekannt sein), und die britischen Napalm Death, allesamt politisch links eingestellt, haben ihren Namen keinesfalls als Gag angesehen, sondern als Manifest der allgegenwärtigen Unterdrückung sämtlicher Unterprivilegierten durch die herrschende Klasse. Wie ein Teil seiner Kollegen kommt auch Baer aber zu einem überraschenden Abschlußstatement: "Ich werde jedoch den Verdacht nicht los, daß die Fundamentalisten (einen Satz vorher nannte er u.a. Banol - Anm. rls) in bezug auf die Vorstellung des Teufels einem semantischen Fehlschluß unterliegen. Sie sehen den Satan als personales Gegenüber von Gott an (bis hierher korrekt, aber jetzt kommt Unsinn - Anm. rls), während in der Rockszene der Begriff nahezu identisch ist mit moralischer Schrankenlosigkeit und sexueller Gewalt." Tja, die richtige Ausfallstraße genommen, aber dann doch falsch abgebogen. Wenischs bereits genannter "Protestsatanismus" wäre die richtige Ausfahrt gewesen. Damit habe ich erstmal fertig. Mehr von der schwarz-weißen Front in der nächsten Folge.
 

Hier geht's zu "Haarus Longus Satanas? - Teil 6".



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